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Samstag, 2. März 2013

Dieter Schlesak Tagebuch 1 1968-2013


                                                                  
                                                               1970

Äsch hieß damals meine Hauptfigur. Die Szenen ergeben sich aus den Erlebnisvorgängen im Erlebnis der Realität; wann ist sinnvolle Realität und damit Anwesen (locus solus) möglich? Äschs Krankheit ist: der Stillstand in der Abwehr von Zeit, Geschehen und Wirklichkeit.
Äsch also ist meine  Hauptfigur, die ich dann in TS und T. (totalitäre Seele) umwandelte,


Ich fühlte keine Form in mir. Dazu passten diese damals zu T. geschriebenen Verse:

Wasslaue Blässe blau
Blaumilchreiches  Hauchen,
helldurchreichte Nebellichter
auf der Lichtung rauchen:

 Siehst sie kommen,  siehst sie gehen,
weh, verruchtes Schreiben
lichter Schatten ohne Form
Kommen und dann Gehen

Und die Wärme im Geruch:
Malt den Schreibern Blumen
doch wie steif gewebtes Tuch
 muss die Stunde warten.



Es ist mühsam mit dem Sprechen im Gesprächsschreiben; das geht sehr langsam

In den Zwischenräumen taucht das Erlebte im Laufe der Zeit auf:
Ich erinnere jetzt mein Israel Tagebuch  (Juni/Juli 1970) totes Meer; wir sind 400 m unter dem Meeresspiegel,  45 Grad heiss. 
Dann fahren wir an den berühmten Felshöhlen vorbei, wo die Urschriften der Bibel gefunden wurden.

Und genau an diesem Tag, am 11. Juli 1970 wurde mein Sohn  Michael in Bukarest geboren.

(Das die Daten dieses Schreibbeginns, am Anfang war das Wort;  wie winzig und unbedeutend ist dagegen dieses TB, das ich so aufgelistet habe:

Endfassungen:  tb 29.04.12
23.5.12, 28.5.
23.6.12     9.7.12, 10.7. 14.7.
19.7. 26.7.
15.August 12.
11. Oktober 2012

Und am 5.Januar 2o13 Mutters Geburtstag; wenn sie noch leben würde, wäre sie 102 Jahre alt geworden. Sie ist vor sieben Jahren gestorben.
Und ihr, die mir diese Welt geschenkt hat, widme ich dieses Tagebuch, das so beginnt:

                       
                                              TAGEBUCH 68/70

Es war der Beginn meines Westlebens. Als hätte ich vorher nicht gelebt. Ich erinnere noch die Aufregung des ersten Fluges von Bukarest  nach Brüssel. In der Luft zwischen den Ländern und Grenzen meinte ich zum ersten Mal Freiheit zu spüren. Es war der 3. Oktober 1968, ich durfte zum internationalen Symposion in Mondorf (mit Ion Caraion und Veronica Porumbacu) fahren; es war auch die erste Parisreise, Es war wie ein Traum so unwirklich alles: und ich glaubte es nicht, fragte mich immer wieder: bin ich nun wirklich hier? Die  Tage in Paris (mit Nina Cassian,  fast auch mit Paul Celan).  - all diese ersten Eindrücke hatte ich in einem Notizbuch Fest gehalten;die Aufzeichnungen sind leider verloren gegangen, es gab sie in einem Notizbuch, das ich in einer Telefonzelle in Paris/Orly liegen gelassen hatte, ich hatte versucht mit Inter Nationes (Dr. Fehr) zu telefonieren, weil die Franzosen mich  wegen meines fehlenden Visums im  rumänischen Pass nicht abfliegen ließen.

 Flüchtig notiert jetzt die Pariseindrücke: Hotel, nr. Onze neben der rumänischen Botschaft. Salami und Rotwein meine Nahrung. Pigalle. Die Hure Sonja. Als geistiger Ausgleich: Nina Cassian. 
Celan schon in der Heilanstalt. Bekanntschaft mit einem französischen Germanisten.
Einiges, vor allem  die erste Station Brüssel, Mondorf habe ich  in meinem Buch VISA beschrieben.

Die vorhandenen Tagebücher von damals: handgeschrieben in Notizblocks  (TB1 1969 und weiter) beginnen erst am 23. Oktober 68 mit dem Abflug aus Paris nach Bonn.
 Ich finde dazu notiert als Bilanz:

1.      Heft. 1968 ab 23. Oktober.
Abflug.  (Eindrücke)
Der erste Kontakt in Bonn mit Deutschland, das Hotel Mozart,
24. Oktober Fragestunde im Bundestag
26. Oktober Köln-Stuttgart. Dann Stuttgart-Aalen.(Samstag-Sonntag)
Notiert: "Unausstehlich! Bürgerlich -kalt. Steif. Für uns der Tod.
Montag/Dienstag Stuttgart und Ulm.
Ulmer Dom

Dann München.
Sonntag 3. November. Gespräch mit Volker Riegger.
Montag 4. Hans Jürgen Schmidt bei Piper kennengelernt.
Flug München-Köln.

Der Karneval bei Inter Nationes, die Begleiterin die mir wohl für einen Nachtfick zugedacht war, Monika? Die Reisen nach Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, die lebensentscheidende Begegnung mit Linde im S. Fischer Verlag am 13. November 68 vormittags. Das Hotel Kupferschmidt, die Parvisgeschichte (Lindes Maker, der wegen Drogenhandel im Knast  gesessen hatte! Dann rauskam und uns im Bett überfiel, wir vögelten gerade. Er hatte die die Tür eingetreten und schlug mit seiner Aktentasche auf mich ein.)

Flug Köln -Hamburg.
Hamburg-Frankfurt.

Wieder Frankfurt. Manthey kennengelernt. HR.

November 1968, die Einladung auf den Sonnenberg, das Treffen mit der tschechischen Delegation.

Die Tagebücher ziemlich diffus notiert.

Heute  am 12.7.2012, so viele Jahre später -
Notizen in den TBs (lose Blätter)gefunden:

 Für Dieter-Michael
Ich sehe das Wort nicht
Und kann es sprechen
Die Jacke  halt ich auf
Die du verloren hast
In mir und überall hinaus
Bis an den Rand der Luft.

Bist du ein Sprechgerät
der Fernen?

Als ich  dann erst nach einem halben Jahr, März 1969 nach Bukarest zurückfuhr, sagte Magdalena und auch meine Redaktionskollegen: Du hast dich verändert so als wärst du sehr weit, als könntest du hier nicht mehr ankommen. Und T. (so nannte ich mich: „Totalitäre Seele“) wusste das. Er war „gebrochen“,  schwach und distanziert geworden.

Gespräch mit Gysi (L.s Bruder) 1973.
Die Masse, auch die Masse der Intellektuellen ist erstaunlich wirklichkeitsgläubig.
„Patent“ das Wort dafür: es klappt. Alles andere ist auszuklammern. Die Kraft der Integration der heutigen West-Systme ist so groß, dass sie eine Revolte des „pathologischen Rationalismus“ nicht nur verkraften, sondern auch für sich ausnützen können, als sei nur die politisch-ökonomische Frage zu klären- nd allses sonst in Ordnung.
Doch die Karenz geht in die Grundlagen auch in die gGnoseologien  in die Ideologie der Systeme. Das ist verhunzte Aufklärung.
Die Analyse der Warenbeziehung im W. Warenfetischismus. Geld.  Diese quälende Abstraktion übertragen auf das Staatsgefüge/ Totalitäre Gesellschaft zu Hause. Im W. war die Warenbeziehung überall zu sehen. Bis hin zum Preis, Auslagen. Alles hat seinen Preis. „Geisterhaft“, mystisch“.
Zuhause war das Gesellschaftliche, auch die Warenbeziehng ausgeschlossen. Waren nur zum Essen,  nur „gute Dinge“ „schöne Sachen“, alles nur rein privat.
Ideologische Totalität.
Italiens Staatskapitalismus ist viel klarere erkennbar als in D. Gro0e Konzerne staatlich. VGl. Basaglia.
Zuhause im Osten war der Hauptzustand aller  das WARTEN.  Schlange stehen. Hoffen auf Morgen.
Bin ich so schwach und knieweich geworden im Westen? Ich erinnere mich, wie stark ich doch früher war. Erinnere ein Gespräch mit den Rechten: Arnim Mohler und  von Schrenk-Notzing, dem Herausgeber der rechten Zeitschrift „Criticon“. Der schwieg zu meinen Anwürfen die ganze Zeit. Es gibt nichts als Liebe und Tod sagte Mohler. Klammerte die Gesellschaft als unwichtig aus.
Habe ein Autorenbuch begonnen beginnend mit 1973 , 18. Mai, der Ankunft hier.

MEINE TOSKANA
Selbsterlebte Landschaften. Die Versilia, Lucca, Elba

Ein Autorenbuch


INHALT

I Agliano /Lucca. Mein Ort in der Toskana ………….  2

II ALPI APUANE …………………………………… 49
Antro di Corchia. Tropfsteinhöhle
Stazzema. Marmorberge. Michelangelo
Sant´Anna Di Stazzema …………………………….. 109

III Carrara ……………………………………………140

IV Lucca ……………………………………………..153
Bagni die Lucca und Montaigne
Puccini

V Pisa ………………………………………………  203

VI   Florenz  ………………………………………… 221

VII   Viareggio ……………………………………… 225
Gabriele d'Annunzio.
Shelley
Rilke
Thomas Mann
Frasquita, das Segelboot

VIII  Das Meer …………………………………..          305
Portovenere
Cinque Terre
Elba


IX  Reisetagebuch. Stimmungsbilder ………………333


Bücher

Hier daraus ein Auszug:

I   AGLIANO/Lucca.  Mein Ort in der Toskana
Mein Großvater pflegte zu sagen: »Das Leben ist erstaunlich kurz.
Und ein Kafka-Zitat: „Jetzt in Erinnerung drängt es sich mir so zusammen, dass ich zum Beispiel kaum begreife, wie ein junger Mensch sich entschließen kann, ins nächste Dorf zu reiten, ohne zu fürchten, dass - von unglücklichen Zufällen ganz abgesehen - schon die Zeit des gewöhnlichen, glücklich ablaufenden Lebens für einen solchen Ritt bei weitem nicht hinreicht.« Franz Kafka, Das nächste Dorf.

Immer wieder unsere Reise von Stuttgart nach Camaiore, hier eine dieser Fahrten:
Ich sah kurz vor der Ankunft unten im Tal wie ein großes doppeltes S  den milchigen Fluss. Der Wagen fuhr sehr schnell  auf der Autostrada della Cisa in Richtung Versilia. Es war noch ziemlich warm. Etwa neun Stunden von Stuttgart bis ins Magratal; es war neunzehn Uhr, doch die Sonne schien noch sehr hell und blendete. Helle vom Meer auf die alte Kaiserstraße.
Castelvecchio war längst nicht mehr zu sehen, wir hatten es hinter uns gelassen;  eine an den Bergen hängende Fata Morgana, Phantom Vergangenheit, sagte ich laut. Doch L. musste einen Laster überho­len, und bei 150  ist alles wie   ausgelöscht, eine einzige falsche Bewe­gung, und du bist tot.  Die  Landschaft  ist immer noch schön, wie stehengeblieben, wenn man aussteigt. Und wir fahren hinauf in die Berge. Weinstöcke, Wiesen. L. hat genau wie ich eine Sehnsucht nach der  Sanftheit des alten Gartens. Doch jene Sehnsucht ist kaum noch zu erfüllen. Im Fahren  ist die Wirklichkeit schneller und immer schon vorbei. Jetzt die FORTEZZA DI FIRMAFEDE, vorbei. Wie ein Mensch, alt und gewesen. Weiß der Käse im Mund, und Oliven schwarz, so stellt sich der Fremde Italien vor: ein Gauner-Paradies. Eine Schnitte weißer Käse, die fetta. Und die Schlösser der Lunigiana, nachzulesen die Sehnsucht in unserem neuen Führer, dem folgt ein zu Hause Unbefriedigter, wenn er kann, jederzeit. Alles bricht unter der Last der Vergangenheit zusammen, jetzt mehr, denn je, denkst du, wie oft ist es früher schon und immer wieder gedacht worden; am Turm dort die Straße der Gerüche, sonst nur Namen: Niccolo V. und Castruccio Castracane, der Condottiere aus Lucca (Machiavelli schrieb eine Biographie); und merk dir, du heißt  DS. Du sollst die Zeitung kaufen, du sollst die Tagesschau sehen, sagt L.; ich winke ab; ich möchte  wissen, ob der Tod endgültig ist; ich habe große Lust, mich viel weiter zu entfernen, als es mit unseren schnellen Verkehrsmitteln möglich ist. Bei Lichtgeschwindigkeit steht die Zeit still, Chiliast, sie geht zurück in die Vergangenheit, jeder von uns lebt in jedem Augenblick schon in jenem Bereich, und muß es in jedem Augenblick auch sofort schon wieder vergessen, um hier leben zu können.
      
Und dann „Zu Hause“: Nacht. Ich sah zum offenen Fenster hinaus in den Garten.  Draußen schwarz der Schatten des Daches, vom Mondlicht wie ab­geschnitten und auf das Gras geworfen, schwarze Flecken, und ich, pro­­jiziert mit Fensterschatten unter dem Pinienbaum. Alles wie früher, mit diesen schwarzen Schatten der Melancholie, so langsam, summend auch die Zeit, in Deutschland habe ich nirgends die Stimmung eines Rau­mes, eines Zimmers, Hauses, die Nähe der Menschen so stark gefühlt, kaum die Nähe meiner Mutter oder meines Sohnes. Woran mag das nur liegen?
 
Und nun hier in der „Fremde“ zu Hause?! Die Halluzination zu zweit ist schwer durchzu­stehen. Der Kollege Muschg hat Recht, der Krieg geht durch die Paare.

Und hier unser Haus, das letzte auf dem Foto. Und unere Wiesen, unser Wald:




                                                    2                                                        
Nach zehn Stunden Autofahrt von Stuttgart, über die Schweiz, Tessin, Mailand, den Apennin  waren wir "zu Hause" in unserer Fremde angekommen; das Grün und Weiß auf den Feldern, die blaue Luftkugel des Südens über mir, Kirschen blühn, Knospen platzen, überall dicker Samengeruch in der Luft; Weiße, weißer Fleck, das Unbetretene, das nicht besetzt werden darf; alles nur ein Zeichen. Auf den Feldern Feuer und Rauchgeruch. Draußen vor dem Fenster ein Ave Maria und  Vogelgezwitscher; wie einst im Mai. Gefühle zeigen  noch einen Weg. Im Auge viel Grün: italienische Kastanien; und die Zeilen  hier wie die Reihen der Reben.
Schon viele Jahre leben wir hier  in unserem  Haus in Agliano/Camaiore, unweit von Torre del Lago und Viareggio.
Ja, Puccini ist bekannter als dieser Ort.

Das Puccini Festival von Torre del Lago läßt Besucher in die Atmosphären eintreten, die den weltbekannten Meister inspirierten. Das große Freilichttheater erlaubt dem Publikum, die Opernaufführung zusammen mit der natürlichen Umgebung zu genießen: die Bühne öffnet sich direkt auf der eindrucksvollen Aussicht des Massaciuccoli Sees und der Apuanischen Alpen im Hintergrund, wo wir leben.
. Als Puccini Torre del Lago entdeckte, wurde er von seinem Charme verzaubert, und er beschrieb es mit diesen Wörtern: ".. höchste Freude… Paradies… Eden… 120 Bewohner, 12 Häuser. Ein ruhiges Dorf mit außerordentlichen Sonnenuntergängen.."
Nach einem Jahrhundert ist Torre del Lago immer noch ein irdisches Paradies: sonnige Strände, frischer Pinienwälder, stille Seeufer. Um dieses zerbrechliche Gleichgewicht zu bewahren, gründete die Regione Toscana 1979 den Regionalen Park von Massaciuccoli - San Rossore, ein Naturschutzgebiet zwischen Pisa und Viareggio, dem See und dem Tyrrhenischen Meer. Der Park erstreckt sich über 23 tausend Hektare, in dem die typisch südländische Fauna wächst. Besonderheit des Naturschutzgebietes ist die gleichzeitige Anwesenheit von atlantischen und kontinentalen Pflanzenarten, die normalerweise im südländischen Gebiet nicht wachsen.

Unser Haus ist ein  altes Haus, und es sieht aus, als hebe es sich wie ein Buch­stabe aus dem um­gebenden Land, ein einfacher geometrischer Kör­per, und wirkt fast antik; „cultura uterina“, sagt L., „umgebendes Sicherheitsgefühl“.

     Ich schreibe, die Zeilen wie herein­geholt aus dem Land, den Fur­chen, die der Bauer auf dem Kartoffelacker gezogen hat: Das wäre gut, doch maßlos untoskanisch: es ist lei­der nicht zu ändern, die Schrift ist mein Beruf; ich gehe damit weit zu­rück, und kann diesem Land entsprechen:
     „Es ist ein uraltes Land. Je höher du die Hü­gel hochsteigst“, sagte L., die mir den Tee brachte und auf dem Bildschirm die Zeilen gesehen hatte: „Je höher du hin­aufsteigst, umso verwischter sind die alten Furchen und Steinmauern, unbebaut fallen sie wieder ins Nichts zurück, -  hast du es nicht bei unserem letzten Berg­aus­flug gesehen?“„Danke“, sagte D., „ich schreibe trotzdem weiter. Und warte, und du wirst dich noch wundern. Nun gut: Wir haben es nicht gese­hen, doch früher war das Land hier bebaut“.  Und Sie sah zum Fenster hinaus: Die Zeilen dort draußen sagten ihr mehr. Bis hoch hinauf, der Bauer hat es be­schrieben: bis auf achthundert Meter Höhe war das Land außerordentlich feinschichtig gewo­ben, wie ein Ge­dankennetz, bei Fiesole sieht man es noch heute: Linien, Flächen, Tra­peze, dann die Reihen der Wein­stöcke, die längst, als wären sie unerlaubt, gewe­sen und ver­gangen sind; dazwischen Diagonalen, Horizontalen, Grammatik des al­ten Landes, verdichtet  als Rast, als Punkt der Milde, wo alles noch einmal geträumt wird, die Casa, um­geben von Olivenbäumen, Zypressen, Feigenbäumen, Obstbäumen, und  wirkt aus der Vogelschau merkwür­dig, abstrakt und doch orga­nisch, als wäre es das ge­formte Unbewußte, Muster des Schrei­bens; Zeilen, Formen, dem Land abge­rungen, und doch etwas zur Sprache gebracht.  Es ist uns noch geblieben, in engster Um­gebung. 

„Tempi passati“, sagte L., „du meinst es doch auch: Alles ist noch da und doch wie längst vergangen; ich mag  deine Nostalgie, missversteh mich nicht, sie ist ja auch meine: bei all den neuen hässlichen Villette der Neureichen  Alles wird  jetzt >neu< gemacht, pompös und reich, glitzernd und protzig. Schau dir nur an, was für Häuser die jungen Leute unserer Umgebung in die Landschaft ge­stellt haben, die Kin­der unserer früheren Bauern. Alles so ge­lackt, dass sich die Kastanien schämen, einer hat sogar eine elektronische Anla­ge an der Gara­ge - mit Fernbedienung. Oder die schöne alte Apo­theke an der Ecke,  die ist nun ein kleiner kitschiger Mar­morsalon, und nicht wiederzuer­kennen. Das geht rapi­de. Die Tante-Emma-Läden sind nun kleine Minimärkte, und alles ähnelt im­mer mehr Bigmac und den Ketten der scheußlichen bunten Pop-und-Plastik-Kultur des McDonald (in Griechenland, in Spanien, in Portugal ist es nicht anders!). Aus ist es mit der SCHRIFT des Lan­des;  und schau dir die neuen Moden an, dieses Gestylte, diese Hahnen­kämme und das Computerfreakhafte mit Juppyeinschlag.“
     „Aber die Landkirchen hier haben einen offenen Dachstuhl, er passt zum alten Land, das wie eine Ruine daliegt, die Landkir­chen mit offenem Dachstuhl schauen fast schon wie Vergessene ins Land.
Ich empfinde es so: sie schmerzt, diese strenge geometrische Klarheit, die kein Abbild des Or­gani­schen, kein Spiegel des himmlischen Jerusalem ist wie bei den Deutschen und Franzosen in ihrer Gotik, nein, einmal  war es hier der Gleichgewichts­zu­stand  zwischen Himmel und Erde, es ist ein besonderes Lebensgefühl, hast du es nicht bemerkt?“
„Es sagt mir besonders zu, ich habe es gern: bei den alten Bau­ern ist es noch spürbar, von denen jetzt die letzten aus­sterben: diese herzliche Distanz; diese maledetti  toscani  hatten früher, als es sie wirklich noch gab, er­kannt, wie kr­aftzehrend  und unöko­nomisch  die Extreme sind, Schönheit aber drückt in aller Einfachheit letztlich  das Praktische aus...“

SOMMER
Dies Habtacht der Sekunde,
stramm (und ohne Analyse).
Der Wendehals. Und sonnenheiß die Feige.
Blaue Himmelskugel -
es sollte durch  zerfetztes Flimmern,
durch Rauchhöllen und Detonationen,
den Engeln und Vögeln hier,
den noch sichtbaren kaputten Seelen,
endlich ein Eingang gezeigt werden;
sie fliegen so ruhelos herum,
vor allem die Schwalben.

Manchmal kommt mir die Himmelskugel vor
wie meine weiche Hirnschale,
die aufplatzen könnte
in dieser Sekunde.


Und sogar Machiavellis praktische Staatskunst, diese Taktik zwischen Zufall, der fortuna, und dem freilich schillernden und vieldeutigen inneren Ordnungs­begriff virtù gehört dazu. Es war einmal, ja, einmal wie ein Märchen,  und vielleicht gehört ihre Sehnsucht immer noch in jene alte Landschaft, de­ren Ruinen jedoch Löcher haben, als könnten sie durch­sehen, jetzt nach vorn; jenes unangemaßte, ja, unbewußte Wissen vom Rätsel des Wachseins, die Klugheit jener Gei­stesgegen­wart, die Skepsis nicht aus­schließt.
Farbtöne und Fernsicht, Fernblick nach innen möglich, und möglich für uns, die Spä­ten, wahnsinnsfrei; hörst du die Kultur dort am Abhang wimmern? Der Kastanienwald am Hang ist nicht  mehr blatt-los, die Olivenbäume tragen schon in der Odyssee jahraus, jahrein ihr Grün. Öl.  Im Tal liegt die kleine Stadt Camaiore. Nebel. Hier verlief früher die Frankenstraße. Fried­rich II. läßt grüßen, die Kirche der Abtei war ein Hospital für Pilger. Auf der Hö­he Höfe. Kaiser und Päpste, mal nah, Dante. Genuesische Wach­türme. Sarazenen. In Luni landete der schwarze Christus von Lucca. Und jetzt: der Augenblick irre. Und stellt mich doch immer noch her. Alles ist ruhig. Und wie längst vergangen. Genau. Und als ich vor meinem Haus im Garten stand, emp­fand ich den Riß: Ein feines  Glasklingen im Ohr. Die Krankheit  liegt tief, diese Krankheit, wie die meisten heutigen Krankheiten, ihre Erreger könnten wir nicht sehen, hören oder fühlen. Kein gewöhnliches Unglück, nein: Eine Art Dimensionsgrenze sei er­reicht, daher auch der Übergang und Hinübergang.
Ein Freund meint, es gehe bis in die Atome,  Atom,  das Unteilbare teilbar, zerfällt, un­ser Schicksal: Atom. Und die Zellen, ja, die Liebe sei auch angegriffen, aus mit dem Hohelied Sex. Die Widerstandskraft unseres Blutes sei gebrochen. Immunschwäche gehe um, wir kön­nen den Körper nicht mehr schützen, er ist längst im Aus. Der Arme... du sagtest, und eine junge Geliebte sagte, ihre Atome fielen auseinander, ihr fehle der Kitt.


                                   Rückblende 1973

Von Vince, dem alten Bauern, hatten wir das Haus im Februar 1973 gekauft, es war eine abenteuerliche Übersiedlung von Bensberg bei Köln nach Agliano /Camaiore. Im Mai 1973.

Und seither sitzt du also nun täglich da, versitzt dein Leben, blickst hinaus auf Kastanienwälder und siehst, wie die Zeit sich ordnet zwischen Rebstöcken, Reihen der Weinreben des inzwischen toten Dorfarztes Barteloni; Bergwind raschelt zuweilen in den Blättern, Säuseln im Baum, dazwischen Blinken der Lichter unten am Meer. Hier – die Schreibstube. Irgendwo drin sein. Wie viele Seiten heute, Freund?
Für uns ist es nicht so weit, das Auge reicht: Ferienland. Und das blaue Meer, Gottes freie Natur? Erinnerst du dich, L., an den Ausflug nach Casa Bianca? Im romanischen Kirchlein von Lucese das: „Deo benedici,/ E sovra il tuo bel colle,/ Eterna sia la dolce Primavera…”: Gott segne uns/ Über deinem schönen Hügel,/ Ewig sei der Frühling und ewige Blumen… toskanische Zungenbrecher die Mauer entlang, die sich für mich sicher nie öffnet.

Froh gehen wir durch menschenleeres Land. Wie vor der Erschaffung der Welt, Wind streicht über unendliche Kastanienwälder, und die Quellen rauschen. In der Ferne die Bergzüge. Ruinen von Bergdörfern wie aus Tausendundeine Nacht, und der Berg Prana nebelumwölkt. Wir legen uns in einem Gehöft unter einen regennassen Heuschober. Wilde Krokusse ringsum, das Haus sorgfältig verschlossen, als wollten die Bewohner bald wiederkehren. In Borgo a Mozzano sagte der Lehrer Bianchi, die rote Region habe neue Gesetze erlassen, die Comunità Montana müsse die verlassenen Gehöfte wieder bewohnbar machen, der Exodus, die Armut, die verwilderten Äcker zeigten die Dramen, die innern Verletzungen seien geblieben, geblieben auch die schreckliche Entvölkerung. Ein Teil der Leute ist ins Ausland gegangen, nach Deutschland und Frankreich, nach Argentinien, ein Teil lebt im Flusstal, bevölkert sei ja das Land nur im Sommer, wenn die Leute aus Viareggio, aus Pisa, aus Florenz, aus London und Frankfurt in die Sommerfrische ziehen.

Krokusse ringsum, zarte Jenseitsblumen, Verlassenheitsatmosphäre. Durchscheinend das Violett, ein Wunder, weißt du noch, L., durch die zerbrochenen blinden Glasscheiben der verrauchte altertümliche Bauernkamin, genau wie der erste Blick in unser Haus hier, weißt du noch: ein umgekippter Stuhl, und in der leeren Flasche war der Wein verdunstet.
Der alte Bauer Vince stand auf der Leiter und schnitt den Feigenbaum; unten am Meer sah man das Blinken der Lichtreihe von der Via Aurelia her. Wir wagten kaum, ihn zu fragen, ob das Haus zu verkaufen sei: Bis nach Siena hinunter haben wir mit Häuserblick die Gegend abgesucht. Hier sind wir geblieben.
Doch ein Stich war’s dann, als wir Naiven hier reiften und es erfuhren: Weißt du noch, Bianchi, ein Schock fast, dass, so brutal gesagt, Poesie hier einfach und billig geworden sei, Reichere (ha: wir) dürften sich’s leisten, die verlassene Schönheit geht an den Mittelstand, quer durch die europäische Sozioökologie. Die Entwicklung neuer Verkehrsmittel, Kommunikation, das wirkt wie ein selbstgemachtes Schicksal. Von wem gemacht?
Der Weg zur Stadt war zu weit mit dem Maultier oder zu Fuß. Der Städter, der Ausländer kam per Boeing und per Auto, kaufte die verlassenen Gehöfte auf, das Land wurde enteignet vom Wahnsinn der Plastikkultur und der diversen ‚Wirtschaftswunder’. Weiß Gott, wie weit die es bringen würden, alles Alte erschien eine Zeitlang wie faul und weit und mühsam und verkommen, die Natur nichts mehr wert. Bis dann der Hunger umschlug, die kunststoffgestopften Mäuler begannen zu kotzen.

Vor Jahren ist Vince, dem unser Haus ein Leben lang gehört hatte, gestorben.
Wir sind die letzten in Vinces Trauerzug gewesen. Der kleine Friedhof in Pieve. So schön klar ist das Gras der Berge seit langem nicht zu sehen gewesen, als beim Begräbnis des letzten Bauern hier.
Ich machte eine weite Handbewegung, ein besseres Panorama – hinter den Augenlidern – hätte er sich nicht wünschen können. Das typische Motorengeheul der Mäh-und -Sägemaschinen, nichts hat sich verändert. Und den Minzegeruch wird er nicht mehr riechen und uns nicht mehr hören können?

Immer an diesem Graben entlang. Immer hat er an solch einem Graben gelebt: Grasmähen für die Tiere, Wiese, der Graben daneben, hinter dem Haus. Sense. Gratwanderung. Scharf schneidet das ein.
Wie viel Uhr ist es. L. versteht nicht. Sie steht da ganz vorn am Grab, wird eben von der schwarz verschleierten Tochter des Toten umarmt; L. streichelt sie schwesterlich.

Langsam den Sarg hinab lassen. ‚Welches Haus ist das dauerhafteste? Das des Grabmachers, es dauert bis zum Jüngsten Tag!’
Sie schieben den Sarg seitlich unter die Betondecke und lassen ihn dann an Seilen hinab, Gepolter, drei lehmige Erdklumpen nachwerfen, ein paar Blumen. Fades Blumenwasser, auch Blumen verwesen, doch ohne eklige Maden, kein sich auflösender Kadaver. So war’s gut, so, als sträube sich der Körper, er will seine Form nicht hergeben.
Es bleibt mir in der Nase ein süßlicher Geruch, sage ich. Leichenhalle zu Hause in Schäßburg, Kränze, Schwarz… schwarz.
L. Schweigt, sieht zurück.
Komm, gehen wir, ich habe Angst vor dem Weinen seiner Tochter. Wir gehen durch das Gewirr der Grabsteine. Ruhe in Frieden. Ich lese die Goldbuchstaben im Marmor, ein Foto, ein junger Mann.

Auch der Ziegenstall oben neben der torre ist zu einer niedlichen Dependance der Touristensiedlung ausgebaut worden, das neue Geschäft eines Londoner Friseurs mit verschleiertem Blick.
Mit dem Alten stirbt eine Zeit, sagte ich zu L. bei einem Regenspaziergang.
Aber das, was ich jetzt sehe, ist wirklicher, dort, fahl im Sonnenlicht die Glühlampen an den Grabsteinen. Unbeschreibbare Gefühle aushalten, den Schmerz der gebückt gehenden Tochter, der Fischersfrau, mit ihrem Mädchen an der Hand.
Der gute Alte, der so verschmitzt lächeln konnte, kaum einmetersechzig groß, hat sein Leben gelebt, wenn auch auf kleinstem Fuß, hat Kinder in die Welt gesetzt, die Tochter, der Sohn ist in Argentinien, Enkel. Sein Weib, die Assuntina mit ihrer herzlichen, aber kaum verständlichen Nuschelrede, zeigte bei jedem unserer Besuche in ihrer steinkalten und verrauchten Wohnung verblichene Fotos aus den fünfziger Jahren, der Sohn wirkte darauf groß und füllig, braungebrannt. Der ‚neue’ Brief vom Sohn schon ein paar Jahre alt. Seit zwanzig Jahren haben sie ihn nicht mehr gesehen, irgendwie ist er schon in die Ferne entrückt, Erinnerung. Die Reise nach Europa ist zu teuer. Und sie nach Argentinien?! Ja, ich war als junger Mann auch dort, sagte Vince dann und sog nachdenklich an seiner Pfeife, aber jetzt… Das klang so, als spräche er von einem Ausflug auf den Mond. Unser Angebot, den ausgewanderten Sohn einmal in Buenos Aires von unserem Haus aus anzurufen – ich dachte dabei blödsinnigerweise an so etwas wie eine winzige Wiedergutmachtung, der Argentinier sollte aus seinem ehemaligen Elternhaus angerufen werden , lehnten sie freundlich dankend aber bestimmt ab. Assuntina ein wenig jammernd, ‚il mio cuore’ sagte sie, ich kann mich nicht bewegen, mein Atem geht schwer. Sie hat Kreislaufbeschwerden, dick geschwollene Beine, Wassersucht. So war sie nun auch bei dem Begräbnis nicht dabei. Mit langen Reisen hatte sie sich abgefunden: Dass du dich nicht unterstehst, im Grab zu rauchen, hieß es oft im Scherz, und ich dachte an etruskische Grabinnenräume Er wird die lange Reise eben ohne mich antreten müssen. Sie schob die Ablehnung unseres Angebotes , in Argentinien anzurufen, auf den Körper, gemeint war aber die Angst vor der Aufregung, dem Schock, diese Stimme aus der Ferne zu hören, so einfach: drei Minuten lang und dann aus für immer. Das Telefon zur Vorspiegelung falscher Tatsachen lehnten sie ab. Getrennt ist getrennt, basta. Damit hat man sich abgefunden. Unvorstellbar so ein Abschied und doch ganz und gar normal. Jeder hat sein Schicksal, sagte Vince, bestimmt, das muss man annehmen. Einiges davon war ihm ins Gesicht geschrieben, Falten, Fältchen, gegerbt, Rinnen, fast schon anonym und wie eine Haut, die eben so geworden ist, wie sie ist, wie ein fremder rätselhaft pergamentner Gegenstand, der uns gar nicht gehört. Und genau so erzählte er auch, immer ein wenig lustig und aufgekratzt, seine Geschichtchen aus dem ersten, dem zweiten Weltkrieg, seine Auswanderungen nach Spanien, Argentinien, sein Aufenthalt als Kriegsgefangener in der Nähe von Wien, wo er ‚cartofele’ hat anbauen und essen müssen. K.und k.Zeit war das und gekämpft hat er am Isonzo, nein, als Koch war er mitgestapft („Ich war klein, da musste ich mich nicht bücken, wenn die Kugeln um mich herum pfiffen.“) Er hat dann nach dem Krieg als Maurer gearbeitet, später, als er ins Rentenalter kam, auf seinem Acker, bis ins zweiundachtzigste Lebensjahr („Ich sterbe, wenn ich aufhöre, ihr werdet es sehen“).
Verkauft hatte er Haus und Acker, um das Geld nach Buenos Aires zu schicken.

Und jetzt wir hier in seinem Haus… Nein, dieses Bibliothekszimmer gehört zum anliegenden Nachbarhaus, das wir über Luisa gekauft haben, sie schrieb an alle 23 Besitzer des Gemeinschaftsrbes….
Wir haben dann aus Vinces und diesem Haus unseres ausgebaut.


Licht­fen­ster mit schwarzen Buchstaben-Leitern

Vom verwitterten Turm aus Pieve schlägt eine Uhr, mein Herz schlägt schneller, das Uhrwerk rasselt, wieder eine volle Stunde, es klingt
durch die graue, Gottseidank noch saubere Mauer an mein Ohr. Ich sitze in meinem Zimmer, täglich, der Blick geht ganz nach innen, hinein in ein Licht­fen­ster mit schwarzen Buchstaben-Leitern oder Flugschmetter­lin­gen, dem Bild­schirmfen­ster, es sind Buchstabenreihen, mit denen ich abhebe, und hebe nach innen ab, oder der Blick geht  von Zeit zu Zeit nach außen, dann ist vor mir das Meer, der Horizont, da schlägt sich das Auge an: Him­mel- und Wasser-Berührung, die Kontur scharf, vor allem am Abend bei untergehender Sonne, südwestlich Korsika, nord­westlich Ven­timiglia, der Golf von Genua, nah aber Pedona mit einem Fern­sehrelais, ein Berg­rücken, wie ein liegendes Tier, kein  Fenster gegenüber, keine Häuser­zeile, die den Blick hemmt, nur ferne Dorfkon­turen wie eine Fata Morgana, die am Berg hängt, als wäre alles aus der Zeit ge­schnitten,  als schreibe man nicht 2008, sondern 1581.

AGLIANO, alieno 
... alieno, der Fremde

DAS MEER liegt vor mir
die Ferne wird zu nichts
täglich/ wie schön der Blick:
eine Briefmarke/ blau
zum Verschicken
Sichtbar ist alles
im Exil/ oft schmerzlos
und unterwegs
Da unten das Meer/ nichts
als mein Blick
rund wie die Zeit
eine große Träne

Und jede Klage zeitlicher Verschickung
ist kläglich/ hast du sie nicht
als winziges Abbild erkannt.

Wol­kentiere kommen von Westen wie Himmels­inseln durch die Olivenzweige. Al­les ist unendlich klar und offen. Kein Straßenlärm, wie früher in der Frankfur­ter Leerbachstraße: ein rotes Auto, ein ein­zelner Junge, eine Frau mit Hund, ein Lieferwagen,  doch Lei­chenwa­gen gab es keine, schwarz ausgeschlagene, wie in meiner Kindheit in Transsylvanien mit Popen,  die Weih­rauchfässer schwenkten, in Frankfurt distin­guierte Her­ren, die, plötzlich an die Vergäng­lichkeit ihres Körpers erin­nert, stumm den Hut lüfteten und stehen blieben. Hier geht meist L. durch das Haus, die Treppe hinab, die ich wie in Gedanken hinab­gehe, Pause; als strömte da alles wie­der ein, füllt sie alle Vasen verschwen­derisch mit Rosen, Tulpen, Kamelien, im Winter auch Rosma­rin, sogar Orangen oder Zi­tronen; und sie raucht, so spürt sie am besten die Pause, ein Genuß: sie  steht sinnend an der Tür, stellt Gläser bereit für den Abendtrunk.






18h. Dann der Ort ein Topos / Schnitte in der
Mauer / blutrotes Ereignis in den Wolken über Pedona /
Widerschein in den Fenstern / darin spiegelt sich der
Garten / die Bäume / wir, unsere Jahre. / Als wäre alles
Unsere Geschichte / der Küchenschrank / hier gekauft,
Von dir “restauriert” / 82 im Februar, als der Selbst-Mörder
Fotograf  kommen sollte / mich aufnehmen für Serkes Buch.
Oder Widerschein im  Zinngeschirr / auf einem antiken
Eckschrank / ja wann war das / Amsterdam 1972
Grachten / Trödlermarkt / und dem Lupenschleifer
Baruch / der de Monaden kannte / in uns allen.
Ein glühend roter Lichtstrahl / fällt fast horizontal ein /
 ein Abschied neigt sich der Erde zu / wie ein sehr langer
 großer Schatten / wie der Tod / vorstellbar / fällt
auf die Hopi Kashinas hier / 1979 im Juli  in Amerika gekauft
 im Jahr/ Als mein Vater starb /  alles hier  in ein jung gebliebenes Jetzt.

Topos, Schnitte “combinazioni dei fondi”, so sagte ein Bekannter, Maler / ich suche im Herzen Schichtontologien /
Schnitte, alte Tage Bücher und Nacht Bücher
und eben brachtest du von den Fischers
aus Pieve eine Buch Kassette Wölfli / wann war das: 1976?
Bei Elka Spoerri in ihrem “Stöckli” bei Bern.
Von der Wiege bis zum Graabe. Oder
Durchsichtig arbeiten und schwitzen, leiden, und Drangsal
betend zum Fluch?

Schnitt. Und musst einsehen / großes Gespinst
Eurydike / und hol sie... Oder die / Unterwelt / Ulyss
lässt die Mutter Blut trinken
um kein Schatten mehr zu sein.

Und wenn wir uns vornehmen / am 6. Dezember
nach Neapel zu fahren / müsste
natürlich Cumae und auch die Sibylle
besucht werden, denkst du an Waste Land
von Eliot? / Und die Ebenen müssen zusammen-
kommen / parallel laufen,
das ist die Rettung.




                ORIENTIERENDE TOURISTISCHE INFORMATIONEN

                            CAMAIORE, PIEVE, AGLIANO


Agliano Peralla

Agliano gehört zu einem mittelalterlichen Dorf im nördlichen Teil der Toskana (Versilia) am Fuße der Alpi Apuane, 10 Min. von der Marktstadt Camaiore, welche wiederum 20 Min. von der Küste entfernt ist (Viareggio/Forte dei Marmi etc.). Die Stadt Lucca mit ihrer Stadtmauer ist ca. 35 Min. Fahrt Richtung Süden entfernt. Tagesausflüge nach Siena (2 Std.), Cinque Terre (50 Min.), Marmorminen von Carrara (45 Min.) sind leicht zu unternehmen. Sie können in die Carrara-Berge fahren, oder zum Strand gehen – der nächstgelegene ist in Viareggio, der beliebteste in Forte dei Marmi (ca. 35 Min.). Die Einkaufsmöglichkeiten der Umgebung (Lucca/Florenz/Forte dei Marmi) sind legendär! Der Mittwochsmarkt (Kleidung) in Forte dei Marmi ist bekannt für Schnäppchen. Agliano liegt ideal, um das Puccini Festival zu besuchen (40 Min.). Dieses wunderbare Open-Air-Festival findet im Juli & August in Torre del Lago statt. Flughäfen: Pisa, 45 Min. von Agliano.
                      Nächster Flughafen Pisa 35km

Sehr viele alte Ortschaften rings an und in den Bergen wurden eingemeindet. So dass Camaiore mit seinen 73 Quadratkilometern Oberfläche zur zweitgrößten Gemeinde Italiens zählt. Oberflächenmäßig etwa so groß wie die mittlere Großstadt Stuttgart: