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Sonntag, 1. April 2012

Dieter Schlesak REISEFIEBER II. MEERE






                                             MEERE





MALI LOSINJ. KROATIEN

Der Ältliche da liest, er liegt zwischen lauter verschlossenen Spalten, unter Schirmen und Illustrierten, verschmiert mit Nivea und Bronzol, geschlechtslos der Brusthof, die Warzen liegend. Und der Ältliche liest, der sonnengebräunte Schwanz – eine Seltenheit hier auf der paradiesischen Konsumwiese – reckt sich der untergehenden Sonne entgegen. Ich bin ziemlich erstaunt (denn mir war die Lust beim Lesen dieser Literatur vergangen), wie der Mann, Mensch selbstvergessen mit der linken Hand nachfasst am Glied, als nun der gefesselte spanische Pater von Simone, die den Rock abgelegt, den seidigen Schlüpfer, die Hose genüsslich abgestreift, traktiert wurde auf nacktem Hintern. Selbstschuss für den geilen Pfarrer, seine Pistole reckte sich, als sie ihm die Kehle anfing zu drücken, da soll er aus Sauerstoffmangel im halben Ersticken halluziniert haben wie Erhängte; das ganze Leben, ein Film überflutet vom pisernden stauchenden Krampf des Orgasmus. Der Autor, dieser Kryptofaschist, ich höre, er kam nachher doch in den Widerstand, erschrocken wohl, wie die Phantasie hemmungslos die Wirklichkeit zerstören kann.

FKK hingegen passend zur milchigen Mattscheibe, wie ein Kunstflug aseptisch über der schönsten Gegend. Fast lob ich mir da Bataille, Salò, den natürlichen Ekel. Hier wurde er überholt, hier hat man ihn integriert.
Ein Graukopf neben mir liest, ich schiele hinüber, er liest die Augengeschichte: Simone, die in Sevilla Fellatio treibt mit der glänzenden Eichel des lustbrüllenden Paters; wie sie in den Taufkelch pisst und der trinkt. Die schreckliche Sehnsucht nach den stärksten Gerüchen, dem fadesten Geschmack, sich der Existenz versichern durch Hinfassen, Lutschen an Worten, Lecken an der Nomina, Fressgier des tierischen Auges. Ekstase des Schweinischen, gröbstes Hiersein: in dieser versunkenen Umnachtung saugen zwischen den Beinen am Schamhaar, Eingang, wo wir diese Welt betreten, die Zunge an zarterer Lippe und springendem Saft, trinken das feine Stöhnen, das aus dem duftigen Atem des Mädchens von da oben herab kommt.

Weit überschwemmt, am Meer, am Meer –
die Freiheit siecht dahin im heißen Sand.
Die Kinder nur und jene kleine schwarze Katze,
sie sind noch hier.

Mein Blick geht außen um
und fängt die Gier sich ein,
das schwarze Dreieck,
dieser Ein- und Ausgang aller Menschenkinder,
den man als Ton und Sprung erfahren kann,
ruht hier nun träg als reine Spiegelung
im ausgedörrten Hirn
als wärs ein schweres Ding.

Nahm den Schwanz, nachdem ein Leben den nackten Paterkörper erschüttert, durchzuckt hatte, steckte die Rute in Simones nassen Spalt, die würgte weiter die Kehle, der Atem blieb weg, der Steife in der geilen Vulva, der dunklen Höhle, aus der er gekommen war, auch er, die Kreatur. Und Simone spürt nun den Samen des Sterbenden, einen Erguss in ihr, Erguss für die Lustmörderin. Und der Lesende auf der FKK-Wiese röchelt leise und schmatzt mit den dünnen Lippen, wackelt mit dem Graukopf, kann sich nicht halten. Jetzt kommt das mit dem Auge, dem toten Glaskörper, dem ehemals durstigen und im Turm (trink oh Auge, oh, und die Wimper, und die Tränen, was sie schön hält, die Wimper, Häute! herausgerissen nun im schweinischen Buch von Bataille natürlich, gelesen von diesem alten Arschloch, der den Pimmel kaum halten kann und ins Meer rennt, um sich zu kühlen. Und ich sagte noch: Darf ich? Er japst: bitte! Das Priesterauge wurde zwischen Simone und den Autor getan, das rollte auf ihrem nackten Bauch wie im Akt, und dann verstaute sie das blassblaue Auge tief in ihre behaarten Vulva, Same des Autors ergoss sich darüber; das üppige Schamhaar dampfte; mir scheint, hier riecht’s nach Fäulnis und Fisch.

Ein Braunschweiger war’s stellte sich heraus am gemeinsamen Tisch im großen Abspeiserestaurant von Val Alta, in der Nähe von Rovinj, Istrien, wo herangeführt wurden auf kleinen Servierwägen die von den Deutschen gewünschten Speisen. Kraut durfte nicht fehlen und Bier nicht. Brav saß man da bei Tuborg und Kaffee, Nudelsuppe und Hackbraten. Manchmal, nicht oft, serbische Gerichte. Nein, in den Ferien nichts anderes als zu Hause, familiär, die gleiche gewohnte Umgebung, wenn auch auf FKK-Weise.
Der kühle Norddeutsche ist gar nicht kühl, ein wenig förmlich. Kleine Verneigung, bevor er am Tisch Platz nimmt. Ich bin anfangs schockiert, als ich ihn angezogen wieder erkenne. Der Hängende fest in der hellen Sommerhose (mit Bügelfalten), der Kopf grau, aber mit sehr frischem Ausdruck, grünlichblau die Augen, der Mann da, immer noch sprühend vor Energie und von einschüchternder praktischer Helligkeit im Kopf, vollgestopft mit technischen Details, dass ich Komplexe bekomme und auch nicht mitreden kann bei so vielen praktischen Beispielen. Im Augenblick aufgehen, davon war dieser Mann ganz und gar ausgefüllt.
Der ehemalige Panzeroffizier ist, darauf ist er sehr stolz, aufgestiegen aus einer braven Tischlerfamilie zum Versicherungsrechtsberater. Er kennt sich aus. Er muss nicht in jedem Urlaub Orte aufsuchen, wo er im Krieg war, um zu sagen: Sieh, Mutti, hier bin ich damals Chef gewesen. Er weiß zu erzählen von Braunschweiger Originalen. Ich fühlte mich an Kaiseraschern erinnert und an Kaiserlautern, US Army, Dirnen im Jägerhof. Doch geht es nun um das verstorbene Braunschweiger Original, den Rechen-August, der einmal, so der Graukopf, als eine Art Computer bei der Braunschweiger Bank eingesetzt worden war. Er bekam alles raus, der Rechen-August, jeden Fehler, aber sonst, na ja, war er ein völliger Idiot, dumpf wie ein Tier. Doch lang hielt’s den Panzeroffizier nicht bei dem Thema. Jugenderinnerungen schlugen durch: Das waren noch Zeiten: Nulluhrdreißig ist die beste Zeit zum Abmarsch, auch für Autobahnreisen; auch wir sind aus der Kaiser Wilhelmstrasse zu Hause Richtung Süd zu dieser Stunde aufgebrochen. Unser Spaziergang nach Paris im Jahre vierzig begann ebenfalls um Nulluhrdreißig. Und Gleiwitz? Auch, ja. Nur der Angriff war selbstverständlich später: Vieruhrfünfundvierzig. Ich bin kein Nationalsozialist, das sollen Sie nun nicht glauben, war’s auch nie. Trotzdem: die Feinde haben die Kriegspropaganda über das Kriegsende hinaus und bis heute durchgehalten. Das Bild von Deutschland, von Führer und Reich, haben sie diktiert und diktieren es bis heute. Wer denn sonst als Hitler hat dem deutschen Arbeiter Brot und Arbeit gegeben, damals, als die Scheiß-Demokratie versagte, das Parlamentariergeschwätz, das sich bis heute wiederholt… aber lassen wir das. Den Krieg haben wir ja doch noch gewonnen, mein Herr, mit unserer starken Wirtschaft und harten D-Mark. Durch Kriegswirtschaft hatte Hitler das Reich gerettet…
L. verwies wütend auf die Fosse ardeatine in Rom, ereiferte sich über den Tisch, verschüttete vor Aufregung den Rotwein, pardon, der Nachbar hilfsbereit und höflich, winkt energisch den Kellner herbei, und im Spaß: Sofort, he, weg, dann ein paar russische Brocken, drohend im Spaß, immer mit zwei erhobenen Fingern, Tatatata…

Kriegsrecht, Haager Landrecht, sagt der quicke Graukopf aus Braunschweig in Val Alta, ist doch klar. Keine regulären Soldaten, die gefährden doch alle, diese Banden. Sie gefährden Zivilbevölkerung und Heer, sie dürfen deshalb abgeurteilt werden, auf höheren Befehl: 1:10 wars bei Kappler, gut – aber die Italiener in Albanien, 1:200, galt für die nicht das Recht?.

Der Feldwebel und fünf Soldaten legen die Bretter auf den zugefrorenen Strom, müssen mit der Axt ein großes Eisloch schlagen, dann erst werden die Verurteilten gebracht, zweiunddreißig Grad unter Null ist es in jenem Winter 1943. Die Frauen stehen da, blaugefroren. Die Schweine da machen sich noch einen Spaß mit den jungen Frauen, reißen ihnen auch noch das Hemd vom Leibe, so stehen sie wie nacktglänzende Madonnen in dem unendlichen Weiß und zittern und schluchzen. Manche wissen noch gar nicht, was sie erwartet. Der Feldwebel und zwei Männer greifen nach dem schmalen Brett, da schwebt ein Mädchen auf sie zu, sie fassen hart nach ihr, es ist ja das letzte Mal, die Schwarzuniformierten grinsen, tapsen den warmen Körper an, der letzte Mann legt Hand an: He, du Aas, du eisige Braut, und fassen zu, Partisanin oder Partisanenfrau, am Hintern, pressen die Brüste und Schenkel, ein letzter Schrei, langsam verschwindet der Frauenkopf im Eiswasser, taucht wieder auf, schöpft Atem, einer schlägt mit dem Gewehrkolben zu, und sie taucht unter die Eisdecke der Donau… die Nächste…


Frasquita, das Boot

Unser Segelboot heisst „Frasquita“, ein altes englisches Holzboot, eine „vela storica“, auf der Insel Withe im Ärmelkanal für den Atlantik erbaut. 34 Fuss, 10m, 60, ein Sloop, ein Einmaster, wir segeln seit 25 Jahren im Mittelmer mit der geliebten „Frasquita“ Immer wieder werden wir gefragt, ob wir auch Sturm gehabt hätten? Ja, bis 56 Knoten in der „Rondinara“, einem kleinen Naturhafen im Süden Korsikas, ganz nahe von Bonifacio zwischen Sardinien und Korsika. Aber da kann man ruhig liegen, weil der Wind auflandig ist, keine Wellen entstehen. Und ich schwärmte von der Luft, von jenem jungfräulichen Moment, wenn der Tag anbricht, alles stehen bleibt, die Natur frisch und jung den Atem anhält, in der Ferne das Sonnenphänomen mit den ersten Strahlen in die Dämmerung einbricht, wie eine neue Weite und Offenheit, Leben bringt, als wäre alles noch möglich. Unsere Segler-Routen: Viareggio, Capraia, Macinaggio, Campoloro, Portovecchio, Maddalena, Campoloro, Montechristo, Elba, Giannutri. Korsika und Sardinien gehören also dazu. L. erzählt dann gerne von einer Rückfahrt ohne Motor, nur mit Wind, und der Gefahr, am Felsenufer zu zerschellen. Horrorfahrt von 30 Stunden, ohne Schlaf, ständig am Ruder. Daß man auch den Atantik überqueren könne, nur den Windpiloten einstellen müsse, und der Passat richte es schon.


NACHTGEDANKEN IN VIAREGGIO
Die Sonne verglüht in scharfen Konturen;
am Rande des Meeres fahren
die heimkehrenden Fischer
in immer kälteres Rot -
in meine Augen ein, vor ihnen
sind die erleuchteten Fenster
ganz nahe Sterne:

Warum reise ich? Weil ich unbeschwert nirgends sein will.
Das Ankommen ist beschwerlich, das sieht man vor allem
beim Einlaufen von Segelbooten hier im Hafen von Viareggio.
Nie ankommen müssen!
Reisen als Symbol: Ulysses, der schönste Name.
Flucht bei einer Reise, Flucht vor sich selbst, vor der Katastrophe,
unglücklichste Form künstlichen Daseins.
„Gute Reise!“ Du sagst es wie „Grüß Gott“: das Unbekannte
schleift sich ab! Edmond Jabès: Elargir les horizons du mot!
von Henry Lou » 18. Apr 2010, 12:35
„Vielleicht war Viareggio anders geworden in den sechs Jahren, vielleicht war es auch voll, vielleicht war es zu kalt, vielleicht ... die Vielleicht vermehrten
Rainer Maria Rilke - aus Viareggio





                        Shelleys Schiffbruch und Tod in Viareggio

Im Golf von La Spezia. Ich erinnere mich noch genau, unser Segelboot durchfuhr den Wolkenschatten,   windgejagt, den ich sah, meine Gedanken flogen mit. Der Mann aber, darunter, und den Blick auf dem Kompaß, übte wie angebunden an das Geschehen, dem ich folgen mußte, um es beherrschen zu können,  keine "SteuerManns Kunst", mitten im weißen Rauschen und melodischen Geräusch des Bootskörpers, der schwang vibrierend im Wasser; ich freute mich daran, daß wir nichts erzwingen wollten und von Wind und Wasser abhängig waren, und  spürte an der Pinne die Richtigkeit meiner eignen zarten Bewegung der Hand, um mitten in der Bewegung zu sein, alles stimmte, war wie ein Zusammenhang mit der  elementaren Bewegung des Gefühls, ein leises Zittern des Steuers.
Schon dort auf dem Boot versuchte ich, L: hielt das Steuer, "das Sehen schreibend zu einer Beschäftigung zu machen", wie Shelley auf seinem Segelboot. Und ihr fiel, als sie die Wolken sah, ein Vers von ihm ein.
"Wie Wolken fliehen Hoffnung, Würde, Liebe,
Sie bleiben nur auf ungewisse Zeit. -
Der Mensch wär stark, besäße die Unsterblichkeit,
wenn der erhabne Geist nur in ihm bliebe..."
"Hymn to intellectual Beauty", - die Verse tauchen in mir jetzt auf, so schrieb er damals,  1816 in sein Notizbuch.
       La Spezia nordwestlich, voraus im Blick San Terenzo, des Dichters Ort, ein Felsennest im Golf, klein, der Hafen, steinig. Es hat sich nicht viel verändert, außer daß es jetzt natürlich die Asphaltstraße gibt, die die Orte verbindet, und der Golf, der blaue, gehört zum dreckigsten Golf Italiens. Mary, Shelleys Frau, sie hatten 1816 geheiratet, nach dem Selbstmord Harriets, der ersten Frau Shelley, dachte ich, hatte mit mehr Erfolg als ihr Mann geschrieben, vor allem ihr "Dr. Frankenstein" wurde weltberühmt, Mary schrieb in ihrem Tagebuch von einer "blauen Wasserfläche, der vom nahegelegenen Schloß Lerici von Osten und vom entfernten Portovenere von Westen fast geschlossenen Bucht" umgeben ist, schrieb damals, und ich konnte es auch heute beim Vorbeisegeln vor mir sehen:
"Von verschiedenen Formen der Felsen, die steil zum Ufer abfielen, über das sich nur ein rauher gewundener Fußpfad nach Lerici hinzog, aber keiner nach der andern Seite, das gezeitenlose Meer, das weder Sand noch Steine am Ufer zurückließ, dies alles gab ein Bild, wie man es nur auf Salvator Rosas Landschaften wiederfindet."
Mein Blick nahm San Terenzo  unter dem jagenden  Weiß wahr, die Brise nahm zu.
Eben als L: "Shelley", seinen Namen, aussprechen wollte, den sie zusammen mit San Terenzo bis jetzt nur gedacht hatte, tauchte  fünfzig Meter vor dem Boot ein schwärzliches Ungeheuer auf, das Wasser rann in Sturzbächen vom Beobachtungsturm, rauschte, ein Atom-U-Boot  stellte sich quer, durchbrach das Klingen am Außenrand des Rumpfes, und der Steuermann warf das Ruder herum, die Segel flatterten , schlugen an den Mast ...
Im Schrecken aber, und höre schon das Knirschen des Holzrumpfes auf dem Stahl, erscheint wie vorher die Wolke auf ihrer beweglichen Hirnwand ein kleineres Boot und die hohen  ... Wellen ... im Sturm ...   der Untergang Shelleys damals im Juni 1822 ...
      Ich stelle ihn  mir vor, ich mache ein Gedankenexperiment: Shelley beobachtet uns, sieht zu, berichtet jetzt aus einer Zukunft, die er gekannt haben würde, gäbe es die Zeit nicht, mischte sich ein in meine Gedanken, nähme mir das Wort, Unmögliches geschieht, und das, was wirklich ist, wird aufgebrochen, vermischt mit Ideen ...
   Es ist Poesie, es ist Fiktion, die die Zeit aufhebt. Und jetzt der vorgestellte Tod, der Tote und seine vergangene Phantasie, die immer noch lebt, in meiner Phantasie. Die wiedergibt, was er, was wir alle, als Kind gesucht haben?  Poesie ein Umweg? Lacht er? In mir klingt sein Gedicht.

Im Hafen von Livorno unter englischen  Kuttern, amerikanischen Klippern, genuesischen Feluken, einer neapolitanischen Brigg und holländischen Galeoten begeisterte er sich für  Segelschiffe, dort war die  Idee entstanden, in den Golf von La Spezia zu übersiedeln, ein eignes Segelboot zu haben. Byron ließ sich anstecken. Käptn Trelawny gab den Auftrag an seinen Kollegen Roberts nach Genua weiter, einen kleinen zweimastigen Schoner ohne Deck für Shelley und einen großen Schoner für Byron zu bauen. Er selbst hatte das Querschnittmodell entworfen.
Trelawny und Williams hatten auch die Villa Magni entdeckt, sie waren die Küste der Bucht von La Spezia entlangeritten, hatten zwischen San Terenzo und Lerici eine Villa, die Villa Magni für Shelley und Williams gefunden, für den anspruchsvollen Byron war aber kein entsprechender Palazzo aufzutreiben gewesen, so blieb er in Pisa.
Ich stelle mir vor, wie sie damals dort in San Terenzo gelebt haben; alles war vom Meer bestimmt, Leben, Tod, der Zustand, die Gefühle. Und Shelleys letzte Dichtungen sind davon bestimmt. Erste Anzeichen von TBC machten sich bemerkbar, tiefe Melancholie und Depressionen überfielen ihn.
"Manchmal, wenn der scirocco wütete - an diesen Küsten "ponente" genannt, verdüsterte sich die Sonne", schrieb Mary. "Die Stürme und Böen, welche uns bei unserer ersten Ankunft begrüßten, säumten die Bucht mit Schaum. Der Wind heulte um unser ungeschütztes Haus, daß wir fast auf einem Schiff zu sein glaubten. Die Menschen dort waren rauher als die Gegend. Unsere nächsten Nachbarn von San Terenzo waren den Wilden ähnlicher als alle Menschen, unter denen ich früher gelebt hatte. Viele Nächte verbrachten sie singend oder eher heulend am Strand, die Frauen tanzten in den Wellen, die sich an ihren Füßen brachen, während die Männer, an den Felsen gelehnt, in den wilden Chor einstimmten. Der nächste Ort, um Nahrungsmittel einzukaufen, war das dreieinhalb Meilen entfernte Sarzana jenseits des Wildbaches Magra, und auch dort waren die gebotenen Vorräte sehr mangelhaft."
Sie lebten in einem einsamen und verlassenen Gebäude, das man Villa Magni nannte, obwohl es mehr einem Boots- und Badehaus ähnlich sah als einer Villa ... Das Haus hatte ein ungeplastertes Erdgeschoß, das zur Aufbewahrung von Bootszubehör und Angelgerät benutzt wurde, und darüber ein einziges Stockwerk, das in einen Saal oder Salon und vier kleine, einst weißgetünchte Räume aufgeteilt war; auch gab es einen Kamin zum Kochen ... das einzig Gute war eine Veranda zum Meer hin, die fast über das Wasser gebaut war.
Mary, diese attraktive Frau mit dunkelblondem Haar, feinen regelmäßigen Zügen, einem sensiblen ovalen Gesicht, - diese hochbegabte und intelligente Mary war schon 1814, noch nicht siebzehn Jahre alt, schwanger, mit dem einundzwanzigjährigen Percy Busshe Shelley von zu Hause durchgebrannt, gemeinsamer Selbstmord war geplant. Ihre Schwester Claire schloß sich der Flucht an, warf sich dem skandalumwitterten Lord Byron an den Hals, gebar ihm die Tochter Alba, die in einem venezianischen Kloster "abgelegt" wurde. Diese Vier also bildeten nun hier den unzertrennlichen Freundeskreis. Inzwischen hatte die Halbschwester Marys, Fanny Imlay Selbstmord begangen, ebenso die erste Frau Shelleys, Harriet Westbrook, die sich im schwangeren Zustand in einen  Teich stürzte, und Shelley zwei Kinder hinterließ. Schon drei Wochen später heirateten sie, Percy und Mary, auch sie hatte schon zwei Kinder, zwei weitere Geburten und eine Fehlgeburt folgten; zwischen 17 und 25 war Mary andauernd schwanger. Nur ein Sohn überlebte und wurde ein mittelmäßiger Mensch.
Byron und Shelley waren zu Hause geächtet; wegen seines            Atheismus´ und seines Lebenswandels war Shelley von der Universität Oxford relegiert worden. Ihr Ruf war miserabel, Klatsch und Gerüchte umgaben sie, mit Mary und Claire lebten sie angeblich alle vier in einem Inzestverhältnis zusammen. Und sie wurden ständig von Alpträumen und von Halluzinationen geplagt. In Genf, aber auch in Italien verbrachte man die Abende gemeinsam. Und Gespenstergeschichten wurden gelesen; als eines Abends Byron aus Coleridges "Christabel" rezitierte, fing er plötzlich zu schreien an, lief mit einer Kerze in der Hand aus dem Zimmer; er habe Mary nackt gesehen, anstelle von Brustwarzen  weit aufgerissene Augen!
Das Unheimliche ging um, Shelley aber sublimierte es zur Form, Gott und alle Phantome waren ihm reiner Geist. "Als Knabe suchte ich Gespenster", schrieb er: "lief / Voll Angst durch Kammern, Kirchen und Ruinen / Und Wälder, still im Sternenlicht, mit ihnen / Gespräche  führen  mit den Gräbern. Zu tief / Auf all die falschen Namen, die ich rief, / kam keine Antwort - ich sah keinen - ... / Da kam dein Schatten über mich ... / Uns gibst, was ich nicht fassen kann in Töne ... / Und jede Form, die dich enthält, / Den deine Wunder, Geist, gebannt."
     Das Leben des Ehepaares Shelley im Golf von La Spezia war eine Flucht, keine Idylle; die Spannung zwischen Mary und Percy, wie könnte es anders zwischen solchen  Eheleuten auch sein, war unerträglich; er, immer in den Wolken und sie ein Gesellschaftswesen, praktisch veranlagt, und auch noch vom "grünäugigen Ungeheuer" Eifersucht besessen, wenn er über Liebe auch nur schrieb. 1819 war ihr kleiner Knabe in Rom gestorben; zwei Selbstmorde lasteten auf beiden. Dazu kamen Shelleys Liebschaften mit der Contessina Emilia Viviani, Jane Williams, und wahrscheinlich auch mit Marys Schwester Claire; schließlich  gab es zu allem Übel auch noch große finanzielle Engpässe und Mißstände.
Shelley predigte nicht nur die freie Liebe,  sondern praktizierte sie auch. Libertinage als Provokation.
      "Ich habe nie zur großen Sekte derer gehört", schrieb er, "die predigten, daß sich jeder eine Geliebte oder einen Freund  aus der Schar erwählt, und alle andern, schön  und klug, kalt der Vergessenheit anheimgibt ...   "
    Dieser Abenteurer, Libertin, streitsüchtige Ehemann, erwies sich als etwas ganz anders, als vermutet: nicht nur als ein Dichter, der in die Natur vernarrt, todessüchtig und lebensgierig ist, sondern tatsächlich so etwas wie ein gefallener Engel war. Ihm, der mit geistigem Absolutheitsanspruch angetreten war, setzte ihm die Realität auf furchtbare Weise zu.
Eine merkwürdige Abenteuerergestalt, ein Freund, der diesen tragischen Sommer mit ihnen erlebt hat, der Schiffskapitän Edward John Trelawny, den Mary als einen Mann, begabt mit  Geist, Charakter - und Empfindungsstärke, kennengelernt hatte, war zerrüttet durch das Gefühl seiner Nichtigkeit, daher auch zerfressen von Neid und innerer Unzufriedenheit. Er  tauchte noch vor ihrer Übersiedlung in die Villa Magni am Golf von La Spezia  bei den Shelleys und dem Ehepaar Williams, mit denen er befreundet war, in Pisa  am Lungarno auf, um Shelley, den er als Dichter verehrte, kennenzulernen.
    Gekleidet war Shelley, so Trelawny, wie ein Knabe, schwarze Jacke und Hosen, doch alles zu eng, als hätte der Schneider beim Maßnehmen geknausert. Er trug, wie immer, ein Buch in der Hand; es war diesmal Calderons "Magico Prodigoso", sonst war es meist Platon; Jane Williams bat Shelley, daraus vorzulesen, und er legte ab "vom Strand des Alltäglichen, das ihn nicht interessieren konnte",  sprach über Poesie so, daß jeder glaubte, wie es manchmal im Traum geschieht, die Wahrheit, nach der man leben müßte, plötzlich zu wissen. Die Poesie ... so Shelley,  weckt und weitet den Geist selbst, indem sie ihn zum Gefäß Tausender nie gekannter Gedankenverbindungen macht ...   Wie eine "verglühende Kohle" sei der Geist, sagte Shelley, er könne  sich schwer hier halten in unserer so groben Sphäre, sagte Shelley, er bleibe nur Momente,  in unserer so groben Sphäre.
Um ihn war es still, er hatte keine Gemeinde. Seine Leser konnte man an den Fingern abzählen. Seine Arbeiten wurden kaum verlegt, sie waren im Handel nicht erhältlich; von seinem Drama "Queen Mab" ließ er dreißig Exemplare auf eigene Kosten drucken und verteilte sie unter seinen Freunden. Dabei war er gesellig und fröhlich, locker in Gesellschaft, und ohne jeden Konkurrenzneid; zu Byron, der viel mehr auf Anerkennung und aufs Eitelkeitskarussel des Betriebes gab, sagte er einmal:  "Schreiben Sie nichts gegen Ihre Überzeugung, nichts, was Ihnen nicht die Wahrheit zu schreiben eingibt; Sie sollten selber den Weisen Ratschläge geben, anstatt sich von Narren beraten zu lassen. Die Zeit wird das Urteil des Pöbels verwerfen. Und die zeitgenössische Kritik stellt nur die Summe der Ignoranz dar, gegen die das Genie sich zur Wehr setzen muß."
    Er hatte den Autor in sich schon abgeschafft und sein Ich, er war völlig selbstlos, half uneigennützig, wie ein Kind, offen und natürlich. Als wäre er irgendwie schon posthum, als hätte er sich hinter sich, lebte an einer Grenze, die ihm gefährlich war, bis zur Todessucht, der Schwere zu entgehen, das "große Geheimnis" zu erfahren. Und Trelawny erzählt eine seltsame Begbenheit, die diesen Mangel an Selbsterhaltungstrieb drastisch belegt: Es sei an einer tiefen Stelle des Arno gewesen, da habe er, der Käptn, Wasserkunsttücke vorgeführt, in der Südsee gelernte, gefährlich wirkende Kapriolen, und der Nichtschwimmer und Versemacher habe beklagt, sich nicht über Wasser halten zu können; Blei, kein Vogel zu sein. Und da habe der Schwimmer ihm geraten, er müsse einfach glauben, er könne es. Und der Papiermensch habe seinen Rat befolgt,  sei jedoch nicht wieder aufgetaucht; er habe auf dem Grund bewegungslos wie ein Aal gelegen, und der Ratgeber mußte in den Fluß springen, den Todessüchtigen an die Wasseroberfläche und an Land zu holen, sonst wäre er ertrunken. Wieder etwas zu Atem gekommen, habe der ungerührt erklärt, er gehe ja immer allem auf den Grund, und nach einer Minute hätte Trelawny nur noch seine leere Hülse gefunden, so wäre er dem Körper entkommen.
Ob er denn an die Unsterblichkeit glaube. Nein, wie könne er auch, es gäbe ja keine Beweise. Wir könnten unsere innersten Gedanken genausowenig wie jenes Geheimnis ausdrücken und wissen, wir selbst seien uns unverständlich. Und gegen die Religion, was ihm soviel Feindschaft eingetragen, sei er nur, weil die verhängnisvoll das Denken ins Unendliche einschränke, also das Gegenteil ihrer selbst sei.
Und Byron sagte später: "Sie jagten ihn wie einen tollen Hund aus dem Land, nur weil er das Dogma in Frage stellte".
Das große Instrument des sittlich Guten sei die Imagination; und die Poesie diene der Wirkung, indem sie auf die Ursache einwirke ...
Romantische Gründe sind nicht erlernbar, und Vorkommnisse dazu haben einen tödlichen Ausgang, weil sie über uns hinausreichen, den Mund stopfen im Fließen, Ersticken daran, daß alles vergeht, in Pisa floß der Fluß direkt unter Shelleys Fenster, der Poet gedieh nur in Wassernähe, suchte sie, Städte und Menschen beunruhigten ihn, und er floh zum nächsten See oder Tümpel.
Daher war er auch hierher in diese Villa gezogen. Doch "der Dämon des Todes, der den Dichter zu Wasser stets begleitete", wie sein Freund Trelawny schrieb, war nicht nur ihm, sondern auch allen aus seiner Umgebung gefährlich. Der Käptn berichtet, wie Shelley mit seinem winzigen Dingi, einem Beiboot aus Flechtwerk und geteerter Leinwand, einem zerbrechlichen Spielzeug, mit dem der Dichter gern im Wasser spielte, und das bei der geringsten heftigen Bewegung kenterte, seine unglaubliche Ungeschicklichkeit kam hinzu, selbst bei schlechtem Wetter hinaus aufs offne Meer paddelte, sich dann vom Wind zurücktreiben ließ; ja, eines Tages bei Flaute und spiegelglatter See überredete er Jane Williams, sich mit ihren Kindern in seine Einmann-Nußschale zu kauern, so daß der Dollbord nur eine Handbreit über dem Wasser stand, ein leichter Wind, eine unvorsichtige Bewegung, eine kleine Welle mußte das Dingi kentern lassen, unter ihnen weggleiten lassen; und keiner konnte schwimmen. Er war traurig und niedergeschlagen, saß da, den Kopf auf die Brust gesenkt,  rief dann aber plötzlich erregt: Nun wollen wir gemeinsam dem großen Geheimnis auf den Grund gehen. Jane betrachtete zuerst gelähmt vor Entsetzen ihren schrecklichen Fährmann, war aber dann geistesgegenwärtig genug, ihn zu wecken, und sagte: Nein, danke nicht jetzt! Ich hätte gern erst mein Abendessen zu mir genommen und die Kinder sicher auch!
 Das brachte den Todesträumer wieder zu sich.
 Läßt sich diese verantwortungslose Kindlichkeit verteidigen? Zumindest erklären?
"Der Abstand, der uns von allen Spuren der Zivilisation trennte, das Meer zu unseren Füßen, sein unaufhörliches Murmeln oder Tosen, all dies wirkte auf unser Gemüt ein und ließ uns über seltsamen Gedanken brüten, hob unser Denken über das alltägliche Leben hinaus in die Sphäre des Unwirklichen." So schrieb Mary in ihrem Tagebuch.
Und es war ja kein Zufall, daß sie hier lebten: Shelley hasste die banale und unlogische bürgerliche Welt, die Obrigkeit, die ihn aus dem Land gejagt hatte. Und - sein Denken war vom Philosophen Berkley geprägt: " ... daß nichts existiert außerhalb dessen, wie es perzipiert wird." (Also nur wir erschaffen die Dinge, es ist der Schöpfungsakt des unerklärlichen abgründigen Moments. Das Gegenteil der täglichen Gefangenschaft in einer trivialen Dingwelt. Der Tod aber ist der Schock, der da hineinragt, sie aufbricht. Und die Schönheit sein Partner. Die Waffe der Ohnmächtigen. Romantische Gründe und Abgründe, die lebensgefährlich werden können.)
In seinem großen Essay "Defence of Poetry", an dem er in jenen Tagen arbeitete, beschrieb er, ähnlich wie sein Freund, der Dichter Keats, die "negative Fähigkeit", sich selbst zu vergessen,  sich hinzugeben mit allen Sinnen, wie eine Harfe, ein Rohr im Wind, alles bewegt aufnehmend, sensibel wie eine Mimose, die völlig ausgeliefert ist. Es war seine  Schwäche und Stärke zugleich; eine Eigenschaft, die in der Krassheit und Stumpfheit der bürgerlichen Welt mit ihrem tierischen Egoismus völlig aus dem Rahmen fiel. Poesie aber  schien  die einzige Rettung, um nicht selbst vergiftet zu werden. Hier in der freien Natur meinte er sie zu finden. Denn die Mimose gedeiht nur in Gegenwart belebender Gefühle, Liebe, zusammenfassend gesagt. Denn "Sie essen, trinken und schlafen, und zwischen diesen Verrichtungen, die von den lächerlichsten Zeremenonien begleitet werden, kriechen und lügen sie. Ihre Hoffnungen und Ängste sind von der beschränktesten Art ...   Sie betrachten jeglichen Verkehr mit ihrer Gattung  nur als Mittel, niemals als Zweck, und zwar als ein Mittel zur Erlangung des niedrigsten persönlichen Vorteils. Dichtung kann erfüllen, was Religion nur vortäuscht."

  Der "Entfesselte Prometheus" - Shelleys bekanntestes  Drama, erlöst das  Prinzip Möglichkeit vom Wirklichen und der Fesselung durch die Dingwelt. So sagt nämlich die ERDE in diesem großen Lesedrama, und er rezitierte in den Wind:
" ...  Du bist unsterblich; diese Sprache kennen
Nur Tote, die mit keinem Zeichen wechseln.
Nur Klänge sind Boten
Wohin, o wohin?
Ins Dunkle, ins Vergangene, zu den Toten."

     Kann der Tod denn Erlösung sein? Der Tod, so glaubte es noch Shelley: erlöst aus dem Banalen. Durch eine Reihe sprachlicher Anordnungen führt Shelley das Aktuelle auf sich selbst zurück, es    entsteht eine reine Möglichkeitswelt, die Keime des Niedergangs werden gehemmt, und ein Umsturz des Aktuellen tritt am Ende ein, eine poetische Vorwegnahme der uns erwartenden wirklichen Weltkatastrophe jedes Ich, wenn es stirbt.
   "Ein Gott auf schwebendem Kometenthrone
     rief ihnen zu: Seid nicht!  ...  "
     Nur Augenblicke dauert die Inspiration, gereinigt in dieser Einsamkeit am  Meer, im Heulen des Windes, in jenem äolischen Klang ist der Mensch noch zur Berührung fähig; und die "glühende Kohle" Shelleys wird angefacht ...  Nur momentweise aus der andern Seite der Welt des Ungeschehenen taucht Geist im schöpferischen Akt auf, verglimmende Kohle, die eine unsichtbare Macht wie ein unbeständiger Wind zu vergänglicher Glut anfacht. So hatte er damals gedacht, Shelley, den eigentlich die Poesie getötet hatte, im Boot, im Sturm, weil sie ihn hinderte, sich gegen die Elemente zu wehren."

     "Die Stürme und Böen, welche uns bei unserer ersten Ankunft begrüßten, säumten die Bucht mit Schaum", wie Mary in ihrem Tagebuch schrieb: "Der Wind heulte um unser ungeschütztes Haus, daß wir fast auf einem Schiff zu sein glaubten."
      Shelleys letzte Dichtungen sind davon bestimmt. Erste Anzeichen von TBC machten sich bemerkbar. Und niemand weiß, ob seine gefährliche Seglermanie nicht zu seinem Todestrieb gehörte. Wir wissen schon: Im Hafen von Livorno unter englischen  Kuttern, amerikanischen Klippern, genuesischen Feluken, einer neapolitanischen Brigg und holländischen Galeoten war die  Idee entstanden, ein eignes Segelboot zu kaufen. Wir wissen, Käptn Trelawny gab den Auftrag an seinen Kollegen Roberts nach Genua weiter, einen kleinen zweimastigen Schoner ohne Deck für Shelley und einen großen Schoner für Byron zu bauen.  Im Mai 1822 war die "Don Juan", wie das Boot nach einem Drama Byrons genannt wurde, da: Ein gewisser Herr Heslop und zwei englische Seeleute führten es ...   Shelley und Williams fuhren nach Lerici und machten in einigem Abstand von der Küste eine Probefahrt, Shelley fand, es entspreche allen Erwartungen.
Doch Shelleys, etwa 9 Meter langes Boot, zwar festgefügt und mit Torbay-Takelage, war zu leicht, zwei Tonnen Eisenbalast mußten es auf die Ladelinie bringen, auch war es gefährlich unstabil und rank, und die zwei Vollmatrosen, die es überführten, rieten zur Vorsicht, erzählten Trelawy, sie hätten eine rauhe Nacht erlebt, die "Don Juan"  habe zwar gute Fahrt gemacht, aber nur zwei tüchtige Seeleute könnten mit ihr umgehn.
Shelley und Williams, die es übernahmen, schickten in ihrer Naivität die Seeleute am gleichen Tage heim, behielten nur den Schiffsjungen Charles Vivian. Sie gingen kaum noch von Bord, redeten vom Mittelmeer wie von einem kleinen stillen Teich, auf dem ihr Boot leider seine Seetüchtigkeit nicht beweisen könnte, träumten davon, über den Atlantik zu segeln.
Byrons "Bolivar", bemannt mit fünf Matrosen, war bedeutend sicherer; doch Byron betrat das Schiff kaum, ließ sich auch zu keiner Kreuzfahrt überreden.
Dagegen waren Williams und Shelley wie Kinder. Trelawny ging mal mit ihnen an Bord, um ihr nautisches Können zu prüfen, Williams war flink und geschickt, kannte sich mit Segelbooten aus, aber er war übereilig, auch fehlte ihm  jede Übung und Praxis, die einen in einem Sturm instinktiv das Richtige tun läßt. Shelley dagegen war nicht nur unbedarft,  furchtbar ungeschickt, sondern  einzig darauf bedacht, vom ewigen Wechselspiel des Meeres und des Himmels Bilder einzufangen; um das Boot kümmerte er sich  nicht. Er war nur von den nautischen  Fachausdrücken angeregt, die seine Phantasie spielen ließen, glücklich, und kreischte manchmal lachend bei seinen neuen Wortfügungen, die ihn beflügelten. Die dilettantischen Manöver, die sogar Williams entsetzten, störten ihn nicht.  "Anluven", rief Williams, doch Shelley, der behauptet hatte, gleichzeitig lesen und steuern zu können, legte die Ruderpinne verkehrt herum. "Anluven", schrie Williams, als das Boot gierte: "Shelley, Sie können nicht steuern, Sie haben das Boot direkt vor dem Wind." Williams nahm das Steuer. "Kümmern Sie sich um die Großschot. Fertig zum Wenden! Ruder in Lee - fieren Sie die Fockschot. Fieren Sie die Großschot; Junge, zieh, die Klüverschot nach achtern!" Doch die Großschot saß fest, das Boot lag  fest im Wind, war nicht zu steuern. Shelleys Hut ging über Bord, er wollte wie ein Schlafwandler gleich nachspringen, daß er nicht schwimmen konnte, kümmerte ihn nicht.
 Immer wieder regte sich Shelleys Todestrieb, an Trelawny schrieb er, nachdem er seine Begeisterung über die "Don Juan" geäußert hatte, seine Bitte, ihm Blausäure oder Bittermandel in Livorno zu besorgen, dies entspringe dem Verlangen, "unnötiges Leiden zu vermeiden."
"Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ich gegenwärtig nicht an Selbstmord denke, aber ich gestehe, daß es mir ein Trost wäre, diesen goldnen Schlüssel zur Kammer der ewigen Ruhe zu besitzen."
     Shelley nahm stets sein Schreibzeug mit an Bord; und er schaffte es, während der Fahrten zu schreiben, auch vor Anker, wenn das Boot im Golf schaukelte oder wenn sie bei unfreundlichem Wetter mit der Änderung der Takelung und mit dem Bau eines kleinen leichten Bootes aus Segeltuch und Rohr beschäftigt waren, das sie für Landungen in seichtem Wasser mit an Bord nehmen wollten, verlängerte sich die unmittelbare Tätigkeit seiner Hände an den Segeln, am Steuer, seine Blicke, die die Wellen kommen sahen, die Geräusche, das Schlagen der Wellen in innere Bilder, als wäre alles ein einziges Kraftfeld, erlösbar im Bewußtsein zum Wort.
 Er steht breitbeinig da am Mast,  in einer Hand das Schreibgerät, und sieht dies Kommen und Gehen der Wellen, Bewußtsein, denkt er, ist genau so oder wie verglühende Kohle,  "fading coal", unser Leben verglüht, kommt mit den Augen-Blicken, vergeht wasserfarbenhell. Dichtung ist Geist im Entstehungszustand, das sich selbst enthüllende Bild. Und er hält sich am Mast fest, um nicht zu kippen, oder an den Wanten, ein Bild, das sich so herausbildet, wie sein Bewußtsein, verknüpft den Zustand, der zerfällt, und hält so ein Ich aufrecht, instabil, sieh, die Welle am Boot, wie sie klingt, und die Luft singt äolisch am Segel. Die Klänge, die silberklar und scharf das Ohr durchdringen und dann in der Seele leben, so wie der Sterne klare Strahlen brechen durch die krystallne Winterluft und schauen dann auf sich selber in des Meeres Spiegel. Oh, "Ariel", Boot, als wärst du mein Ich, schirmst mich ab vom Meer, daß ich nicht ertrinke. Vehikel des Ich das BOOT, bringt auch das Gedicht in Bewegung, wohin? Einmal dachte er, es genüge, zu schreiben, es schirmt ab, um nicht vom umfassenden Geist überwältigt zu werden; im Schiffbruch und Untergang gehts darin auf, erlöst von jeder Tyrannei der Phänomene.
 Es war sein letzter Sommer, Juni 1822. Er hatte vor kurzem seinen "Entfesselten Prometheus" beendet und veröffentlicht. Freiheit war für ihn Revolution UND Metaphysik. Er hatte Byron, der aus Griechenland, wo er am Freiheitskampf teilgenommen hatte, zurückgekehrt war, in Ravenna besucht. Nahm Anteil an der italienischen Befreiungsbewegung der Carbonari, haßte das reaktionäre Europa Metternichs. Schrieb seit Byrons Rückkehr an einem revolutionären Stück "Hellas", ein britischer Hölderlin. Byron war ebenfalls nach Pisa übersiedelt, wo sie gemeinsam eine freiheitliche  literarische Gesellschaft gründen wollten, die einwirken sollte auf die Reform. "The Liberal" sollte die Zeitschrift heißen, geleitet von ihrem Freund, dem Verleger Leigh Hunts.

"Mitte Juni setzte die Hitze ein", schrieb Mary Shelley in ihrem Tagebuch, "die Tage wurden übermäßig heiß. Zur Mittagszeit jedoch kühlte die Seebrise die Luft, und übermäßige Hitze versetzte Shelley immer in gehobene Stimmung. Der Hitze war eine lange Trockenheit vorausgegangen, in den Kirchen wurde um  Regen gebetet, und in jeder Stadt fanden Bittprozessionen mit Reliquien statt. Zu dieser Zeit bekamen wir Briefe, die uns die Ankunft Leigh Hunts in Genua anzeigten. Shelley konnte es kaum erwarten ihn zu treffen. Ich war durch ernstes Kranksein an mein Zimmer gefesselt und konnte mich nicht bewegen. Es wurde beschlosen, daß Shelley und Williams mit dem Boot nach Livorno fahren sollten."

       1. Juli 1822, gegen Mittag ein günstiger Wind; Landwind über seidenblau hüpfenden Miniaturwellen. Die Küste entlang von San Terenzo zur Punta Bianca, Magra.  Williams an der Pinne, Shelley auf dem Vorschiff am Mast, schrieb am "Triumph of live". Rauschen am Bug: Williams hat recht, dachte Shelley, die Welle bewegt sich nicht vorwärts, nur eine Energie geht weiter durchs Wasser. Die Welle ist ihr Vor-Schein.  Als wäre unser Auge daran gefesselt wie Prometheus an den Stein. 
Nach einer Stunde  nordöstlich die Marmorbrüche von Carrara, auf grünen Hängen schneeweiße Wunden an Backbord.  Der Körper eine Last.  Jetzt die Berge wie Feenblicke, weißgraue Wolken. Fast wehmütig, Shelley, als wäre er ein anderer gewesen, als er sie besungen hatte, lachend sein feines Gesicht, sie nannten ihn "Ariel": "Poesie weckt und weitet den Geist selbst, indem sie ihn zum Gefäß Tausender nicht gekannter Gedankenverbindungen macht. Die Poesie hebt den Schleier von der verborgenen Schönheit der Welt und läßt vertraute Gegenstände so erscheinen, als ob sie fremd wären; und die in ihr elysisches Licht gekleideten Verkörperungen stehen im Geist jener, die sie erkennend geschaut haben, hinfort als Denksteine jenes edlen und erhabenen Wesens, das sich über alle Gedanken und Handlungen ausbreitet, mit denen zusammen es existiert. Das große Geheimnis der Moral ist die Liebe oder ein Heraustreten aus unserer eignen Natur und ein Einswerden unseres Ich mit dem Schönen in fremden Gedanken, Handlungen oder Menschen. Um in hohem Maß gut zu sein, muß ein Mensch tief und reich empfinden; die Leiden und Freuden seiner Gattung müssen zu seinen eignen werden. Das große Instrument des sittlich Guten ist die Imagination; und die Poesie dient der Wirkung, indem sie auf die Ursache einwirkt ..." Fast mußte er lachen, als wache er aus einem Traum auf ... Keine Harmonie, kein Schwingen ist auf die Dauer möglich, diabellein, der Teufel schlägt alles in Fetzen, nein, nur wie jetzt kurze "moments of delight" sind uns vergönnt, wie jetzt das Zischen, das Rauschen, der Klang am Boot, diese Musik. Ja. Wer sie übersetzen könnte ins Bild: Wind, Wasser, die Farben, das Blau jetzt, dies Weiß, das Singen in der Takelage, ARIEL, Sinnbilder für das unbenennbare Grenzenlose, das berührt! In seiner "Defence of poetry" hatte er es geschrieben. "Aber diese ungeheure Menge von Leid? ... Die Hülle der Geistesflamme zerfällt zu Asche, sobald man sie anblickt."
Was war geschehen? Warum konnte der dreißigjährige Shelley nicht mehr naiv an sein Dichten glauben? War es der Mißerfolg seines "Prometheus"? Der Tod seines Kindes? Oder: Als wäre sie nun zu nah, Harriet, der  Selbstmord Harriets, seiner ersten Frau. Oder: daß die Gerichte ihm seine Kinder abgesprochen hatten? Rache der Lords? Das Blutbad von Manchester, ließ ihn nicht mehr los, Kavallerie hatte mit blankem Säbel blindwütig auf Frauen und Kinder eingehauen. In die Schreie hinein ... Kleine Köpfe platzten. "Prometheus unbound"? Haha "Mondboot"? Reise, die die feste Welt und Gewesenes auflöst? Nein, Dichtung ist keine  Rettung mehr!

Sie liefen gegen halb acht in Livorno ein, legten im Hafen an. In der Nähe der "Bolivar", Byrons Boot, begrüßten sie Hunt und seine Frau. Sonnenuntergang;  wegen Pestgefahr Verbot des Landgangs, sie liehen sich Kissen und schliefen an Bord. Schiffslaternen leuchteten zu fahlem Mondlicht. Schwüle Nacht.  Möwengekreisch wie von Raubvögeln.
Shelleys  strahlende Laune;  erst kürzlich hatte er zu Mary gesagt, das einzige, woran er noch glaube, sei das sichere Eintreten eines Unglücks, und das, wenn er sich besonders fröhlich fühle.
         Vorgefühle, Zeit ist gegenwärtig, nicht trennbar, das Kommende schon anwesend, wer sich hineingestimmt hat, lebt mitten im Sog; Öffnung wie bei ihm, einer "Sensitive Plant"; aber die Schönheit dieser Gegend war unirdisch in ihrem Übermaß, löste Schuldgefühle aus.
Williams blieb in Livorno, man veranstaltete zum Spaß eine Regatta, während Shelley mit den Hunts nach Pisa fuhr, sie in Byrons Palast einquartierte. Mit Byron, dem Dandy und Snob, stritt Shelley heftig wegen der Zeitschrift, der Anpasser und Angsthase Byron befürchtete mit dieser "Carbonari"- Publikation in England sein Gesicht zu verlieren, Ruhm  und Reichtum aufs Spiel setzend. Die Tage waren nicht günstig, alle nervös, Hunts Frau krank.
In einem Brief schrieb Shelley von Pisa aus an Mary, er könne sich nicht freimachen, Williams käme allein mit dem Boot nach Lerici zurück. Doch am 7. Juli machte er sich dann frei. Wo saß er, in der Villa? Im Palazzo Lanfranchi? Oder ging er, wie er schrieb, zum Camposanto am Dom, sah die Sarkophage, etruskische und römische an, und vor allem jene Urne, die der griechischen seines toten Freundes Keats ähnelte. Pan war da zu sehn, der lüsterne Erdgott der Mittagsstunde, wenn alles sirrte und flimmerte, heiße Luft, wie eine Grenze des Lichts, das sich in Wohlgefallen aufzulösen schien ... Einsame Gedanken, die sich dem Begriff entziehn, Grenzen des Himmels, nackt bleibt dabei und öde das Hirn. Hier war das Meer Eins mit der Urne, die Form, Firmament, das sich in den Wellen spiegelt, dies ist das Element, das er mag, das dazwischenliegt. Er, ein unbekanntes Wesen, das hier erkennbar wird in der langsamsten Zeit, zögert dort am Dom in der Mittagsglut, daß es fast stehenbleibt.
Von hier schrieb er an Mary einen Brief, den er aber nie  abgeschickt hat; denn er schrieb ihn an niemanden; und er wußte schon, daß noch nichts ist, bevor wir es nicht schreibend wirklich gesehen haben, denn Vorgänge werden erst zur Geschichte und erkennbar im sekundären Akt der Wahrnehmung. Und die Augenblicke lassen sich in den Ablauf der Gedanken nicht einbringen, entweder du lebst oder du schreibst. Eines aber, so sagte er oft, ist möglich: das Boot, als wäre es das Gefäß der individuellen Gedanken, in der Steuermannskunst aber bist du eins mit den Elementen, See und Wind, die Bewegung des Steuers steht im Zusammenhang mit den elementaren Bewegungen des Gefühls. Es sei die alte Steuermannskunst, von der schon Platon gesprochen hatte, höchste Form der Selbstbewegung. (Ich sehe einen Wagen gleich dem Boot / Das sichelschmal des Mondes Vater trägt.) Waren sie deshalb erst nachmittags aus Livorno abgesegelt, um nachts anzukommen. Die Pausen sind dann äolisch gefüllt mit Zwischentönen. Und so war es auch am 8. Juli: Berge und Wälder waren am Ufer zu sehen, durch jenen luftigen Schleier erschienen sie wie im Spiegel eines Zauberers. Wolken sind seine Räder, blau und golden, wie jene, die die Geister des Gewitters auf des erleuchteten Meeres Fläche türmten: Such as the genii of the thunderstorm, schrieb er: Wenn Sonne in sie fährt; sie rollen und bewegen sich, als wäre ein Wind in ihnen; darin sitzt ein geflügeltes Kind, das Antlitz wie die Weiße allerhellsten Schnees, die Federn wie sonnige Frost-Kristalle. Es ist wie das Unbetretene, die Reinheit, die sonst nur besudelt wird, herabgezogen in den Dreck von dem Mob und den Reichen. Im Gewitter aber geschieht die Transformation, der Grund wird erkennbar. Der Vorschein wird durchstoßen, und durch den Körper fließen Licht  und Musik - wie durch leeren Raum: Zehntausend Kreise wie Atome ineinander in sich selbst verschlungen, Sphäre in Sphäre; jeden ZWISCHENRAUM bevölkern unvorstellbare Gestalten, durchsichtig füreinander, wie sie Geister in dunklen Tiefen träumen; und sie wirbeln auf tausend unsichtbaren Achsen kreisend in tausenderlei Bewegung durcheinander; mit Gewalt mörderischer Schnelligkeit gemessen, langsam kraftvoll, drehn sie sich entzündend mit vielfach gemischten Tönen, wilde Musik und verständliche Worte ...   im Innern der Kreise ist einer, der sprüht, der spricht im Traum des rasenden innern Lichts von einer fernen Liebe, die erscheint, wenn alles, was nur Vorschein war, uns täuscht, gelöscht ist und verschwunden im Weiß der Schnelligkeit, du absinkst erst im Hirn bewußtlos, dann im Schlaf der Erde eine Lücke findest, um hinüber zu der Wirklichkeit des Potentiellen zu kommen, in einen Raum, wo du das bist, was kurz im Blitzen deines Gedankens glückt als "fading coal"; der Körper    aber trennt, grenzt nie an die Berührung der Imagination. Man spürt sie in dem weißen Kind des Sturmes, der Bogen seiner Bahn ist die Stirn, dort blitzen blaue Feuer, die den Abgrund füllen. Und dann der Gott, der rief: Seid nicht! Und sie so nicht mehr waren, wie meine Worte.
Shelley kam aber in düsterer Stimmung zurück nach Livorno. Er behob noch einen Leinenbeutel voller toskanischer Kronenstücke bei seiner Bank.   Es war der 8. Juli 1822.  Ein Uhr Mittag. Trelawny wollte ihm mit der "Bolivar", Shelleys Boot begleiten, doch er hatte keine Auslaufgenehmigung, die Hafenwache enterte das Schiff, drohte mit Quarantäne. Die "Don Juan" fuhr allein. Es gab wenig Wind. Der Käptn beobachtete durch sein Fernglas, wie das Boot am Horizont verschwand; besorgt beobachtete er mit seinem Maat den aufkommenden Südwest, die schwarzen Striche am Himmel, aus denen Wolkenklumpen heraushingen. Drückende Schwüle, kein Hauch, und feiner Nebel wie Rauch über dem Wasser. Immer mehr heftige Böen.
Eine schwarze kleine Wolke war in Richtung West-Südwest aufgetaucht, kam schnell näher, mit zwanzig Knoten Wind, und das Boot krängte stark, Schreiben war unmöglich im heftigen Wellengang, ein irreales unheimliches Licht lag wie eine düstere Haube über der Landschaft, nur der Altissimo, Michelangelos Berg, war, wie meist bei Sturm, in ein helles Licht getaucht, und wie herausgehoben; in der Ferne Wetterleuchten und um sie das Wasser  flaschengrün; der Wind  unregelmäßig, kam mehr und mehr in Böen aus West, sogar aus    Nordwest, dann aber sehr steif aus Südwest. Williams hatte längst das Großsegel gerefft, die kleine Fock gesetzt, das Steuer aber war schwer zu halten, dauernd mußte er den Kurs ändern, um den unbeständigen Wind in den Segeln zu halten ...  

Nur noch die Toten als Zeuge, es kann  sein, so war er, Shelley, mitten in den Elementen, hätte er vor Entzücken schreien mögen; und schrie, Shelley, in den ich mich hineindenke, er, der meine Vorstellung besetzt, und sehe ins Meer, das ich hier beschreibe, auf dem Boot, das jagt vielleicht schon mit 7 Knoten  über die Gischt ... Wir Lebenden, vertreten die Toten, sie haben in unserer Phantasie eine Stimme ...  
Halb sieben brach das Gewitter los, es herrschte fast völlige Dunkelheit. Das Meer wie Blei. Und keine Poesie, sondern alles zu wirklich. Das Boot, weit draußen, segelte mit den langen gleichmäßigen Seen um die Wette; feierlich donnernde Brecher kamen von  achtern auf, holten sie leewärts ein, Gischt kochte in  Schanzkleidhöhe wild auf, zog brüllend und brausend weiter. Schwindel und Angst, wenn du in die See siehst, wenn der Klüverbaum in den überstürzenden Schaum eintaucht, dann in einer gläsernen Höhlung weiter, das Boot im tiefen Tal zwischen zwei Wellenbergen,  nach vorn und    achtern die Sicht versperrt.
    Nach fünf Stunden Kampf war es finster.  Der Kurs  nicht mehr zu halten, die Sinne aufgeregt und müde im Gebrüll dieser schwarzweißen Welt. Wir wissen es, die "Don Juan" kenterte nicht; jener Augenblick, den nur die Toten wissen, blieb für sie stehn, und als wäre eingelöst, was bisher nur Dichtung war, mit dem Tode bezahlt, doch war: im Getöse die Stille ... In Schaum und Gischt die Blasen, wenn sie platzten waren Geister drin. Nun Schlucken wie im Ersticken. Die  Zwischenräume  bevölkert. Mit  seltsamen Gestalten, wie sie die Geister träumen in der Nacht der unerleuchteten, entsteigen sie in ihrer Transparenz ... selbstzerstörend, in Geschwindigkeiten, in der sich die Welt selbst verzehrt ... Im Wirbel dieses Sphärenknäuels ist alles in blaue Nebel aufgelöst - so dünn. Und leicht wie Licht und Luft ...   Gestalten wunderbar, die in das Grau nun der Vernichtung gehüllt sind.

    Drei Tage später wurden in Viareggio ein Stakkahn, ein Wasserfaß und etliche Flaschen an den Strand gespült. Erst zwei Wochen später zwei Leichen, die eine in Viareggio, die Hände, das Gesicht und andere ungeschützte Teile des Körpers ohne Fleisch, von Fischen angefressen. Eine hochgewachsene, schmächtige Gestalt trug in der Jackentasche einen Band Aischylos, in der andern Gedichte von Keats, beide Bücher über den Rücken aufgeschlagen, als wäre der Band hastig weggesteckt, der Mann beim Lesen ertappt worden. Von der dritten Leiche, dem Schiffsjungen, fand man drei Wochen später nur noch das Skelett. Alle wurden sofort am Strand begraben, in die Grube gegen Infektionen Ätzkalk geworfen.
    Dawkin, Gesandter in Florenz, verständigte Trelawny: wegen Infektionsgefahr und Quarantäne mußten die Körper eingeäschert werden; eine Korporalschaft Soldaten, Schmiedezangen mit langen Hebelgriffen, Kneif- und Beißzangen, Stangen mit eisernen Haken und Dornen, um die Berührung zu vermeiden, an der Grube, bezeichnet mit vier weißen Stäben, unweit der ins Meer hinausführenden Grenze  zwischen der Republik Lucca und dem Großfürstentum Toskana. Zahlreiche Zuschauer, unter ihnen prächtig gekleidete Damen. Draußen die Inseln: Capraia, Gorgona; klares Wetter.  Sand. Leere, damals badete hier niemand. Sie wollten alle das Loch sehn. Hatte er seine Uhr in der Tasche? Stehngeblieben, wer zog sie noch auf, ins Loch sehn, das Auge im Sand vergraben. Byron und Hunt waren dabei. Der Apennin, davor Wachtürme, zinnengeschmückt.  Byron in Schaftstiefeln, den Zylinder in der Hand, weiß flatterte sein Schal im Wind, unbeschriebener Hauch. Da, ein hohler Laut, Eisen stieß auf Etwas, der Bogen des Stirnbeins getroffen, bald nackt der Körper ans Licht gezerrt, noch einmal wirklich, nicht? Unheimlich die dunkle Indigofärbung, halb verwest. Byron wollte den Schädel als Trinkgefäß. Er bekam ihn nicht. Hell das Feuer, die letzten Funken, Wein auf den Toten, Öl, Salz war genug in ihm, ein Knistern, und Hitze, so öffnete sich der Leib, und bloß lag  ein Herz. Das getroffene Stirnbein fiel  ab, der Hinterkopf auf dem rotglühenden Rost, eine Schale, darin kochte das Hirn, warf Blasen. Asche dann. Nichts, nur Knochenreste, die Kinnlade, als hielte sie ein Satz. Byron ertrug es nicht mehr, warf die Kleider ab, schwamm hinaus zur "Bolivar", die ankerte vor diesem Ufer. Er sah nicht, was Trelawny staunend sah, das erhaltene Herz in der Weißglut; es hatte sich beim Ertrinken mit Blut gefüllt, brannte nun an der Luft nicht. Trelawny verbrannte sich die Finger, als er es mit bloßen Händen aus der Asche nehmen wollte.

Ich bin das Kind von Wasser und Wind
Ziehtochter von Himmel und Licht.
 ...  mich wandelnd sterbe ich nicht.

Shelleys Boot wurde in nur 10 Faden Tiefe gefunden, gehoben, beauftragt waren zwei Kapitäne zweier Feluken, mit Ankern und Tauen wurde es gehoben, das gesamte Zubehör noch unversehrt, und daraus wäre zu schließen, daß es nicht gekentert, sondern durch schwere See vollgeschlagen war. Zwei Koffer mit Geld, mit Kleidern, Shelleys Koffer mit Büchern und Kleidern, der Rumpf aber voll mit blauem Ton des Grundes, sie fischten daraus das Fernrohr, Bücher, einen Korb Wein, der aber war verdorben, der Korken halb aus der Flsche gedrückt durch den Druck des kalten Meereswasser, so berichtet der Kapitän Dan Roberts aus Pisa. Die Masten kurz über dem Deck abgebrochen, der Bugsprit knapp am Bug, der Schandeckel war eingedrückt, und bei näherer Untersuchung ließ sich erkennen: Auf der Steuerbordseite war ein Großteil des Spantenwerks zerbrochen, anzunehmen ist, daß das Schiff während des Unwetters von einer Feluke in den Grund gebohrt worden war!
Viel Papier wurde vom Grund gehoben, Shelleys zwei Notizbücher, darin seine Schrift wie verlassen, nun ziemlich allein, die Gedichte. Williams Tagebuch bis zum 4. Juli 1822 ... und nie mehr weiter. Die gedruckten Bücher zusammengeklebt, unlesbar wie Geheimnisse, die Seiten nicht mehr voneinander zu trennen, wer schneidet diese Rückseite des Schweigens denn auf, so verschlossen vom glitschigen Schlick, Roberts hat es ohne Erfolg versucht, die Seiten, bis in die Zeilen hinein zu waschen.

Und L. wollte mein Gedicht zu Shelleys Untergang  wiederlesen:


SHELLEYS  SINKENDES
Segelboot auf dem Weg nach Livorno;
das englische Fernweh jedoch dazu:
weit bis in die Kolonien,
kam hier schöner zu Wort (und das Meer war rein)
als der Dichter
ersoff in allzuviel
Ewigkeit (das waren noch Zeiten!)

(„Was ist die Lust der Welt?
Blitz, der die Nacht erhellt,
Zuckt und zerfällt.“
„What is this world´s delight?
Lightning that mocks the night,
Brief even as bright.“)
Nicht nur das Gras
auch die Gründe dieser Strandgut Landschaft
und dahinter
du,
müssen auseinander geschrieben werden von Herztautologen
mit allen Differenzen.
Vorläufig (das Warten auf Revolution hat sich längst
überholt in der Endgültigkeit eines
überholten Zustandes)
mach eine Querflöte aus meinem rechten Ellenbogen
(und die Finger der Faust spar dir auf: denn -
das neue Paradigma ist alt und noch immer
unsichtbar.)
Versuche durch Reisen Abstand zu gewinnen -
Arrangements der Reisebüros?
Nur noch Flug
über uns hinweg per TAROM, LUFTHANSA
ALITALIA - Vaterländer mit Hochgefühlen
und Schwindel der Entfernungsmesser?
Ich habe zurückgefragt. Der Rest ist Ironie.
Am Strand gab´s noch einen
der warf die Angst
bei tuckerndem Motor ins Wasser - und
auch mein Auge und Ohr standen beim
Schlag ins Wasser ihm bei;
ich aber schwor mir, so zu leben, wie ich schreibend
Sein kann, mich dagegen zu wehren:

„Aber in den Zeiträumen zwischen den Inspirationen ... wird der Dichter zu einem Menschen und ist der plötzlichen Rückflut der Einflüsse preisgegeben, unter denen andere immer leben“ (Shelley, Verteidigung der Poesie): preisgegeben also - dem Downerprogramm.
Kurz danach nämlich sind wir inaktiv
wieder allein,
die Sekunden vergehen  wie Lichtblitze
rasend schnell auch in den schmalen Fensterschlitzen
eines angeblich schützenden alten Hauses, -
der Kirche
SANTA FELICITÀ
So versuche ich hier
vermessen
zu sein - Geschichten
   einzurollen,
sonst dauert es zu lang -
Millionen Jahre
und ab jetzt ohne Liebe: immer länger!

Und ich, fragte L. Zurück.
Denk an Korsika, denk an unser Cucuruzzu, die heisse Steinzeit:




                      Die etruskische Küste

Die etruskische Küste hinab  bis Populonia. Hier sah  ich die ersten Münzen der Gegend im Golf von Baratti in der etruskischen Nekropole: Drachmen. Und im Bergnest Populonia das Museum mit dem Tränenkrüglein und dem phallischen Grabstein, das Ei dazu der Frau: Tod und Leben. Und der Totenkopf eines Zwölfjährigen. Langher. Langher? Beim Herabsteigen in den Golf, Rundblick bis nach Elba: da sehe ich Kinder, die mit Wildschweinen spielen! Und dann die Abfahrt.
 Das Reale ist hart/ fordernd, das Schiff unter dir, jede Sekunde Zeiteneinheit spürbar der Mühe, über deinen Kopf hinweg; das Meer schäumt, dazu etwas Fades, Langeweile,  Enge des Körpers, den du gegen die Elemente verteidigst. Die Gedanken wie festgebunden an Ankerketten, Tauwerk und manchmal ans Ruder. Hart war die Arbeit früher.  Es bleibt das Meer. Die starke Welle der Zukunft. Die kreist/ stark ist die See in uns. Und grausam. Der Geruch von Teer. Das Schlagen des Falls/ verdeutlicht die Sekunde der Angst. Keine Zeit bleibt zum Atemholen.

                                       Golf von Baratti. Etruskisch

Hinter dem Vorgebirge
Baratti/ der Golf der Etrusker
wo die Eisenzeit/ unsere begann.

Für sie war das Leben nicht hell
und eine dunkle Hur
Blut dort am Grund
mächtig im Körper eingesperrt
bis der Puls platzt die Ader das Herz.

Den Nekropolen ein Haus
unter dem Boden
der die Jenseitigen mit Wurzeln
ernährt
die Sphärenleiber wie Gummi
und Geist
Da wohnt man fein
und geht auch nicht unter

Der Genius:  Penis und Kopf
rot die Farbe die unbeschwert
blitzt/ und schöpft und geht
aufs Ganze/ ein Lachen

Hochzeiten Essen vor allem
ganz fröhlich sein/ da der Tod
auch den Tod überwindet.

Befreit der Funke
wenn die Schalen fallen
in Eisenwaffen Dolchen Speeren
in heiligen Bäumen am Grunde des Wassers
wer ein Auge hat erkennt ihn schon gut

Da sitzen sie und beten
etruskisch liber linteus
SEHEN wie Apulu der Inspirierte
jenseits der Linie des Himmels
vor Rot ist -

Zehn Grad von unendlich
Wandlung und Himmelsrichtung
die disciplina etrusca
heilige Fläche
zum Lesen der Schriften des Himmels
geeignet

Alles Leben ein Zeichen
der Stunde die einfällt
und uns kreuzt
mitten im Wirbel
Spirale der Zwei
am Grunde der Welten
Bilder/ Funktionen

Des Kosmos Mathematik
ist acht mal acht
wie beim Königsspiel Schach
64 Felder des Schicksals
bewegt ist dein Leben/ darauf
Orakel will sehen
Apulu/ Uni und Tin

In jeder Sekunde
die Kreuzung/ der Blitz
anwesend in dir ist das Umfeld
ein Götterkollegium
du mitten drin
im Urknall der Welt.





                              ELBA


                                               Rio Marina

Aethalia. Die tausend Feuer
Unter den Eisenbergen  von Elba
Rio Marina abwesend über der See
So sammle ich mich ein: rechts der Kompaß
vor mir/ im Westen aber der Stundturm
wie ein Schiff/ es schneidet mit dem Bug
in Richtung 12 Uhr/ auf mich zu
den Himmel durch


                             Capo d´Enfola. Marciana Marina.

Bisher war viel Geduld an kleinen Dingen, am Detail, an der Nuance da gewesen, und ich wußte, daß auch meine meerige Sonne, dieses  Glitzern des Sonnennetzes im Wasser unerträglich ist, wenn es nicht durch die tiefe Spur eines Satzes gezogen wird; jetzt hat diese Unerträglichkeit so zugenommen, hat aber auch das Schreiben erreicht; die Droge scheint wie verbraucht. So bin ich mehr und mehr dem, was ohne Worte vor mir liegt, mich anfällt, ausgeliefert, und sogar der Tod verbindet sich manchmal damit, erscheint nur mineralisch und ohne jeden Sinn, nur brutal. Wie ich das auch bei Montaigne gespürt habe; doch sein heroisches Aufbäumen in natürlicher Gleichgültigkeit faszinierte mich.

Un ich musste mir ein Beispiel an seiner Tapferkeit nehmen.
Gestern in Portoferraio und auch sonst im Streß des Bootes und des unmittelbaren Bewußtseins mit den Leuten und auch mit L. ist das Licht winzig, das mein Leben ausmacht und beleuhtet, eine Art Funzel der Alltagsverrichtung, und dann, wie gestern Abend solche tiefsinnigen Gedanken, als ich zu L. über die Leute, die an Hafen vorbeigingen, sagte: Sieh, lauter Skelette gehen da. Und sie: Aber sie haben noch Sex, Liebesfähigkeit und einige Jahre Leben...

Ich müßte mir sagen, daß es doch eine Verpflichtung gibt, jene Mutlosigkeit, die mich lähmt, zu überwinden, und das ist ja dieses Buch, das auch eine Verpflichtung gegenüber jenen Lesern ist, die dabei die gleichen Glücksgefühle empfinden, wie ich sie früher noch empfunden habe; und vielleicht hatte ich in jenem Abgrund am meisten Fortschritte gemacht, der als Vorbereitung für einen neuen Zustand nötig wäre, um jenes täglich sich Einrichten in einem sogenannten "Leben" unmöglich macht.

Doch gab es hier nicht auch noch anderes?

MARCIANA
Der nach innen genommene Blick
führt ins Futur,  weg aus dem, was eben vergeht:
Damals wars Napoleon hier in Madonna del Monte, hier
bei Marciana, mit der  schönen Gräfin Maria Walewska:
Jetzt, hörst du die Sommerzikaden: da  Schein und nie
anders war als Jetzt im veränderten Blickwinkel,
Wir, unsere Erde am 20. August 1814. Oh, schnell
vergeht alles, und der Korse winkt mir jetzt unsichtbar
an einer Stein Eiche  finster zu: ein
Gescheiterter, der sich auf die Erde beschränken wollte: zu
bescheiden in seiner Wut, Flüsse von Blut, die wir
immer noch auszubaden haben:
Was falsch gedacht ist, Macht
in alle Länder getragen: Wahnsinn Revolution,
sich hier in diesem Augenblick,
Als wär es wahr:  schön einzurichten:
die Zukunft machbar schon
nach einem dummen Bild.


Portoazzuro

 Aber wir saßen an diesem Tag in winzigen plätschernden Wellen, es schien in ihrer Sanftheit so, als wollten sie aufhören. Vor dem Sturm ist es meist ungeheuer sanft das Wasser, kleine Seespinnen rennen dann über die glatte Fläche. Netz. Denk du an ...     Arachne vielleicht. Über uns ein altes Gefängnis. -   Ich las in einer gescheiten Untersuchung über den Tod, fand mich in der Beschreibung dieses Kreisens an den Rändern des Bewußtseins, das bald explodieren muß, wieder.

Liebe und Tod und die Revolte durchbrechen ein aufgezwungenes künstliches Ich, machen sprachlos. Widerstand gegen die Vatersprache, die abendländische. Und die Muttersprache der Gefühle, des Alltags? Und ihr mit offnen Sinnen wahrnehmbares Geheimnis? Dafür sind nicht einmal unsere Sprache, unsere Sinnkonstruktionen geeignet.Oder doch? Am Abend schrieb ich es so auf, und fand so meine Ruhe:

PORTO AZZURO

Die Hölle des Vergessens:
ein schöner Strand am Mittelmeer, Hotel
mit Bougainvillea und Oleander,
unter hohen Palmen ein fühllos Gestrandeter
erinnert sich plötzlich, daß es eine Sibylle war,
die ihre Orakel auf Palmblätter schrieb. Darauf war
zu lesen:

„Nur hier auf der Zeile kommt deine Palme zu sich
und es lebt ihre Zukunft wirklich
mit den Engeln auf.“

Die Engel sind  abgeflogen,
doch  hält sie der Gedanke hier -
schreibt sie ins Blatt, das ungelesen  weiß vergeht:
„Hüte dein Buch, es behütet dich.“


Was war das nur für ein Effekt? War es eine Flucht? Meine Reiselust, ja, Reisewut nahm nicht ab. In diesem Sommer waren wir ja noch in Sardinien gewesen, und dann in Korsika. Ich genoß, je weiter ich vom Zuhause war, die Landschaft, die Menschen, L. und mich selbst mit einer gesteigerten Intensität, die nur das Bewußtsein des Abschieds geben kann. Und alles schien ich manchmal wie zum erstenmal als Kind aufzunehmen, mit den alten Kinderfragen, die nie gelöst, immer nur übergangen und vergessen werden, zu stellen:. Wasser, was ist Wasser? das Meer rauscht, was rauscht? Wir sind von unheimlichen Dingen, die wir nicht sehen können, umgeben. Schon Newton hatte in seiner "Optik" von zwei Arten von Licht gesprochen, überlegte ich: vom "phänomenalen Licht" und vom "potentiellen Licht" des Numen in uns, das unser Bewußtsein trägt. Die Schwerkraft aller Dinge in unserem Herzen, und die Photonen sind die "Hände", die jedes Ding sichtbar formen? Der Geist hat Lichtsubstanz. Urlicht? In der Sixtina macht erst das Altarlicht die Gestalten an der Decke sichtbar.

Ich saß am morgenkühlen Strand, die Sonne war noch nicht aufgegangen, der Himmel erhellte sich allmählich. "Ich mag diese krude Frühe, Jungfrau des Tages", hatte ich zu L. beim Frühstück im Cockpit gesagt, die hatte im Halbschlaf gebrummelt, als ich versuchte, lautlos die Kabine zu verlassen. "Ich", ha.  "Ich“ seh die gewesene Höhle von gestern, die Höhle draußen, die Höhle unser Ort der noch Ungeborenen, die Höhle in der Stirnbahn, die alte Höhle Platons; jeder Tag ein Abenteuer, doch ich kann von meinem Körper am Tag nie weggehen, meine Vorstellung ist die des Körpers, mein Körper geht vor mir her wie eine Laterne, der Kopf oben, daß ich nicht falle, darf ich diesen Turm nicht denken, der von der Erde entfernt ist, seit ich dies weiß, blende ich euch alle. Gibst den Geist nicht auf beim Ablegen deines Körpers, der bleibt nur mehr und mehr liegen mit dem Älterwerden... Grenzlinie zum kommenden Zustand, weiß und rauschend. Sag nicht Seele, sag Äon: es löst sich etwas vom Körper, das innere Leben verselbständigt sich im Alter, die Wahrnehmungen werden schwächer, man lebt drinnen, und langsam verschwindet die Außenwelt. Dabei strahlt alles durch in alle Zeiten und ist transparent, jene, die sie die Toten nennen, leben doch immer und gleichzeitig mit den Lebenden, mit uns, und wir freilich auch schon mit ihnen. Du weißt, ich habe mehrere Schiffbrüche erlebt. Und die Ahnung von jener Welt ist da, wenn wir in Gefahr und dem Tode nahe sind, dann sind alle Zeiten zugleich da. Du versinkst, du ertrinkst, gehst wirklich auf Grund, und bist froh, ja, glücklich."
Viele Kollegen, Autoren haben daran geglaubt, nicht zuletzt Shelley, sagte ich zu L. Und gab ihr zu lesen, was ich geschrieben hatte, es betraf sie ja auch.

               Ein Seltsames Erlebnis bei Parma

Alles  hatte bei einer Mattioli-Ausstellung auf dem schönen Landgut Magnani-Rocco bei Parma begonnen, es ist das Landgut einer Stftung des bekannten italienischen Musikers und Kunstsammlers; auch er nun schon seit zehn Jahren tot. Ich der Erzähler habe gemeinsam mit dem Maler Mattioli, Magnani war ebenfalls musizierend dabei, von hier aus alles beobachten können; Mattioli wäre sehr gerne bei seiner Vernisage mit dabei gewesen, und wir haben es ihm auch ermöglich, freilich unsichtbar für die Besucher, in den Ausstellungsräumen des Landgutes als stiller Beobachter und nun fremder Gast anwesend zu sein;  und  ich  versuche mich nun, geschätzter Leser, Ihnen verständlich zu machen. Michael Templin, ein Freund der Familie, der ebenfalls jene Ausstellung am 23. Januar besucht hat,  steht nun seit einiger Zeit, ohne dass er weiß, mit uns in Verbindung:

24. Januar 1997. Von Anfang an ist das Ende gegeben, das ist klar, das ist klar, und ich muß das jetzt aufschreiben: mich hatte diese Ausstellung sehr beeindruckt, und ich habe es auch L. erzählt, L., das ist meine Frau. Als wir nach Hause fuhren, auf der Cisa-Autobahn, da hab ich ihr diese unglaubliche Geschichte erzählt, L. hatte in Magniani-Rocci nur wenig davon mitbekommen, weil  sie an diesen Sachen nicht besonders interssiert ist:  Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr es dagegen mich erregt hat, es war der einzige Lichtblick, der einzige an diesem Samstag, denn sonst kamen mir diese Ausstellungräume, die geschönten Leute in ihren Sonntagskleidern, die Männer alle mit ihren ewigen Krawatten, und so, schrecklich hohl und leer vor, und kein Funke sprang von den Mattioli-Bildern über, keiner. Sonst war ich richtig geprickt  und angemacht gewesen, jaja,  von Mattiolis  Bíldern, hatte gerne darüber auch geschrieben, immer wieder, diese Reduktion der Welt auf Null mit farbigen Anwesenheiten an allen möglichen Grenzen; und ich hatte plötzlich Angst, ausgebrannt zu sein, und dachte an meinen alten Freund Cioran in Paris und an diese Schrecklichkeit des Alterns, dass er jetzt gar nicht mehr spricht, sich nur durch Gesten und Gebärden mitteilen kann, falls der Stupor  es zuläßt, und dass er jetzt sein Lebensprogramm der "prunkvollen Verwüstung" erfüllt hatte, so dass jetzt der ausgebrannte Geist nun in seiner eigenen Nichtigkeit dahintrocknet; fast schlau hat der Verstummte dazu als letztes nun ein Jugendwerk "Gedankendämmerung" in Deutschland erscheinen lassen, das er in seiner Muttersprache noch 1940 in unserer gemeinsamen Heimat veröffentlich hat; damals war ich genau sechs Jahre alt gewesen. Gewesen? Nun gut, lasse aber mein Erinnerungen jetzt nicht durchbrechen. Ich sprach mit Michum, unserem Analytiker, der aus Florenz auch zu seinem Lieblingsmaler  und Freund gekommen war,, doch der über meine Befürchtungen, doch der winkte nur mit einem gequälten Lächeln ab und sagte,  die Räume hier seien auch für ihn furchtbar leer; der Maler fehlt mir sehr, sagte er, es ist hier alles wie tot. Der alte Maler war nämlich im Juli  vergangenen Jahres gestorben, und Michum, der auch noch eine krebskranke Freundin mitgebracht hatte, die nur noch einige Wochen zu leben hatte, war sehr traurig, sein Blick abwesend; wir irrten also zwischen Mattiolis Bildern umher, viele alte Bekannte darunter, und landeten schließlich in einem Vorraum, wo Mattioli wirklich da zu sein schien, was noch unerträglicher war, kaum auszuhalten: dies Viedeoaufnahmen in seinem Atelier, die Stimme, das Gesicht, alles fern, flach und leblos. Nur Anna, die Enkelin, und die Tochter Marcella, die plötzlich eintraten und uns stürmisch begrüßten, hier also, das war mir jetzt klar,  hier also war das Zentrum der Ausstellung, der Bilder, als wäre er genau an dieser besonderen und ausgezeichneten Stelle im Raum anwesend. Und von hier aus sah man auch das erste Bild der Ausstellung, vielleicht das tiefsinnigste Bild, das er je gemalt hatte, und das von hier aus auch die erste Ausstellung ohne ihn, zu beherrschen schien: sein Kopf, ein Selbstporträt, trat aus einem schwarzen Hintergrund hervor, und er hielt die kleine Enkelin, damals noch ein Kind, eng umschlungn, als klammere er sich an diese kleine weiße Gestalt. Im Katalog war dazu auch ein Gedicht von mir abgedruckt, das geht so:

Auf einem Blick
Jenseits der Tür, davor
das Kreuz, das nach dem Tode
steht. Im Rahmen
stehst du schon
der Tür/ aus
ewiger Nacht

mit einem Fuß

Das Enkel
Kind, das dich umarmt
in Weiß steht
noch im Licht und
hält dich hier.

Nun gut. Anna zeigte mir auch das zweite Gedicht, ein Gedicht auf eines seiner wunderbaren Kruzifixe geschrieben, das im Kloster von San Miniato in Florenz  aufbewahrt wird. Und  dann sagte sie: ich bin ein Stück von ihm, ich kann ohne ihn nicht leben. Und weißt du, was mir gestern Abend passiert ist, du glaubst es nicht, ich bin auch jetzt noch erschrocken; er hat sich gemeldet, er ist da, ich spüre ihn auch, und meine Mutter, auch meine Cousine Luci haben von ihm in dieser Nacht geträumt, und er hat ihnen gesagt, dass die Ausstellung gut und er einverstanden sei, und dass er auch nach Magnani-Rocco komme, hier also dabei sein wird. Geh, sagte Hanna, die mit zugehört hatte, das ist doch verständlich, ihr hab andauernd an ihn gedacht und natürlich auch an die Ausstellung. Nein, nein, sagte Anna, nein, wißt er, dass er beiden dasselbe gesagt hat, Luci und auch meiner Mutter: infine ho una casa! Endlich habe ich ein Haus. Michum stand auch dabei, und wagte nicht zu lachen Was aber mir passiert ist, du glaubst es nicht, sagte Anna: ich hab immer noch Angst, im Traum ist er ja fast jede Nacht da und zeigt mir dann die seltsamsten Landschaften, führt mich herum in einer ganz anderen Welt, die ich gar nicht verstehe, und er versucht es mir auch nicht zu erklären, wie er auch seine Bilder nie erklärt hat, das war eben so und nicht anders, auch wenn man es nicht begreifen konnte, man ahnte es, man fühlte es man war eben mittendrin - immer mit ihm, und wenn er dabei war, verstand ich es auch; doch gestern Abend, ja, da war ich sehr erschrocken, jaja, auch wenn ihr es nicht glaubt, ich hörte meinen Lieblings-Mahler, die Fünfte, und ausgerechnet bei Maler also, es war schon der zweite Satz, eine gute CD-Aufnahme, da hörte die Musik ganz plötzlich auf, ich dachte zuerst an Stromausfall, doch die Lampe brannte ja, und in diese Pause hinein konnte ich ganz deutlich  seine Stimme hören:  Sono arrivato! Sono  arrivato! Zweimal also Sono  arrivato!   Ich lief vor Schrecken hinaus. Und als ich mich wieder erklaubt  und die Angst überwunden hatte, wieder ins Zimmer kam, da lief weiter die Fünfte, so als wäre überhaupt nichts geschehen, und alles so wie bisher und gewohnt. Doch glaubt mir, das Zimmer hatte sich verändert. Und ich dachte auch das Bild, dieses Motiv, wo er mich in den Armen hält, war verändert, das Licht war anders, und auch  ich weiß nicht was ... Aber es ist ja nicht so, dass er nicht auch ein anders mal da gewesen wäre, doch im Traum  ist das ja ganz normal, nur hier so, in der Wirklichkeit? Da passte er gar nicht hierher, da war er eben ein Schrecken, obwohl es gar nicht so sein dürfte. In den Träumen kommt er, setzt sich an mein Bett, und nimmt mich an der Hand, dann fliegen wir fort. Und er zeigt mit diese Landschaften, auch Leute zeigt er mir, mt denen er nun zusammen sei, seine "Freunde". Und jetzt bin ich ja zu Hause, sagt er. Und es ist wie früher beim Malen, nur braucht man kein Malgerät, sagte er, man denkt es nur, stellt es sich vor und schon ist die Landschaft wirklich da, fabelhaft sei das, wie schön, und gemeinsam stellen sie nun diese Landschaften her, in denen sie leben, auch die Häuser , in denen sie wohnen. Und einmal zeigte er mir ein "Objekt", es schien zuerst aus Papier zu sein, doch wars dann doch ein ganz anderer, mir unbekannter Stoff, und in dieses Ding, das ganz merkwürdig gefaltet war, aussah wie ein Rettungsring, und mein Großvater, der hat ja immer so eine Schwäche für Geometrie und Topologie gehabt, wie er es nannte, wir haben ja beim Abbi auch sowas lernen  müssen, und er sagte, dies sei so etwas wie ein Hypertoroid, und es enthalte die drei normalen und zusätzlich die drei zeitlichen Dimensionen. Sei aber selbst zeitunabhängig, und es war ganz merkwürdig da drin, und  da konnte man malen und zeichnen, aber nur in Gedanken, und war sofort weit weg, vor und zurück, bis weit in die Zukunft hinein. Und er sagte, daher sei es ja auch so schwierig,  sich gegenseitig zu besuchen, weil so unterschiedliche   Welten etwa unseren Biorythmus stören könnten beim Eintauchen in zukünftige Zeit, und es käme alles durcheinander. Nach dem Aufwachen war es mir ganz unheimlich, weil alles so wirklich gewesen war, echt! Und ich hörte immer noch seine liebe Stimme und fing auch an zu weinen, schluchzte in mein Kissen, das dann ganz nass geweint war.
Anna sagte, sie habe schon viele Traumtagebücher geschrieben seit dem Tode ihres Großvaters, und das wichtigste, was er ihr erzählt habe, sei ewas ganz Verrücktes, nämlich dass alles zu gleicher Zeit geschehe
Wie das, fragte ich.
Nun, es gebe überhaupt eine ganze Reihe von Leben, in denen wir mit dabei sind, jetzt, in diesem Augenblick, du und ich auch. Viele andere Leben in ganz anderen Gegenden, als wir sie uns vorstellen können.
Ja, sagte ich, da fällt mir ein schönes Gedicht von Friedrich Hölderlin dazu ein: Es ist unmöglich, und mein innerstes/ Leben empört sich, wenn ich/ denken will, als verloren wir uns./ Ich würde Jahrtausende lang die Sterne durchwandern, in allen Formen/ mich kleiden, in alle Sprachen des /Lebens, um dir einmal wiederzubegegnen./ Aber ich denke, was sich/ gleich ist, findet sich bald.
Sehr schön und richtig, ja, genau so ist es, rief Anna.
Unser kleiner Kreis hatte die Ausstellung und die vielen Leute völlig vergessen, die sich vor den Bildern drängten,.
Und ich lachte, und sagte, zu Hause als Kind, da habe mein Bruder immer wieder rausbekommen  wollen, wie man sein eigener Großvater wird; und wir hatten ihn als kleinen dicken Witzbold immer ausgelacht.
Und es ist gar nichts zu lachen dabei. Ja,  wenn die Leute sagen, in einem anderen Leben könnte ein Paar die Mutter-Tochter- Rolle spielen, in einem anderen aber die von Vater und Sohn, oder dass ich hier die Tochter meiner Mutter sei, ein andermal aber ihr Vater sein könnte, ist das gar nicht nacheinander, sondern überhaupt gleichzeitig, und wir könnten das keinesfalls verstehen, einigermaßen mit übereinanderlaufenden  Filmen könne man das vergleichen, wobei mal der eine, dann der andere Filmstreifen bewußt werde, wir aber die übrigen immer wieder vergessen, ja, vergessen müßten, um leben zu können. Und überhaupt sei  ja die Leinwand jener Ort (gar toplogisch zu nennen!), wo etwas erscheine und dann wieder spurlos verschwinde, wie  in Gespenster- und Gruselfilmen sei  das, diese  Erscheinungen seien da, redeten uns an, wir aber säßen ein wenig dumm  auf unseren schwarzen Sesseln, flögen, an unsere Augen gefesselt, über sie hinweg, so als wären sie gar nichts, und dann aber flögen auch sie selbst, diese Gespenster, kaum zu glauben, und doch sähen wirs ja wirklich und deutlich! Und nur weil das, was man im Film nicht sehe, über die Zeit hinwegspringe, naja, könne so etwas überhaupt sein. Aber das Zeitspringen  das, was in Wirklichkeit geschehe! Und dann bückten wir uns, sozusagen symbolisch, um nicht davon getroffen zu werden, Huuh, das wäre grauslig, entsetzt aufgerissene Augen, und werden dann doch berührt! Aber genau so sei  das ja in Wirklichkeit, was wir vergessen müßten, jeden Augenblick seien wir unser eigenes Gespenst. Sie dort aber, wo sie jetzt sind, sie hätten nun eine Art Brille, so dass sie dies Filme alle gleichzeitig sehen könnten. Vor- und rückwärtslaufend. Egal, das könnten sie.  Oder auch ein  Film, der sich aus dem andern entwickelt und so. Und dieses Auftauchen und plötzliche Verschwinden  bei uns von solchen Dingen sei völlig normal, und immer geh doch alles  mit rechten Dingen zu, nur seien wir zu blöd, es zu begreifen, sagte er auf seine grantelige Art, die ich so lieb habe: weil doch diese Dinge, auch er etwa, falls er bei uns auftauchen wolle, was er nicht tue, um niemanden zu erschrecken, sei doch nur deshalb möglich, weil er in einem Zeitbereich  lebe, in dem unsere Vergangenheit nur Teil des großen, uns entzogenen, dimensionalen Zeit-`Raumes` sei. Oder so ähnlich, so genau kann ich das nicht mehr auseinanderhalten! Jedenfalls gebe es keinen Tod. Aber eines erinnere ich noch, das war ein anderes Mal, als er sagte, das könne man bei Ufo-Landungen  auch bemerken, die bei uns  blöderweise immer noch geleugnet werden, da blieben an solch einem Ort Reste der Spuren künftiger oder vergangener Zeit, die etwa den Gang von quarzgesteuerten Uhren beeinflussen, Boden und Vegetationsveränderungen hinterlassen, diese Zeichen in Kornfeldern etwa. Und wir selbst projizierten  Filme, und alles was geschehe, sei  ein Netzwerk von solchen Bewusstseinsfilmen. Und es gehe eigentlich nicht immer so weiter, denn es sei alles schon unendlich weit gegangen, eine große Verknüpfung, in dem die einzelnen Lichtpunkte andauern an anderen Orten aufleuchten, und so der Anschein von Weitergehen entstehe.
Na siehst du, und mußt nicht traurig sein, sagte L. ein wenig spöttisch, wenn auch nachdenklich geworden, was du alles so einem Großvater zu verdanken hast. Meiner hat mir nur Geld hinterlassen. Dazu hat  dir deiner noch ein ganzes Museum von Bildern geschenkt, das sehr viel mit jenen Filmen zu tun haben, von denen du erzählt hast.

Wir verließen schon   am späten Nachmittag Magnani-Rocca, blieben nicht  bis zum kalten Büffet. Ich war von den Träumen Annas so beeindruckt, dass ich auf der Heimfahrt von nichts anderem sprach. Wir fuhren von Traversetolo  in Richtung Apennin, man sah die schneebedeckten  Berge der Emilia, und ich sagte zu L., wir sehen uns ja nun hier im Auto, und zugleich  sehen wir dort auf die Schneeberge, mit den Gedanken sind wir jedoch immer noch in Magnani-Rocca  bei Annas Gruselgeschichten, wenn das, so oberflächlich gesehen, nicht auch drei-vier "Filme" sind. Ich muß die ganze Zeit daran denken, dass ich meinen Roman nicht mehr einfach so lassen kann, wie er bisher war, ich brauche einen neuen Anfang. Nämlich diesen. Und ich brauche solch ein wirkliches  Netzwerk , wie es Anna geschildert hat. Aber weißt du, ich freue mich jetzt sehr, auch wenn ich gestresst  bin, weil da von den Bildern Mattiolis diesmal zum erstenmal kein Funke zu mir übergesprngen  ist, und ich mach mir Sorgen, dass ich alt werde. die Wahrnehmungen  abbnehmen
Nein, nein,  protestierte L., ich glaub das nicht, du bist eben in deiner Phantasie  sehr mit deinem Roman beschäftigt.
Ja, L., ich freue mich in Tat, dass ich jetzt meinen Roman so mit dir erleben darf, und  weiß jetzt auch, warum ich solches Glück empfinden kann, wenn ich meine Collagen im Roman zusammenbringe, weil ich dann jenem Netzwerk  nahe komme. Eine Art Engelarbeit: Je mehr Einzelszenen oder auch Fragmente sich gegenseitig anziehen, dichter werden, ein annäherndes Ganzes ergeben, umso größer ist die Erregung dieser intuitiven, ganz persönlichen und doch sich selbst überschreitenden  "Sinnarbeit", die sich eben einem Unerreichbaren, einem verborgenen Ganzen annähert. Personen und Ereignisse ziehen sich auch so an, keiner weiß warum, der innere Sinn aber, der ist nur fühlbar; nie erklärbar, du wunderst dich ja auch, wenn das Telefon  läutet, du hast eben an Pia gedacht, und sie ist am Apparat;. und eigentlich müsste ich meine Personen, da sie ja zum Teil in der "Zukunft" leben, oder solche, wie mein Doppelgänger Nicco, in der Vergangenheit, aber auch jene, die "dort" sind, wie Mattioli, gleichzeitig hier jetzt "mitfühen", in  mehreren Spalten, dass sie sich aber dann ihre Bewusstseinsströme verschränken, überschneiden: sie selbst dann plötzlich hier auftauchen wie Geister. Und ich oder du bei ihnen auch als Phantom erscheinen. Was allerdings gefährlich sein soll, Verstörungen  hinterlässt.
Weißt du, was mich ein wenig stutzig macht? Du sagst, es vergehe eigentlich keine Zeit, es geschehe alles gleichzeitig. Dabei sehe ich doch, wie mein Vater altert, sich verändert,.. Und wir, du hast doch vorhin dein Lamento  angestimmt! Das Gesicht ist auch im Spiegel zu sehen.
Es gibt wirklich nur diesen Augenblick. Sonst nichts. Das heißt, auch er ist schon vergangen. Und das Gedächtnis, die Fakten selbst sind  vergangen. Und auch dein Körper ist nicht der, den es vor einem halben Jahr gegeben hat. Es  sind ganz neue Zellen, die ihn möglich machen. Das Erscheinungsbild  aber ist da, nach einem bestimmten Wissen, das zu deinem Bild gehört, und dieses dann herstellt. In diesem Wissen ist nicht nur das, was gewesen ist, sondern auch das, was sein wird,  gespeichert.
Das ist so schwierig, kaum zu verstehen, sagte L..
Aber nur, weil wir so eng denken, nur faktisch, also in einer Illusion gefangen sind. Denn eigentlich ist jene andere Möglichkeit viel plausibler undunserer  Reife näher, sagte ich. Ist nicht auch die Zukunft andauernd da. Denk nur, du fährst doch jetzt genau diesem Gedanken nach: ich will jetzt nach Hause kommen. Alles andere ist dieser Zukunft untergeordnet, die doch herbeiführst, verwirklichen.

Aber ich kann nicht umhin, diese Gedanken auch konkret, im neuen Zeitbewusstsein weiter verfolgen:


Die besten Köpfe im Westen, wie Foucault oder Derrida, George Steiner, Paul Virilio oder am genausten vielleicht Jürgen Habermas in seiner schon 1984 erschienenen Untersuchung "Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfung der utopischen Energien", haben auf das Scheitern der Moderne und ihres Fortschrittsgedankens seit 1789 hingewiesen; und diese Skepsis gab es schon in der "Dialektik der Aufklärung" von Horkheimer und Adorno. Was neu ist und bei Althusser bis in den Wahnsinn hinein durchlebt wird, spricht auch Habermas aus, dass nämlich "die Erschöpfung utopischer Energien nicht nur eine der vorübergehenden kulturpessimistischen Stimmungslagen anzeigt, sondern tiefer greift. Sie könnte eine Veränderung des modernen Zeitbewusstseins überhaupt anzeigen." Dass sich nämlich die "Struktur des Zeitgeistes und der Aggregatzustand der Politik" radikal verändern, dass wie vor 200 Jahren "die Paradieseshoffnungen mit der Verzeitlichung der Utopien ins Diesseits eingewandert sind," so würden heute "die utopischen Erwartungen ihren säkularen Charakter verlieren" und möglicherweise wieder transzendenten, grenzüberschreitenden Charakter annehmen, wie Habermas vermutet, um diese These dann sogleich zurückzunehmen, als habe er Selbstverrat geübt. (In: Die Moderne ein unvollendetes Projekt, Leipzig 1992). Dass wir aber an einer Zeitgrenze angekommen sind, wie es auch bei Steiner oder Virilio anklingt, und wie es vor allem die moderne Quantenphysik und ihre längst im Hintergrund der Geschichte wirkende immaterielle Licht-Realität anzeigt, lässt sich nicht mehr leugnen, dass allerdings alte Theorie, Alltagsdenken und Politik hinterherhinken, ist auch offensichtlich. Das Unsichtbare nämlich ist heute mehr denn je die Hirnsyntax der Geschichte. Nicht nur die Tatsache der Vernichtung ist da, sondern damit verbunden ein radikaler Bruch mit der Körperwelt. (Doch auch ihr Aufstand, Aufstand der Enge in den Ethnien und alten Machtkonstellationen). Wenn nicht alles täuscht, steht seit einiger Zeit schon ein Paradigmenwechsel an. Unser Weltentwurf scheint an eine Grenze gekommen zu sein, wo es auf gewohnte begriffliche oder anschauliche und sinnliche Weise nicht mehr weiter geht. "Die Wissenschaft führt an eine Schwelle von Erfahrung, die sich der Meditation, aber nicht der Reflexion erschließt", heißt es bei Carl Friedrich von Weizsäcker, "dies ist vernünftig. Das begriffliche Denken kann einsehen, dass es den Grund seiner Möglichkeit nicht begrifflich bezeichnen kann." (Im Garten des Menschlichen, 1977, S.166). Wenn hier also die Grenze unseres Weltentwurfs ist, wie soll es dann weiter gehen? Auf die gleiche Weise, wie Quantentheorie, Elementarteilchenphysik und Relativitätstheorie das vorherige, das newtonsche Weltbild, damit das Kausalitätsgesetz, die bisherige Vorstellung von Raum und Zeit in Frage gestellt haben, müssten nun heute geltende "Naturkonstanten", die wichtigsten sind die "Lichtgeschwindigkeit" und die Heisenbergsche "Unschärferelation", die die Möglichkeit des Forschers einschränken, überschritten werden. Dieses wäre - auch nach Ansicht der Experten der Ansatz für den nächsten Weltentwurf: "Die Verbote der Überlichtgeschwindigkeit und der überreinen Fälle (Heisenbergs Formeln) fordern aber... den Forscher geradezu auf, nach den verbotenen Vorgängen zu suchen". (K. Popper, Logik der Forschung,1971, S. 197.) Tatsächlich ist schon jetzt der Wissenschaftsentwurf bei der Überlichtgeschwindigkeit angekommen, denn die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit ist in dem uns bekannten Bereich der Welt nur mentalen Prozessen möglich. Und diese Prozesse sind es heute, die mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte machen: Denken wird objektiv, lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch und beherrscht im Gerät die Natur und die Gesellschaft. Die Tatsache, dass es gelingt, durch mathematische Strukturen so weit vorzudringen, z.B. "Materie" als "integrale Differentialrechnung in einem vierdimensionalen Raum" zu fassen (nach Planck), in geistige Prozesse aufzulösen, zeigt deutlich, dass der Mensch und sein Wissen in eine andere, als in die Körperwelt gehö
Dann die Spirale der Reife in der Menschheitsentwicklung, aber auch beim Einzelnen, wenn er alt genug wird! Eine Art geistige Ontogeneze,  die ein  Spätwerk immer krön, und das späte Tagebuch oder die späte Tagebuchzusammensetzung früherer Tagebucher erst in der Wiederkehr zum Werk macht: und ich denke ans ontogenetische Grundgesetz:

Keine Ewige Wiederkehr des Gleichen also? Unvereinbar mit dem Übermenschen? Denn die Wiederkehr ist nichts als eine Spirale des Sichsteigerns in Reife, wie bei Hegel, das Reicherwerden mit dem Erinnern, das Nietzsche etwa ablegen will Ein andauerndes AUFHEBEN und Wandeln. Über den Tod hinaus. Triumph also: „Die Untergehenden liebe ich mit meiner ganzen Liebe: denn sie gehen hinüber… Denn ich liebe dich, oh, Ewigkeit.“ Na also. So spricht ein Kranker, Gescheiterter, am Leben, an sich, an den Frauen Gescheiterter?
Aber gegen das begriffliche Denken, das er verhöhnt und „das Leben“ setzt, den Antrieb, wie er in einem Brief an Lou schrieb „Geist? „Was ist mir Geist! Was ist mir Erkenntnis! Ich schätze nichts als Antrieb… Ich bin –„ ( Etwa 1882, 81 hatte er den Zarathustra begonnen).

Eben, die Entelechie, der Daimon! (Vgl . meinen Aufsatz für Anima!) Das Apriorische eben auch. Der KERN.

Am besten In „Jenseits von Gut und Böse“. Gegen das Begriffliche. Wie es Weizsäcker formuliert. Nämlich Wissen als nur „Stufen des Scheinbaren, auf diesem Grund des Falschen eigentlich erhebt sich Wissen und Wissenschaft, anstatt auf dem des Nichtwissens. Das ist genial. Und kommt zu Heisenberg und Weizsäcker.







                                                       KORSIKA



       Cucuruzzu an der westlichen Steilküste
So war es auch in Cucuruzzu, der Steinzeitsiedlung, gewesen; das Erlebnis nahm mich ganz ein, als wäre es ein Traum: schon auf dem Weg nach Cucuruzzu... Sinn fällt aus, ich vergesse, wo ich jetzt bin, alles ist zufällig, wenn wir uns selbst vergessen, denn wir sind das Tor zu ihnen. Wer? Wer verhilft uns dazu, die unsterbliche Geliebte in uns, um uns, Maria, Laura, Beatrice... zu entdecken? Das Leben eine große Vorläufigkeit - wir, die Ungeborenen, und die Toten träumen uns?
Wie war das gestern gewesen, ich war mit L. in Richtung Aleria gefahren, kurz vor dem Städtchen kam uns ein weißer Peugeot in rasendem Tempo entgegen und schnitt eine Kurve; der wäre mit uns fast zusammengestoßen. Und noch zweimal schnitt mir der gleiche Wagen später die Kurve, einmal bei Bonifacio und dann an der steilen Westküste, wo die engen Kurven über der Steilküste sehr gefährlich sind, zu eng für zwei Autos. Jedesmal machte der schwarzbärtige Mann am Steuer die gleiche drohende Handbewegung, und die drei Frauen auf dem Rücksitz sahen böse durch das Heckfenster, so dass ich unwillkürlich schneller fuhr, und bei der nächsten, noch engeren Kurve, wäre ich fast mit einem anderen weißen Auto zusammengestoßen... Beim viertenmal fuhr der Peugeot aus einem Feldweg ungeniert auf die Landstraße, die nach Cucuruzzu, einer vorgeschichtlichen Burg mit Menhiren, führte, so dass ich ihn fast am Kotflügel gestreift hätte. Zufall, ja, nichts als Zufall. Was ist Zufall? Es gibt vielleicht Gegenden, wo es leichter fällt, etwas von all den Zeichen zu bemerken, die sonst spurlos an den meisten Leuten vorbeigehen, als sei ihre Seele eins mit der Illusion der Zeiger; hier in Cucuruzzu passierte andauernd Geheimnisvolles, weil wir uns Zeit genommen, der Zeit die Zeit genommen hatten, und so einiges sehen konnten: Ob diese Touristen hier im steinzeitlichen Kastell nicht auch erschrecken, wenn sie neben dem uralten moosbewachsenen Weg zur Burg der Steinzeitmenschen plötzlich ein Gesicht im Stein erscheinen sehen, es liegt da am Boden, sieht herüber, ein Gesicht mit tiefliegenden Augenhöhlen, einer gebogenen, sehr langen Nase, einem ekelhaften Mund mit dünnem Bart, ein Mund , der viel zu hoch liegt. Auffällig - die riesenhaften Ohren. Einfach so ein Gesicht aus Landschaft, Gras, Bäumen und Lichtflecken; erschreckend vor allem die Ähnlichkeit mit dem Mann im weißen Peugeot. War dieses nun eine Projektion, eine Art erregte Rückkopplung der Phantasie, Suggestion? Ein Rückkopplungsprozeß der dimensionalen Wahrscheinlichkeiten, der sich dann aufschaukeln könnte, wäre er nur einmal unter günstigen Bedingungen in Gang gesetzt worden, wie hier ja auch; äußerst schwierig ist aber der Start bei Vernünftlern, die nichts zulassen, und auch nichts sehen wollen, weil die unüberwindliche Barrieren zu überwinden haben, und weil uns hier in unserer Selbstbetrachtung alles, was um uns ist, realer erscheint, als alles andere und uns Fremde, natürlich auch sie, die Toten, da wir uns in unserem Bewußtsein selbst reflektieren, während Bewußtsein aus jenem anderen Land, aus dem bekanntlich niemand wieder-kehrt, nur sehr vorübergehend als Spiegelung in unserem eigenen Bewußtsein erscheint, wenn überhaupt und recht selten. Doch darf nicht vergessen werden, dass sie, wie sie es selbst sagen, aus uns und von uns geformt werden, und auch für bestimmte Verbindungen, die so erscheinen, als wären sie Gespräche mit Toten, nur scheinbar einen von uns unabhängigen Charakter annehmen. Nichts, nichts läßt sich sagen...
Doch schon die normale Außenwelt war phantastisch: Es war heiß, die Luft flimmerte, die südliche Sonne brannte auf Schädel und Felsen; der Schatten unter den alten Ölbäumen war angenehm wie ein Zuhause, ein Ausruhen nachmittags um drei hinter geschlossenen Läden der Stadtwohnung. Doch jetzt standen wir unter der senkrechten Mittagssonne. Eine unsichtbare Stimme flüsterte; stechender Schmerz an den Schläfen. Vor dem Tod siehst du, wie in einem Film, Szenen aus deinem Leben vorbeiziehen. Wer war das gewesen? Der Alte? Ich fröstelte. Hatte ich vielleicht wieder Fieber? Auf den Steinblöcken und der Umfassungsmauer saßen überall kleine Jungen, jauchzten und sangen ganz unmotiviert fröhlich einzeln und im Chor. Ein kleiner Hund lief in der Gegend herum, winselte und jaulte erbärmlich. L. küßte mich, was selten geschieht, gab mir in der Höhle, in einem Kult- oder Grabraum, an dessen Eingang gespenstische Figuren mit Totengesichtern zu sehen waren, ein Raum, in den wir uns vor der Außenwelt und ihrer Hitze retten wollten, plötzlich einen ihrer heftigen und verzweifelten Küsse, so, als wäre es der letzte - und dann nie mehr wieder! Ich war überrascht, denn das tat sie sonst nie. Vom Eingang her sahen ein Alter mit einer Art Baskenmütze und schwarzen Augen, und gleich über ihm ein anderer Steinkopf, militärisch mit bärbeißigem Gesichtszug und weißem Nietzschebart, Schweinsohren und Schweinsäuglein schweigend zu. Ohne sich zu wundern, eher in totalem Einverständnis mit jener aufbäumenden Ruhe der Verzweiflung, die im Augenblick des Kusses alles in sich hatte, als würde genau jetzt ein neues Leben entfacht werden, das den Tod überlistete (oder von neuem auf die Welt brachte?). Irgendwoher flüsterte wieder jene Stimme des Alten, doch ich konnte nicht verstehen, was er sagte. Ich starrte in den Raum hinein, sah aber nichts, das blendende Mittagslicht hatte mich fast blind gemacht. Starrte da hinein, als wollte ich die Stimme sehen! Es war so, dass diese Stimme tatsächlich einem fremden Gedanken angehörte, der aber deutlicher in mir mitschwang und so zu einem eigenen Gedanken wurde. Ich kehrte mich wie unter einem inneren Zwang um, L. sah mein blasses Gesicht, sie hatte wohl hier meine Krankheit fast vergessen, und fing, wie jedesmal, wenn es mir schlecht ging,  an zu weinen. (Erst ein Jahr war seit meiner Krebsoperation vergangen!) Strich mir zärtlich übers Gesicht und über das Haar. Doch der, den sie erreichen wollte, war weit weg, weil er so ganz in der Nähe aufging. Es war eine Pinie neben dem Eingang, von der Wellen auszugehen schienen. Ich riß eine einzelne Nadel ab, als könnte ich das Geheimnis der Dinge auf mich nehmen, ganz weggehen, ohne mich zu entfernen, ohne mich von der Stelle zu rühren, und fühlte mich sehr, sehr weit entfernt, jener dort hatte die Piniennadel an die Nase gehalten, dieser krudgrüne harzige Geruch kroch in ihn, eine Spaltung zwischen mir und ihm entstand, und es schien mir dann plötzlich, als habe der Geruch eine Stimme, die Stimme der Piniennadel, wie im Märchen, als erzähle die Natur mir, nicht ihm ein Märchen, geschah etwas mit der Nadel, sie begann sich mit dem Licht zu vermischen, vibrierte langsam auf Grün, und löste sich in flackernde grüne, dann immer blendendere Lichtwellen in meiner Hand auf ... es war wie ein Wunder, die Lichtwellen bewegten sich ungeheuer schnell, und ineinandergeschobene Spiralen waren innen in der Nadel zu sehen, ihr wohlvertrauter Geruch flackerte plötzlich stark, die Luft selbst fing zu glühen an, und das so entstandene innere Feuer in den Dingen breitete sich immer weiter aus und erfaßte den ganzen Pinienbaum, der wie ein Feuerrad vor mir, dem in zwei Personen Gespaltenen  stand, Feueradern, Feuerarme die Äste ... sekundenlang durchfuhr ihn, nicht mich, ein lähmender Schrecken - war sein Gehirn in Unordnung geraten? Denn die ganze Umgebung verwandelte sich gleichfalls in ein Meer aus lebendigem, aber unwirklich fernem Licht, ja, es war fern, blendete, und war doch wie nicht da. Ähnliches, nur viel schwächer, hatte ich bei meinem ersten LSD-Rausch erfahren, das Moos wurde grün-durchsichtig, der Pinienbaum strahlte innen ebenfalls ganz hell; doch plötzlich wurden auch meine Hände blendend durchsichtig wie ein Strahlenkörper... Das ist der Tod, dachte ich, blieb aber ganz ruhig, kein Schrecken mehr, alles schien so wunderbar und schön ... wir waren mit der Landschaft jetzt eins, und völlig gesichtslos, die Hände, die Beine, auch Rut neben uns, gehörte unterschiedslos zu diesem blendenden Lichtmeer, Schattenkonturen waren noch auszumachen wie auf dem Negativ eines Films oder in einem Röntgenbild."
 Da erinnerte er sich, dass auch die drei Frauen im Peugeot wie gesichtslos gewesen waren.



                           Korsika. Die Bucht von St. Florent

Hier  in der Bucht / nahe am Landesteg –
hier hatte schon Nelson geankert –
heller Morgen blitzendes Feuer/ Atome der Sonne
an der Steilwand von Capraia gestern versteinte Gespenster
Gesichter, meines und das meines Vaters
Köpfe/ Stein-Kultur/ Hirne winden/ Spiralen bis hinab zur Naht
die reißt: sieh, hier wollte ich kurz sein und nun wars doch
ein ganzes Leben
als fremdes Gespenst!

Jetzt Eukalyptus am Ufer/ und hier kalt die Schwärze des Wassers
am Ufer aber greifen die Hände sind Blumen rot und weiß
wie die Schechinah der Oleander ins Auge getönt.

Alles scheint nun ein Topos/ Bücher greifen in mich ein
wie Zahnräder und  Technik dichte exakte Gegenwart
VHF bringt lebensnotwendige Wetternachrichten
unendlich soll es strömen durch mein Hirn/
der Golf aber ist eine Sackgasse/
stehend sumpfig das Ende.

In die Steine hinein will ich hoffen
daß mich die Atome noch mögen
und das Licht/ kreisend in meinen Neuronen
einsam  ist jeder der nach Osten sieht.

Sonst aber bin ich im Paradies
zart gezeichnet die korsischen Berge aus Dunst
weiß die Kontur/ und darunter Masten
kleine schwankende Finger die sich selbst
den Himmel anzeigen/ gestohlene Lust/ Zikaden
und Krähen zum Plätschern des Golfes
Sonnenglut blinkt/ und der Stift
schreibt ab/ was ich zu sehen meine/
mich.

Dort die Musik der Landschaft
endlich höre ich sie mit den Wolken
noch zwei Schiffe vor mir vom Mistral
in Streifen geschnitten über dem rötlichen Berg
in mir aber anstatt der Musik eine Null
die an mich grenzt / nur manchmal Erschrecken
daß ich noch da bin


  Liebe auf Reisen
        Strassburg. Mont S. Odile

Und dann fuhrst du los in Richtung „Überraschung“. Gings jetzt schon los mit der topographischen Verwirrung und Verirrung… ich glaub nicht, du musstest ja nur Richtung Strassburg fahren,, über die Grenze, über die Rheinbrücke… ach, ja, ohne jede Kontrolle… ich hielt deine rechte Hand in meiner, den kleinen warmen Vogel, du mit der linken das Steuer, meine rechte streichelte dein Gesicht, auch die Linke deinen Nacken, deine Haare, deine dann freie Hand auf meinem Schenkel; und manchmal schien es mir, als hättest du gern auch den Delphin begrüsst, dachtest wohl, es sei zu früh;  ich wusste ja auch nicht, wie weit dein „Keuschheitsgelübbe“ ging, hatte mir vorgenommen, nie den ersten Schritt zu tun, nie zu irritieren, zu warten, was geschehen würde, alles sollte so sein WIE ES IST, wie es sich  aus unserem Zusammensein ERGAB. Ergeben, oh, NEIN. Ich weiss nicht mehr, was wir redeten. Dein feines Gesicht glühte; meines auch. „Oh, ich bin so glücklich, oh, ich bin so glücklich, dass du hier bist, dass es dich gibt“, sagtest du mehrfach. Und nein, nicht viel reden wolltest du; ich versuchte zu erzählen, von Schloss Horneck, meinen Werk-Archivsorgen, dem Leseabend, auch von deinem Freund Pierre, dem Doktoranden. Es interessierte dich nicht, du hörtest kaum zu, warst nach innen dir und mir zugewandt, unserer so stark spürbaren Präsenz; ich fühlte, wie deine Aura in meine tauchte, sie vergrösserte, stärkte, wie sie sich vermischten. „Ich möchte nichts, nur diesen Zustand, dieses Glücklichsein geniessen, dass du DA bist. Wirklich da bist; oh ich fühl dich so!“ Nur nah, nur das Jetzt, nichts anderes sollte sein. Und du strichst mir über das Haar, das  Gesicht, die Augen „Oh, deine Augen, ich hab hineingesehen, die meerigen gesprenkelten Augen…“ Und plötzlich sagtest du so Unerwartetes, dass ich noch mehr Fuss fassen konnte im Augenblick mit dir, das alles wegwischte, was mich bisher so unsicher gemacht hatte: „Du hast ein so schönes Gesicht, ich möchte immer nur in dein Gesicht sehn… Und du hast gute Falten, so gute Falten, Lebenszeichen sind das.“
Und nachdem du mir gestanden, dass du die Sonnenblume heute gestohlen hattest, nachdem du auf die Rheinauen zeigtest, als wir über die lange Rheinbrücke fuhren: „Sieh, da laufe ich jeden Tag, jogge ich jeden Tag, du weißt“ „Ja, ich weiss, immer kurz vor der Dunkelheit!“ „Ja“. Da sagtest wieder so Unerwartetes, fingst an über mich zu sprechen…

Und wir waren schon in der Nähe von Strassburg. „Sollen wir reinfahren. Die Cathédrale sehen, wo ich am liebsten bin? Oder weiterfahren?“ „Fahren wir doch zum Münster, Liebste, ich möchte dort sein, wo du am liebsten bist, jenes Zentrum deiner Stadt zusammen mit dir erleben, ja? Vielleicht stehen wir dann gemeinsam unter jener Strahlung, die es in jeder Kirche gibt, dort aber unvorstellbar stark sein muss!“
Diese wundervolle Gemeinsamkeit! Nur eines wolltest du nicht, dass ich dich filme. „Nein. Ich will keine Bilder, ich möchte, wir sollen diesmal alles nur innen mit nehmen, erinnern, dass es unendlich, dass es grenzenslos für uns bleibt!“
Wir parkten auf dem Vorplatz  des Münsters an einer Ecke, nahmen nur das Aufnahmegerät mit, „hier wird viel geklaut!“; Arm in Arm, du hattest mich am Arm genommen, und wir gingen zum erstenmal so als Paar über die Strasse, gleichgross… „Sieh, wie wir zusammenpassen, wir passen so wunderbar zusammen!“ sagtest du. Und so traten wir ins Münster  ein, gingen das ganze Mittelschiff in dem riesigen Dom dem Altar zu; und oh, Wunder, plötzlich Orgeltöne, als wären wir ein Hochzeitspaar, und so empfanden wir es auch, wie eine erste wundersame Einweihung, als hätte alles nur auf uns gewartet.  Ich werde diesen stillen, wortlosen, fast wie in uns hallenden Augenblick nicht vergessen; du schmiegtest dich fest an mich, und sagtest: „Ich fühl mich so geborgen mit dir!“  Und ich sagte: „Ach, es ist wie eine Trauung unserer geistigen Ehe!“ Und das Dämmerlicht, das durch die Glasmalereien  mit den heiligen Figuren fiel hatte unsere Gesichter so sehr ins Gleiche dunkel verändert,  dass sie heller und ineinander zu verschmelzen schienen, die Augen vor allem, diese gemeinsamen Blicke, die diese sanfte göttliche Ruhe aufgenommen hatten und wieder und wieder ineinandersahen, nein, satt wurden sie nie.
Vor dem Altar suchten wir den „Punkt“, dieses erlösende Schweben, und ich sagte, in Florenz ist er immer da, doch genau unter der Brunelleschi-Kuppel; Hier gab es die Kuppel nur über dem Altar und dorthin führte für uns kein Weg; als wären wir ausgeschlossen.
Du nahmst dann zwei Kerzen, wolltest 20 Centime, wir hatten sie nicht, ich blieb einen Augenblick allein, du gingst wechseln; und ich kam mir plötzlich ohne deinen Arm, deine Hand  einsam und wie amputiert vor, als wäre jetzt das Münster viel zu gross für mich. Ich suchte dich mit den Blicken, da endlich tauchtest du aus dem Dunkel auf! Und nahmst gleich wieder meine Hand. „Für meine Oma sind diese Kerzen, sie hatte mich darum gebeten, und jedes Mal zünde ich welche für sie an.“ „Vielleicht sieht sie uns jetzt, wird sie spüren, dass wir uns gern haben.“ Sagte ich vor dem Kerzenmeer vor mir. „Sicher wird sie es spüren. Ich bin ja so glücklich! “ Wir sahen uns noch die astronomische Uhr an, die wie ein zweiter Altar da stand. Und unter den Ziffern, dem Glockenwerk der Totenschädel… „Die Zeit ist der Tod“, sagte ich. „Aber auch das Leben“. „Ja, das Leben, das sich dem Tode zubewegt“. „Wir wollten nicht darüber sprechen!“ „Nein“.
Dann verliessen wir – schweren Herzens - denn wie schön war diese Geborgenheit zusammen hier, den Dom. Als wäre eben diese Zeitschlag ausgeschaltet in den Ton der Stille und der Orgel getaucht und aufgelöst. Und in unseren Herzen, die mitklangen. Ja, diese Stille, die uns schützte! Gegenüber vom Münster wollten wir noch das  Musee Notre Dame sehen. Doch es war nicht geöffnet. Daneben ein Plakat mit dem St. Odilienberg. Du zeígtetest es mir, sahst mich von der Seite an: „Kennst du es?“ „Ja, freilich kenne ich es“. Etwas wie Enttäuschung war auf deinem Gesicht zu erkennen.       „Jetzt fahren wir aber los, sonst wird es dunkel.“ „Ja“. Wir fuhren durch die Stadt. Du zeigest mir noch deinen Radweg zur Uni. Dann  verliessen wir Strassburg fuhren entlang an alten Fachwerkhäusern. „Ja, ich hatte mich in Strassburg vor Jahren schon verliebt, und wollte immer wieder kommen; es kam nie mehr dazu bis heute, und jetzt?...“ Mit Michi und Magdalena war ich vor vielen Jahren hier gewesen, und damals hatte es uns die astronomische Uhr angetan!“
„Wir wollen sie vergessen, den anderen Ort mitnehmen.“ „Altar UND Uhr, wir haben genau drei Tage!“.
Warst du so nach innen gekehrt, so verwirrt von all diesen Eindrücken,  dass du die Strasse dann zu deinem Ziel, dieser Überraschung, nicht fandest? Du fuhrst einfach irgendwohin. Und ich sagte, „schliesslich ist es ja egal, wohin wir fahren, wichtig ist, dass wir zusammen sind.“ Dann aber schien die Route doch richtig zu sein..

Nach Rosheim… zur Kirche zu den fickenden Ungeheuren. Da standen wir davor, und oben auf dem Dachfirst gings los, „ja, damit die Hölle weiter ihre Nachkommen hast“, sagtest du, siehst du sie dort? Ja. Wir gingen um die Kirche herum, überall diese minitotenmasken und köpfe, womöglich Patrizier.  Solche enorme Ausdruckskraft hatte jeder einzelne. Erstaunlich.
Und dann zum jüdischen Friedhof durch den Wald. Wo ja auch der Josel von Rosheim begraben sein muss.
Wir gingen hinein, in der Ferne ein unheimliches Licht, eine grosse Stille. „Warst du auf dem jüdischen Friedhof in Prag“. „Ja, beim Baalschem auch.“
„ Wenn du dir vorstellst, das unter jedem dieser vielen Steine, die uns jetzt so ansehen, schattenhaft zu leben scheinen, ein ganzes abgecshlossenes Leben liegt, dann kannst du gar nicht einfach so vorbeigehen, jeder Schritt ein ausgelöschter Lebenslauf. Eine merkwürdfiger Zeitstillstand. Im Rücken das Dunkle des Waldes, vor uns das Licht und die Offenheit der Ebene. Und des Himmels.
Zwischen den Grabsteinen gingen wir dann durch ein Gatter zum älteren Teil.  Da bekamst du plötzlich Angst vor den im ältesten Teil des Friedhofes grasenden Ziegen. „Die hatten mich das vorigemal umringt, als wollten sie mir was antun. Komm, wir gehen hinaus.“ “Aber ich bin ja bei dir, ich beschütze dich doch!“


Struthof

„Mein lieber Ich,  weißt du noch unser Ausflug ins Elsass? Und  unser Kloster S. Odile? Der Berg, unter uns die Ebene, und alles unvergesslich, alles ein Lebensereignis, jeder Augenblick erfüllt, das IST doch erfüllte Hoffnung, nicht, und ich weiß noch alles so gefühltgenau: Die Sonne schien schneidend vom Himmel, als ich aus dem Nebelfeld hinaustrat in die Höhe und unter mir das Weiß der Ebene. Die Haut wurde warm und ich spürte, wie die Pigmente sich veränderten unter den Strahlen und mein ganzer Körper nach Frühling roch.
Mein Herz erinnerte sich an den Spätnachmittag, als wir durch dieses Tor traten und uns die Zimmerschlüssel geben ließen. Mein Gott, wie sehr ich Dich liebte!
Ein Jahr ist vergangen, ein ganzes Jahr. Ist es Dir bewusst? Die Sonnenuhr wirft Schatten, der Sand rieselt und die Körner werden weniger.
Ich spürte noch einmal Deine Hand, die mich nicht loslassen wollte, Struthof, Le Champs du Feu. Der Himmel war so tiefblau und die Farbenpracht der Herbstwälder überwältigend. Der Blick bis zum Donon, oben, auf den chaumes des crêtes, und gegenüber, aus dem Nebelmeer hervorragend die feinen, dunklen Linien der Schwarzwaldgipfel.
Ich zog den Mantel aus und lief die Ärmel nach oben geschoben über die Hochebene, umarmte die Bäume und raschelte durchs Laub.
Ein Jahr ist es her. Es regnete und ein paar Verrückte liefen einen Marathon.
Ich fühlte Dich an diesem so fernen Tag vor 12 Monaten mehr als ich mit Worten sagen konnte, ich fühlte deinen Grund und Boden und Deine Hand war das Futteral, in das ich Dir mein Herz legte. Wie oft hast Du mir gefehlt und wie wenig ist doch real geschehen.
Dieses ist das Wirkliche und die Hoffnung, dass wir uns wiedersehn…
Noch einen schönen Abend,
Hel.“

Sie erwähnte eingebettet ins Wirkliche der Liebe das KZ Struthof nur wie nebenbei, als wollte sie es mir als zu starken Vordergrund in all meinen Argumenten vorwerfen! Ja, damals hatten wir es gemeinsam gesehen, und ich schrieb ihr:
Ja, weißt du noch Hel, bei Schirmeck kamen wir zum KZ Struthof. Ich hatte dir erzählt, dass ich in meinem Haus eine Zeichnung vom ehemaligen Buchenwald-Häfttling Muzic an der Esszimmerwand hängen hab. „Kennst du Music?“ „Ja. Aber mit so einem Bild könnte ich nicht in meinem Haus leben!“ „Für mich ist es ein Zentrum des Hauses, ein Symbol dafür, weshalb ich überhaupt da und nicht zu Hause lebe!  Es ist der letzte Atemzug eines Häftlings kurz vor dem Tod. Und solche Augenblicke hatte Music im Lager erlebt; erst 1971 kam es als spätes Trauma in ihm wieder hoch. Und er zeichnete diese letzten Lebensmomente der Armen; vielleicht waren es auch Augenblicke der Erlösung. Sicher waren sie das! Und du weißt ja, wie alles zurückreicht in meine Familie, wie viele meiner Leute da beteiligt waren…!“ „Ja.“
Wir hielten. Und das grausam-niedliche winzige Kz lag vor uns, das wie Hitlerhaarschnitt und Hitlerscheitel sauber aussehenden Areal, die farbigen Baracken, der elektrisch geladene Zaun. Der Galgen mit der Galgenschlinge, die im Wind baumelte, der Block. Und im Hintergrund diese Schönheit der Vogesen im Nebel feenhaft geschichtet, ringsum der  Wald.  Ich sagte, „dies will ich nicht aufnehmen, es wäre wie eine Blasphemie.“ Wir gingen nicht hinein. Wir blickten nur hinab ins Areal, umarmten uns. Ein langer Kuss, als müssten wir auch hier etwas reinigen, wir, mit dieser Sprache, mit diesen Lippen, mit diesen Mündern.
Dann fuhren wir an der Gaskammer vorbei. Und du erzähltest entrüstet, dass es hier, gleich neben der Gaskammer, ein Restaurant für Touristen gäbe. „Willst du es sehen?“ Nein. Jetzt reicht es.

    Sie selbst aber hat es viel eindringlicher beschrieben, vielleicht weil sie ohne Vorhergedachtes nach Innen schrieb, und das kann ich von ihr lernen, und hab es immer schon versucht, die „leichte Hand“:
Dann ging’s los mit dem Autschgerl in Richtung Hohwald und rüber nach Schirmeck zum Donon. Ich war mein Kartenleser und ich konnte kaum glauben, dass er das als Seefahrer ja so gut kann und ich ihm da voll vertrauen darf. Ja, das ist etwas, was mir auffällt. Ich kann ihm vertrauen und muss nicht alles selbst machen. Ich kann auch aufhören, „anzukämpfen“. Er übernimmt Initiativen und das ist unheimlich entspannend. Er macht einfach und fragt nicht lang rum. Und was er macht, ist gut. Ob es jetzt das gestrige Herrichten des Zimmers war, oder das Kaufen der Broschüren, oder seine Art am Frühstückstisch nach Nachschub an Brotreserve zu greifen, die Natürlichkeit, neben mir im Auto zu sitzen, den Weg zu finden, er macht das einfach so und ich fühle mich sehr wohl in seiner Anwesenheit, seiner Aura, seinen Bewegungen. Wenn ich ihn ansehe, geht’s mir gut. So einfach ist das. Und so fuhren wir los und lachten über die paar Steinderln von der Heidenmauer „Ist sie das?!“ „Ja…“ und dann ging es durch den Herbstwald. Der Weg ging an Struthof vorbei. Dem kommt Ich nicht mehr aus.
Und ich kann das Thema nicht mehr hören, weil ich es in der Schule bis zum Erbrechen eingebläut bekam, dass ich bis an mein Lebensende eine Erblast auf den Schultern tragen werde, Erbsünde, das Holocaust-Gen steckt mir seit Geburt in den Knochen, obwohl weder Omi noch Opa in der Partei waren, Mami erst 1943 und Papi 1941 geboren wurden und den Krieg nur noch aus Erzählungen kannten. Obwohl Mami ja noch besonders eine starke Erinnerung hat. Die des Kleidchens. Bei jedem Bombenangriff auf Landshut durfte Mami, bevor es in den Luftschutzkeller ging, das weiße Kleidchen mit den Rüschen und der Schleife anziehen. Es war ein Jauchzen, wenn die Sirenen heulten. Und Papi erzählte immer von der Orange, die ihm sein Vater beim letzten Besuch mitgebracht hat, bevor er drei Wochen später in Russland auf dem Feld fiel, d.h. an einem Waldrain erschossen wurde. Und als der Brief daheim eintraf, mit dem Kreuz und dem Adler und den paar Habseligkeiten, die er bei seinem Tod am Leibe trug, da wusste Papi nicht, was es bedeutete, keinen Vater mehr zu haben. Ob dieser Opa, den ich nie gekannt habe, im Augenblick seines Todes irgendwo in der russischen Fremde an seine zwei kleinen Buben und seine Frau gedacht hat? Was denkt ein Mensch, wenn sich die Kugel in seinen Körper bohrt? Wie ist es, so zu sterben? Tut das noch weh? Wie ist es, in ein paar Sekunden Abschied nehmen zu müssen vom Leben, obwohl der Körper noch gesund ist? Opas Erbgut lebt auch in mir weiter. Papi sah aus wie er. Werde ich Kinder haben? Wer wird der Vater meiner Kinder sein? Werde ich Krieg erleben müssen? Werde ich das erleben, wovon ich nicht glauben kann, dass es existiert? Was hat Ich erlebt? Was steht hinter der Narbe über dem Schambein geschrieben? Sehe ich ihn? Warum habe ich das Gefühl, ihn zu kennen? Warum treffen wir uns jetzt, Ich und ich? Wer hat uns zusammengebracht? Gibt es einen Sinn? Sind das die deutschen Fragen? Wir kamen nach Struthof und stiegen aus. Wie gut es war, sich zu umarmen und zu halten gegenseitig. Wie mir das oft fehlt. Wie allein man durchs Leben wankt, trotz aller Arme. Wie mir dieser Arm fehlt. Und wie viele Arme man einfach wegschiebt.
Ich erzählte Ich von Roger Dale, dem ich vor seinem Berlin-Aufenthalt Einzelunterricht gegeben hatte und seinen Struthof-Bildern, dass er als Häftling verkleidet 50 Tage lang mit geschorenem Haupt die Aussicht vom Lager aus malte. Wir regten uns ein bisschen auf, wobei die Bilder von ihm ja wirklich nicht schlecht sind. Und Ich erzählte, dass er selbst ein Bild mit Todesmotiv in zentraler Lage in seinem Haus hätte. Das lässt ihn nicht los. Verfolgt ihn. Verfolgt uns alle. Aber ihn besonders, weil er es erlebt hat durch die KZ-tüchtige Verwandtschaft und dem Terror, der kommunistischen Diktatur, die sich schwupsdiwups anschloß. Und sich diese Fragen stellt, ein paar Jahre früher geboren, was wäre er geworden? Ein Turmwächter? Ein Appelltreiber? Ein gestiefelter Aufseher mit Knarre im Revers? Ein Menschenschinder und folgsames, ausführendes Element der Todesmaschinerie?
Er wird es nie wissen und deshalb braucht er meiner Meinung nach auch nicht herumzuspekulieren. Er ist es nicht geworden, weil er eben nicht dafür bestimmt war. Somit erübrigt sich die Frage. Das Samenfädchen seines Vaters bohrte sich in eben diese Eizelle seiner Mutter Ende 1933 und nicht 1913. Da gibt’s nicht mehr zu hinterfragen.
Er ist da. Jetzt. Er lebt mit mir am Anfang des dritten Jahrtausends. Sein Blick streift keine in Ketten gelegte Arbeiter-Kolonnen, sondern die Seele der Welt, der Menschen und meine, die ich an seine schmiege, wo sie daheim ist. Als wir oben am Zaun über das Areal blickten, sah alles beinah putzig und ökonomisch so perfekt aus, wo der organisierte Tod am längeren Hebel saß. Die Baracken wie Streichholzschachteln. Da meinte er:
„Schau, dieser Galgen, Anja. Denk’ an den, der da hing. Denk’ an ihn. Siehst du ihn?“
Zuerst sträubte sich etwas in mir. Es ist ja so ein Schmerz! Und dann dachte ich doch an ihn und an alle, die dort gehangen haben und ihr Leben aushauchten vor dieser schönen, friedlichen Kulisse der sanfthügligen Vogesen. Die so sterben mussten, weil sie zum falschen Zeitpunkt geboren worden waren. Den Wäldern ist es egal, der Erde ist es egal. Sie liegt da und lebt beständig, bis sie eines Tages von der Sonne verschlungen wird und es werden andere Planeten geboren werden und leben schon da draußen im unbekannten Raum. Wir sind ja nur ein Teilchen, ein winziges Rädchen und selbst noch um so viel winziger. Was ist schon ein Menschenleben? Es ist nichts. Und alles. Wie leicht werden Menschen abgeknallt, in die Luft gesprengt. Und wie schrecklich, wenn der geliebte Mensch Fieber hat.
Ich dachte an diesen Menschen, an die Sekunde vor dem Sprung ins Leere. Der Tod ging durch mich hindurch und prallte an unserem Kuss ab. Wir küssten uns sanft und lang, ein schöner Kuss war das, ein Schutzschild gegen alles Schlimme, was da jemals kommen mag.
Wir fuhren weiter talwärts, an den Öfen und Verbrennungsanlagen des Konzentrationslagers vorbei, wo sich, man mag es glauben oder nicht, ein Restaurant befand! Bon appétit! Ich konnte nur noch sagen, dass ich das nett fände, ein Restaurant „Aux chambres de gaz“ dort hinzustellen, damit sich die Touristenbusse neben den Gaskammern bei Sauerkraut und Riesling stärken könnten. Es hieß natürlich nicht „Aux chambres de gaz“. Aber was will man da noch sagen? Wie kann ein Typ ein Restaurant neben den Türmen aufbauen, aus denen geschundene Leiber pulverisiert in die Luft verpufften, samt ihren Schmerzen und Verzweiflungen, ganz zu schweigen von den Hinterlassenen? Dass so alles möglich ist im Tun und Handeln eines Individuums, das ist nicht nur erschreckend.
Auf der anderen Seite ging es rauf zum Donon. Und alles war wieder heiter. Wir reinigen den Weg. Und plötzlich ging die Heizung!
„Schalt’ doch mal die Heizung runter, es ist doch viel zu heiß!“
Automatisch schob ich den Regler nach links. Und dann erst riss es mich:
„Ich kann die Heizung ausschalten! Ich! Das heißt: sie geht!!“
„Gleich wird auch noch das Radio angehen, wirst sehen!“.
Mann hab’ ich gelacht! Ich hab’ doch nur ein Kabelloch da, wo einst das Radio steckte. Ha, ein Luftradio mit Äther-Musik. Ich trau’ ihm alles zu, dem Romanot! Seine Hände können zaubern.
Er fing dann noch weitausholend mit mystischen Themen an, das wurde mir dann zu viel, ich konnte da nicht mehr zuhören, ich war noch randvoll mit den Eindrücken vom KZ. Dass ich nicht immer zuhören würde, meinte er. Nun, kein Wunder! Mir klingen schon die Ohren! Wir müssten ja tausend Jahre nur reden und uns zuhören. Und dass ich manchmal abwesend sei. Ja, also da muss ich ihm schon Recht geben. Aber ändern kann ich’s nicht. Ich klinke mich manchmal einfach aus. Dann bin ich weg. Weg in meiner Welt. Weg in der Innenstille, wo niemand hinkommt. Wo eine Sekunde ein Jahr ist. Im Vakuum meines Herzschlags ist der Weltraum.

                      Colmar. Der Isenheimer Altar

Wir fuhren los Richtung Colmar. In Dambach sahen wir uns noch die Kirche an. Vor allem die offene Gruft mit dem Berg von Knochen ein ganzes Durcheinander von Köpfen und Gliedern, nicht so schön ornamentiert und mit barocken Mustern  wie in der Kapuzinergruft von Wien oder in Rom via Veneto, sondern so unordentlich und chaotisch wie der Tod wirklich ist, darüber die Inschrift, du lasest sie mir vor, gedankenverloren und du packtest fest meine Hand, dein kleiner Vogel lag fast die ganze Zeit in meiner:
„Was  ihr seid sind wir gewesen, was wir sind, werdet ihr sein!“ Grässlich, und Struthof kam wieder hoch.
„Die sind nur umgebettet worden, der Friedhof wurde aufgelöst, zerstört im Dreissigjährigen Krieg.“ So lang her. Knochen haben Dauer, als müssten sie die Ewigkeit messen. Mein Gott auch Schädel aus der Altsteinzeit und vorher gibt es noch. Denk an das Jüngste Gericht und die Auferstehung.

Dann Colmar, so hatten wirs ausgemacht, von hier über Breisach nach Todtnauberg. Und hattest  schon gestern Trauer in der Stimme, „es wird heute unsere letzte Nacht sein… Ich mag nicht daran denken.“
Wir sprachen im Auto, wieder die Hand in deiner Hand, über den Isenheimer Altar; dass der Name von Neithardt oder Gothardt in Grünewald verfälscht und so geblieben war. Du wusstest es. Und dass das ehemalige Dominikannerinnenkloster im 13. Jhdt. ein Zentrum des Mystizismus gewesen  und die frühgotische Kirche von Albertus Magnus geweiht worden war. Es gibt sie nicht mehr. Und überhaupt diese starke mystische Compassion, das Mitleiden und dieser surreale Ausdruck auf dem leidenden Gesicht. Wir werden es gleich wirklich sehen.
Ich sagte, „diese Auflösung des schrecklichsten Schmerzes bei Christus am Kreuz  auf dem Wandelaltar in Auferstehung, das erinnert mich an Bruckners Achte, an unsre, und an Mahlers Auferstehungssymphonie, die Zweite. Erinnerst du dich noch.“
Ich hätte damals gerne unsere frühere Interlineare bei mir gehabt, und das wunderbare Klopstockgedicht. Ja, Lichtsieg hinauf, wenn man sich mit allem annimmt, DAS annimmt, “erlöst“ werden zu können, wie im Auferstehungsgedicht! Und auch bei Mahlers Zweiter ist es da, schon im Aufbau. Im ersten Satz der Tod. Im zweiten dann Traum und Leben: glückselig-wehmütiger Gegensatz, ja, den ich ja täglich lebe und auch im Schreiben immer empfinde, dieses erschreckende Aufwachen auch, der Schock des Ernstes!! Der jetzt in allem so schön in Liebe und im Zusammensein aufgelöst, aber doch immer mittendrin war; deshalb auch nach aussen kam? Struthof. Dambach. Als gäbe es in diesen Tagen nur unser Ineins von innen und aussen. Und so auch die ernsten Stunde so heiter fast, weil wir uns miteiander, Hand in Hand, vor nichts mehr fürchteten?! Und wieder dachte ich an Mahlers Zweite, die Auferstehungssymphonie: War da im Scherzo nicht auch eine Lebensfluchtsynthese, fast  derb, die dann aber schroff hinweggefegt wird, Phantastik und dann alles zerflatternd ins Endgültige kommt, und fast noch schöner als bei Bruckner, das angenommene, die eigne Tiefe und Liebe? als Auferstehungsmotiv, dieses Weltvertrauen, deines, das du mir vermittelst, SCHENKST! Oh, DU, mein Liebeswesen, meine Liebesfrau, Du, Lieblingchen und Ernst. Wie ich dich darin liebe: „Dein ist, was du gesehnt,  dein, was du geliebt, gelitten.“ Und das hattest du mir gecshickt, mich daran erinnert! Immer wieder! Oh, du tolle Frau, wie sehr ich dich verehre!
Wie oft hab ich dich von der Seite angesehen, und gedacht, immer wieder, wie selbstbewusst und doch weich, wie sanft und lieblich, die Wangen von einer unendlich weichen Zeinung, die man wie Flaumfedern mit denm Blick, der sich darin auflöste, mit den Händen, die immer wieder darüber streicheln, zu spüren meint, und mit der Gedankenbahn der hohen Stirn, so vergeistigt zugleich.. Madonna hatte ich gesagt, gedacht, gemurmelt?
       Oder noch mehr dieses Vertrauen, Welt- und Lebensvertrauen, das deine Ausstrahlung auf mich übertrug, diese Geborgenheit, die von dir ausging, geführt zu sein, nicht allein der nächsten, vielleicht verheerenden Unglückssekunde  ausgesetzt, sondern GELEITET und geliebt, angenommen über dich von allem, was GUT und uns, mir, dir wohlgesonnenen ist,  alles, was da ist, ein Ja, und nur so stark da, weil es ausserhalb jedes kleinen Gedankens und jeder zweifelnden  Deutung, einfach so sein musste, auch du  in deiner ganzen schönen Erscheinung im  dunklen Mantel und mit meiner Mütze auf dem Kopf - kein Zufall, sondern mit allem so wie es sein musste, und aus diesem Sinn kann niemand und nichts herausfallen oder willkürlich im Tun sich entziehen, vielleicht im einzelnen, aber nicht in der ganzen Lebensbahn, von der, das spürte ich deutliche, diese Augenblicke entscheidend waren:
„O glaube
Du warst nicht umsonst geboren!
Hast nicht umsonst gelebt,
gelitten.“

Wo waren wir nur gewesen, was hatten wir gemacht, getrödelt, ja, morgens beim Aufstehn. Die Lust. Und der Schmerz, wie sie zusammengekommen waren. Die Liebe und die, ahc ja… süsse Marter. Später, werde ich sie ganz anders erleben müssen, und war diese kleine Prozedur, die fühlen wollte, nur ein winziger Vorgeschmack. Später dann Schmerz ganz ohne jede Liebe ohne jede Lust. Ich wagte nicht mehr daran zu denken. Doch die Angst hatte mich plötzlich, als wäre das Vertrauen einen Moment in Verlassenheit umgeschlagen… Der Riemen? Ach, was, ists nicht nur ein Spiel, ein Kinderspiel? Dagegen das kleine Sterben der Trennung, des Abschieds, der Tod als letzte Furchtbarkeit. Liebesende nur ein Vorgeschmack?  Nein, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es einmal ein Ende haben könnte mit uns. Dass du mich verlassen würdest. Einfach weg, so, von einem Tag auf den Andern. Trennung… heiss stieg die Verzweiflung in mir hoch… Doch hattest du nicht immer wieder gesagt: Versprichst du es mir, dass wir zusammenbleiben, solange das Leben hier auf der Erde dauert?! Ich spürte deinen fragenden Blick.  „Woran denkst du?“ „Ja, an all die Abschiede, an alle… „ „Nein., Liebster denk nicht daran…“ „War da eine Träne auf deiner schönen Wange…“ Ich weiss, du dachtest an den kleinen Abschied, dass wir uns morgen trennen werden… Wenn auch nur für kurze Zeit. Und es wird dann andauernd weh tun, Tag für Tag. Und blitzartig fiel mir die Geisselung,   die Marter  am Isenheimer ein, die aber dann direkt mit dem Himmel verbunden war; ist das ein Abglanz, ist das ein Widerschein des Körperauflösens, ihn mitnehmend? Und auch wir, werden wir uns einmal wiederbegegnen, später… wann ist das? Was ist da außerhalb des Lebens für ein Leben, für eine Liebe… gibt es sie? Ist Liebe wirklich Leben für immer? Ja, so will es der Altar, so klingt es bei Mahler, bei Bruckner…
Und dann mit dieser großen Erwartung, ja, auch dem Vertrauen, dass…
Ich stieß, als wirs sahen, vor dem Museum standen, hervor: „Natürlich, das Museum Unterlinden geschlossen.“  Es war 12,10h.  „Um zwei öffnet es doch wieder, warten wir?“ Sagtest du.  Ja, genau. Wieder und wie selbstverständlich, erwartetest du das Beste. Und ich freilich, wie gewöhnlich, das Schlimmste auch im Kleinen.  Ach, ich muss noch viel lernen von dir, hohe Frau. Ich zögerte.  Und sagte: „Aber heute ist ja Feiertag…  Das öffnet nie mehr heut!„
„Aber ich möchte unbedingt mit dir zusammen den Isenheimer sehen!“ Du hattest ja schon vorher beim Einfahren in die Stadt erstaunt gefragt, was ist heute, ein Feiertag? Alle Geschäfte geschlossen. Nun ja, es war der 11.11. Versailles 1918, Spiegelsaal, der Sieg übers Deutsche Reich wurde gefeiert.
Ich zögerte, aber dann entschlossen wir uns doch zu bleiben. Und wir gingen zuerst zum Dom. Er war weniger gewaltig als das Straßburger Münster. Als wir eintraten wieder die Orgel. Seltsam, in vielen Kirchen wurden wir so „begrüßt“. Und ich wurde wieder heiterer. Und es wurde ja auch wie durch Magie immer alles fröhlich und gut mit dir! Und du holtest aus mir immer nur das Glücklichsein und Fröhlichsein raus, ja, so war ich ja, als Kind war ich so gewesen, auch als junger Mensch, und war es eigentlich im Grunde meines Wesens. Oh, du, so viel weiß ich von mir nur, wenn ich mit dir zusammen bin, zusammen  mit dir die Welt erlebe, indem ich deine Hand halte, dein Gesicht sehe, dich fühle. Und so begann es wieder fröhlich, fröhlich zu werden, wie ich es eigentlich die ganze Zeit mit dir gewesen war, es sein konnte!!
Und schon ging es wieder los: Am Eingang zeigtest du mir eine der Figuren, die deine Freundin Colombe entdeckt hatte. Nur wenn man genau hinsieht, unter die Figur sieht, erkennt man, dass die einen gewaltigen stehenden Schwanz hat. Ich filmte ihn mit Zoom von unten. Und du standest dabei und lachtest. Und wir lachten beide ganz laut und herzlich.
Gingen dann wieder zurück, in einer Seitengasse wusstest du ein schönes Café, das dir auch Colombe gezeigt hatte. Und wir fanden es, traten ein. Ganz wie eine alte Café-Apotheke wirkte es, dachte ich und freute mich, weil ich das so sehr mag, wie du ja auch, wie viel mögen wir doch     gemeinsam, unser Geschmack ist sehr ähnlich, ja, ganz schön altertümlich wars hier Ach, ich erinnere mich, wie wir schon im April uns gleich zu gleich im Geschmack fanden, und es ganz „antik“ haben wollten, alles!
Wir hatten in der  elsässischen „Apotheke“ mit der entsprechenden Besitzermadame sogar einen Platz am Fenster, sahen auf die alte Gasse. Überhaupt dies alte Colmar. Das Elsass war nie zerstört worden. Seltsam als strittiges Grenzland.
Ich trank einen Tee, du Kaffee.
Und warum lachten wir so viel? Vielleicht weil wir so voll waren voneinander, jede Sekunde war gefüllt, nichts war sinnlos, nie leer, und dann schwangen wir zusammen, sahen alles fast gleich, erlebten so ähnlich, weil wir so ähnlich sind, und Gottseidank auch ganz verschieden…
Und schriebst mir: „ …ich ich sehe das alles auch noch vor mir. Manchmal meine ich sogar DEIN Sehen zu sehen, also durch Deine Augen alles gesehen zu haben.“
Oh, ist das schön, wie du das sagst, ist das möglich? Ich versuchs mir vorzustellen… Wahnsinn, ja … hab ich auch mit DEINEN Augen gesehen? Dein SEHEN gesehen? Das ist eine tiefe metaphsyische liebes-handlung … du mit meinen, ich mit deinem sehen, sehn?! Ja, aber es war wirklich! Ein Herz und eine Seele – und ein gemeinsames Doppelaugenpaar! Und das geht dann ganz direkt ins Gemüt, was WIR gesehen, oft lachend gesehen hatten! So viele Szenen tauchen immer wieder auf.. bei dir nicht? Und auch dein Gesicht sehe ich doch, du meines nicht? haben die Fotos es überdeckt? Mir ging es auch so mit dir, dann wischte ich die Fotos weg in mir und dein in mir lebendes Liebes Gesicht tauchte wieder auf!

Naja, was geschah aber dann wirklich dort in der Caféapotheke von Colmar? Wir zahlten, die Cafébesitzerin in ihrem halbelsässischen Look, bebrillt, freundlich, als wären wir bei ihr zu Hause zu Gast gewesen zum Tee, brachte die Rechnung. Klingeln der Kasse oder der Eingangstür, ich hielt dir den Mantel, ich fühl ihn an meiner Hand, weich, sanft, deine Hülle.  Es ist Zeit, wir gehen zu Unterlinden und zum Isenheimer Hand in Hand wie immer, nun in Colmar, wirklich über die Strasse.

Ja, Unterlinden ist offen. Wir fast allein da. Eintritt, du mit deiner Bibliothekskarte, ich mit dem Ver.di Journalistenausweis. Angenommen.  Dann am Eingang, der dunkle Mann, Inder?, und die helle, blonde(?) Frau, zwischen ihnen die Liebesblicke? Was sagte er? Du hast es beobachtet, wie dir nichts, was von außen nach innen blitzt, entgeht. Du beobachtest alles mit wissendem Auge (der Poesie oft!), die Welt für dich eine Himmelsverbindung mit Tiefenschärfe musikalischer Poesie, wenn man die Alltagsdecke hebt, wie einen Nebel durchdringt!

Kaiser und Könige. Steinfiguren. Kleine gotische Altäre. Unmengen an  vibrierender Kunst da auf dem Weg zum Eigentlichen, dem Grünewald. Und hatten ja schon darüber gesprochen. Verband uns dieses Bruckner- und Mahlergefühl auch nun damals in Colmar neu? Das Klopstockgedicht? Und wir sagten uns, was wir jeweils dachten, dachten es fast wieder gleichgestimmt eins. „Für jedes Bild da  müsste man Lebenszeit opfern, lange davor meditieren.  Hier aber in dieser Häufung erschlägt eines das andere. Ich hab das eigentlich sonst in Bildergalerien und Museen nie, dies Gefühl. Aber vielleicht, weil’s sakrale Bilder sind,…“ Sagte ich.

Dann saßen wir Hand in Hand vor dem Gekreuzigten. Still, kaum redend, aber mit einem Auge sehend, fühlend, was in uns vorging, zusammen, ja, sprachlos. Der Schmerz, des durch Geisselhiebe verwundeten, grünlich totenblassen Corpus Christi, hängend, der Kopf in den Tod geneigt, zum Schreien verkrampfte Finger ins Grausige, Gespenstische, Überweltliche übersteigert, war nur als „Schönheit“ zu ertragen! Der Himmel musste sich bald öffnen…unten die Mutter im Weinen, fast fallend, zurückgeblieben im Hier. Liebe und Schmerz? Und Tod, Liebe, Abschied und Ewigkeit? Fühlten wir es gemeinsam erschauernd, dass auch wir dazugehören, jetzt im Glück, wie alles was auch hier vorher war?  Oder dass Schmerz zur Liebe gehört, Schmerzliebeschmerz öffnet.  Spürten wir sogar die Lust der Liebespeitsche? Ja, einen Moment dachten wir es beide. Dann aber auch den furchtbaren    Lebensernst, der uns auch noch erwartet: der Abschied? Die Wandlung vom hellen Jubel, Verkündigung und Himmelfahrt – auf der anderen Seite?  Fleischgewordener Logos, die Taube. Der Engel. Mutterglück. Und die gotische Kapelle mit den musizierenden Engeln. Die Säulen mit den Geisterpropheten, die schon vom Ende und dem Schmerz wissen? Wandlung zum Ende,  Qual und Leid?
Wir in Absence, verloren im Farb- und Gefühlsrausch zusammen?

Und die Enttäuschung auch an der „Himmelfahrt“, nein, du protestiertest zuerst, als ich sagte, dass Grünewald das Schöne, das Erlösende gar nicht darstellen könne, es werde zum Kitsch, „ja, schlecht gemalt ist diese Lichtflut mit dem so satten, fast feisten Christusgesicht, das da himmelt! Nein, er kann nur die Qual, den Schmerz malen. Das kann er wie kein anderer.“ Sagte ich.

Wir gingen wieder, schweren Herzens, denn es war schon halb vier, und um fünf wurde es dunkel. An einer Apotheke vorbei … und du, ja, du dachtest an mich, drängtest, dass ich nochmals den Magensirup kaufe. Ich sprach zuerst deutsch, der Apotheker antwortete französisch, als habe er nicht verstanden. Auch das hattest du mit dem Herzen gesehen:
          „Ach, der Apotheker, der erst auf dem Weg von der Kasse zum Gitter Deutsch gelernt hat“.

Und Sie: Wir näherten uns der Plaine d’Alsace und die Wolkendecke riss auf. Sonnenstrahlen fluteten den Piemont. Feenlandschaft in Graublau-Schattierungen, von Ruinen bewachter Eingang ins Seelenreich. Am Horizont löste es sich im Himmel auf. Kitschig schön! Nein, eigentlich gar nicht kitschig. Der Blick in das V war ein Rufen nach uns. Das Tal ein weit geöffneter Mund, aquarellierter Gesang der Sirenen, ich wollte da hinein und mit Ich ganz verschlungen werden. Nur wir hätten Zugang gehabt, aber wir verpassten die Ausfahrt und fuhren weiter zu meiner Lieblingskapelle nach Dambach. Beim Durchqueren des Dorfs fiel uns auf, dass alle Geschäfte zu waren. Bis uns klar wurde, dass die Frenchies ja was zum Feiern hatten! 11.11.1918! Stacheldraht, Verdun, Versailles und das Beschließen neuer Wegbereiter zum zweiten Jahrhundertgemetzel. Tröstlich: Die Kapelle stand da wie immer. Man steigt die paar Stufen hinauf und wenn man sich umdreht, hat man einen wunderschönen Blick über das Dorf mit seinem mittelalterlichen Kern, den windschiefen Fachwerkhäusern und der dahinter beginnenden Rheinebene. Wie ich es genossen habe, mit Ich die Kirchen zu besichtigen. Alle. Und dass er Kirchen so gern hat wie ich, das ist schon ein Glück. Die « Armleuchter » ragten aus der Wand und der Barockaltar in dunklem Kirschholz hätte überladener nicht sein können! Ich fielen wieder witzige Bemerkungen ein und bei allen Szenarios, die er so erfindet, tauche ich gleich ein und bin dann dort, war selbst am Schnitzen und der Meister hielt uns noch einen Holzklotz zum Ornamentieren hin. Hinter der Kirche liegt ein verborgenes Ossarium. Eine Art Erdkeller, die Toten aus dem Stadtfriedhof wurden nach den Schwedenkriegen dort hineingeworfen, hat mir mal der Pfarrer erzählt. In der bescheidenen Krypta häufen sich Knochen und Schädel in einem wirren Durcheinander. Da ist nichts geordnet oder feinsäuberlich nach Unterschenkel und Schädel aufgeschichtet. Man blickt in schwarze Augenhöhlen und verschobene Unterkiefer, auf schadhafte Gebisse und bleiche Gebeine, da mögen der Metzger und Tuchhändler, Geliebte und Betrogene, Gefangene und Wächter nebeneinander bis aufs Jüngste Gericht beisammen sein. Über der schmiedeeisernen Tür wurde eine Tafel angebracht mit der Inschrift:
„Ce que vous êtes, nous l‘étions. Ce que nous sommes, vous le serez.“
„Das was ihr seid, sind wir gewesen. Das was wir sind, werdet ihr sein.“
Ich schüttelte es. Wir liefen Hand in Hand zum Auto und nach einem kurzen Stop und Kartencheck vor einer Winstub ging’s weiter nach Colmar. Unsere Hände ließen sich nicht los. Eigentlich gab es selten nur Momente, in denen wir uns nicht an der Hand hielten. Unsere Hände passen ineinander und ich spüre noch die Wärme, die von Romans Hand ausgeht und den Unterarm hinaufkriecht bis zum Brustkorb. Wie verschmolzen wir manchmal waren. Wie unwirklich beinah, jetzt, wo meine Hand alleine ist. In Colmar dann zum Parkplatz, wo ist der Autoschlüssel? Schlüssel gesucht, gefunden („Gib mir doch dann den Schlüssel!“) und losgezogen zum Musée d’Unterlinden. Nomen est omen. 10 Minuten früher, und wir hätten noch Einlass vor der Mittagspause erhalten. So waren wir zu spät und hatten die Wahl zwischen sofortigem Aufbruch nach Todtnauberg oder der Kreuzigungsszene. Ich wollte zum Celan und ich verstand ihn. Andererseits wäre es zu schade gewesen, das hier nicht „mitzunehmen“ und wir rechneten uns die Wegstrecke und Anfahrtszeit aus. Ich wollte den Altar unbedingt mit Ich sehen und überredete ihn, doch noch bis 14Uhr zu warten. Wir schlenderten an einem kleinen Kanal („Was ist denn das für ein trübes Wasser?!“) zum Münster, wo ich Ich in die versteckte Bildhauerkunst mittelalterlicher Gesellen einweihte: den Münsterständer.

Colombe hatte mir einmal den kleinen Colmarer Bürger am Seitenportal des Münsters gezeigt, der in Hockstellung unter seinem Wams und Beinkleid einen erigierten Penis verbirgt, wobei man sich selbst bücken muss, um ihn zu sehen. Der Steinmetz hatte beim Meißeln sicherlich die nachfolgenden Generationen von Voyeuren vor Augen und muss sich wochenlang auf seinen Arbeitsplatz am Seitenportal gefreut haben.
Ich filmte begeistert das Fries, überall ist etwas zu entdecken gewesen, eine lange Reise in ein paar Minuten. Wir betraten die Kirche, Touristengruppierungen ließen sich den Bau und seine Geschichte erzählen, Sankt Martin stand mit Römerrüstung und Kreuz vor dem Altar, eine neo-klassizistische Figur aus bemaltem Holz, heroisch, so, wie ich’s nicht mag. „Wieso hat der ein Kreuz? Ist das nicht anachronistisch?“ Zum Glück weiß Romanle auch nicht alles und wir näherten uns den Insidern im Mittelschiff. Vorne, wo die christliche Gemeinde einen Tisch mit gesegnetem Wein, Grapefruitsaft, Gugelhupf und Brezeln vorbereitet hatte, und wo jeder sich nehmen durfte, was er mochte, fragte ich gleich die Dame hinter der Behilfstheke. Martin war im 4.Jhd n. Chr. römischer Soldat gewesen, bis er zum Christentum übergetreten ist. Martin von Tours hieß er („Ich Herr Lehrer, ich ich ich!!!“) und hat als Mönch bei Portiers das erste Kloster im damaligen Gallien gegründet. Zum Heiligen aufgestiegen ist er, weil er als Soldat vor den Toren Amiens seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt hat- so die Sage. Und eigentlich muss ich es ja wissen, hab ich doch als kleines Mädchen auf meinem Pony den Sankt Martin- Festzug durch Landshut angeführt, einen viel zu großen, goldgefärbten Plastikhelm auf dem Kopf und einen schweren, grünen und rotausgeschlagenen Umhang um die Schultern, der bis über den Pony-Hintern reichte. Hinter mir die laternenbewaffnete Kinderschar der Landshuter Kindergärten, was in komischen Fotos festgehalten irgendwo in Mutzendorf modert. Ich weiß nur noch, dass ich dann bei der Sankt Martinskirche den Mantel ausziehen musste, obwohl es arschkalt war, und mit meinem Plastikschwert so tat, als würde ich den Mantel in der Hälfte durchhauen. Die Kindergärtnerin zog in der Zwischenzeit an einem Reißverschluss und weg war der wärmende Stoff. Das war vor 25 Jahren. Tja. O tempo vai.
Ein bisschen erleuchteter mampften wir versalzene Brezeln und sahen uns um. Ich aß auch ein bisschen und trank ein Schlückchen Wein. Der Magen. Ich denke, es war nicht so einfach für ihn, dass er nirgends mit Freuden hinfassen konnte, um sich zu stärken. Verwunderlich schon beinah: Wo immer wir hinkamen, die Leute waren unglaublich freundlich, schon fast so, als hätten sie auf uns gewartet. In den Kirchen ertönte nicht selten Orgelmusik, sobald wir sie betraten und eigentlich baute sich die ganze Welt um uns herum nach unseren Wünschen auf. Wir gingen durch unsere eigene Feenlandschaft über die AnjaRomanerde. So ist es. So ist die Liebe, nicht wahr? So ist es, wenn zwei Menschen zusammenpassen und sich gut sind. Da brauchen wir keine Philosophen mehr.

verließen wir das Café und gingen zum sog. Grünewald. Alles musste schnell gehen, wirklich Zeit hatten wir nicht, H+C riefen. Die Frau an der Kasse zickte zuerst wegen Romans Journalistenausweis, auf dem kein Datum stand, was Ich ärgerte. Die blonde Garderobiere flirtete mit einem indischen Kollegen, ansonsten war es relativ ruhig im Museum. Die beschauliche Stimmung, die ich sonst vor dem Altar bekomme, stellte sich mit Ich aber nicht ein. Er war nervös und unzufrieden, hatte sich wohl etwas erwartet, das nun nicht zutraf, die Kreuzigung, das Leid, meinte er, hätte er ja gut darstellen können, der Grünewald, aber die Glorifizierungsszenen sind reinster Kitsch, das hätte er besser bleiben lassen sollen. Ich fand das so nicht, im Gegenteil, ich liebe diese Spannung zwischen dem tiefsten Leid und der verklärtesten, hellsten Glückseeligkeit. Dass Maria dabei ein bisschen schief guckt und Jesus verhalten aus einer Licht-Wolke heraus die Male zeigt, hat eher was Traumhaftes, die Albgestalten samt Paulus im Gegensatz zum heiteren Engelskonzert. Golgatha und Himmel. Dass aber auch noch Alltagselemente in der Verklärung vordergründig sind, macht die Lebhaftigkeit des Ganzen aus. Ich wäre gerne länger geblieben, ich mag das Museum so gern. Aber wir zockelten nach einem Clogang wieder zum Auto und gaben Gas. Bei Breisach über den Rhein: „Das ist nicht das Schlechteste…“ und dann am Regenbogen vorbei hinein in die dunklen Wolken. Eine irre Stimmung, blauster Himmel, dunkelste Wolken, Regen irgendwo, weiße Wölkchen am Horizont, goldene Lichtfetzen auf schattigen Bergrücken, dazwischen das Grün der Ebene, ach, und die Sonne tat gut! Eigentlich ist diese Reise eingebettet in Kitsch und Romantik gewesen. Ich frohlocke hier ja auch schon in höchsten Tönen und finde mich klebrig wie rosarote Zuckerwatte. Ist das die Verliebtheit? Schrecklich.

Die Normandie

23. August über Elsaß-Lothringen, Metz, dann Verdun nach  Caen und Riva Bella in der Normandie. Auffällt  in dieser deutschlandzugewandten Gegend Frankreichs, dass viele Kämpfe hier stattgefunden haben; es gibt so viele Militärfriedhöfe. Wir fahren auch durch Valmy. Oder jetzt Verdun. Zuerst zur Gedenkstätte, zum Ossaire Douaumont, mit dem Turm, der wie eine Granate gen Himmel ragt. Und ein unübersehbares Feld von Kreuzen. Nur Franzosen. Das Schlachtfeld von 1914, damals die aufgewühlte Erde und die zerstückelten Menschenleiber. Im Wäldchen bei der Tranchée des Baionettes noch Grabenreste. Und ich wage nicht zu pinkeln, als entweihe ich etwas. Dabei denke ich, wie lächerlich, hier spritzte Blut, wirbelten Glieder in der Luft, wurden Köpfe abgeschossen; Schweiß, Eiter, Brand, Schreie. Und ich wage nicht meinen winzigen Strahl Urin nach 80 Jahren hineinzumischen? Welch Heuchelei jedes verstummende Gedenken an solchen Orten. Hier müßte man weiter schreien, sich wie wahnsinnig gebärden, verrückt werden beim Gedanken,  immer noch auf dieser Erde zu leben.
Die Maas, jaja. Die Marne, ja. Immer haben die Deutschen angegriffen. Oder die Preußen. Schon die Reklame für Neugierige: "Village Gavlois", 2 -Sterne-Hotel. Eierpfannkuchen und Apfelwein. 10 Minuten bis Verdun.  Cộte 304 und Mort-Homme,  macht zornig.

24. August. Riva Bella, Normandie.  Zuerst das Meer hier, diese wunderbar frische Atmosphäre erinnert an Ost- und Nordsee. Nach Cabourg, Houlgate, Deauville, vor allem Honfleur und Le Havre. Sehr schöner Tag, am Schluß Käseeinkauf in Pont L`Evêque.

25. August Caen,  Bayeux, Arromanches. Auch hier wieder Militärfriedhöfe. Die Landung der Allierten am 6. Juni 1944. Riesige Pontons, die einen künstlichen Hafen bilden, Monster jetzt im Wasser unter Ebbe und Flut. Geschmack von Tod und Blut überall. Eisen, Schießen, Panzer stehen als "Denkmal" da. Geschütze. In Bayeux der Teppich der Schlacht von Hastings 1066. Ein Tapisserien-Epos über Verrat und Strafe und Tod Harolds, des Vertrauten Wilhelm des Eroberers, den Harold verriet, sich zum König der Angelsachsen machte, von den Normannen dann geschlagen wurde.

In Caen auf der Festung. Die Stadt wurde im Krieg fast völlig zerstört. Doch auch frühere Kriege sind spürbar: Hier in der Kathedrale St. Etienne  die Gebeine Wilhelms.  Es ist gerade Messe, das mehrfach ausgeraubte Grab, auch von den Hugenotten ausgeraubt, nur ein Teil der Gebeine ist noch da, konnten wir nicht sehen.                                                                  
 Kriegslisten. Fort Douaumont von den Deutschen genommen, von nur 19 Mann   als Zuaven verkleidet. Oder auch in Rouen, Johanna, die Verurteilte, aber nur zu lebenslänglich, weil sie widerrufen hatte. Doch die Engländer waren entsetzt, sie wollten den Tod. So wurden ihr eines Morgens nur Männerkleider hingelegt, Hauptanklagepunkt war ja gewesen, dass sie gewagt hatte, Männerkleider zu tragen. Das war ihr Tod.

              Mont St. Michel.

27. August  Der gute alte Michael, so auch wieder nicht, wie er da auf der Spitze steht: gepanzert, mit Schwert, und eisernem Strahlenring. Wie idiotisch menschennah der Herrschaft. Dabei willst du doch wirklich prüfen, Michael, wie es um unsere Seele steht, schlecht. Und die Kräfte, mich dagegen zu wehren, nehmen ab. Kaum kann ich erwarten, dass Er mich von den niedrigen Seelen, die dumm dahinleben, trennt, und mitnimmt in den postmortalen schönen Zustand. Mich gar vor den mich anfallenden Dämonen, also jenen, die entkörpert weiter so tun, als wären sie noch im Fleisch,  beim Himmeln schützt. Auch eine Reise zum Mont Gargan in Süditalien wird nicht helfen.
Was bleibt vom Besuch. Vielleicht soll man sich hier eine Messe aus dem 10. Jhdt. vorstellen. Gregorianischen Gesang, aber auch in dieser Stimmung ist das Gift des Abendlandes voll da. Und  vergeistigte Innenwesen sollten wir nicht Engel nennen, auch der Poesie wegen nicht. Wie nehme ich die Hülle weg, um auch mein verseuchtes Ich anders zu lenken, als in dieser Tradition. Waffengeklirr, Bekehrungseifer. Zwang. Ja, eine Zwingburg, so erscheint der Mont und ganz nah, Grausen der Gemäuer. Nur von ferne ist er feenhaft, schön. Und als Mirakel der Natur inmitten des Meeres und des Watts zeigt er, was er eigentlich hätte sein müssen: Einsamkeit, Weltabgeschiedenheit.
Was kann ich erinnert von ihm wiederholen, Stimmung im Wissen vom Geschehen steigern? Hundertjähriger Krieg, verbrämt mit dem Wort "Rosen"? Die Schlachtfelder hier eine verspätete Rache?
Nun ja, der Kreuzgang, der Innenhof. Gestickter Stein. Oder die Merveille: Gästesaal. Die Spitzbögen, der Wald von Bögen und Durchbrochenem. Und dass ein bestimmtes Bauprinzip, dass die Gewölbe auf einem diagonal verlaufenden Bogengerippe ruhen, so war Gotik erst möglich - ist das alles? So waren dickleibige romanische Gewölbe unnötig, und schlanke, geistige Gewölbestrukturen      eben mit dem ziselierten Licht entstanden. Dem Architekten fiel das ein. Woher fiel es ein? Das Apriorische beherrscht auch die Baugeschichte!
Schon 708 brach jener durch, der den "Drachen" besiegt hatte, woher kam er, dieser Heilige Michael, wer war er? Was ist diese postmortale Schicht des Himmels überhaupt, und weshalb konnte der Bischof Aubert von Avranches an die Tatsächlichkeit des Anrufes im Traum nicht glauben, ähnlich wie einst der Apostel Thomas nicht? Als sich der Glaube ans Sichtbare, an Reliquien und Mauern, Waffen und Güter noch nicht verfestigt hatte, dieser Umgang mit verfestigten Illusionen, die als Machtschutz und Machtschutt angehäuft wurden? Dreimal wurde er aufgefordert, ein Kloster auf dem Mont-Tombe zu gründen, und erst als er nach-drücklich von einer unsichtbaren Geister-Hand berührt wurde, glaubte er es. Die Delle im Totenkopf  - der schmückt den Kirchenschatz von St. Gervais in Avranches - ist noch  als Reliquie zu bestaunen. Mit Mühe gerettet von der Furie der "Revolutionäre" von 1789, die auch den Mont beglückten, daraus ein Staatsgefängnis machten, gleich daneben in der Merveille eine Schneiderei, die Kirche eine Fabrik für Strohhüte, Theater und Kornspeicher dazu. Schon 1791 verließen die letzten Mönche das Areal. War das nun eine Lösung, war nun der Geist endlich befreit, die Grenze nicht mehr vermauert? Mitnichten. Nun kam die Wut des Praktischen erst recht bis in jedes Detail zum Zuge. Totenkopf und kostbare Handschriften wenigstens wurden gerettet. Doch auch in Avranches wütete der Plebs, zerstörte die Kathedrale, jene, wo Heinrich II im Büßergewand Abbitte geleistet hatte wegen der Ermordung des Thomas Beckett im Dom von Canterbury. Und da denke ich jetzt nicht nur an Eliots Stück, sondern auch an die beeindruckende Schrift Becketts heute, der sich  aus dem Totenreich  über Computer "gemeldet hatte" in einer Cottage des  irischen Lehrers  Ken Webster... Verrückt.

Auch in Coutances, wo mir ein Optiker die Brille reparierte, ist wichtiges Herkunftsland literarischer Themen, aber auch des Mordes. Von hier stammt die Familie Hauteville, Tancred, Roger, Manfred, Robert Guiscard - die Normannen, die die Königreiche in Sizilien begründeten.

St. Vaast und Rouen

29./30. 8.  Jeder Schritt körperliches Leben ist eigentlich eine Katastrophe, nur Tücke der Objekte in ihrer Kleinheit, beschäftigen nicht sie mich andauernd, auch jetzt, obwohl ich St. Vaast von vorgstern, Rouen von gestern beschreiben müßte, "Größe". Ha.  Nicht nur die Abnützung der Furie rast, sondern auch ihre Erniedrigung auf Schritt und Tritt.  Cioran hat Recht, wenn er behauptet, das Glück könne nur einer Selbstpreisgabe gleichkommen, also Demut? Dann erst steigern wir uns. Früher habe es Götter gegeben, denen man sich hingab, und jetzt, sind wir freier, da es sie nicht mehr gibt!? Das Nichts aber? Und unsere Sehnsucht frei zu sein? Mitnichten. Die wird durch solche "Götter", wie die Klomuschel und das Strichmännchen und das zerkrümmelte Brot, der Papierkorb, der alltägliche Dreck blockiert! Tage und Nächte andauernd voller zermürbender Gedanken leben. Wir sind potentielle Mörder jener, die in unserem Umkreis leben; dass wir es nicht tatsächlich sein können, frißt an uns, und wir versauern als willensschwache blutlose Versager." Allein und in Freiheit zu leben, ohne das tägliche Geseiere, die Erniedrigungen, das andauernde streitende Geschrei.

Alles, auch St. Vaast ist von ihm, dem „Teufel“- eher dem „Mephistopheles-Gift“ - überschattet. Groll. Mit diesem Gefühl umgingen wir das große Fort am Meer. Der Festungsturm mit dieser Kappe, man denkt an Don Quijote. Unsinnige Militärzone. Wofür heute. Schöner Rundspaziergang am Wattenmer. L. hat Angst, Schwindel, kann auf der Mauer nicht gehen. Der gleiche Turm auf der Insel von St. Vaast. Von hier ist Jakob II, Sohn der Maria Stuart mit Unterstützung des Sonnenkönigs 1692 gegen England und Holland aufgebrochen. Die Katastrophe dann vom Kap Hougue. Am Leuchtturm von Bartfleur, vorher der Hafen, gefährliche Strömungen, furchtbare Brandung, Klippen, Felsen. Der Turm  sehr hoch.
Hier also die Schlacht. Dann Flucht nach Hague.
Überall diese Spuren von wahnsinnigen Machtkämpfen. "Geschichte", Tod. Doch als wäre ich da der "Wahrheit" näher, am schlmmsten ist die "Normalität" und Banalität. Sowohl der Schrecken, als auch die Schönheit - sind außerhalb. Jeder Engel ist schrecklich.  Dies also ist es, was mich wieder atmen läßt, der Abgrund, den wir andauernd vergessen im banalen Getue.

Zurückgeblättert:  Besuch des Seine-Tals mit den Klöstern Jumièges und Wandrill. Wandrill vor allem, weil Maeterlinck hier war, das Kloster sogar  wieder  von Mönchen bewohnbar gemacht hat? Heute kennt niemand seinen Namen, ich frage nach ihm im "Magazin", wo nur lauter katholische Bücher und Kitsch verkauft werden.
War hier einmal ein Geisterort. Wie in Rouen mit Jeanne.  Ihre Stimmen machten sie so stark und handlungsfest. Doch die Stimmen brachten ihr auch den Tod durch die Inquisition. Jetzt ist das Kloster intakt, die Aura des Pförtners strahlt viel aus, eine subtile Geistigkeit. Und ich lese von der Hauptbeschäftigung der Mönche: "lecteur divin" lectio divina.  Qui parle ainsi et l`ahme qui écoute et répond. Un sorte de "rumination" ce mot qui fait image est lui aussi traditionnel, dass der Geist langsam das Herz ergreift. Doch selten läßt sich in der Landschaft lesen, auch wenn diese sonst zur absoluten Präsenz zwingt, ist es heute schwer, solch eine "Lektüre" zu finden! Eine, die ich nicht vergessen kann, ist das Val di Csesne mit Kühen und vielen normannischen Strohdächen, abgeschieden, dass es war, als berühre tatsächlich der Geist der Landschaft hier, die Aura das Herz.  Hier würde ich gerne leben. Weniger in Jumièges direkt an der sanft-gewaltätigen Seine, wo wir am Ufer Mittagessen, darüber nachdenken, dass die Selbstmörder von Paris hier vorüberschwimmen müssen. Und Jumièges, die Ruine mit dem schönen Park, ein anderes Schandmal der Revolution, es wurde einem Holzhändler überlassen, der das Kloster sprengte.

Rouen, Jeane d´Arc

Vor allem aber in Rouen ist der Bauzirkus anhand der Kathedrale  an ihr abzulesen. Der Macht- und Glaubenszirkus. Jede Stadt ist eine Mühle der Vernichung, heute besonders, schon damals aber war es so. Thron und Altar, man kann die Revolution sogar verstehen. Natürlich gehts um Geld und Macht:  1190 beschließt das Kapitel, die Kirche mit einer hohen Mauer abzuschließen, Handwerker siedeln sich an, machen den Bürgern Konkurrenz, denn sie müssen keine Steuern zahlen. So reißen sie die Mauer nieder. Das Kapitel exkommuniziert die ganze Stadt, 6 Monate keine Taufen, keine Begräbnisse, Hochzeiten etc. Bürger stürmen die "Immunität", schneiden den Priestern die Genitalien ab. Genau so ist es mit Jeanne, zuerst lebenslänglich, dann Tod, nach einigen Jahren rehabilitiert, im gleichen Gebäude des Erzbischhofs, wir gingen daran vorbei, und die "Verräterin" wird dann 1920 heiliggesprochen.  Verwüstungen der Glaubenskriege.
Auch die Gräber zeigen die Eitelkeit, den Grund, warum darüber Kirchen angelegt werden, um Protzentum, Macht und Reichtum zu zelebrieren, nicht etwa Gott, den Konkurrenten. Etwa Louis de Brézé und Diane de Poitiers, die wurde Frau Heinrich II. Früher schon seine Mätresse. Sich für die Ewigkeit präparieren lassen in diesem Gräberzirkus, so etwa: Richard Löwenherz hat hier eine Tumba  mit seinem Herzen, der Körper kam nach Fontevrault, die Eingeweide bestattet in Poitiers. Ekelhaft. Diese Reliquien, als wäre der Körper, das alte Kleid zu diesem Spektakel am besten geignet! Lächerlich alles. Auch etwa, dass der Butterturm  des Doms finanziert wurde  mit Spenden für die Erlaubnis, während der Fastenzeit Milchprodukte essen zu dürfen. Bei der Qualität von Käse und Butter hier - der Reichtum des Butterturmes wird so verständlich!
Und weiter geht die "Geschichte", die ja sowieso eine Geschichte der Narrheit und Verworrenheit ist! "Macht" und Gloire. Neuer Zirkus 1562 - Hugenotten  besetzen Rouen, plündern das Gotteshaus der andern, zerschlagen Gräber und Skulpturen, schmelzen den Schatz ein. 1683 spendet Ludwig XIV zum Wiederaufbau, natürlich, auch geraubtes Geld! Und dann die Große Revolution: die Zerstörung geht weiter, alle Metalle, Kupfer, Blei, Gold, Silber, ebenso die Glocken werden eingeschmolzen. Die Achskapelle für ein Getreidelager vermietet, das Ganze wird zum "Tempel der Vernunft", hölzerne Tribünen, die Kirche wird zum Konzertsaal. 1822 ein Blitzschlag, der Turm wird beschädigt. langwierige und eitle Diskussionen. Schließlich wirds ein gußeiserner Turm. Und natürlich muß nun zur Ehre der Bürger der höchste bekannte Turm dieser Erde entstehen: 151 Meter. Man merkt die Absicht ...
Schließlich kommen die zivilisierten Allierten, Bombardements am 19. April 44, das südliche Seitenschiff wird völlig zerstört. Der Luftdruck zerstört weiteres. Wie wird der Zirkus weitergehen. Halt, auch schon 1787 wird der wunderbare Mittelpfeiler des Hauptportals beseitigt,  um Platz zu schaffen für eitle und protzige Prozessionen des Klerus, für seine Selbstdarsteillung.

Wahr ist schon, dass nur sterbende Gottheiten Freiheit geben. Wie jetzt nach dem Tod der Welterlösungsidee auf rot.  Verbrauchte Gottheit.  Doch die Psychologie des Irdischen beherrscht alles, der Haß, weniger die Sehnsucht. Sklaven, Fremde, die Rom erledigen wollten. Doch es stimmt: das reichte nicht. Selbsthaß wars. Der Plebejer, der Nichtse. Und der Sohn war selbst einer, ein Niemand, der zur angenagelten Leiche wurde. Schimpflichen Tod starb. Aber Erniedrigung -  ist sie nicht eine sublime Erhöhung?
Bald aber bemächtigten sich die Reichen und Mächtigen des Amen und machten daraus ihr eitles Spiel. Ihre Verbrechen in Seinem Namen, der das genaue Gegenteil wollte.

Caen/Rouen.  Rilkes Gedichte zu den Domen meinen etwas anders. Und doch sind sie peinlich. Es ist jene Sehnsucht, ja. Die in uns eingepflanzt, trinken will, alles ergreift, es trinkbar macht. Trunken sein will an allem, dann erst schwingen kann. Und dann sagt, ohne dass es weiß, was es sagt: Gottseidank, weil die Namen besessen machen, wirr ertrunken. Die Tiefe, ja, Cioran hat recht, die Tiefsinnigkeit, das einzige christliche Geschenk, das kannten die Alten nicht, erschöpften ihre Götter nie. Das Unsichtbare, das Bild gewann, nicht umgekehrt, das Bild, wie es vor dem Unsichtbaren steht, es den Sinnen schenkt, was Leben träumend nennt, ein Stein, ein Baum, ein Hain, dass mir die Sonne überfließen könne, ich eingestanden bin, was außen ist, vernichtet sich, und brennt in mir was ein: es ist dabei und schwingt im Zentrum, und sei es noch so oft aus Stein. Ein Bild, ein Saum, und klein geht ab, so unverwüstet wie ich mich noch nie gehabt, gesund und hell, was niemals mehr so ist.
Die Gefühle, die Rilke ins Wort bringt, sind durch Inspiration eingegeben. Hier aber im Bild entzündet, aus der Metapher wachsend, also literarisch und fein gemacht, was ganz wirklich ist, und keiner Festrede bedarf. Und doch ist die Festrede hier steigernd, dass wir das Unten ablegen, klettern, und alles, was für sie normal ist, auch wenn sie was anderes sind, als Kirchenräume.

Die erste Elegie: die der Toten! Und die Deutung? Holthusen (rororo) sieht sie, die übersinnliche, mediale Begabung Rilkes. Etwa die Geschichte von Schloß Berg am Irchel. (S. 136). Wie  Duino. 1920  sind Rilke  Gedichte von einer fremden geisterhaften Erscheinung diktiert worden: Ich müßte eine Novelle dazu montieren! Mit inneren Monologen aus den Elegien. Die neue Struktur: Rilkes  Geistergedicht. Orpheus als Stellvertreter, Schreiben als Brücke! "Ist er ein Hiesiger? Nein, aus beiden/ Reichen erwuchs seine weite Natur."

        BRETAGNE

31. August. Reise in die Bretagne. Dol du Bretagne.  Austernessen am Austernmarkt. Zum erstenmal dieses sogenannte Reichenessen von Fischern hier. Für  7 € ein Dutzend. Cancale heißt der berühmte Austernort. Natürlich lauter Deutsche da , die billig Austern essen, mit Sekt.  St. Malo, wo Chateaubriand geboren und begraben ist. Combourg, das Schloß seines Vaters haben wir leider nicht gesehen. Doch die romanischen vier Türm sind aus Fotos bekannt. Ebenso der moorige Teich. Sein Vater war Sklavenhändler,  Seeräuber; mit dem Ertrag kaufte er sich das Schloß. Beeindruckend der Gedanke des einsamen Felsengrabes oben auf dem Eiland Grand Bé, ein großes, namenloses, Steinkreuz, nach dem Grab Napoleons in St. Helena konzipiert. Ist es nicht eitel, mit der Namenlosigkeit bis in den Tod zu spielen? Flaubert meinte: Nein. "... wird seine Unsterblichkeit sein wie sein Leben war: verlassen von den anderen und ganz von Gewittern umgeben. Die Wogen werden mit den Jahrhunderten lange um diese große Erinnerung spielen." (Über Feld und Strand.)
Kein Wunder, dass ihn Cioran sehr mochte, er war gläubig und der skeptischste Mensch zugleich. Glaubte er an dieses Nichts? Oder im 3. Band Chateaubriand: Ch. über sich selbst: ein Erlebnis in Combourg, wo er aus seinen Wünschen sich selbst eine begehrte Frau, die er nicht haben kann, projiziert, ähnlich wie die Tibeter die Kualpas, ein Phantom.

Dann in Dinard. Nicht viel los, leider sehen wir die Küste nur oberflächlich zwischen Dinard und St. Briac, Renoir, sogar Picasso haben hier gemalt und Gemälde, die genau diese Landschaft "sehen", sind dort in Reproduktionen aufgestellt, seltsame Verdopplung der Blicke.
In Dinan - der alten Stadt ein Volksfest, wir kommen kaum durch: vor allem Renaissancekostüme, Mönche, Nonnen, Aussätzige sind zu sehen, sogar einer auf einem kleinen Karren wird gezogen, einer dem man zur Strafe beide Beine abschlug. In Sack und Asche. Oder ein Wolf auf Stelzen. Die Polizei muß uns durch die Menschenmenge freie Bahn schaffen. Erst jetzt merke ich, was ich alles versäumt habe! Doch das Auto ermöglicht und verhindert alles. Wir finden keinen Parkplatz.

1. September:  Ouistreham/ Caen: Sonntag. Ruhetag. Wir sehen uns noch die Kirche (Gottesdienst) und den Hafen an.  Packen, reinigen. Noch letzte Notizen. Nehmen abends den Abschiedsdrink.


Brocéliande. Merlin und Artus

2. September: Abfahrt über St. Michel, Rennes, in den Sagenwald der Broceliande, Merlins Grab. Phantasie, keine Wirklichkeit. Eben dies: der Jungbrunnen. Alles Projektion. Und der Lorbeerbaum über dem Grab geht ein, zuviele schwarze Schwingungen der Besucher? Dann der "Jungbrunnen". Und das Felsentheater der Schwarzen Messen. Man muß an diese Projektionen glauben. Die Atmosphäre der Krähen. Hundebellen in der Ferne. Zauberformeln. Ein Kranz wie ein Propeller. Dazu rauscht der Wald im Wind. Und ein Baum gibt ächzende Töne von sich. Schwarze Messen hier? (Auch den Film ansehen!) Das Schweigen der Steine. Und ein Megalith-Tisch mit 12 Steinen, wie bei Brâncuşi. Höhenwind, als wäre es im Gebirge. Tannen, Pinien, Birken, Buchen, starker Mischwald. Und Grillen: Zirpen. Und ein Flimmern. Verzieht sich das Lid. Übereinandergelagert die Bilder? L. beklagt sich, sie könne nichts mehr sehen. Als durchkreuzten sich die Zeiten. Spiegelungen. Unheimlich. Verhexung?
Dann das "Tal ohne Wiederkehr". Wir suchen hier eigentlich Phantome und Romanfiguren. Und das Wunder, dass wir etwas suchen, obwohl es dies gar nicht wirklich gibt. Hier hat Merlin den Verstand verloren, trank aus dem Bach, und gewann ihn, natürlich, den Verstand wieder. So wie die Einsamkeit hier heilend wirkt.

Am Jungbrunnen; angemalt die schwarzen Felsen mit bunten Hexenzeichen. Darunter auch das Schlangenkreuz der Bretonen, das wie ein Propeller aussieht; Das Schwitzen der Steine in mir. Nordisch die Stimmung, als würde Sommernachtstraumhysterie ausbrechen, Hexen verbrannt und Schwarze Messen mit nackten Frauen gefeiert.  Die Quelle selbst ist trüb, Neugeborene sollen hier getauft worden sein. Jungwerden aber ist wieder möglich, und dazu braucht es kein Mädchenblut, wie bei der Blutgräfin aus Transsylvanien, die Mädchen schlachten ließ,  im DNS gibt es ein Programm, das die Lebensdauer bestimmt, und das verändert werden kann.
Ein Flimmern in der Luft, starker Mischwald, Birken, Tannen, Eichen, Buchen, so durcheinander die Blätter beschrieben, Grillen, Grille, ein Zirpen und Flimmern und Drehen. Und verzieht sich so das Lid vor lauter Geheimnis, als löse sich der Augen-Schein auf, es entstehen mehrere Schichten von Bildern, Zeiten die sich durchkreuzen. Und du sagtest: Siehst du auch so schlecht hier, es wird mir schwarz vor den Augen, Spiegelungen, viele Spiegelungen, als wären mehrere Gegenden übereinandergelegt. Das  lange westliche Licht ist hier gefährlich!

Und die bretonische Märchengegend hier weiß ja von der Kraft des Scheins viel; dass es ein Wunder ist, nicht durch die Erde zu fallen! Die Erzählungen aus Broceliande wissen viel von der camera obscura unserer Augen, vom Schein-Werfer unserer Sinne, die die Welt erfinden. Und so lange wir dem, was alle sehen, diesem Konsensus folgen, solange brechen wir auch nicht durch die dünne Schicht der gemeinsamen Halluzination, die Welt genannt wird, durch. So schuf Merlin für Viviane ein Schloß, (Josseline, wir haben es ja gesehen, und es heißt, das Wirklichere sei seine Spiegelung im See, auf dem Seegrund also wäre es zu finden!)  Und Merlin zauberte seiner Viviane einen Palast, der für jeden unsichtbar blieb, nur für die, die dazugehörten nicht, für alle anderen ist dort nur Wasser, der See eben. Und wer aus Neid oder Haß das Geheimnis verrät, auch für den ist das Schloß nicht mehr vorhanden, der feste Grund verschwindet, auf dem er bisher stand, und er sinkt in die Tiefe des Wassers, ertrinkt.

Merlin hatte sein Unglück, Viviane, an der Barentonquelle kennengelernt, die wir suchten, aber nicht fanden. Schließlich legten wir uns an einem Barentoncamping zum Mittagsschlaf hin, unter einen Baum. Wilde Träume kamen.
An der Treppe Merlins, wer ein paar Tropfen vom Brunnen darauf fallen läßt, so heißt es, könne Regen machen, Dampf erhebe sich, verdichte sich zu einer Wolke, die andere anziehe. Und dann regne es.
Bei den Hopi haben wir es erlebt, dass solch Regenzauber wirkt. keiner weiß wie. Doch einige Physiker sind fest davon überzeugt, dass es dieses Phänomen gibt.

Leary deutete die Hippies als eine Art "keltische Renaissance". Was heißt das? Menschenopfer zum Wechsel der Jahreszeiten? Doch Meyers Lexikon behauptet, es seien nur rituelle Verbrecherhinrichtungen gewesen, sie wurden massenhaft in weitläufige Weidengeflechte gesteckt und verbrannt. Aus den Zuckungen und Eingeweiden der Opfer las der Druide dann im weißen Gewand und vor einem Altar mit Eichenlaub bekränzt aus den Bewegungen, die dem Laufe der Sonne folgten, die "Vorsehung", den "Willen" der "Götter", also dessen, was sein wird, aber auch Träume dienten dazu, Flug der Vögel, ähnlich wie bei den Etruskern, lesen auch aus Blitzen, Gestirnen.

Wir stehen am Ort "Sans retour", stehn am rötlichen Felsen mit großem Rundblick. Sanfte Sprache der Kindheit, ein Blick hinab zum Tal und zum See. Wie ein  Altarraum im Offnen. Werfen die gesammelten Phantasien der Besucher eine Stimmung aus, die es sonst nirgends so gibt.
Hier soll Merlin geheilt worden sein von seinem Wahnsinn, in dieser Ruhe. Und wir werden ebenfalls hier geheilt vom Stadtgift. Verkohlte Felsspitzen erwarten uns unten am See, ein vergoldeter Stamm, ein Kunstwerk, das hier erwacht.

Der alte Artus, halb blind, auf der Ile d´Aval, geschlagen nach einer Schlacht, geheilt, doch nicht verjüngt von der Fee Morgane, und wie einst Odysseus von der Circe von Morgane gefangen gehalten, bewacht von neun Feen, wollte fort, doch war er alt und verhext, bat Merlin um Hilfe, zumal Artus auch noch um den Verrat seiner Frau Genofeva mit Lancelot wußte; er hatte Verleumdungen geglaubt: Mach mich auf immer wieder jung? Der weise Zauberer Merlin aber, der uneheliche Sohn des Teufels  und einer frommen Mutter, die ihn aber sofort taufen ließ, so dass er die Kräfte des Vaters behielt, aber nur zu guten Zwecken verwendete, verweigerte dem alten Artus dies Elixier: „Gib mir die Jugend und mein Königreich zurück;“ schön dieses Reich der Lebenskrönung, König als Vereinigung gedacht, als Ruhepunkt des Lebens, wo die Zeit stillsteht, alles neu ist, weil die Wahrnehmung zugehörig, weil die ganze Welt zugehörig ist. ("Ich will dir die Krone des Lebens geben", so ein Psalm. Und das Hebräische weiß von der Vereinigung von König und Königin Freitag nachts!).
Zu seinem Erstaunen aber riet ihm Merlin zu Geduld und Verzicht. Und er habe alle seine Kräfte Viviane gegeben, sei nichts, als ein einfacher Mann, der den Tod erwarte, wie Artus auch. Von der Liebe zu Viviane gefangen, im unsichtbaren Gefängnis, dem er nicht mehr entkommen konnte? Und es auch nicht wollte? Weil Liebe Leben für immer sei, also genau jener Macht entspreche, die wie seine Kunst, den Schein durchdringt, Mauern durchbricht, jede Gestalt annehmen kann, weil es sie gar nicht gibt.

Matière de Bretagne

In der Matière de Bretagne wäre auch Tun aufzugeben, Kampf, denn was sind schon Hände im unsichtbaren unheimlichen Partikelgestöber, denn wie faßten wir uns an diesen Händen, so lehr deine Hände schlafen, hätte er sagen können. Oder auch: dein Auge, dem Nichts stehts entgegen. Es steht zum König. Im Nichts, wer steht da, der König. Denn Er ist nicht faßbar. So riet Merlin  sich zu ihm zu bekennen. Wie er auch Ruhm und menschliche Liebe aufzugeben, auch Ginevra, seine Frau, und auch das Reich, das nur Staub und Asche sein wird, schon immer vergangen, wenn es erscheint.

Nein, Ginsterlicht war nicht zu sehen gewesen, keine Hänge eiterten gen Himmel, doch überall gab es die Calvaires, ganz oben am Kreuz, da hing Er, meist noch mit den beiden Schächern an der Seite, die ihn verfluchten, der eine mit hängender Zunge, verdurstend, wie in Pleyben, als wir Honig kauften, die Kirche aber geschlossen war, im Angesicht des großen Schmerzes, der Folter, die ein Zeichen der Erlösung sein soll? Was wär das Kreuz im Leid, nur ein Symbol? Und dass der Körper um Nichts sich neigt, das arme Kleid - wie in Guéhenno bei Josselin? Stein, Stein geworden der Schmerz in vielen Figuren, die Ihn umgeben, der nichts mehr ist als reine Figur, Kreuzpunkt, da wo der Kopf steht, dichtester Ort des Alls. Und wer verriet? Das Morgengraun die Nacht, wo das Geheimnis ist, das Licht verzerrt? Die Säule steht mit ihm vor einem Beinhaus, das leer ist, wie jedes Grab, das nur den Leib enthält, den  Schein von der Gewalt des Hier: man siehts ja deutlich, Geißel, Ring und Strick, die Ruten für die dünnen blutigen Streifen, der Schnitt ins Fleisch, die Dornenkrone, Schilf, Nägel, Hammer, Zange: HAEC PASSUS EST PRO NOBIS. Hat er das alles für uns erlitten - oder für Gott? Der vieles zuläßt, was geschieht, auch Jetzt. Und überall der Satan, dieser Kopf des großen Nein, Unglaube ohne jede Verzweiflung, wie wir sie heute finden: und über dem Beinhaus, das dies Niemals sein soll, da ist das große offne Maul der Sonne, täuschendes Licht, das uns verschlang. Nur Maria und Magdalena stehen da und weinen, warum, wenn sie doch glauben können, dass er nicht nichts ist, wiederkehrt, der untot   ist, wie jeder! CRAS Resurget steht noch da. Als läutete tatsächlich dieser Dorn in der Wunde, und viele kleine Kindergräber, nichts als aufgeschütterer Sand als Hügel des Vergehens, Vergänglichkeit schön, grüßt dein Gedächtnis und wundert sich, kein Name, kein Kreuz.

Bretagne. Wo war es, als das Boot mit "Blutsegel" auf uns zuhielt, Bretagne und Locmariaquer, ja, als wir zurückkamen von der Megalith-Insel Gavrinis, als der Fingerabdruck im Stein riesig geworden war, Wellen, Wirbel, Sog drinnen im Grab, die Spirale, das Labyrinth, das  wir alle an der Fingerkuppe tragen ist die Grundstruktur der Welt, Spiralnebel, Sterne, Atome und Uhrwerke früher, säumte den dunklen Tunnel der verschwundenen Toten.

Tréhorenteuc, wo zwei deutsche Kriegsgefangene die Kirche mit Artussagen bemalten, dann   Josselin,  Pont Aven, Concarneau  bis  zu Qimper und  Douarnenez am Mueumshafen schlafen wir.

3. September     Von Douarnenez über Locronan zum Aussichtspunkt Menez Hom über Crozon  und Carmaret, Pointe de Penhel, von da bis zu den Iles des Morts, wo man bis Brest sehen kann, dann über Pont de Terenz über Cahateaulin  nach Pleyben, wo wir den Honig kauften, die Kathedrale ist leider zu, aber der Calvaire filmbar. Dann nach Quimper bis Auray und Carnac, sehen noch die Menhire,  dann Locmariaquer, sehen dort die Stätte der Menhire. Dann ein schönes Hotel.

4. September:   noch die Pierres Plates, dann die  Insel Gavrinis und schließlich  mittags noch St. Gildas de Rhuys, Abaelards Kloster, und mittags nach  Vannes, essen dort im schönen Park der Mauern, und schließlich über die Grand Brière La Baule und St. Nazaire nach Nantes.

5. September:  von Nantes, über Bordeaux nach Arles
6. September:  Abfahrt von Arles,  Hyères, in der Ferne Porquerolles, dann weiter nach  St. Tropez, noch ein Bad, dann über  Nizza und Genua nach Hause.

                        St. Gildas de Rhuys. Abaelard und Heloise

 Ich erinnre wieder an den 4. September nach einer traumreichen Nacht. In St. Gildas de Rhuys. Besuch in Abaelards Klosterabtei. Da war er zwischen 1128-1136. Vor zehn Jahren ist er zur Strafe (Beziehung mit Heloise) entmannt worden. An Heloise schrieb er im 5. Brief: "Die Glut meiner Gier hatte mich mit dir zusammengeschmiedet; ich dachte nicht mehr an Gott, ich dachte nicht mehr an mein besseres Selbst, so tief untergetaucht war ich in den armseligen Genüssen, die zu schmutzig sind, als dass ich sie ohne Erröten auch nur nennen kann." Da habe Gott in seiner Barmherzigkeit, das Messer, das seinen Leib traf, habe ihn von dem Schmutz befreit. So habe er nur an einem kleinen Teil des Leibes seine Sünde büßen müssen. Ein "Pfahl im Fleisch" . Selbst aber habe er es nicht tun dürfen, ein anderer mußte es tun. Origines sei schuldig geworden, weil er es selbst getan habe.

Und doch wurden sie zusammen bestattet, waren sogar Eheleute gewesen, hatten einen Sohn. Auf dem Pièrre Lachaise schrieb ich:

Weißt du noch: HELOISE UND ABAELARD
Etwas Regen auf dem Père Lachaise.
Versteint. Wir unter Regenschirmen.

Was weint da. Sogar über Steinen. Wir
suchten. Und unter Linden hören wir

ein Flüstern. Laute, wie Tandaradei.
Klang Worte in Höfen. Tage. Und dies Paris

so spät. Kaum Große Herbstzeitlose, die
zur Liebe jetzt auf Gräbern rät. Ein

Liebespaar, wir waren jung, berührt den
Stein. Von unten her. Ein Kind, das weint.

Woher ein Sic et Non, der Erdgeruch mit
deiner Haut im Regenduft vereint, im Schritt

der Kuß unter dem Kleid, ein Blitzen wie
durch Tränen, ein Blick der Tote überholt.

Jetzt stehn sie auf und lachen. Sie sehn
dir unters Kleid, die schwarze Herbst-
Zeitlose die  Sonnen  runterholt.

Heloise, Abaelard: "Was ich begangen, es lebt
so stark in freudiger Süße", riß mir das Herz
entzwei.

Saß sie auf einem Steine, Heloise, Abaelard.
Fließt in die Iris heute
dies Liebespaar.

Und steigt ganz aus dem Wort und nur ins Auge ein.

Der Name sucht durch Todesnacht lichtschnell verborgen dort
im Stein, den nur der Finger anstößt, Kälte fühlt,
als wäre dieses wahr  ("drei Tage sind es drei/ von keinem
                        Schmerz verschont".)
Heloise, Abaelard...

Tod ist ein Liebespaar. Liegt vor uns, geschwärzt
Figur, der Stein. Schmerzlich der Durchgang
mit Bildern und Dornen, durchkreuzen das Auge und
sieh, die Paare, sie wärmen.

Vom Tode denke nichts, und nur auf ein Wort. Steht
Sic et Non - gerade für wen? Daran miß und trau
dem Auge nicht mehr,
               
                       trau denen, die nicht mehr sehn.

Nichts erinnert in der kleinen Abtei, die nur noch seinetwegen besucht wird, an ihn, er selbst floh von hier, der Rauheit und Ungebildetheit, Gesetzeslosigkeit der Mönche. Und doch werden andauernd Abte und Heilige, meist in Form von Grabsteinen, einer sogar im Glassarg mit den heiligen Gebeinen, vorgezeigt. Die Kirche mochte den freien     Abaelard. nicht. Immer wieder wurde er "bestraft" Auch in einem    Kloster bei Soissons, das zugleich Irrenhaus und Kerker war. Und hier nun die heiligen Knochen. Überall in den Kirchen wird also die Materie verehrt.
Ich mache Aufnahmen davon. Auch von einem großen Schiffsmodell im Nonnenkloster nebenan. Werde verjagt. Und denke an Abaelards "Sic et non": das meinem eigenen Stil entspricht: Jede Aussage zurückzunehmen, nichts stehen zu lassen, weil nichts wahr sein kann, was nur gedacht oder nur Sprache ist.

Denken an Abaelard, den Entmannten. Cioran meint, man sollte wieder Klöster bauen, auch für jene, die an nichts glauebn können. Mönche konnten die Abgründe erproben, ohne gleich als Gestörte zu gelten. Oder als Patienten. Mein Wutausbruch in Ouistram gegen L, die diese "vernünftige" und normale Welt geradezu verkörpert. Und alles, was ins gefährlich Geistige geht, sofort abblockt.

       Hautville

Auf dem Weg von Cherbourg nach Caen sprechen wir über Hautville. Von hier ging die Eroberung Siziliens aus.
Manfred? Die Normannen und Sizilien. Wer war Manfred, wer war Robert Guiscard? Den Kleist zum Vorwurf nahm? Die tiefste Melancholie und der Trübsinn? Manfred viel später: Sohn Friedrichs II und der Lancia, unehelich, Friedrich traute sich mit ihr noch auf dem Totenbett. Manfred: König von Napel und Sizilien. (Geboren 1232). Seine drei Söhne endeten im Kerker.
Guiscard war ein Machtmensch: Sohn  Tancreds von Hautville, zur Zeit Barbarossas geboren. Herzog von Apulien und Kalabrien. Entriss das Land den Griechen, kam bis Saloniki. Gegen Byzanz kämpfte er auch. Sein Bruder Roger eroberte Sizilien von den Sarazenen. Sein Feind war Abaelard? Jedenfalls bei Kleist. Und der todwunde Kleist nahm den Machtmenschen Guiscard als Vorbild, scheiterte daran.

Auf dem Weg  zum Point de Penhir kommen wir nach Crozon. Unterbrechen. In der Kirche das Martyrium der Legion Thebaine: 400 holzgeschnitzte Figuren. Zehntausende wurden gekreuzigt. Unvorstellbar dieser Wald von Kreuzen. Ist es das Verdienst des Cristentums, solches Leid geschaffen zu haben, noch vor der Machtergreifung durch die Kirche? Der Tod dieser Menschen, der mich noch heute beschäftigt… hängt zusammen mit frühchristlichem Fanatismus.

           
                    Honfleur und Arles. Gauguin und Van Gogh

Gestern ein langes Telefon-Gespräch mit unserer Freundin Paula aus Florenz. Als ich von unserer Reise in die Normandie sprach, sagte sie gleich Habt ihr das Haus Monets gesehn. In Honfleur, ja. Das Boudin-Museum. Aus seinen Bildern erfährt man mehr, als aus der Landschaft zu „er-sehen“ ist, vor allem wenn man nur mit dem Auto durch die Landschaft fährt. Unsere Reise wäre sicher ein Mehr gewesen, wenn wir mit Monet hier gewandert wären, lästere ich am Telefon, und  in der Bretagne, oben zwischen  St. Briac und St. Servan gibt es, wie wir wissen, sogar Reproduktionen, so dass Landschaft und Malbild gegenübergestellt werden. Sogar Picasso war hier. St. Malo ist ja auch so, dass man dies Wattenmer, die Burg, die Inseln, und Chateaubriand nicht vergessen kann.

Und dann Pont Aven und Gauguin. Wie kann ich die Erinnerungen sammeln und korrigieren. Die Fetzen, die wie Traumbilder um mich schwirren. Banaler Alltag, Momente werden auf der Rückseite, rückwärts gesehen, zu eigenen Ewigkeitsbildern abgeklärt: die Mühle am Fluß Aven, jetzt Edellokal, in Pont Aven. Ich bin neugierig auf den Videofilm, was hat er "festgehalten"? Hier im Sud Finistère

Warst du Schüler von Pissaro, Gauguin? Impressionist, ein Schimpfwort, von Nord nach Süd, die Normandie, „Houtfleur“ veraltet? Welch ein Stil, das Wort, wenn es zu spät kommt, meines jetzt, nach träglich, nach Pont Aven: zwei Sekunden, die ich jetzt erfüllen muß, auf füllen, füllen, mein Freund, predige ich, an wen? Ihr, die Jungen damals, voller Wut auf den sich abzeichnenden Untergang, ließet den Fluß rauschen, herabhängende Trauerweiden nicht nur, sondern ihr saht rot und grün. Bernard und du, 1888 also, als wüßtet ihr Kant im Gesehenen zu deuten, dass man Dahintersehen muss, der Wahrheit wegen! Ihr schält immer noch, auch heute im Sehen, das Ungesehene heraus, setzt es neu zusammen: die Synthese, ein anderes Ja. September: Zwei Gemälde kamen beim Publikum an. "Bretonin auf der grünen Wiese", wo war das, im Kopf? Ich hungere jetzt noch nach Visionen, die Predigt aber ist tot, in welchen frommen Köpfen hauchfein kommen die Bilder der Engel und Kühe noch an. Du machtest eine Skizze, schicktest sie an Van Gogh, den wir später in Arles auch besuchten, kein Leid mehr, nur die Erinneung an ein abgeschnittenes Ohr. Zieh mich rein, mein Freund, wohin sollen wir noch fliehen, du hattest wenigsten noch  Tahiti, Gauguin !
Mette war Dänin, sie verließ dich. Du Berufsloser, gabst den Bankkaufmann auf, auch in dir: fort von hier. Fest halten, nichts anderes. Völlig statische Figuren. Chock, wie Baudelaire, der Bewegung hasste. Aufhalten, aufhalten die Zeit! Wir sehen das Gasthaus der Angelle Satre, die er malte, die Belle Angèle, bretonisch. So wie ich jetzt ging er spazieren, machte Skizzen, setzte dann alles zusammen, wie ich. Der gelbe Christus, der hat ein Gesicht wie er, nur schmaler, er, der Boxer mit großer Nase. Wir wollten die Kapelle sehen, als wir durch die Stadt irrten, Antiquitätenläden, überall Galerien, jetzt wollen sie dich, jetzt. Hinunter den Fluß, wo die Boote liegen, kleiner Hafen. Nach  Nizon mit dem Calvaire:  Dort  entstand sein "Calvaire": Starr, wie der Schmerz, drei graue Frauen, wie die Nornen, grau der Christus, Geister unterm Stamm, farbig blau, wie das Meer die Bretonin, Mutter, Maria, Magdalena, mit einem schwarzen Schaf an der Hand, als krieche dieses in  sie, oder sie ein Tier schon, weggeneigt, chinesisch fremd schon das Gesicht, rosig das Land, wie Korall, die Insel im Blau, hoffend, frisch, und die Wolken wie Geister oder große Finger, Christus eine leblose Puppe.

Fromm sehn die Frauen mit den großen weißen Hauben uns an, Kapelle von Trémalo: Gelber Christus, den hat Gauguin von hier mitgenommen, warum gelb? Licht, leuchtend, so siehst du ihn. So. Wie du den Liebeswald siehst, wo sie sich trafen. Du kannst ihn bei Sonnenuntergang ganz rot sehn, rot, anstatt ein Negativ, rotes Negativ. Oder blau - das Meer. So löscht du die Welt aus. Um sie neu zu erschaffen. Im Hirn als Fotographie der Phantasie oder sichtbar auf einer Zigarettenschachtel, synthetische Landschaft, Kant, ist es, sichtbar das Ding an sich, wenn du genug Mut hast! Violett, Zinnoberrot, Veronagrün - die reinsten Farben, ohne jedes Weiß des Nichts, weil die Augen vor Tiefe glühn.

Das Auge soll ein Loch sein ins Jenseits, ein Später. Ich auf der Flucht, nur flüchtig in aller Ewigkeit im Leben, wie jetzt der Augenblick vorbeirast, Fluchtpunkt sieh zurück!
Und immer wieder kommt er: Heiliger Geist, wie er da sitzt im Kopf der Bretonin. Naiv. So wie SIE ihn sieht, den Kalvarienberg, Gelben Christus: nach der Predigt, die Vision oder Jakobs Kampf mit dem Engel für die kleine Ortskirche, der Pfarrer weist das innere des Heiligen mit Abscheu zurück. Sie, ja, sie sehen es anders, auch als die  primitive Seele der Frauen, mit fliegenden weißen Bretoninnenhauben. Licht in den Dingen, nicht außen, so ist kein Schatten, wie im Hirn, alles Kontur. Hirnsyntax, mein Lieber, so gibt es die roten Bäume aus Blutsonnen. Die Geister wollen uns sehen, so malt er Ideen, die ihnen nah sind, Tote haben Intuitionen in ihm: Selbstbildnis aus Licht gewachsen, ein grüner Apfel klopft an die Stirn, ein roter begleitet alles im roten Himmel, der Kopf wächst aus dem Licht, der leidende Christus,  oder Adam ists, der Heiligenschein wiederholt nur das Vibrieren des Gelben, grün, grün die Schlange die er hält. Kämpft, überall ist Jakob mit dem Engel. Das Bretonische ist ein weißes Gefühlsfliegen, weiß, das zu den Farben wie Vögel nicht passte, außerhalb der Welt war. Was will der gewalttätige Engel von Jakob, die Leiter? Und er soll den Baum nicht sehen, der sie trennt von den betenden Frauen? Nur ein Tier frisst an ihm oder berührt ihn warm mit der Schnauze, eine Kuh, ein Schaf. Und die knienden Bäuerinnen mit den Händen im Schoß, gelegt. In der hektischen Welt hier -  ein stehende Zeitparadies. Sanft, wie seine dreizehnjährige Tahitianerin später, die nach Milch roch und nach Morgen.

Statisch aber die drei Frauen, schwarz unter dem glühenden Abendbaum, dahinter die Kapelle von Aliscans vor Arles. So stehn die Geister, die Toten in uns in der Welt vor dem, was noch ist. Und links eine Fontäne, nein, ein Riesenphantom. Ists schon der Geist von Van Gogh, den er besuchte? 1888 im November? Fontänen von  Gelbrot, wie die Zypressen von Vincent, der schon krank war: in Arles, die Aura, den Wirbel der Atome sah. Ihm schickte Gauguin  in einem Brief die Skizze der Jakobs-Vision, eingeschlossene Konturen, wie eine Landkarte

Und Gauguin  starb am 8. Mai 1903 allein und verlassen in seiner Hütte, im Haus der Freude, unter dme "Gold der Körper", Frauen und Blumen, aber allein, krank verurteilt zu Geldstrafe und Gefängnis. Hiva Oa hieß die Nebeninsel der Marquesas-Inseln.
Wie der Freund Van Gogh - nachdem sein Schuß  im Kornfeld , als er nach einem Motiv suchte (in der Sonne) gefallen war, in den Bauch hatte er sich geschossen. Warum? In Auvers bei Paris war das, Dr. Gachet war da, Theo, der Bruder kam, in dessen Armen starb er dann. "Das Elend wird niemals enden. Jetzt möchte ich himgehn." Am 29. Juli 1890. Ein einziges Bild, der rote Weingarten war  verkauft worden. 400 Franc. Keiner hatte ihn zur Kenntnis genommen.

WAS BLEIBT, wer
stiftet es, dachte ich  heute beim Waldlauf;
und spürte kurzatmig die Zeit auch in mir
laufen.
Wie, du läufst noch, sagt einer: geh
stiften, HIER, der  Stift läuft mit dir
übers Herz Blatt, du Papierene Seele,
und tötet jede Sekunde. Wer
stiftet noch etwas hier:
Las Braun, Kirsten, Czechowski, Haufs
und mich selbst, wohin des Wegs ...?

Draußen aber sägts, und Mähmaschinen schneiden.
Aber die Zeit jede Sekunde (nicht nur Gras)
schneidet ins Fleisch ...
Und du meinst, nur durchs Fenster?
Nein, das mäht und mäht in mir selbst, jede
Zelle tickt. Geräusche draußen, oh, wie harmlos
aufs Blatt hier geworfen:

Was bleibt/ schon dieser Fetzen Papier, nur die Worte
vergilbt, lebt länger, wenn dieser Hand
die Form längst wahr geworden:
knöchern von Erde/ bestimmt,

kommst du wieder? Sagt einer:
„Ist der Tod auch ein Bad nur,
drüben am anderen Ufer
liegt bereit für uns
ein neues Gewand?“

Arles, die Einfahrt an der Mauer. Hektische Nervosität, viele Autos. Die Rhone. Unstimmung,  Sonntagsverkehr. Wir irren durch das Labyrinth der Altstadt. Hotelsuche. Verbiestert, offen keinesfalls. Zum Leid mußt du offen sein. Vorerst ist Vincent gar nicht da. Seit Februar 1888 aus Paris. Die Provence - ein Taumel, er sah die Wirbel der       Atome, die Spiralen überall. Endlich.
Seine Adresse: Place Lamartine 2, vier Zimmer.

Das Blau des Briefträgers Roullin. Und der Sohn. Die einzigen Freunde. Roullin, wallender Bart. Vinzent: Er hat ein Sokratesgesicht. Und so fand ich es wieder auf dem Buchumschlag in einem Buch über die Hohe Rinne des Constantin Noica: Epistolar, Brief, ach, in den achtziger Jahren in meiner Heimat Siebenbürgen/Paltinis. We fern, mein Lieber, von Arles, durch das wir irrten. Und L. sagte: Hier feiern die Zigeuner jährlich ihr Fest. Und es wird viel geklaut.
In der Nähe der rue Hotel de Ville fanden wir ein billiges kleines Hotel mit antikem Hinterhof. Nach langem Suchen und nervös geworden, fanden wir endlich diese Bleibe; das war Arles, und die Arleserin, die ein kretisches Gesicht hat, quick und frech, gibt den Schlüssel, befiehlt, immer  das Hoftor zu schließen, wegen der Diebstähle; wir fahren auf ihren Rat  zum Boulevard Clemenceau in eine Garage, schaffen es noch, ich schleppe im Schweiße meines Angesichts Tasche und Koffer samt Computer. Angst. Kann im Abendlicht gerade noch filmen, den Groll überwinden, Schwitzen, Nervenraub in Arles, anstatt Vincent. Ich kann noch den Place de la République mit dem schönen Rathaus und der Kirche St. Tropisme plus Cloitre filmen. Dann Dunkelheit. In einer einfachen Crêperie Abendessen. Beobachtungen, dass hier eine Art Mafiazentrum ist.

Am nächsten Morgen Aufregung, ich habe die Camera nicht geladen.  Ein kleiner elender Rundgang. Filme trotzdem noch das  römische Amphitheater, ein Art Colosseum. (Stierkämpfe, Spanien ist nah). Dann das Theater. Den Park. Auch diese Stadt wuchs wie Lucca übergangslos aus dem Römischen ins Heute, eine Stadt wurde auf die andere gebaut. Der Blick: auf einer Terrasse, Kirche, aufs "Colosseum". Morgen. Überlagert sind viele andere Blicke von Kirchterrassen, mit Blicken auf die Stadt. Am Theater, ich filme durch das Gitter, reißt L. der Schuhriemen. Ich versuche den Schuh zu reparieren. Solch banale Augenblicke, die man sich merkt.

Jetzt erst denke ich an den Garten in Quistram, wo wir wohnten, mit den Sonnenblumen, wie Köpfe. Dass Van Gogh Gauguin  mit Sonnenblumenbildern im Haus empfing. Malergemeinschaft? Das scheitert immer. Streit. Van Gogh schildert in seinen "Diverses Choses": Dass die Suppe, wie seine Farben, dick, nicht essbar war. Dass sie stritten. dass er auf die Mauer schrieb: "Je suis Saint-Esprit/ Je suis sain d`esprit." (Gesund im Geist!). Eines Abends lag er und schlief. Bleischlaf. Und an einem andern Abend trank er im Café (Place Forum?) Absinth. Warf Gauguin  das Glas an den Kopf. Ein andermal attackierte er ihn mit dem Rasiermesser. An einem anderen Abend ging Gauguin  allein aus. Ein schneller Schritt hinter sich, als er den Platz Victor Hugo überquerte. Vincent stürzt sich mit einem Rasiermesser auf ihn. Gaugins Blick aber hielt ihn ab. Er küsste den Kopf des Freundes, ging weiter. Gauguin  schlief zur Sicherheit in einem Hotel.
In der gleichen Nacht schnitt sich Van Gogh das Ohr ab. Nasse Handtücher um den Kopf. So hat er sich gemalt. So hat er das Ohr dem "Salon" gebracht, einem Mädchen  geschenkt: „Hier ein Geschenk von mir.“ Hatte sie ihn einmal scherzhaft am Ohr gezogen, und gesagt: wenn du mir nicht wenigstens ein Hundert-Sou-Stück geben kannst, dann schenk mir wenigstens dein Ohr!
Laute Stimmen vor dem Rathaus. Fast hundert Bürger fordern Van Goghs Zwangseinweisung. Er kommt nach San Remy.

Gauguin  saß vor ihm, so Bild im Bild, malte den Andern: Sonnenblumen malend. Licht. Und wir sahen noch die Zug-Brücke, uralt, außer Gebrauch. Brücken malte er, ein Hinüber, noch faßbar. Brücke von Longlois, im Bild gelb und gewaltig. Gelb wie die Sonnenblumen, gelb wie der Stuhl, der eine Gestalt hat, die Person Stuhl in seinem Zimmer, wo es keinen Abgrund gab. Gelb die Caféterrasse am Abend, Place du Forum, wo wir auch aßen und  viel Rummel war. Strichmännchen vor dem unermesslichen Nachthimmel, ganz dunkel die Häuser. Gelb auch das Innen, fahl wie Schwefel der Unterwelt, die Hölle. Wie ein verhinderter Schlaf, übernächtig. "Ich habe versucht, die bösen Leidenschaften der Menschen in roten und grünen Farben auszudrücken." Übertrieben groß in der schrecklichen Leere, die Menschen klein unter den kreisenden soghaften Wirbelgloriolen der Petroleumlampen. Fegefeueratmosphäre von bleichem Schwefelgelb".

40 Selbstbildnisse, und eines mit Kopfverband, ohne Ohr.  Verletzt, verwundet, nur halbes Gehör. Wer sieht, hört nicht. Oder: hört Stimmen? Mist. Er will häßlich sein, Backenknochen, rotblondes Haar. Kleine Augen mit blauem flackerndem, irrem Blick. Denn er hört Stimmen.

      Paris

Und dann ein Abstecher nach Paris, als wäre diese Reise stärker und melancholischer als alles, was ich erinnern kann, kehrt sie immer wieder:

Auf dem Flohmarkt diese anpreisenden Schwarzen und Araber. Im Zentrum, dem Mittelpunkt des Gerümpelareals Uniformen aus der Revolutionszeit. Auch weiße Hauben, ähnlich wie die Omahaube, die Marie Antoinette bei der Hinrichtung trug, bevor sie ihr Sanson abnahm, sie ans neigbare Brett geschnallt wurde, so dass der Kopf ins runde Loch der Guillotine passte, letztes knirschendes Geräusch, der dumpfe Fall. Ich nahm die Haube und roch daran. Den Dingen entgehst du nicht, dem Geruch nicht, dir nicht. Dem Tod nicht. Und sah damals diese Blumenmädchen, eine Alte gegenüber verkaufte Spitzen, L: nahm sie in die Hand, ihre Hand, die warme, ich fühle sie überall auf meiner Haut. Dazu eine alte Pariser Ziehharmonikamusik, drehorgelhaft. Parì, Parì! Moulin Rouge. Pigalle. Montmartre. Es war einmal. Als ich von zu Hause geflohen war, fuhr ich ja zuerst nach Paris... dann erst kam ich nach Deutschland... Bonn, Hotel Mozart. Damals hatte ich L: noch nicht gekannt. Nichts lässt sich zurückholen, die Erinnerung, die steht, als wäre sie ewig. Nur der Tod rast und löscht auch sie!

Der einmalige Augenblick, der nie mehr wiederkehrende Lebensmoment, jeder Augenblick ist kostbar. Es war einmal, was berührte mich da. Ein Geruch. Und diese Berührung der Haube. Aura ja. Ich saß mit L: auf einer Bank im Bois de Boulogne am See, ein Sonnenstreif im Wasser blendete, eine Ente schnatterte. Es war an einem Samstag, noch in jener uralten Zeit, zu der wir nicht mehr ... doch, zu der wir freilich noch gehören; das ist es ja!  Wochenendler joggten vorbei. Hinter mir rauschten die Autos, keine Stille war möglich. Augenkontakt mit der Erde, ganz nah, ein Junge ruderte in einem Kahn ganz nahe am Ufer vorbei, eine Frau fotografierte ihren kleinen Jungen, der mit einem großen Wolfshund unter einer Linde saß; plötzlich sehe ich jene Haube vor mir, rieche sie….



Klar, Paris. Stimmen die Worte Hemingways, es sei ein „Fest“, und man bekomme da Lust zum Essen, Trinken, Schreiben und Lieben? Als er 1921 nach Paris kam, junger Amerikaner ohne einen Cent, war er und auch die beliebteste Stadt anders, als es der junge Emigrant aus dem roten Osten und Paris im Jahr der Studentenrevolte von 1968 war. Ich kam  aus Luxemburg, hatte in Brüssel meine erste westliche Großstadt gesehen, war davon geschockt, kultur-geschockt, von Bukarest aus dem Securitateland kam ich! Und dieser Zustand ist es, der außer den Zeitschichten meiner Besuche, parallele Vergleiche, die Stadt anders, als diese millionenfache Beschreibung, in Milliarden Worten, gemalt, bedichtet, oder sogar mit Tränen und Nostalgie bedacht, wie mir eine Freundin sagte, dass sie immer weinen musste, wenn sie Paris verließ.

Doch auch das eine Frage: Kann diese glanzvolle, immer glanzvollere Stadt heute solches noch auslösen? Denn ich habe den Eindruck, dass Paris „damals“ 1968 noch bescheidener, zurückhaltender war als dieser fast unverschämte Reichtum, mit dem sie sie sich jetzt präsentiert. Hier die Summe der Welt nach 1989? Und ich weiß nicht, warum ich eigentlich vor Ort über den Ort, wo ich dort eben war, sei es der Louvre oder einfach nur die Metro,  gehemmt war, über sie zu schreiben.  Zu essen  schon, weniger zu trinken, (weniger als in Italien!) und eigentlich auch kaum zu lieben in dieser Hektik. Hinderte mich auch L. daran? Oder das Ältergewordensein? 1968 war das anders gewesen. Da war es freilich auch die erste Erfahrung mit käuflicher Liebe: Pigalle. Das ordinärste flacheste Zentrum zog mich an. Doch auch das war weniger glanzvoll, fast nah und bescheiden privat. Ojah. Pigalle klingt noch nach in meinen Ohren!

Und freilich auch jetzt waren wir „dort“ gewesen, und sahen die Schmuddligkeit! L. wollte schnell weg, auch aus Sacre Coeur. Aus dem ganzen Viertel. Obwohl es doch einmal ein berühmtes Künstlerviertel gewesen war! Und wir fanden nicht einmal den Ort des kleinen Holzhäuschens, wo 1900 die moderne Kunst geboren worden war wieder.  Bateau Lavoir in der rue Ravignan, auf dem Platz Èmile-Goudeau. Ein Brand 1970 vernichtet das Häuschen. Picasso, Braque, und Gris arbeiteten hier. Picasso malte hier Desmoiselles d´Avignon, das den Kubismus einleitete. Max Jakob und Apollinaire revolutionierten die Poesie. Auf der rue Leptic 54 wohnte van Gogh mit seinem Bruder. Und hier liegt auch die letzte Mühle, die ihn und Renoir inspirierten. Moulin de la Galette. Wir sahen sie an und ich fotografierte sie auch.
Nur freilich: das Holzhäuschen war weg, unsichtbar, wie die moderne Kunst es wollte: unsichtbar sein als wirkliche Form, nur die Hintergrundform wird sichtbar durch die Zerstörung der Sichtsbarkeit. Genua wie in der modernen Physik, die genau auch damals entstand: Planck 1901.



Vorher hatten wir die Sacre Coeur und auch den Place du Tertre gesehen und wurden dauernd von Zeichner angequatscht, die eine Karikatur zeichnen wollten.  Ich lehnte ab. Warum? War ich nicht die Karikatur meiner selbst?
Es wqar jetzt spät. L. wollte nicht ble98ben. Und, na ja, wir hatten beide H+ftbeschwerden. Eigentliczh wollten wir noch die Place Vendome sehen. Und es hätte sich sehr gelohnt, auch weil sich Paris in diese Richtung des Reichtums entwickelt hatte, also die berühmten Juweliergecshäfte (hatte Manolescu hier geraubt, Felix-Krull-Vorbl?) und der berühmteste Goldschmidt auch. Ebenso das Hotel Riz, wo Marcel Proust einiges saiener „Suche nahc der verlorenenh Zeit“ gecshrieben hatte, Coco Chanel gewohnt hatte. Und da sieht man , was Prsonenkzult ist, der wu7nderbarste Platz wurde zur Zeit Ludwigs IV. nur antelegt, um einem Reiterstandbild des Angebers eine würdige Umebung zu schafen. Angelegt von Girardon.,  (1687-1720)  Das Denkmal wöhrend der Revolution aber zerstört. Gut so? Schmucklos aber mit vielen Palästen. Nr. 15 Riz, nr. 12 das Haus wo Chopin starb. In der Mitte Erensäule für apoleon. Von hier aus der Rue de Paix mit ihren Luxusgeschäften. Einew der schönsten Pariser Straßen. Nr. 13 ist der Laden von Cartier.

Ich wollte alles „sehen“ und nachfühlen. Was in mir unsichtbar sich verbarg von früher!Was nicht gelang.   Wir gingen anfangs am totalen Kontrast von Vendiome ,an Sexläden vorbei. Nichtmal eine Hure in den Nebenstrassen der hier zu sehn. Die Moulin Rouge wie ein Phantasma ein Klischee! Elend abstrakt alles. Ich filmte. Hier, bitte solch ein Bild:

Wie soll ich die Zeitschnitten schneiden? Von 68 hab ich keine Notizen mehr. Da wars so, dass ich auf dem Flughafen Orly in einer Telefonzelle mein Notizheft mit allen aufzeichnen liegen gelassen hatte.  E war reiner Wahnsinn. Ich wurde nicht akzeptiert von der Fluggesellschaft, weil mein Ost-Pass nicht akzeptiert wurde. Und ich telefonierte mit Dr. Fehr von Inter Nationes, bat ihn, das in Ordnung zu bringen, was auch geschah. Aber der Notizblock war weg. Ich dann eben in Bonn nach 2 Stunden. Es war Nacht in Deutschland, Ende Oktober 1968.

Es ist eigentlich nicht viel zu sagen über meine Erlebnisse damals, sie sind auch merkwürdig abgeblasst, wohl weil es eine ganz andere Epoche war, das Vorvergangene sozusagen. Nichts mehr lässt sich nachvollziehen. Ich weiß nur, dass ich enorm viel zu Fuß ging, dass ich fast täglich im Louvre war, dass ich sonst in Nr. 11 (onze) nahe der Botschaft für 11 Franc in nr. onze kampierte, wahrscheinlich ein Secuhotel, dass ich einige male mit „Nr. onze“ aufgerufen wurde, wenn mich jemand suchte, anscheinend doch einige. Und dass ich von „Salam de Sibiu“, eine ganze Stange, und Rotwein (Vin rouge) lebte. Dass ich Nina Cassian traf, dass wir Celan sehen wollten, er aber schon in der Klapse war.  Dass mir Paris eigentlich eher vertrauter war als heute. Dass  ich mehrere Bekannte, auch einen Deutschen, der in Paris lebte, hatte. Dass mich eine französische Rumänischstudentin, mit deren österreichischen Freundin ich damals in Bukarest ein schönes Verhältnis hatte, mich mit dem Wagen ihres Vaters auf den Flughafen Orly brachte usw. Also doch Menschen wichtiger waren als die Stadt selbst.
Und auch das Pigalle-Erlebnis gehöt dazu:
Ebenso der Klang der Namen, die melancholisch stimmen. Auch „Pigalle“ Oder Champs Elysees. Welches war die Metro, die ich jetzt so sehr vor mir sehe… Das gibt es jetzt nicht mehr. Paris-Sentimentalität ausgetrieben…. Nur noh Gecshäfgt wetrdn damit gemacht. Jaja, ein ganz schönes Foto vor  Sacere-Coeur , die Ziharminica spilte… Hier das Foto, der Ton?


Die Abreise freilich 2009, wo ich zu einem PEN-Kongress vom Goetheinstitut eingeladen worden war, verlief ruhiger. Wir fuhren von Pigalle über Montparnasse nach „Hause“, bezahlten das ziemlich elende Hotel Fred, vorher ein ebenso elendes Mittagessen in einer Bar „Entrecot“ sollte das sein, und fuhren mit einer Taxe nach Orly, ruhiges Einschecken und Flug dann. So viel Zeitverlust aber.

Wenn ich jetzt zurückblicke, bleibt Paris trotzdem ein Fest. Auch wenn der offizielle Auftritt eher jämmerlich war, trotz Einladungen von Goetheinstitut und Botschaft. Mein Lesen war verhallt. Buchverkauf null, außer einer jungen Frau, die unbedingt den „Capesius“ haben wollte, kein Interesse, geschweige denn von den Kollegen. Ich schenkte der jungen Frau  „Landsehen“ mit Widmung. Da war aber noch ein Luxemburger Franzose, der gute Worte zur Lesung fand. Und mir tat es leid, dass ich nicht mit ihm den letzten Abend verbracht hatte, sondern mit dem Botschafter. Der Luxemburger sprach den ähnlichen moselfränkischen Dialekt.
Ich hatte in Paris nun eher Freunde verloren. Und weiß nicht warum.

Wenn ich zurückdenke, war auch die Ankunft so harmlos nach 22 Jahrehn: 1987 zum letzten al hier gewesen!

Damals war für mich die Conciergerie mit den Revolutionsterror der interessanteste Paris-Teil gewesen. Wir gubgebn wider dorthin. Ich wollte vergleichen:


7.Oktober. Wie sich die Zeitschichten nun überschneiden wieder. Wie Paris weiter rückt. Ich überlege, was hatten wir und an qwelchem Tag gesehen:

Am 30. Bis 16.h.
Der Abend im Goetheinstitut, die Lesungen, Bis 7, Gabrielle und dann vom abwesenden Kunert und Fuinkelgruen Texte gelesen.
Dann Pause mit Getränken.  Ich war sltsam aufgekratzt, obwohl ich eigentlich lesen sollte, bis morgen warten muss.
Und dann die langweilige Runde mit Goödschmidt und Honigmann. Langweiloig privat-
Ich revoltierte redend. Das brachte mir: Du hast gestört wie ein Schulbub – ein. Von Nadine, der frechen Münchnerin.
Ab 10 dann  Abendessen Einladung von Goethe. Zurüvck zum Hotel mit dem Taxi. Das war eine schöne Nahctfahrt durch historische Zentrum.

Am1. Vormittags Quartier Latin. Notre Dame. Vor allem aber die Conciergerie. Und der Vergleich mit 1987. (Siehe).
Dann zurück ins Hotel kurzer Mittagsschlaf. Und Vorbereitung zur Lesung heute.
Um 13. uhr mit GA und Nadine. 14 h Bibliothek National.

                                                  WIEN

IRRE

Alexander hatten wir in jener kleinen Stadt bei Wien besucht, von wo aus man den Weissen Berg sieht, die Schlacht liest du dann nach.
In einem Wiener Privatzimmer geschlafen. Dr. N., der Psychiater, empfing uns nach einer unruhigen Nacht (Verkehr vor dem Fenster, zu dicke Federbetten), empfing uns in seinem Zimmer, vor dem drängelten sich die Patienten wie vor den Himmelspforten die Verdammten. Keine Einlassung, sondern Entlassung, flüsterte mir einer ganz plötzlich ins Ohr, dass die Stimme in der Muschel kitzelte und tiefen Eingang fand.
Als wir dann Alexander kennen lernten und auch seinen Mitpatienten O.T. (der einst Funker bei Generalfeldmarschall Paulus gewesen war) – jetzt im Irrenarzt-Zimmer, da dachte ich, die haben sich selbst im Kessel zurückgelassen. Die Schlacht war anders. Und das kann selbstverständlich dem Verstand reichen.
Alexander saß vor uns mit vorgeschobenem Unterkiefer, er sah wie ein abgetauchtes Fischmaul aus. Oder wie ein uraltes Kind mit einem zu großen Kopf, in dem die ganze vergangene Welt drin liegen geblieben ist und freilich auch das Ende . So stand er nun vor uns und sagte etwas, das mich sehr anging:
In der Schule war ich froh
In der Klasse war ich immer so
Gelernt habe ich sehr viel
Zuhause und in zivil.*

War das nicht wie mein eignes Damalstehengebliebensein, das auch Alexander in dauernde Trauer versetzt? Wie ein Elternhaus, das lange, das für immer verlassen wird, Spinnweben überziehn es wie die Jahrzehnte, ein ganzes Leben in der Anstalt! Alles nun so alt und wie versteinert!
Im Park vor dem grünen Männerpavillon saßen wir (ziemlich verlegen) mit diesem kleinen Mann, der seine Linke so hielt, als stütze er sich andauernd auf einen unsichtbaren Spazierstock. Ein Teich vor uns, darauf Enten, die manchmal (für uns völlig unmotiviert) aufflogen, ein Leichenwagen, der sich im Wasser spiegelt und, wie ich meinte, das Wasser schwärzer kräuselte. Patienten in Anstaltskleidung kehrten die Wege, die alle hier zusammenzutreffen schienen, wo wir saßen, nein, wo wir mühsam an Sätzen bauten, denn ich meinte, so stumm zu werden wie er.
Waren Sie auch einmal Patient? Fragte er überraschend. Und ich: Nein, aber ich habe Angst, Patient zu werden. Er: Keine Ursache. Die Dinge und Menschen sind leider nur sächlich. Früher, da wurden sie schön gelöst: von Kunst und Gebet.
Ich merkte, dass er jenen unsichtbaren Halt, den ich für einen Spazierstock gehalten hatte, wirklich besaß; er meinte später, es hänge mit seiner innern Frau zusammen, die sitze in der linken Brustgegend. Jeder habe eine innere Frau, mit der müsse sich jeder Mensch verständigen und vereinigen, dann erst sei Gott vorhanden, jederzeit: Gott hat gesagt, seid einst einig, seid Einverständnis zeigend, dass die Liebe erwacht… und was Adam in sich trägt und vorhat, den Geist erweckt, zu sagen: vielleicht habe ich den Mut, vielleicht auch nicht, Gott zu gehorchen, und einen Sohn, eine Tochter zu malen, aufzuschreiben, so wie es damals war!
Ich schob alles auf den Kessel, in dem er einmal gewesen war, ein Kreisen, eine Spirale, ein Dröhnen muss es gewesen sein. Vom Jüngsten Gericht aber redete er nie. Er machte uns nur darauf aufmerksam, dass die Vögel im Park, z.B. Amseln, reden könnten. Sehr mitteilsam manchmal, sagte er: Amseln pfeifen heer im Wind. Alles sei Klang. Wichtig sei es, dies im Wissen zu hören. Die Vögel singen fast ohne Bewusstsein, sagte er. Es singe einfach aus ihnen heraus. Und so würden sie sich wundern über die STIMME, die sie zwar fühlen, aber nicht verstehen könnten. Auch wir müssten uns darüber wundern. Wir aber tun so, als wüssten wir Bescheid. Daraus entstehe der Krieg. Und die Sprache sperre die Seele in ihre Käfige, wie es auch mit den armen Vögeln geschehe, die nicht nur Patienten seien. Buchstaben aber: vertrocknete Tränen. Wissen Sie das? Er sah mich durchdringend an: Jedes Ding ist nur ein zweideutiges Etwas… diese Leichtigkeit des Dinges, ein anderes Wort dafür einzusetzen. Ich: Die feste Welt… Und er:… durch Kauf, ja. Und dass der Mann draußen sozusagen die Wahrheit stempelt und beiseite schiebt, die Wahrheit, die Ware wird, weil sie ja nicht mehr ist, sie wird aufgehoben durch die Währung und die Kraft des Geldes.
Und leise, fast unverständlich, was am Ausgesprochenen (ich nahm’s auf mit dem Magnetohr) zu entdecken und entziffern war:
Ich bin da,
aber/ ich weiß nicht
wann
ich kommen werde.
Das Denken der Ungewissheit
habe ich
wie mein Bruder.
Für die Ewigkeit besteht
das Licht
meines und seines.

Zögernd nur dürfen wirs
Hören, sehen
Nicht.
Der Klang allein ist in die
Wege geleitetes Zentrum.


INTERMZZO. Der erlebte Augenblick als Reisegeschenk

HEIMFAHRT. AM CISA. PASS

Mehr nicht, als diesen Augenblick
aufbauen, als ginge es ums Leben. Das geht.
Mehr nicht. Als diese Morgenwiese
lachhaft naiv die Augen sehen lassen
mit Freudentränen. Mehr nicht

als leben, jetzt.

So warte ich, die Sonne
scheint noch immer, und bricht
die Strahlen, nicht das Herz, den Satz.

Ich möchte leben,
nicht nur schreiben müssen, als wär es
ein Ersatz für diese Fahrt.

Sie steht noch in den Sternen. Steht
und wartet.

Und doch, zu ihre gehört auch diese Erinnerung, das Glück der Sinne: Heute liegt es wie Glück in der Luft; der Morgen ist taufrisch und jung, und Ich hatte plötzlich wie als Kind Lust zum Barfußgehen im Morgengras; Duft und Klang, es riecht nach Pinien und nach frischer Frühlingsluft, nach Berg und nach Kaminrauch. Langsam, alles ganz langsam tun, mit vielen Pausen und ruhigen Atemzügen. Nur manchmal das Tier mit vier Füßen, schwer atmend, schnaubend und hechelnd im Rhythmus der gemäßen Natur und den hochschießenden wunderbaren Säften. In Transsylvanien roch es nach Erde, Heu, Zwiebeln, Kaminrauch, und sauer nach Schweiß, nach festem Boden, und nach einem andauernd sicheren Glück. Das Kind hatte kaum sprechen gelernt, kaum laufen, wie sollte es da etwas vom schnellen Zeitempfinden wissen können, hie und da ein stinkender Uraltford auf staubiger Landstraße, der wie ein Ungetüm krachend und hupend dahinkroch und 20 Kilometer in der Stunde zurücklegte, da war noch im Geruchssinn, und am stärksten nackt in der Sonne und im Frühjahrsgras einer Blumenwiese, eine so starke Wahrnehmung des flüchtigen Daseins auch im Parfüm seiner Mutter, nur außen schlugen manchmal Uhren mit langen Pendeln, sogar Kuckucksuhren mit einem bunten Holzvogel, der vor Schmerz zu schreien schien, dass schon wieder eine Stunde vergangen war, wenn er dort im Türchen erschien; ein Tag war eine Ewigkeit, lang, lang, wie heute ein Jahr. Und ein starkes, fast zu lautes Gefühl für sich selbst dort in der Öffnung und im Haar, erinnerte Ich sogar heute noch, er erinnerte sich, und blitzartig kamen die Empfindungen, taten fast weh, und er wußte, dass er durch ein haariges, stark riechendes Tier, durch einen Schlauch im Dunkeln rausgestoßen worden war, mit klebrigem Blut hinaus ins Kalte. Und dass er vorher in einer ganz anderen, einer großen Stadt gelebt hatte, wo man fliegen konnte, und jeder Gedanke sofort zu einem Ding oder zu einem Menschen wurde, und dass man sich hier auf der Erde lebenslang wie nach einem verlorenen Zuhause sehnte, und nur nachts manchmal im Traum dort in jener Stadt sein durfte. Früher, da tat er nie etwas anderes, nur das, was er sah, jetzt aber waren seine Augen müde, Einsamkeit der Augen, hatte jemand gesagt, und er hatte nun auch hier in diesem toskanischen Bergdorf, wohin er seiner Kindheit nachgezogen war, etwas Neues geübt, zaghaft und langsam an die Dinge heranzugehen, als würden sie sich wieder in ihr Inkognito zurückziehen können, die Bekanntheit, die ihn fluchen ließ, aufgeben, und sie so, wie als Kind aus der Sprache fallen lassen, scheues Auftreten angesichts des unfaßbaren Abgrundes bei jedem Schritt, Respekt, anstatt des heute üblichen Zynismus. Erleuchtung der Langsamkeit, dachte er: Nie, nie schnell werden. Anstatt nur Erinnern, lieber wirkliche Pausen; Zartheit, Zärtlichkeit, schon mit den einfachsten Dingen und durch sie, wenn wir es merken, scheint etwas Undenkbares hindurch. Und er legte die Hand auf den angewärmten Stein der Treppe, auf dem er saß, und tastete die Vertiefungen und Rillen dieser Landkarte einer steingewordenen Erinnerung von Milliarden Jahren nach, ließ dann auch den Stein seine Finger abtasten, den warmen Körper, die Waden. Und die Katze schmiegte sich mit zwei ihrer Jungen, reizenden flaumig geschmeidigen Geschöpfen, die keine Schwerkraft zu kennen schienen, an ihn, und sprangen in kurzen hohen Sätzen dem Spiel der Sonne und der Schatten nach.

Augenblicke in den Alpi Apuane. Stazzema

Die Wolkenwand sahen wir von Westen kommend schon bei Pietrasanta, ja, es wird kein schöner Tag werden, es ist einer jener Tage hier, der schön mit blauem Himmel begonnen hat, und mit Blitz und Donner endet, beginnlos ein Fest, und werden in Pietrasanta am Markt vorbei fahren, werden lauter Schwarze sehen, einer auf einem Fahrrad kommt uns entgegen, am Ausgang von Pietrasanta ein Gladiator als Standbild, Muskelpaket von Botero. Und ich sagte zu L.: Jetzt reicht´s mir, ich fühle mich schlecht, ich fühl´s wie ein Gift in mir, tue andauernd, was ich nicht will. Rut sagt immer: Laß die Kopfarbeit, überlaß dich deinen Intuitionen, jetzt aber reicht´s mir, sagte ich zu L., wir nabeln uns ab.
Und in Stazzema stiegen wir aus und wanderten. Am besten mit den Sinnen leben, so nah alles, wie jetzt, wenn ich Circel, den kleinen Hund, warm im Arm halte, der alt ist und getragen werden muß; nasses Fell, Geruch aus dem Maul, an der Schnauze, er war in eine Quelle gestiegen, um zu trinken, mit allen vier Pfoten in die Quelle gestiegen, wir sammelten Kiefernzapfen oben am Rifugio Forte dei Marmi, allein, kein Mensch da, und während ich an den harzigen, duftenden Fingern roch, sie an einer Buchrinde abrieb, die Buche umarmte wie einen Bruder, dachte ich an die Quelle mit dem Gedenkstein für Pepe, wohl ein Köhler, jetzt wenn der Tag wieder durch mich durchgeht, ist der Hl. Franz von Assisi und frate acqua auf dem Stein für Pepe in mir wiederauferstanden ins Zukünftige: die Amici della Montagna hatten ihn dem Toten hier aufgestellt zum Gedenken und dazu geschrieben: flora protetta auf Holztäfelchen und irgendein Gesetz aus dem Jahr 1982 dazu, überall Vignetten an den Pflanzen, beschriftet, sogar Edelweiß, schaurig als wären die Armen aufgespießt, die Namen löschen sie aus, L. sagte zu diesem Haus: >pütscherig<, schöner das Haus vorher, großzügig herrschaftlich, eine Villa und nur ein Spruch an der Wand hora quiete, überall werden Geranien sein. Zeit löst sich dann im Bewußtsein auf, alle Formen werden gleich: oben die Wolkenwand - zieht immer noch auf, nebelt den Forato und den Procinto ein, zwei Gesichter aus unserer Vorstellung: der Procinto ein Grieche und ein Halbprofil mit langer Nase am Rifugio, aber hochragend steil die Wand zum Matanna, so sieht das Unübersteigbare gefährlich aus, und Schweiß an den Händen, trocken auf einer Bank, trinken wir dann den letzten Schluck Weißwein und essen Schokolade, der Hund springt dazu auf die Holzbank. Ich aber habe vom gestrigen Weißwein Entzugserscheinungen, bin auch atemlos, Schwere beim Aufstieg, ich denke, mein Lieber, bald ist es aus, die Kräfte lassen nach, spürst es an den Knien, und werde an meine Mutter denken, die bei dem Passo della Croce auch nicht weiter konnte, mein Herz, sagte sie, und es flimmerte ihr vor den Augen. Luca, der Musiker, der wird nun auch bald fünfzig, sagt L.. Ist sie in ihn verliebt? In Sardinien, als wir losgingen zum alten heiligen Areal, kam er nicht mit, da wollte ich die Führung übernehmen, er aber ging schneller und schneller, nahm Abkürzungen, er hatte sich um zehn Jahre jünger gemacht. L. sagte, das ist ihm aber auch gelungen, in dem Alter sieht man mal gut, mal schlecht aus, je nach Stimmung, der gute Tag und eine Art Selbsthypnose machen Verjüngungen möglich. Ich aber hatte jetzt Angst, daß bei mir Aids ausbricht, nachgerechnet, und überlegte mehrmals, ob die Blutuntersuchung positiv wäre, aber du wartest lieber auf das Verhängnis: und Violetta spukt im Hirn, ein Handtuch um den Bauch ...
Bevor ich dann mit L. aufsteigen werde, wird es diese Natur und beflügelnden Momente in Stazzema geben, da sehe ich eine Dorfschöne die Dorfstraße hinabgehen, geht an uns vorbei, das Auto ist auf dem Platz geparkt, doch nicht nahe genug, das Mädchen flüchtig, vorbei, ein Blick nur durchs Autofenster, der mich trifft, sie geht dann zur Mauer, ich sehe ihr vom Regen zerzaustes strähniges Haar, schmales Gesicht, und von hinten ihren Gang, ein Mantel über einer Trainingshose, sie geht an der Bar vorbei, küßt sich dort mit einem hochgewachsenen Jungen, auch der hat langes Haar, oder ist es ein Mädchen? Er sieht wie ein Mädchen aus, und sie schäkern dann beide, sitzen auf der Mauer, und ich kann den Gedanken nicht loswerden, daß sie sich nachher sicher lieben werden, denn wozu sonst dieser Kuß, diese Zunge im Mund des andern, der den Akt selig nachahmt, noch näher am Kopf. Und der Dorftrottel, der ein schönes Haus hat, das seine Frau in Ordnung hält, fragt, "woher kommt ihr?" "Stuttgart", sage ich.
"Und welchen Beruf hat er", fragt er weiter. L. antwortet: "Er schreibt."
"Was schreibt er denn? "
"Nun eben auch dies, was wir gerade erleben, aber sonst lebt er andauernd in seinen Büchern."
"Aha, Carducci", sagt der Dorftrottel.
Und wir sehen hinab ins Tal des Poeten Carducci, drüben am Berg Häuser, und ich sage: "Schau L., lauter ausgedehnte, nun bald blühende Kastanienwälder, jetzt noch kahl; ein Datum? wozu ein Datum? Es ist falsch, jedes Datum ist falsch." Denn als wir dann vorbeigehen am uralten Torre con orologio von 1564, denke ich: das Todesjahr Michelangelos, und sogar der 18. Februar stimmt, vor einigen Wochen, sein Todestag, da schlägt immer noch die alte Uhr von damals. "Ja, wenn man sie gut ölt und säubert, hält wohl das Uhrwerk noch viel länger als bis ins Jahr zweitausendundeins", sagt L.. "Und ist doch ein Mirakel solch ein Uhrwerk am Stundenturm meiner Heimatstadt S.", sag ich, "das ist fast so alt und geht auch immer noch", und stelle mir vor, wie dieser Stundenlauf jahrhundertelang alles hätte sehen können, was gewesen ist, und die Form spielt überhaupt keine Rolle, und wie diese Uhr alles überstanden hat, aber auch einmal gewesen sein wird, geht und geht jetzt noch, und die Leute sterben wie hier auch, sehe hinauf, als könnte ich diese Seelen dort auf der Tanne sehen, nein, zwei Tannen, riesige Bäume, wie alt wohl diese Tannen am Haus des Dorftrottels sind, von der Frau instand gehalten, die Frau ging eben über den Hof, Unmengen von Blumen, und im Tal rauscht ein Bach, Tannen, denke ich da an die Tannen in S., Bäume meines Großvaters, an unsere Tannen in Aliano, Tannen am Waldrand, denke ich, an unsere Weihnachtsbäume, der erste ist auch schon 10 Meter hoch, dies Gefühl, wie beschreibst du das heute, und beim Eingang zum Haus des Dorftrottels steht der Dorftrottel da mit Schlapphut, grinst und zeigt auf das Winterholz: Hier das Holz, sagt er, das schlepp ich jetzt rein, es wird kalt, woher kommt ihr denn? Stuttgart, sagt L.. Aha, die große Kirche in Deutschland, der Dom, Gotik, sagt er: steht er noch ... oder waren es die Bomben?
Der hat für alles eine Antwort, sage ich zu L., und sie: daher ist er ja auch irr.
 Wir stehn dann am Platz des alten Mediceerbrunnens, sechzehntes Jahrhundert, L. will trinken, es sind drei Hahnen, und ein Hahn ohne Schrift, ich trinke lieber von keinem, sagt L., und wir gehen in die Dorfbar, trinken dort einen Kaffee und Mineralwasser, der Mann an der Bar ist mürrisch, kann die Flasche nicht öffnen. Als käme da etwas Ungewöhnliches aus der Flasche, wer weiß. Wohltuend der Alltag, reicht mir die Flasche, ich öffne sie, nur ja keine zusammenfassenden Bilder mehr, weder Flasche noch Geist zusammenbringen, und der Mann wurde gleich freundlich, hier, er zeigt auf seinen Daumen, da tut es mir weh, so geht's nicht, jaja, sag ich, oder die Hand ist fettig, passiert mir auch oft, wunderbar angenehm das Normale und Kleine, kaufe ein paar Ansichtskarten vom Haus des Dorftrottels, das schönste am Platz, Fotos von der Kirche, dem Uhrturm und dem Forato, und wir werden dann endlich steil hochgehen, sehe dabei in meiner Phantasie Trauben an rötlichen Stöcken hängen, L. ist hungrig, sie nimmt ein Stück Focaccia und bricht`s Brot ironisch, ich nehme das Brot für euch, und wäre es September, ginge ich doch sicher und holte die Trauben, weiße und rote, als bräuchte man die für ein eingebildetes Abendmahl; wir essen aber jetzt nur Brot; also Körper, kein Geist? ..."


EINE EHEMALIGE OST-WESTGRENZE

                             Böhmen. Krumlow

Es ist unheimlich, welch Spiegel sie für mich sein konnte. Hatte ich nicht mehr gelernt von und durch sie, als sie durch mich? Wie schön war unser erster Ausflug in die Böhmischen Dörfer. Ich erinnere noch sehr genau die Fahrt nach Krumlow in Tschechien: Wir kamen an die Grenze … den Pass bitte. Mein Gott, ich war wieder einmal im Osten. Sofort veränderte sich alles, die Landschaft schien wilder, unberührter, auch die Menschen. Alles „primitiver“. Auch Hel sagte es. Die Orte weniger hergerichtet und zu Tode renoviert, vieles ganz verfallen, abbröckelnder Putz, die Strassen trister, weniger Farben, Grau in Grau.
Dann der Weg nach Krumlow an der Moldau entlang,  Menschenansammlungen und in der Moldau viele Kajaks, bunt, Wimpel und Volksfeste am Ufer, Und muss jetzt an die vielen aufgehäuften Steine in der Mitte des Flusses, wie Pfähle und Kreuze und jüdische Grabmäler, wo sich die Erinnerungssteine häufen, doch auch an archaische Indianermale inmitten der Moldau, die wir nach Krumlow entlanggefahren waren, denken.
Melancholie an der schwarzen Moldau. Und du sagtest mir, was ich für ein Gesicht hätte; etruskisch wirke es, klare Linien, doch durchscheine ein mystisches Licht, Kubismus auch - sei da drin - und Expressionismus von innen,  aber auch Mittelalterliches und etwas Asketisches  findest du in ihm, und übersetzt in Musik: Zwölfton, doch auch Mahler und viel Beethoven. Und ich versuchte ein Gegengeschenk, war aber unvorbereitet und spürte dir gegenüber einen Mangel an übersetzbarer Bildungsphantasie, doch du warst vorbereitet, hattest schon all das aufgeschrieben, schreibst heimlich an einem Ich über uns. Und ich hatte dir ja vorgeschlagen etwas gemeinsam zu schreiben, vielleicht  ein Gespräch über Generationen. „Nein, da ist es doch viel interessanter, unsere Liebesgeschichte aufzuschreiben“, sagtest du schnell. „Einen Ich zusammen?“ „Nein, das muss jeder für sich tun; die Perspektiven sind zu verschieden.“
Ich weiß, du möchtest es für dich in deiner Einsamkeit bewahren, und da darf nicht einmal ich eintreten. Und es hat dir leid getan, dass du mir deine nur für dich gedachte Schilderung unserer  Begegnung beim Götz  geschickt hast. Ich hatte ja auch „komisch“ darauf reagiert, weil wieder zu viel von A. darin die Rede war, auch eure Tage in Krumlow mit dem Königslied aus dem „Hochwald“, das mich an die Moldausteine erinnert, die wie Totenköpfe sein können:
„Es war einmal ein König,
Er trug ne goldne Kron’.
Der mordete im Walde
Sein Lieb- und ging davon.

Da kam ein grüner Jäger:
„Gelt, König, suchst ein Grab?
Sieh da die grauen Felsen,
Ei springe flugs hinab.“

Und wieder war ein König,
Der ritt am Stein vorbei:
Da lagen weiße Gebeine,
Die goldene Kron’ dabei.“

Zum Plöckensteinsee kamen wir nicht, der  im Dreiländereck liegt, und mal die Ostwestgrenze war, keinen Übergang und keine Strasse nach „drüben“ hat, nur einen Fußweg heute zum Stifter-Denkmal und See am „Grenzknoten“, Höhen über tausend Meter, jenes Blau der Berge, die wie Feenhöhen auch aus deinem Elternhaus als Fernweh zu sehen sind, und auch in Krumlow, der „grauen Witwe der verblichene Rosenberger“ schien uns jenes Stück Dämmerblau und Dunkel herein, das leicht und schwermütig zugleich stimmt, weil das Land so tiefdunkel wie die Mitternacht ist und auch zu schön und zu weit ist für unseren Blick, der übrigens auch all das, was seit dem Krieg hier geschehen ist, samt Vertreibung wie wir alles Zeitüberschichtete und wie das ewig Bergüberschichtete genau so nicht fassen können, auch wenn es wie grausamsanfte Ferne der Schönheit herüberleuchtet in Mutzendorf und im böhmischen Dorf Oberplan und in Krumlau. Ach, ja, Krumlau und sein Schloss, damals noch grau-unberührt vom großen Zeitenbruch als Stifter hier seine unsäglichen „Pflichtliebesbriefe“ an seinen Besen, die hartknochig kaltherzige Putzmacherin Mali, Tochter eines in Serbien stationierten Unteroffiziers schrieb, die in Linz in der von ihm fluchtartig verlassenen Wohnung für Ordnung sorgte.
Dunkel ja alles, und Abgründe auch beim angeblich Harmonischen, von der Mali in die Lebensverzweiflung dick gefütterten Poeten-Bürokraten, der auch die nur in unserem Fernwehblick erreichte blaue Wand am See dort, „einsam und traurig“ findet, wenn man sie wirklich betritt, DORT IST, in den dichten Waldbeständen der eintönigen Fichten und Föhren, die stundenlang im Moldautale emporführen, wir streiften sie ja nur, vor allem im „offenen Lande“ am See, als dann der Rogenbogen über Friedberg aufging, und den verstreuten Dörfern, unter denen auch Oberplan, und am Seeende Friedberg, heut Frymburk, wo Stifter verstoßen von ihrer Familie, seine junge Liebe ließ, um verzweifelt in Malis Fängen zu landen. Oh, Friedberg, und das „offene Land“  wie sein Leben eine wilde Lagerung zerrissener Gründe, aus nichts bestehend als aus tiefschwarzer Erde, dem dunklen Totenbett tausendjähriger Vegetation des Vergessens, und doch da, auf dem viele einzelne Granitkugeln liegen, wie bleiche Schädel, sich abhebend vom modernden Untergrund, und vom Regen bloßgelegt wurden, gewaschen und rund gerieben. Und auch das weiße Gerippe eines gestürzten Baumes dazwischen und die angeschwemmten Klötze aus dem Seebach mit Eisenwasser. Und keine Spur, immer noch, keine Spur von Menschenhand, weißer Ort, jungfräuliches Schweigen. „Da lagen weiße Gebeine,/ Die goldne Kron dabei.“ Nur diese Ferne, die Nähe dort siehst  du aus deinem großen Fenster am Telefontisch nicht:  das unheimliche Naturauge, von keinem Windhauch im Talkessel bewegt, starr schwarz, der schwarze Glasspiegel, Nichts zu Wasser geworden, umsäumt von herabgestürzten zu Gebein gewordenen Bäumen, die die Felswand nicht hielt, in „grässlicher Verwirrung“ in „traurigem, weiss leuchtendem Verhack.
„Da lagen weiße Gebeine,
Die goldene Kron’ dabei.“

Wir fuhren an der Moldau entlang. Und du sagtest nur Gutes über mich, als sollte ich das Andere sein können und sogar müssen, das Liebe bringt, Wärme, Wärme und nicht diese Kälte und Einsamkeit und Todesnähe des Vergessens. Und spultest es wie eine Liebeslitanei, wie ein eingelerntes Gebet herunter, als müsste es sich häufen, zusammenkommen in EINEM, den du in dir trägst, all die Eigenschaft, ein Mann mit Eigenschaften eben:  Du bist großzügig, schnell, flink sogar, ich mag das nicht, wenn jemand so träge und taaaa-ta—taaaa-taaaata daherkommt, bist väterlich-besorgt, was ich so sehr an dir mag, Du bist ein Stück Heimat. Und du analysierst und reflektierst auch alles so tief und weißt dann Bescheid. Und bist auch so vital, soviel Kraft strahlt aus dir, und deine Präsenz nimmt ein, für dich, nimmt alles ein, du schaffst Umgebung, die deinen Stempel trägt. Mit dir kann man Pferdestehlen, du machst alles mit, man kann lustig sein mit dir,  alles mit dir machen.  Überall passt du dich wunderbar an, als wärst du überallundnirgends zu Hause, jaja, du hast etwas von einem transsylvanischen Zigeuner … Ich hatte dir ja vom Ahnenpass erzählt, dass die Vorfahren doch auch aus Böhmen kämen, und hierher aus Schlesien eingewandert seien in die böhmischen Dörfer, dann Transsylvanien, das Vielvölkerland, wo in jedem ein ungeheures Blutgemisch sei, und im Ahnenpass gäbe es nicht nur Ungarn und Deutsche, sondern auch ein Zigeunerblut im 17. Jahrhundert.
Und dann kamen schon deine Fragen, als wäre alles nur eine Vorbereitung gewesen. Sag, wie ist das mit diesem Rosenstock-Huessy und seine Eschatologie, sagtest du, das kann doch nicht wahr sein… Da ist doch keine Wissenschaft dabei, dieser Lauf zum Zeitende und zur Apokalypse hin… Und dann der Tod als Auferstehung… ein neues Leben?
Apokalypse heißt doch „Augenöffnung“, warf ich ein. Und nicht „wissenschaftlich“ das Ende der Zeit in unserer gewohnten Welt? Es ist  doch so, dozierte ich: Zukunfts-Metamorphose ins Jenseits unserer Vorstellungen, (Ende der Zeit und des Raumes)? Eine Überschreitung der sogenannten "Naturkonstanten", (wie bei jedem Paradigmenwechsel); die wichtigste "Naturkonstante" unseres Weltbildes aber ist die Lichtgeschwindigkeit. Jenseits dieser 300.000 km pro Sekunde aber lösen sich alle festen Körper in Licht auf; es gibt nur noch das Immaterielle, Geistige. Denken wir nur an unsere "elektronischen Haustiere," Computer, Radio, Fernsehen usw. Sie beruhen auf Formeln, die einmal "Einfälle", Intuitionen von genialen Menschen waren, es sind ähnliche "Gedankenblitze" wie in der Kunst,  aus einem großen kosmischen Informationssystem, das alles bestimmt. Das Nicht-Materielle, das "Geistige" bestimmt heute mehr denn je alles, was geschieht, mentale Prozesse machen mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte. Für sie gilt weder Zeit noch Raum. Und am Ende wird es Licht sein, in das sich alles „auflöst“. Zukunft (immer in Richtung des Endes und des Todes als ÜBERGANG, ist das Undenkbare, Unvorhersehbare, Unberechenbare, Junge, Immeranfängliche, die Überraschung des Augenblicks in dem noch niemand war, er geschieht in Einem fort, Nichts ist abgegriffen, alles ist „jeder-zeit“ NEU…Für Eugen Rosenstock-Huessy ist das Christentum  „keine dekadente Anbetung des Todes“, nein: dieser Einschluss des Todes ins Leben IST das unauflösbare „Geheimnis“ und Rätsel des sich ständig erneuernden Daseins zur „Erlösung“ hin.
Man könnte zu diesem wartenden alt/neuen Erlösungsparadigma  den vor kurzem verstorbenen Physiker-Philosophen, Mitstreiter der Göttinger Achtzehn, Carl Friedrich von Weizsäcker zitieren:  Dass die christliche Eschatologie ein vorausgeworfenes Zeichen in der Geschichte sei. Eugen Rosenstock-Huessy: „Noch gehört doch wohl der Weltuntergang zum rechten Glauben, und das Leben im neuen Äon auch.“ Ja, es ist und bleibt für uns als Menschen, die leben, nicht mehr wissen und wissen können, ein ungläubiges Kreuz  mit der Auferstehung vom Tode als rätselhafte  Hoffnung.
Aber es ist doch die Liebe … sagte sie, die ist wirklich und gibt Zukunft… und ist das Überraschende, Prickelnde.
Und wieder reichte sie ihre Hand herüber auf meinen Schenkel. Und die Luft knisterte erotisiert. Und, lachte sie, du küsst mich… und so überwinden wir auch den Tod.
So viel geschah bei dieser Fahrt. Auch Kritik kam, dass ich zu laut rede oft, nicht immer offen sei, und hielte die Wahrheit gern zurück, rücke schwer mit ihr raus.
Und dann gestand sie, dass sie über unsere Geschichte schreibe. Beide schreiben wir also? Jeder mit seinem Blick.
War es dort am Wirtshaus-Tisch am Ufer der Moldau, wo junge Leute in ihren Kajaks am Wehr und den Stromschnellen ihre Kapriolen schlugen, umschlugen, wieder auftauchten gegen die Strömung anruderten,  dass du wieder vom „Letzten“ sprachst? Wie ich mich filmen sollte auf der Toilette, etwas, was ich noch nie jemandem gezeigt hatte, ihr zu zeigen? Die Scham zerstören, die letzte? Und in ihrem Brief vom 2. September mit der lustigen Zeichnung, wie da einer auf dem Klo sitzt, steh ganz schön blasphemisch: Gibt es eine Kloeschatologie? Wieso spricht sie immer wieder vom Erlebnis in einem Restaurant nach dem Aufstieg zum Donon, bei der ersten Begegnung, als ich krank war, Fieber hatte, und sie mich auf der Toilette unfreiwillig belauschte, da die Wand zur Damentoilette ganz dünn war, und sie es nicht wagte, etwas zu sagen, sich auch nur zu bewegen, weil es mir hätte peinlich sein können. Immer wieder habe sie das Geräusch, „oft fürchterlich laut“ meiner Winde gehört; und damals daran gedacht, einfach davon zu laufen, zu verschwinden. Nachher aber war sie dann rührend meine Krankenschwester. Was ist das für eine Anziehung des Vegetalen beim Lieben, der heimlichsten, verborgendsten Körperfunktionen und der Intimität; ist es noch eine kindliche Neugierde an diesem Geheimnis des Andern, und so erotisch, weil es ein Tabu ist, fast wie die Züchtigung und das tiefste Bekenntnis, die Beichte? Ein Seelenentblößen, wie die geheimste und einsamste Körperentblößung, das Letzte, das nur uns allein gehört?
Hatte sie aber nicht heute Morgen schon gesagt, dass wir auch etwas anderes tun müssten, nicht immer nur dasselbe, uns unseren Körper überlassen, die eine ungeheure Attraktion einer auf den andern ausüben, so gut zusammenpassen, dass wir uns nicht wehren können, sondern zum Streicheln und Berühren, zu  zärtlichen Hautsinfonien getrieben werden?
Wo war es, doch nach Oberplan, wo wir das Stifterhaus besuchten, dann aber am riesigen  grünblauen Moldaustausse gleich am Ortsausgang eine fahrbare Bude mit Fischverkauf und Bier fanden,  und Hecht und Forelle kauften, Bier tranken, und ich mich ein wenig ärgerte, als sie mich nicht bestellen ließ, nichts sagen ließ, sondern alles an sich riss, sie hat diese Art bei Einkäufen, aber auch sonst wenn wir mit Menschen umgingen, etwas erfragten etc.; und ich sagte ihr dann auch nachher, als wir ins Reden kamen, sie mich fragte, was mich an ihr am meisten störe, dass sie immer die erste Geige spielen wolle, und ich sei leider auch so einer, und zwei erste Geigen gehen eben nicht gut zusammen. oOder gerade? Wenn sie beide gleichlaut und gleichschön spielen?
Wir fuhren weiter, und in der Ferne tauchte über dem See und dem Wald ein großer breit gefächerter Regenbogen wie eine wunderbare Fata Morgana auf, und Hella (wie ich Hel oft nannte, weil es so weich klang!) war entzückt und staunte wie ein Kind über das Naturwunder, „wie schön“! Ein merkwürdiger Kontrast zwischen der so wunderschönen Landschaft und den Menschen, die so hart und mürrisch wirkten, auch die Bedienung dort an der Moldau war unhöflich und unwirrsch,  so dass Hella mal über das Mädchen, das uns die zähen Gerichte brachte, sagte, „die würde bei uns sofort rausfliegen, Mädchen, Mädchen, musst noch lernen!“ Nur die Fischverkäuferin, sie sprach deutsch, erzählte von der Fischerei und den Fischen, war freundlich und aufgeschlossen. Vielleicht, sagte ich zu Hella, ist es der alte Hass auf die Deutschen, und auch unbewusst die Angst, dass sie diese ehemaligen deutschen Gegenden zurückfordern würden, obwohl die Grenzen und die Grenzziehung längst klar und abgesichert sind.
 Das ernsteste und tiefste Gespräch ging los, als Hella auf meine Frage, was sie am meisten beschäftige, loslegte… Dass das Leben trotz allem schön sei, und wir uns durch die Verbrechen anderer nicht irre machen lassen dürften… Nein, Welt- und Lebensvertrauen, das lasse sie sich nicht nehmen…
Und ich wusste, dass ich genau dieses von ihr zu lernen angefangen hatte, und hörte mit meinen Belehrungen auf, schwor mir, mein Kopfgift und das furchtbare „Downerprogramm“ aufzugeben…

DEUTSCHLAND. Schwarzwald. Todtnauberg. Die Heideggerhütte

                               Liebe auf Reisen. Todtnauberg

In Freiburg tankten wir, Ich stand am Zapfhahn und ich kaufte noch Kaugummi, dann ging es weiter. Todtnau war schon angeschrieben und wir waren fast enttäuscht, dass das Abenteuer des Kartenlesens schon vorbei war, bevor es richtig begann. Manchmal durchblitzte mich der Gedanke, dass es der letzte Tag war. Aber irgendwie war alles noch weit weg und die Hinfahrt war einfach zu schön und zu lustig.

Aber es verbindet sich ja nun die Zeit in einem einzigen Punkt, alles fließt zusammen, und manchmal glaub ich, verrückt zu werden. Begann jetzt nicht das Schönste, ich mit der Karte auf den Knien, die Linke in deiner Rechten, ab nach Todtnauberg. Und leitete dich über Breisach, Freiburg, Kirchenzarten zu unserer Liebesnacht in Todtnauberg. Und diese Landschaft des Südschwarzwaldes um uns, eine Himmelslandschaft mit Almen, Tannenwäldern. Nebel. Regen, nur manchmal kam die Sonne durch und beleuchtete fast geisterhaft-außerweltlich die Höhen. Und ich erzählte dir die Geschichte von Celan und Heidegger und ihrem gescheiterten Treffen in Todtnauberg.
Und immer wieder stehst du wie eine leuchtende Erscheinung  duftend vor mir, so nah, als könnte ich dein Gesicht streicheln, küssen, wir sitzen ja im glücklichen JETZT, in jenem Heute, dem 11. 11., das nicht vergehen kann, sitzen im Auto, fahren die Serpentinen nach Todtnauburg hinauf, Nebel im Tal, wie ein Wolkengesicht, das nur manchmal wie ein Blitz von der Sonne gespalten wird, auch unsere Gesichter erhellt, du frierst, ich gebe dir meine Pelzweste, du hast eisige Hände, ich reibe sie, wärme sie,

Aber „JETZT“ in unserem Jetzt, sind wir doch noch am Ortsschild von Todtnauberg; die Tage müssen stehnbleiben, auch dieser Augenblick darf nie mehr vergehen… nie sich dem Ende zu bewegen… und ich nahm den Plan des Ortes, und wir fuhren, wir lebten, wir fühlten uns, wir sahen die Landschaft, wir sahen uns an, wir waren neugierig, alles war ALLTAG, All Tag? Nichts Aufregendes, Alltag? Und ganz einfach alles, fast schon gewohnt, zusammen ein Wir. Wir fuhren zuerst zum Hotel „Enzian“
Die zierliche, fast zerbrechliche Wirtin mit dem  kantigen und wetterfesten Vogelgesicht führte uns in den Frühstücksraum, und dann gleich hinauf zur Besichtigung der Zimmer,  erzählte auch gleich, und fragte, ob wir denn zum Heidegger-Kongress gekommen seien. Wir blickten erstaunt, denn tatsächlich waren wir ja auch wegen Heidegger und Celan hier, und fragten neugierig, was es denn für ein Thema sei, und wo? Sie wusste nichts Genaues, sie könne sich aber erkundigen. Die beiden Einzelzimmer, die sie uns dann zeigte, waren ganz annehmbar, sie gefielen auch dir, hatten auch etwas Aussicht auf die Täler im Nebel wie in Watte vor uns und den Wäldern, Wiesen und Höhen, die in den Wolken lagen. Freilich, du wolltest wieder ganz weit weg, am liebsten in einem Gelass in der Mansarde, direkt unterm Dach.
Wir fuhren noch zum größten Wasserfall Deutschlands, hörten das Tosen und Rauschen kurz vor dem Eingang des Ortes, fanden den Zugang nicht gleich, auch war es schon fast dunkel, und wir scheuten uns hinabzusteigen. Nahmen uns vor, es vielleicht morgen früh vor der Abfahrt nochmals zu versuchen; doch so schien es für uns, waren wir weniger an Naturwundern interessiert als an Kultur?

Am Morgen dann.
Es war sehr spät, schon nach acht, und um 12 ging mein Zug von O. wieder ab; wir sprangen beide fast gleichzeitig erschrocken aus dem Bett. Und ich sagte, dass ich mich sehr schnell fertig machen kann. „Ich auch“, sagtest du und gingst mit dem Bettzeug schnell in dein Zimmer. Ich hatte noch ein Faltblatt „Heidegger in Todtnauberg“ gestern gelesen, nahm jetzt eines auch mit.
 Mit den gepackten Sachen dann zum Frühstück. Das war schon gedeckt. Und die Wirtin von gestern grüsste, brachte auch gleich den Anmeldeschein und die (bescheidene) Rechnung. Stellte quasi die Dame am Nebentisch vor, sie sei eine Teilnehmerin der Heidegger-Tagung. Man merkte, wie beflissen die Wirtin war. Sie erzählte von der Bekanntschaft der Familie mit Heidegger. Und auch ihre Tochter sei ja in dieser Branche tätig, Buchhändlerin bei Witwer  am Bahnhof.  Er wirkte peinlich dieser Minderwertigkeitskomplex. Ich begann die  Tischnachbarin auszufragen, sie wirkte irritiert, vielleicht hatte sie unsere Nacht mitbekommen.  Ich erzählte von Heidegger und Celan hier. Sie meinte, es ginge bei der Tagung nur um Heidegger und Trakl „Auf dem Weg zur Sprache“, mehr um Linguistisches! Sagte immer nur „Ja“ oder „Nein“ oder „Ich weiß nicht“. Und fragte nur: „Sind sie auch sein Landsmann?“. „Wieso, hört man es denn?“ „Ja, den leicht singenden melodiösen Ton!“ Und ich fragte dich dann auch noch etwas irritiert: „Hört man das denn so?“ Und du: „Ja, schon das Melodiöse, den Singsang. Ich mag das sehr an dir. Und ich mag auch deine Sprachsicherheit.“
Wir blickten von unserem Tisch aus zum Fenster hinaus, endlich schönes Wetter, blauer Himmel, Sonne blitze über die Wiesen und Höhen in ein wunderschönes Tal.
 Ich wollte dir noch schnell die versprochenen Fotos aus der Kindheit zeigen, und auch die aus der Brieftasche:  Mutter, Michi, den du lang ansahst, stumm. Fast mit Widerwillen aber das Foto meines Hauses in C.
Von den Kinderfotos aber warst du entzückt, fast hättest du in die Hände geklatscht. Ich gab dir ein Bild mit meiner Schwester als Fünfjähriger und mit großen dunklen Augen. Und ein lachendes Foto als Student. Das liebst du, und auch  ein Foto aus C. mit Lederhut, wo ich lachte, hattest du gern, weil man dort meine Hände gut sieht, die Streichelhände mit den  weißen pigmentlosen Vitiligoflecken.
Gott, wie die Zeit jetzt wieder rast, unaufhaltsam weg von uns; und wann sagtest du: Ich hab mich wieder in dich verliebt?! Am ersten Tag schon, am Bahnhof schon?
Aber ich spürte es, wie du kaum reden und kaum schlucken konntest, wahnsinnig traurig warst; ich versuchte, das nicht hochkommen zu lassen, auch dich zum Lachen zu bringen, fröhlich zu wirken.

Mit einem Geschenk, einer Art Saunabürste verließen wir am nächsten Tag das gastliche Haus „Enzian“. Für immer? Stiegen ins Auto und fuhren zur Heideggerhütte. Du hattest dich erkundigt, bis nach O. braucht man nur eine Stunde und zehn Minuten. Es war neun, halb elf mussten wir abfahren. Also anderthalb Stunden Heidegger. Auf dem großen Parkplatz stellten wir das Auto ab, gingen zu Fuß weiter auf dem beschilderten Heideggerweg. Eine herrliche Aussicht über Wolken und Berge hin bis zu den Vogesen. Der Pfad war unser Liebespfad, Hand in Hand immer, und der Abschied drängte uns zusammen, als könnten wir ineinander eintauchen, immer wieder blieben wir stehen, um uns zu streicheln und zu küssen.
Und dann juckte uns der Hafer als wir an einer Bank und einem Hinweisschild mit Heideggerbild und ein Bild seiner Elfriede vorbeikamen. Ich hinterließ mit deinem Lippenstift  die denkwürdige Inschrift auf dem Heideggerhinweisschild: „Du schreibst – wir leben das Sein!“
Und lachten, lachten, lachten. Mokierten uns über ihn, der da stand mit komischem Hut, auf den Wanderstab gestützt, visionär weit in die Ferne blickend! Und treu seine Gattin mit ähnlichem Blick daneben.
Und dazu sein Gedicht über das Land hier:

Wälder lagern
Bäche stürzen
Felsen dauern
Regen rinnt.

Fluren warten
Brunnen quellen
Winde wohnen
Segen sinnt.

Wir gingen zu weit auf diesem Pfad, eine Art via dell amore! Suchten überall die Hütte, in jedem Transformatorenhäuschen, jeder Heuhütte, Almenhüttchen. Ich filmte mit persiflierendem lachendem und rufendem Kommentar alles. Und wir fanden dann die umgestürzte Tafel, das Hinweisschild zur echten Heideggerhütte, der legendären. Ja, da war sie. Mein Gott, ein popeliger armseliger Schuppen, ein Jägerhüttchen  war das mit geschmacklosen grünen Farben, einem winzigen Vorplatz mit Bäumchen, naja wenigstens der Schwengelbrunnen mit fließendem Gebirgsquellwasser war urig und echt, an dem sich auch der Meister mit unnachahmlicher Pose hatte fotografieren lassen. Und hier also soll der größte Teil seines Werkes entstanden sein? Hier sollte man vor Ehrfurcht niederknien? War auch  der pathetische Celan hier vor Ehrfurcht gestorben, nein, der eben nicht, und hatte sich nur im Hüttenbuch, wo sich ja große Namen verewigt hatten, eben auch Nazis,  eingetragen, woraus dann sein Gedicht „Todtnauberg“ entstanden war. Und am Brunnen fielen mir seine Zeile ein: „Arnika, Augentrost, der/ Trunk aus dem Brunnen mit dem Sternwürfel drauf.// In der Hütte..“
Celan war 1967 hier gewesen und dieser Besuch hatte seine Spuren auch in uns hinterlassen… Es hieß ja, dass Celans Gedicht „Todtnauberg – das Gedicht einer epochalen Begegnung, das Beschwören einer Hoffnung, ein Bekenntnis, welches einen Welthorizont aufreißt …“ sei, so der Augenzeuge und Celan-Freund Gerhart Baumann: „Dieses Gedicht, eine unbedingte Forderung, ein unerhörter Anspruch … Stimme zu einem benennbaren Du… musste auf ein ´ungesäumt kommendes´ Wort pochen, auf das Geständnis eines unsühnbaren Irrtums, einer Schuld …“

 Und hätte ich jetzt mein Gedicht, den beiden Kontrahenten, dem Juden und dem ehemaligen Nazirektor gewidmet, vorlesen sollen? Ich dachte nicht daran, ich hatte es    aber mit dabei. Und eigentlich fehlte jetzt etwas hier, nämlich der Heidegger-Celan-Spaziergang im  nahen Hochmoor von Horbach.
Und ich hatte mir vorgestellt, dass unsere Liebe, unser Liebesflüstern hier wie ein Blitz alles reinigen könnte, vor allem die Sprache. War ich     größenwahnsinnig oder fühlte ich diese Reinigung so stark,  weil unsere Liebe bis in den Himmel reichte? Und ich hatte das Gedicht DIR gewidmet. Und das ging so:

1
Hol dich ein in der Hütte mit dem Dichter/ und dem Denker
der stumm Nichts wissen wollte vom Unheil

Der Dichter aber
Ein Jude war so spät
unterwegs zur Sprache geworden …

Von der ermordeten Mutter
Und forderte auf den Deutschen
in der Hütte:  Bekenne was wahr ist!

Braun das verwelkende Laub des Vergangenen
Herbst/ Herbstzeitlosen fehlende Jahre/ Jahrtausende
Nass die Sekunde

Dachten wir beide hier auch an ein Nachhausekommen? Ja, wir wussten es, zusammen sind wir zu Hause.
Und sagten es uns immer wieder, immer wieder, dass es ein Heimkommen ist!

2
Und wir ein Ja du und ich
Wir mit unserer Liebe im Reinen
Können wir sie früh am Morgen
schön waschen die Sprache
Und liebend erwecken?

Hier: kann sie mit uns auferstehn!?

Lass uns die Zeiten vermischen
Wie unsere Glut die in uns zittert
Lass uns die Worte oben mischen
Mit denen die Mörder das Töten befahlen
Lass uns sie waschen im Liebesgeflüster
Lass sie uns jung in die Lippen tauchen
In Küssen so zur Welt
Gebracht/ sie und uns
Liebste zu einer neuen Geschichte.

Umarmten und küssten wir uns hier? Nein, wir fassten uns nicht einmal an den Händen?!  Schlechtschlecht! Die Realität war nicht so hochfliegend, ja, war sogar recht enttäuschend. Warum küssten wir uns ausgerechnet  hier nicht? War die Aura hier, der genius loci nicht danach?  Gab es etwas stark Zerreissendes hier, einen Widerspruch, der fühlbar wurde? Vielleicht das ausgesprochen Antiethische in seinem Denken,  das ihn auch daran hinderte, irgend eine Schuld einzusehen?  War es vielleicht tatsächlich so, dass es keine Verantwortung gab, weil etwas unsere Taten bestimmte, gegen das  kein Kraut gewachsen war? Oder war es die Anwesenheit Paul Celans hier? Wir schufen uns wohl etwas Luft, es gab ein Ventil, das „Lästern“: Und küssten wir uns so nicht,  weil wir wieder viel zu lästern hatten! Du filmtest mich lachend mit Heideggerpose am Brunnen. Und ich  filmte das Hüttchen plus die Nähe des Dorfes. Kaum fünf Minuten vom Dorfrand entfernt lag diese „Welteinsamkeit“ des Denkers. In fünf Minuten konnte man wohl den Bäcker erreichen. Und auch  Hotel „Enzian“ war zu sehen, wir hätten es zu Fuß in zehn Minuten erreichen können!
Eine Art Leichtigkeit erlaubten wir uns. Und erst später kamen wieder die schweren Gedanken, die dieses Zweischneidige hier, auch das Unreine, das Aufgeblasene, das Unnatürliche, das sich im „Natürlichen“ versteckte, unerträglich intensiv empfand, wohlgemerkt, bei beiden, die Anmaßung  auch bei Celan, gleichzeitig mit der Bewunderung, was da alles in diesem Hüttchen in einem Menschenhirn vorgegangen war!

Und dann mussten wir los. Ein Drang überfiel mich aber plötzlich  wieder, ausgerechnet jetzt; war es eine unbewusste starke Erregung? Vielleicht gehörte das jetzt als  die natürlichste Blasphemie der Welt  dazu. Und so praktisch wie du auch in  vitalen und organischen Dingen bist, sagtest du ganz einfach: „setzt dich doch da unter die große Tanne, ich geh weiter.“ Und so tat ich’s mit heruntergelassenen Hosen und Tempotaschentüchern von dir mit Blick auf die wichtigste Philosophenhütte Deutschlands in diesem Jahrhundert…
Du wartetest auf der Heideggerbank mit unserer Inschrift, die ja jetzt da bleibt; wir aber mussten dem Abschied entgegen fahren, stiegen ins Auto, hatten noch genau anderthalb Stunden zusammen-Sein.

                  Und Zum Reisen gehört immer  der Abschied
Sie schrieb am Dienstag, den 12.11:  Nun ja, jetzt ist es eben doch passiert. Er ist nicht mehr da, das Leben geht weiter. Lustig immer wieder: Es geht auch weiter, wenn man gar nicht will, dass es weitergeht. Ich wusste natürlich, dass es diesen Moment geben würde. Ich hoffte trotzdem, er käme nicht. Dass es irgendwann mal keine Abschiede mehr geben würde, habe ich gehofft. Idiotisch, wie man immer wieder daran festhält! Er ist in den Zug gestiegen und gefahren. Das heißt, der Zug stand und der Ich stieg ein. Ich hielt noch seine Hand, in die ich den Stein und das Seidentuch mit den Rosen gelegt hatte. Überhaupt dachte ich, es würde genügen, seine Hand zu nehmen, und dann, Abrakadabra, bleibt er für immer da. Manchmal habe ich noch so kindliche Anflüge von debiler Naivität, dass ich mich über mich selbst wundere. Zum Auto bin ich wegen dem Stein und dem Tuch noch zurückgelaufen, weil ich in der aufgewühlten, nach außen aber verhaltenen Stimmung wirklich alles vergessen habe, grad dass der Kopf noch auf den Schultern saß. Unterm Laufen stellte ich mir vor, dass Ich, auf dem Bahnsteig zurückbleibend, eigentlich jetzt denken könnte, ich würde versuchen, dem Abschied auf diese Weise zu entwischen. „Ich komm gleich wieder! Ich habe etwas im Auto vergessen!“ Als ich zurückkam, stand er aber ruhig wartend da, naja „ruhig“ ist ein Wort, nein, er war schon etwas in Sorge, ich sah es an seiner Körperhaltung und wir fielen uns ein letztes Mal in die Arme. Das letzte Mal nach drei Tagen des ersten Mals. Ich habe ihn so gespürt, seinen Körper, in den ich mich verliebt habe, sein Gesicht an meinem, seinen weichen Atem, seinen Rücken, den meine Hände nackt und heiß gespürt hatten und ich dachte mir, dass alles in ihm funktioniert, die Organe Blut pumpen, sein Hirn speisen, sein Herz, dass die Knochen ihn tragen, auch jetzt bei der letzten Umarmung auf dem Bahnsteig, und dass ich diesen Mann liebe und nicht will, dass er geht. Romans Kuss, unser Kuss, leidenschaftlicher Kuss, tiefer Kuss, brannte noch auf meinen Lippen, als er schließlich in den Zug stieg. Ich lachte, weil ich mir vorgenommen hatte zu lachen und nicht zu weinen, das kann ich auch nachher noch machen, habe ich mir gedacht. Und etwas anderes ist passiert. Romans kraftvolle Energie und Hoffnung sind in dieser klassischen Abschiedsszene auch auf mich übergesprungen, oder wir riefen diese Hoffnung gemeinsam ins Leben, keine Ahnung. Die Hoffnung – oder eher das Wissen – alles würde gut. So oder so. Aus zwei wird drei.

Die Abschiedssekunde kam wie sie immer kommt, auch wenn man sich in Sicherheit wähnt und im Glauben, die Zeit ausgetrickst zu haben. Die     Ewigkeit ist genauso endlich wie die Unendlichkeit und ich kenne die Schlusslichter der Züge, die rotglühenden Augen am Tag und in der Nacht und das Hochklappen des Mantelkragens so gut, dass mir schlecht wird. Es ist unmenschlich, sich in dem Moment zu trennen, wo es mit dem Küssen klappt. Und wenn sich die Wesen ineinander verstrickt haben. Jetzt liegen die Maschen aufgetrennt um mich herum und mit den Worten versuche ich sie aufzurollen zu einem Knäuel der Erinnerung. Na toll. Da kann ich mir dann einen Pulli draus stricken, oder Handschuhe, Fäustlinge, Fingerlinge. Mir kommt’s so vor als hätte ich nichts, woran ich mich festhalten könnte, außer diesem Kopf da und dem traue ich auch nicht. Schon gar nicht, seitdem ich in Romans Augen gesehen habe. Das Herz, ein bisschen weiter links, ist sowieso keine große Hilfe. Es braucht ständig Zuspruch vom irritierten Oben, sonst ersäuft es mir. Ich muss an die südamerikanischen Scharlatane denken, die so tun, als würden sie einem die Organe bei lebendigem Leib herausnehmen und statt des Krebsgeschwürs eine tropfende Schweineleber zu Demonstrationszwecken hochhalten. Ich stelle es mir unheimlich befriedigend vor, einen Kiesel dort hineinzulegen, wo einmal das Herz gewesen ist. Eine Hand, die drüberstreicht bis Haut sich unversehrt über Wunden schließt. Und dann frage ich mich auch, weshalb ich eigentlich noch Lippen und Augen habe, wenn ich Ich nicht mehr küssen und sehen kann. Zum Sprechen und Lesen, Hella. Ach so?

Als der Zug sich in Bewegung setzte, rief Ich noch: „Ich bin froh, dass der Abschied SO ist und Du lachst!“ und ich meinte mit fester Stimme „Es war viel zu schön mit Dir, als dass ich jetzt unglücklich sein könnte!“ Und das stimmt. Verrückt! Es war eigentlich alles viel zu schön, um traurig zu sein. Ist es nicht wunderbar, dass wir uns haben?! Ich lief noch ein wenig neben dem Zug her und winkte zur Freude der Bahnreisenden mit meiner schwarzen Kappe, bis die Schlusslichter hinter der Biegung am Horizont verschwunden waren. Ich winkte mit seiner Mütze zurück, bis er sich als Pünktchen aufgelöst hatte. Ich wollte sie nicht haben, seine Mütze, weil sie ihm so gut gestanden hat. Und jetzt habe ich gar nichts von ihm. Nichts. Nicht mal ein Haar. Nichts. Doch, auf meinem schwarzen Mantel haben sich weiße Haare im Kaschmir verfangen. Soll ich die jetzt rausfischen und in einen Schrein legen, Räucherstäbchen anzünden und mich bekreuzigen? Meine Hände fallen dauernd ins Leere. Ich habe nichts zum Anfassen von ihm. Ich kann ihn nicht mehr streicheln und weiß nicht, wie das Leben jetzt einfach so weitergehen soll, einfach so, nach dieser Körpernähe, die sich mit der Herznähe verbunden hat. Wie kann man nur so leichtsinnig sein und den Zug abfahren lassen? Noch daneben herzulaufen und lachend zu winken, kommt mir jetzt wie ein Verbrechen vor.

Als ich unter den Gleisen hindurch in Richtung Auto ging, war Vakuum in meinem Hirn. Man stakst wie unter einer Glasglocke auf Wattebauschen, die Geräusche vermischen sich zu einem Flirren, alles wird mechanisch. Und dann dachte es in mir: „Die Gegenwart ist soeben auf den Schienen davon und an der Herzseite zieht’s.“ Der Satz: „Die Gegenwart ist soeben auf den Schienen davon.“ brachte mich zum Lachen, als mein Blick auf den leeren Platz vor dem Haupteingang fiel, wo ich ihn vor drei Tagen mit klopfendem Herzen und flatternder Freude abgeholt hatte. Ich kann eigentlich nicht sagen, dass ich traurig gewesen bin, als ich ins Auto stieg. Die Sonne schien wie im Frühling und ich war eben wieder allein. Ich bin wieder allein. Nein. Ich bin ohne ihn. Kaum zu glauben. Er ist nicht mehr da. Er war da. Vor zwei Tagen, vor einem Tag und gestern. Heute ist er wieder gefahren. Eine Odyssee bis zum Flughafen und zurück nach Italien zu seiner Frau, seinem Haus, seinem Hund, seiner Katze, seinem Boot, seinem Garten, seiner Natur, seinen Freunden, seinem Schreibtisch, seinen Büchern, seinem Leben, seinem Wein. Die Reihenfolge ist variabel und erweiterbar. Aber sie ist auf jeden Fall ohne mich. Ich bin hier, visiblement. Huhu, zwick’ mich doch mal. Jaja, die Wahrheit? Aber zum Jammern habe ich auch keine Lust. Diese lamentierenden Jeremiaden. Was soll’s? La vie est maintenant. Aber es gibt uns nur EIN MAL. Und DAS, dieses so glasklare Bewusstsein, dass es ihn und mich, 68 und 31 nur JETZT noch so gibt und die Zeit nicht stehen bleibt und auf uns wartet, dass Züge abfahren und nicht umkehren, wühlt mich plötzlich auf, macht mich unruhig, würde mich nicht unruhig machen, hätte ich nicht die Tiefe unseres Rundwesens gespürt. Das Schicksal hat uns angesehen, oder das Leben, wie man es auch nennen mag. Und darin lag Sinn. Ein tiefer Sinn. Es gab plötzlich einen SINN, ein „So muss es sein.“. Wir waren sinnvoll. Nun gut. Wenn es wirklich so ist, dann wird es auch so werden. Und jetzt? Die Zeiten vermischen und überschneiden sich.


       



KATALONIEN



31.12.99
Zum Werk gehört auch die
- Psychiatrie, Erfahrungen mit Klosterneuburg, Arezzo. Die Sendungen, Hörspiel. Tagebuch.
Adalgisa Conti.
- Die Reisen. Mexiko vor allem.

Und was bedeutet diese hier jetzt in Katalonien?
Barcelona: Picassos Vs, der Mann-Voyeur! seine Kopien, seine Umwandlungen ins Eigne. Und so meine Werke auch gestalten, wie er die Las Meninas. Degas und die Huren! Illustrationen mener Poesia erotica.
Der unmögliche Gala-freund, sein „Schloß“ in Figueres.
Dann aber Walter Benjamin in Portbou und der Kontrast zu diesem Dollarmaler mit seinem Cadillac. Ein Scharlatan. Dali.

Dann aber VIC, die Totenkirche mit em Michelangelonachahmungen des katalanischen Muralisten, dann Juan Rulfo mit dem Totenroman Pedro Páramo, Transsylvanisches als Vater-Totengespräch.

Vater fragte mich, wieso ich denn überhaupt zu dieser Geschichte gekommen sei, und ich sagte zu ihm, Ja, Tata, bevor ich ganz naiv werde, was ich am liebsten möchte, als wäre ich wieder ein Knd in unserer Stadt,  sag ichs so, weil ich jetzt so bin:
Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangegenen Jahrtausends das Picasso-Museum in der via ... Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez  und den umgewamndelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu  picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich whnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mir mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema,  in die Hand gedrückt hatte, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in dr Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was umsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlopssen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, mit Hilfe des Mexikaners wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Viellleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, wel sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als GedächtnisStütze  verwenden wollte.

Denn auch mußte es immer wieder tun, immer wieder, wie unter Zwang, als hätte ich dort wirklich etwas Unersetzliches, Kostbares verloren, das nirgends anders zu bekommen war als in Siebenbürgen. Ich fuhr also nach Hause,  S. (sprich ES) heißt der Ort, und hier sollte mein Vater immer noch leben. Niemand würde es mir glauben, nicht mal meine Mutter, mein Bruder oder meine Schwester schon gar nicht – wenn, ja, wenn es die vielen Erinnerungen nicht gäbe, von denen unsere alte Stadt Schäßburg, die so leer wirkt, dicht besiedelt ist; also dann kannst du es mir ruhig glauben, würde ich ihnen sagen: er lebt immer noch hier, wie Großvater oder die Ami hier leben, und natürlich alle die andern, dazu mußt du gar nicht auf den Bergfriedhof gehen, die findrest du doch in dir selbst, samt ihrer vertrauten Stimme! Doch nein, alle tun so, als gäbe es sie nirgends mehr, vielleicht noch auf Fotos!
Auch Mutter, die ihnen eigentlich am nächsten stehen müßte, verschließt sich ganz, lebt ganz hier, die Fotowand mit den vielen Familienbildern, den Gesichtern und vertrauten Köpfen, alle tun so, als gäbe es sie dort an der Wand noch wirklich, scheinen ihr zu genügen; nur manchmal wird die Erinnerung übermächtig, dann ist auch Mama nicht mehr da, und dann erst ist sie wieder die alte, als hätte sie sich bisher auch ganz vergessen.
So gab es eines Tages eine ernste Stunde, die wir  fürchten, sie mußte in die Klinik, und alle dachten wir, das Schlimmste könnte eintreten. Da hatte Mama mich ganz überraschend gebeten, meinen Vater aufzusuchen. Und ich drückte ihre Hände, versprachs, und sie schien schon etwas verwirrt, denn sie sagte, er heißt Victor. und wird sich sicher freuen, dich „so“ kennenzulernen! Was heißt so, und wieso Victor, Vater hieß doch Erwin K. und er kennt mich doch, dachte ich, nahm aber Rücksicht auf Mamas Zustand, sagte nichts mehr versprachs nur immer wieder. Sie murmelte  noch: Meine alte Liebe! Und laß es ihn teuer zu stehen kommen, mein Sohn, daß er es getan hat!
 Ja, ich will fahren, Mutter! Und fragte nicht mehr.

Es war seltsam;  ich glaubte nicht daran, und doch begann es in mir u arbeiten, und s etwas wie Hoffnung entstand, die meine Träume nährte, die immer häufiger Kindheitsträume waren. Und zugleich einen bösen Zwiespalt in sich trugen zwischen diesem Victor und meinem Vater; und schließlich kam eine makabre Neugierde dazu, und auch Angst, was für ein Geheimnis wohl dahintersteckte, in jeder Familie gibt es ja so grauenhafte Heimlichkeiten, ja, sogar verschwiegene Verbrechen. Und diese Unsicherheit kam dazu: Wer war dann eigentlich mein Vater, was würde geschehen, wenn es nicht jener meiner Erinnerungen war? (Padre incero est?) Und die geliebte Stadt, wohin ich mich vielleicht noch zu allerletzt zurückziehen konnte, wenn im Leben alles schief gehen würde, und eine Menge war schon schief gelaufen, zurückziehen könnte, wenn dieser letzte Ort auf dieser Welt,  dann endgültig verschwinden würde?
Immer noch bin ich da, und das war am Friedhof mit dem Grab der Dichterin in Romanyá de la Selva, das ich durch Gitter hindurch filmte, und der kalte Wind sauste und wird dann auch zu Hause im Fernsehen zu hören       sein, und es stimmte genau, was ich sie jetzt hier oben flüstern hörte: Das Geheimnis dieser Last, die ich in mir trage und die mich nicht atmen läßt. Auch die Welt war nicht da und war mehr da denn je! Und wie bei ihr ist es egal, wo ich jetzt anfange, zu meinem Leben kann ich nichts mehr hinzufügen, nichts mehr wegnehmen, es ist unausweichlich abgeschlossen ...

Wichtig sind noch Reisen. Heute war das Tossa de Mar, erinnerte auch Vik nördlich von Barcelona,  als wärs eine Fahrt nach Rostock und Warnemünde und dann Stralsund, wo Onkel A. im Krieg gewesen war, den der Spieß doch damals so busereirt hatte; genau in Stralsund vor Jahren mit Thorsten erinnerte ich es, denn in Vik gibt’s ähnliche Häuser „modernista“-Häuser, und die Totenkirche in Vik, ach, hieß der andere, den ich in Mamas Auftrag zu Hause suchen sollte, nicht auch Vik, der, den ich suchen sollte, ja, Vater, es ist eine Totenerinnerung, ich bin gestorben und weiß es nicht, suche aber weiter, du hockst in der Erinnerung, wachst manchmal auf und fühlst mich? Hörst du mich? Lassen wir die andern, die da durcheinanderreden!
Hab ich mich verirrt? Komm doch jetzt nach Hause? Erstaunlich, alles steht noch da; und muß kaum suchen, Vater steht ja da im Stadthaus, im Speisezimmer, an den schwarzen Kachelofen gelehnt, denn es doch gar nicht mehr gibt, das Hochwasser der Kokel hatte es weggerissen! und sagt, Du bist schon da, bist schon zu uns gekommen? Es geht ein wenig durcheinander bei uns, das macht aber nichts, es ist ja wie ein Traum: so lebt man eben als Toter (Senkwos. Sendung dazu). Und wenn ich das Papier rascheln höre, sind es alte Schulhefte ...

Durcheinander Schlaf/Todesebene/ Transsylvanien/
VT-MSK.
Es ist eine Ewigkeit vergangen. Und wir sind auch schon längst zurück aus unserem Urlaub  in Katalonien, und der Feste, und mehr oder weniger Feste mit den Familien in Deutschland, wo es vor allem um Lindes alten Vater und meine alte Mutter ging, und die Brüder und Schwestern , die sonst antreten müssen, mal zu entlasten.
Wir haben  mit der Meerfahrt noch Glück gehabt, die 17Stunden von Genua nach Barcelona waren ruhig, in der Außenkabine haben wir wunderbar geschlafen,  ein paar Tage später kam ja der Orkan mit Windstärke 11 und 12, das riesige Schiff ist dabei fast untergegangen und mußte nach Marsaille ausweichen.
Bei den Freunden in Mont-ras, an der Costa Brava hatten wir intensive Gespräche, es ist mein erster Lektor in Deutschland 1970 bei Fischer, und sogar arbeiten konnte ich da, hab an meinem neuen Geichtband geschrieben und den fertigen verabschieded mit pr-Texten. Zu Walter Benjamin, den wir in Port Bou „besucht“ haben, es ist ja da nur ein leeres Grab, aber ein sehr schönes Denkmal von einem israelischen Künstler, hab ich dann noch mein schon fertiges Gedicht überholt und umgeschrieben, der Eindruck war sehr sehr stark mit den schwarzen Felsen, und vor allem dem Kunstwerk, ein Schacht, der steil mit Treppen hinab zum Abgrund des Meeres führt, wobei eine Glasplatte die Gestalt des Besuchers spiegelt, er geht quasi sich selbst zu. Dieser so schmerzhaften Aufforderung, sich in die Zeiten und die Schuld zu versenken, steht in dieser Landschaft das Amoralische und die Scharlatenerie des faschisierenden Dalí entgegen, der übrall die Gegend besetzt hält, vor allem in Cadaquaes, in Figueres mit seinem unsäglichen Museums-Theater, im Zentrm ein amerikanisches Großauto mit Kitschmusik und D, als Schaufensterpuppe, Mister Dollar, wie er auch genannt wurde.
Wir haben von all dem auch Filme gedreht, leider scheint der Apparat beschädigt zu sein, gestern haben wir versucht ihn Freunden hier zu zeigen, und die Bilder sind mit weißen Streifen überlagert! Vielleicht eine Dali-Magie, daß man seine Schande, so nah an Benjamin, nicht sehen soll!
  Nun ja,

Das Leben ist zu kurz, um es in Deutschland (oder wie ich in Italien) zu verbringen. Doch wohin? Nach Transsylvanien? "Nach Hause"? Ich höre, du fähst wieder dahin. Ich reise vorerst vor allem "im Geiste".  Und ich sehe, Du bist auch damit zugange. Vielleicht erleben wir nach dem Tode unser blaues Wunder. Ich schwör auf die "Transkommunikation" mit der ich mich beschäftigt habe.


Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez  und den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu  picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema,  in die Hand gedrückt hatten, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Vielleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als Gedächtnisstütze  verwenden wollte.


Es ist eine Ewigkeit vergangen. Und wir sind auch schon längst zurück aus unserem Urlaub in Katalonien, und der Feste, und mehr oder weniger Feste mit den Familien in Deutschland, wo es vor allem um Lindes alten Vater und meine alte Mutter ging, und die Brüder und Schwestern , die sonst antreten müssen, mal zu entlasten.
Wir haben mit der Meerfahrt noch Glück gehabt, die 17Stunden von Genua nach Barcelona waren ruhig, in der Außenkabine haben wir wunderbar geschlafen, ein paar Tage später kam ja der Orkan mit Windstärke 11 und 12, das riesige Schiff ist dabei fast untergegangen und mußte nach Marsaille ausweichen.
Bei den Freunden in Mont-ras, an der Costa Brava hatten wir intensive Gespräche, es ist mein erster Lektor in Deutschland 1970 bei Fischer, und sogar arbeiten konnte ich da, hab an meinem neuen Geichtband geschrieben und den fertigen verabschieded mit pr-Texten. Zu Walter Benjamin, den wir in Port Bou „besucht“ haben, es ist ja da nur ein leeres Grab, aber ein sehr schönes Denkmal von einem israelischen Künstler, hab ich dann noch mein schon fertiges Gedicht überholt und umgeschrieben, der Eindruck war sehr sehr stark mit den schwarzen Felsen, und vor allem dem Kunstwerk, ein Schacht, der steil mit Treppen hinab zum Abgrund des Meeres führt, wobei eine Glasplatte die Gestalt des Besuchers spiegelt, er geht quasi sich selbst zu. Dieser so schmerzhaften Aufforderung, sich in die Zeiten und die Schuld zu versenken, steht in dieser Landschaft das Amoralische und die Scharlatenerie des faschisierenden Dalí entgegen, der übrall die Gegend besetzt hält, vor allem in Cadaquaes, in Figueres mit seinem unsäglichen Museums-Theater, im Zentrm ein amerikanisches Großauto mit Kitschmusik und D, als Schaufensterpuppe, Mister Dollar, wie er auch genannt wurde.
Wir haben von all dem auch Filme gedreht, leider scheint der Apparat beschädigt zu sein, gestern haben wir versucht ihn Freunden hier zu zeigen, und die Bilder sind mit weißen Streifen überlagert! Vielleicht eine Dali-Magie, daß man seine Schande, so nah an Benjamin, nicht sehen soll!
Nun ja,

Das Leben ist zu kurz, um es in Deutschland (oder wie ich in Italien) zu verbringen. Doch wohin? Nach Transsylvanien? "Nach Hause"? Ich höre, du fähst wieder dahin. Ich reise vorerst vor allem "im Geiste". Und ich sehe, Du bist auch damit zugange. Vielleicht erleben wir nach dem Tode unser blaues Wunder. Ich schwör auf die "Transkommunikation" mit der ich mich beschäftigt habe.


Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatten, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Vielleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als Gedächtnisstütze verwenden wollte.



BARCELONA

Es ist eine Ewigkeit vergangen. Und wir sind auch schon längst zurück aus unserem Urlaub in Katalonien, und der Feste, und mehr oder weniger Feste mit den Familien in Deutschland, wo es vor allem um Lindes alten Vater und meine alte Mutter ging, und die Brüder und Schwestern , die sonst antreten müssen, mal zu entlasten.
Wir haben mit der Meerfahrt noch Glück gehabt, die 17Stunden von Genua nach Barcelona waren ruhig, in der Außenkabine haben wir wunderbar geschlafen, ein paar Tage später kam ja der Orkan mit Windstärke 11 und 12, das riesige Schiff ist dabei fast untergegangen und mußte nach Marsaille ausweichen.
Bei den Freunden in Mont-ras, an der Costa Brava hatten wir intensive Gespräche, es ist mein erster Lektor in Deutschland 1970 bei Fischer, und sogar arbeiten konnte ich da, hab an meinem neuen Geichtband geschrieben und den fertigen verabschieded mit pr-Texten. Zu Walter Benjamin, den wir in Port Bou „besucht“ haben, es ist ja da nur ein leeres Grab, aber ein sehr schönes Denkmal von einem israelischen Künstler, hab ich dann noch mein schon fertiges Gedicht überholt und umgeschrieben, der Eindruck war sehr sehr stark mit den schwarzen Felsen, und vor allem dem Kunstwerk, ein Schacht, der steil mit Treppen hinab zum Abgrund des Meeres führt, wobei eine Glasplatte die Gestalt des Besuchers spiegelt, er geht quasi sich selbst zu. Dieser so schmerzhaften Aufforderung, sich in die Zeiten und die Schuld zu versenken, steht in dieser Landschaft das Amoralische und die Scharlatenerie des faschisierenden Dalí entgegen, der übrall die Gegend besetzt hält, vor allem in Cadaquaes, in Figueres mit seinem unsäglichen Museums-Theater, im Zentrm ein amerikanisches Großauto mit Kitschmusik und D, als Schaufensterpuppe, Mister Dollar, wie er auch genannt wurde.
Wir haben von all dem auch Filme gedreht, leider scheint der Apparat beschädigt zu sein, gestern haben wir versucht ihn Freunden hier zu zeigen, und die Bilder sind mit weißen Streifen überlagert! Vielleicht eine Dali-Magie, daß man seine Schande, so nah an Benjamin, nicht sehen soll!
Nun ja,

Das Leben ist zu kurz, um es in Deutschland (oder wie ich in Italien) zu verbringen. Doch wohin? Nach Transsylvanien? "Nach Hause"? Ich höre, du fähst wieder dahin. Ich reise vorerst vor allem "im Geiste". Und ich sehe, Du bist auch damit zugange. Vielleicht erleben wir nach dem Tode unser blaues Wunder. Ich schwör auf die "Transkommunikation" mit der ich mich beschäftigt habe.


Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatten, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Vielleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Toten­stimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als Gedächtnisstütze verwenden wollte.


HIER AUF DEM MEER GENUA-BARCELONA
NULL UHR



Ist das Meer unser Schicksal geworden
sich einlassen können
in dieses Glitzern zu zweit, Jahrhunderte
Mondnacht mit dir: jetzt
die lange, vertane Zeit ist  immer wieder
gewonnen,
sie schreibt sich in unsere Herzen ein,
gemeinsam, sogar im Streit.

Sich vertiefen können,
lesen können aus Ungeschriebenem
ist anders,
eine andere Hirnspur.

Und du siehst wieder den Engel
hinter dem Papier deiner Augen.

Andere Verbindungen, andere Wege
und Augenkünste
als die schlagenden.

Aber der Blick jetzt ins Meer,
ganz nah am Rande der Reling,
gibt gegen die Zeit wieder etwas
Gewissheit, -
wie einst  als wir
mit Liebesbriefen
unser Leben begannen.

Wer brachte uns zusammen
welcher Schutzengel meinte uns
nur uns/ auch jetzt
nach drei Jahrzehnten Fahrt
auf einem Meer
wo niemand
sichtbar die Wege
fand.

31.12.99
Zum Werk gehört auch die
- Psychiatrie, Erfahrungen mit Klosterneuburg, Arezzo. Die Sendungen, Hörspiel. Tagebuch.
Adalgisa Conti.
- Die Reisen. Mexiko vor allem.

Und was bedeutet diese hier jetzt in Katalonien?
Barcelona: Picassos Vs, der Mann-Voyeur! seine Kopien, seine Umwandlungen ins Eigne. Und so meine Werke auch gestalten, wie er die Las Meninas. Degas und die Huren! Illustrationen mener Poesia erotica.
Der unmögliche Gala-freund, sein „Schloß“ in Figueres.
Dann aber Walter Benjamin in Portbou und der Kontrast zu diesem Dollarmaler mit seinem Cadillac. Ein Scharlatan. Dali.

Dann aber VIC, die Totenkirche mit em Michelangelonachahmungen des katalanischen Muralisten, dann Juan Rulfo mit dem Totenroman Pedro Páramo, Transsylvanisches als Vater-Totengespräch.

Vater fragte mich, wieso ich denn überhaupt zu dieser Geschichte gekommen sei, und ich sagte zu ihm, Ja, Tata, bevor ich ganz naiv werde, was ich am liebsten möchte, als wäre ich wieder ein Knd in unserer Stadt, sag ichs so, weil ich jetzt so bin:
Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangegenen Jahrtausends das Picasso-Museum in der via ... Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewamndelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich whnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mir mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatte, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in dr Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was umsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlopssen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, mit Hilfe des Mexikaners wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Viellleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Toten­stimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, wel sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als GedächtnisStütze verwenden wollte.

Denn auch mußte es immer wieder tun, immer wieder, wie unter Zwang, als hätte ich dort wirklich etwas Unersetzliches, Kostbares verloren, das nirgends anders zu bekommen war als in Siebenbürgen. Ich fuhr also nach Hause, S. (sprich ES) heißt der Ort, und hier sollte mein Vater immer noch leben. Niemand würde es mir glauben, nicht mal meine Mutter, mein Bruder oder meine Schwester schon gar nicht – wenn, ja, wenn es die vielen Erinnerungen nicht gäbe, von denen unsere alte Stadt Schäßburg, die so leer wirkt, dicht besiedelt ist; also dann kannst du es mir ruhig glauben, würde ich ihnen sagen: er lebt immer noch hier, wie Großvater oder die Ami hier leben, und natürlich alle die andern, dazu mußt du gar nicht auf den Bergfriedhof gehen, die findrest du doch in dir selbst, samt ihrer vertrauten Stimme! Doch nein, alle tun so, als gäbe es sie nirgends mehr, vielleicht noch auf Fotos!
Auch Mutter, die ihnen eigentlich am nächsten stehen müßte, verschließt sich ganz, lebt ganz hier, die Fotowand mit den vielen Familienbildern, den Gesichtern und vertrauten Köpfen, alle tun so, als gäbe es sie dort an der Wand noch wirklich, scheinen ihr zu genügen; nur manchmal wird die Erinnerung übermächtig, dann ist auch Mama nicht mehr da, und dann erst ist sie wieder die alte, als hätte sie sich bisher auch ganz vergessen.
So gab es eines Tages eine ernste Stunde, die wir fürchten, sie mußte in die Klinik, und alle dachten wir, das Schlimmste könnte eintreten. Da hatte Mama mich ganz überraschend gebeten, meinen Vater aufzusuchen. Und ich drückte ihre Hände, versprachs, und sie schien schon etwas verwirrt, denn sie sagte, er heißt Victor. und wird sich sicher freuen, dich „so“ kennenzulernen! Was heißt so, und wieso Victor, Vater hieß doch Erwin K. und er kennt mich doch, dachte ich, nahm aber Rücksicht auf Mamas Zustand, sagte nichts mehr versprachs nur immer wieder. Sie murmelte noch: Meine alte Liebe! Und laß es ihn teuer zu stehen kommen, mein Sohn, daß er es getan hat!
Ja, ich will fahren, Mutter! Und fragte nicht mehr.



Wichtig sind noch Reisen. Heute war das Tossa de Mar, erinnerte auch Vik nördlich von Barcelona, als wärs eine Fahrt nach Rostock und Warnemünde und dann Stralsund, wo Onkel A. im Krieg gewesen war, den der Spieß doch damals so busereirt hatte; genau in Stralsund vor Jahren mit Thorsten erinnerte ich es, denn in Vik gibt’s ähnliche Häuser „modernista“-Häuser, und die Totenkirche in Vik, ach, hieß der andere, den ich in Mamas Auftrag zu Hause suchen sollte, nicht auch Vik, der, den ich suchen sollte, ja, Vater, es ist eine Totenerinnerung, ich bin gestorben und weiß es nicht, suche aber weiter, du hockst in der Erinnerung, wachst manchmal auf und fühlst mich? Hörst du mich? Lassen wir die andern, die da durcheinanderreden!
Hab ich mich verirrt? Komm doch jetzt nach Hause? Erstaunlich, alles steht noch da; und muß kaum suchen, Vater steht ja da im Stadthaus, im Speisezimmer, an den schwarzen Kachelofen gelehnt, denn es doch gar nicht mehr gibt, das Hochwasser der Kokel hatte es weggerissen! und sagt, Du bist schon da, bist schon zu uns gekommen? Es geht ein wenig durcheinander bei uns, das macht aber nichts, es ist ja wie ein Traum: so lebt man eben als Toter (Senkwos. Sendung dazu). Und wenn ich das Papier rascheln höre, sind es alte Schulhefte ...




GIBRALTAR

Zu bedenken aber wäre auch im Widerstand dies: Paradoxerweise aber erst nachdem man ihr entwachsen, der Schein zerschlagen ist, erst gereinigt ist Heimat endlich das Verlorene. Das Unmögliche also, denn die Nähe ist nicht mehr herzustellen, dabei braucht der Biotop Mensch die Nähe, Nahrung für die Sinne, der heutige Rhytmus macht ihn krank, das Abstrakte tut weh, macht die Seele arm. Bei Dante noch war die Nicht-Heimkehr zum Elternhaus, zu Frau und Kindern, die über den unmittelbaren Erfahrungshorizont hinausgehende Flucht in die Fremde, Schuld! Odysseus wagte es die Grenze der Welt bei den Säulen des Herakles, Gibraltar, mit Hilfe der Navigationstechnik zu übwinden, weeiter zu fahren ins Uferlose. Dort aber fuhr er zur Hölle! Es ist tatsächlich das, was der Prozeß der Zivilisation auch uns heute brachte.

Gestern Abend sah ich einen Science Fiction-Film, der Film nun wie ein diagnostisches Stimmungsbild, das bald Realität sein wird, unausweichlich? Eine Familie, dann ein junges Liebespaar war da zu sehen, sie waren in unterirdischen Wohnungen eingeschlossen, konnten sich nur auf Entfernung mit "Datenhandschuhen" und in "Datenkleidern" auf Distanz berühren, nie körperlich, und sahen sich nur auf einem riesigen Bildschirm, der eine ganze Zimmer­wand­seite einnahm, auf der auch Nachrichten kamen, Schaupiel, Filme, Musik usw. Praktisch gab es nur diese Fernsehhalluzination und Berührungen via Computer.
Bald werden wir nicht nur in unserem Körper, sondern in der Welt selbst eingesperrt sein. Denn mit der Möglichkeit einer absoluten Geschwindigkeit durch Telekommunikation (300 000km/s), ist ja keine AußenReise mehr nötig, um überall weltweit dabei zu sein, es ist ein Angekommensein, ohne abzufahren, alles vor dem Monitor. Dieses ist das Ende von Raum und Zeit, ja des Körpers. Das Individuum wird zum "Hyper-Zentrum", einer Art selbst­referenzieller Weltegomanie.


Ach DU  sind wir zu weit und zu spät
hinausgeschwommen
Hand in Hand hinaus ins Offne
Als stände ein neues Ende
Der Welt bevor
Dem zu entkommen?

Dort: du weißt: Gibraltar, die alten Säulen
Wo das Offne unendlich beginnt
Jetzt, wir beide zusammen
unter einem neuen Stern?
Liebe, dass wir
Entkommen?!

Geliebte,  solch ein Aufbruch
Gegen die Zeit und das Schicksal
Auch gegen den Tod?

Alles was uns trennt?
In einem Meer von Tränen
Deinen meinen in Später Zeit?

Oh du Geliebte meiner Trauer
Wehmut wächst mit dir
Und dem Vertrauen Glück
Des Vertrautseins geborgen in uns
Dass uns der Flug
In ein tief Verschwiegenes gelingt

Je weiter wir fliegen weit und nah
Gestern Nacht wie der Hauch und
die Haut die das Tiefste
Berührt feucht und gleitend und glühend
Und sanft brennt wie das ewige Feuer
Liebesfrau du für IMMER
Freundin Unsterblich Geliebte
Mein fliegendes DU
WIR ausgetauscht zur guten Hälfte
Ich geb dir mein Wort


Nur im täglichen Leben
Dieses heftige Laufen
Es zu erreichen
Da es uns übersteigt,
Ewiges Feuer
Brennendes Geheimnis

Doch gestern gemeinsam
Zärtlich und jauchzend
berührt

Denn Liebe ist Leben für immer



CASABLANCA
Die Funde einer Altsteinzeitsiedlung im Steinbruch “Sidi Ahmed er Rahman”, 11 km von Casablanca entfernt und Funde fossiler Schädelfragmente, aus denen der erste “homo sapiens” elektronisch rekonstruiert werden konnte, im Steinbruch Thomas, lassen auf frühe Besiedelung der Gegend schließen. Geschichtlich nachweisbar ist die Berbersiedlung Anfa aus dem 8. Jh., auf deren Grundmauern die heutige Stadt entstand. Die zahlreichen Übergriffe der Portugiesen auf die Atlantikküste im 15. und 16. Jh. beeinflußten stark die Entwicklung der Stadt. Im Jahre 1496 wurde sie von der Armee Don Ferdinands verwüstet. Ein weiterer Überfall portugiesischer Truppen fand im Jahre 1515 statt. 1575 wurde die Stadt von den Portugiesen besetzt und erhielt den Namen Casabranca. Die Besetzung dauerte bis zum Jahre 1755, als ein Erdbeben die Stadt zerstörte und die Portugiesen vertrieb. Im 18. Jh. wurde sie von Arabern unter dem Namen Dar el Beida neu gegründet. Spanische Kaufleute ließen sich ebenfalls dort nieder und gaben der Stadt den Namen Casablanca. Unter dem alouitischen Sultan Sidi Mohammed Ben Abdallah blühte die Stadt auf und gewann an Bedeutung. Er versah sie mit einer Medersa, öffentlichen Bädern und einer Moschee, die seinen Namen trägt. Unter der Herrschaft von Moulay Hassan (1873-1894) zählte die Stadt 20.000 Einwohner. Ende des 19. Jh. siedelten sich zahlreiche Europäer in Casablanca an. 1906 sollte der Hafen ausgebaut werden. Bei den Arbeiten kam es zu Überfällen auf französische Bauarbeiter, da eine Straße über das Gebiet einer Koubba gebaut wurde. Die darauffolgenden Unruhen wurden von den Franzosen niedergeschlagen, die Stadt wurde besetzt. Wieder siedelten viele Europäer in Casablanca. Der Ausbau des Hafens nach dem Ersten Weltkrieg unter dem französischen General Lyautey legte den Grundstein zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Die nahen Phosphatlager machten die Stadt zur wichtigsten Handelsmetropole; sie wurde zum Wirtschaftszentrum ausgebaut, zahlreiche schöne Kolonialbauten und Villen wurden errichtet. Casablanca konnte seine Stellung als Wirtschaftsmetropole auch nach der Kolonialzeit halten und ist jetzt die bedeutendste Stadt des Landes. Die Fischkonservenindustrie und fast die Hälfte der übrigen marokkanischen Industrie haben sich ebenfalls dort angesiedelt. Über 60% des gesamten marokkanischen Auslandshandels wird über den Hafen von Casablanca abgewickelt
Sehenswürdigkeiten


Casablanca ist eine moderne Großstadt mit wenigen alten Bauwerken und geringen marokkanischen Kulturelementen, geprägt aber vom französischen Kolonialismus - mit breiten Boulevards und französisch inspirierten Stadthäusern aus den 30er und 40er Jahren, ergänzt durch neue Hochhäuser und Gebäude in neuorientalischem Stil. Kinos, Cafés, Restaurants, Discos - alles ist hier zu finden.
Der Platz mit dem höchsten Haus der Stadt (18 Stockwerke) ist Kreuzungspunkt der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt.
Der Bd Houphouet Boigny mit zahlreichen Souvenir-Geschäften führt zum Hafen und zu einem der wichtigsten Einkaufszentren der Stadt, mit Boutiquen, Reisebüros, Banken und Restaurants, dem “Centre 2000”. Die Av. de I'Armee Royale mit den wichtigsten Hochhäusern der Stadt beginnt ebenfalls am Mohammed-V.-Platz. Die Av. Hassan II. läuft von der entgegengesetzten Seite des Platzes weg und durchquert den Place Mohammed V., dem schönsten Platz Casablancas mit einem Springbrunnen. Am Platz liegt das Rathaus mit einem Uhrenturm, der Justizpalast, das Stadttheater, die Staatsbank und der Park der Arabischen Liga. Dieser Park wurde im Jahre 1918 mit Wasserbecken, Spazierwegen und einem Stadion geschaffen.
An der NW-Ecke der Anlage befindet sich die etwas heruntergekommene Kathedrale Sacre-Coeur aus dem Jahre 1930, die erst in eine Moschee umgewandelt wurde, aber jetzt zum Kulturkomplex umgebaut wird.
Medina, die arabische Neustadt. Sie wurde 1923 erbaut und ist eine gelungene Verbindung traditioneller arabischer Baukunst mit moderner Architektur. Wichtigstes und interessantestes Gebäude dieses Viertels ist die Mahkama, ein Gerichtsgebäude, das 1941-1956 im spanisch-maurischen Stil erbaut wurde. Neben dem Gebäude steht der Königspalast.


Die neueste Attraktion Casablancas ist die Moschee Hassan II., die 1993 am Geburtstag des Propheten Mohammed eröffnet wurde - ein Mammutbauwerk, nach der Moschee von Mekka die größte Moschee der Welt; sie bietet 100.000 Gläubigen Platz. Ein Laserstrahl ist auf Mekka gerichtet. Die Moschee ist auf den Klippen ins Meer hineingebaut, dort wo sich ehemals das große Meerwasserschwimmbecken befand.
Der gesamte Moscheebereich umfaßt eine Größe von 9 ha, zum Komplex gehören eine islamische Schule, Hammams, Schwimmbäder, ein Museum über marokkanische Geschichte, Konferenzräume und eine Bibliothek, die via Satellit mit den größten Bibliotheken der Welt verbunden ist. Der Gebetssaal faßt 20.000 Gläubige, weitere 80.000 finden auf einer Gebetsplattform außerhalb Platz. Die Spitze des 200 m hohen Minaretts krönen drei, zusammen 3700kg schwere Goldkugeln, deren größte einen Durchmesser von 3,8 m hat. Jede Seite des quadratischen Minaretts ist 25 m breit und kunstvoll mit arabischer Ornamentik dekoriert. Ein Aufzug führt nach oben und erschließt eine prachtvolle Aussicht auf die Stadt und den Atlantik. Der Moscheebereich hat 25.000 Säulen und 124 Brunnen.


Den Kunsthandwerksmarkt Youtiya mit Kupferarbeiten, Schmuck, Teppichen, etc. findet man in der Neuen Medina - dem Viertel Habbous.
Die Neue Medina ist der Souk für die Einheimischen; hier gibt es Gemüse, Fische, Schuhe, Kunsthandwerk, alles ohne Touristenrummel, ein Beispiel alltäglichen Lebens. Die wichtigsten Bauwerke in der Medina sind die Jamaa el Kebir (die Moschee des Sidi Mohammed Ben Abdallah), die große Moschee Jamaa ech Chleuh und die Koubba des Sidi el Kairouani, des ersten Schutzheiligen der Stadt, der Mitte des 14. Jh. aus Kairouan hierher kam.
Empfehlenswert ist ein Besuch des Zentralmarktes (Marche Municipale, Bd. Mohammed V.). Am Vormittag kann man hier die angebotenen Fische und Meeresfrüchte noch lebend besichtigen und kaufen.
Entlang der palmengesäumten Küstenstraße Corniche mit einigen Hotels, Bars und Diskotheken gelangt man zu diesen Villen- und Badeorten. Überall an der Küste findet man modernst eingerichtete Bäder mit Meeres- und Süßwasserbecken. Die Corniche von Aih Diab ist das beliebteste Ausflugsziel von Casablanca, und man hat jeden Abend dort das Gefühl, auf einem großen Volksfest zu sein. Auch sind die Villenviertel in Anfa mit ihren herrlichen Gärten zu bewundern. ...


Die älteste der vier Königsstädte (ca. 1.051.000 Einwohner mit Trabantenstädten und Umgebung) ist neben Marrakesch sicher die interessanteste Stadt Marokkos. Sie ist das geistige Zentrum des Landes und Sitz der neben der Azhar-Universität in Kairo ältesten islamischen Universität, der Karaouyine. Seit 1976 steht sie unter dem Schutz der UNESCO als erhaltenswerte Stadt, und es wird nach und nach versucht, Teile von ihr zu restaurieren. Fes besteht aus 3 Teilen: dem ältesten Stadtteil, Fes-el-Bali ("das alte Fes"), dann dem von den Meriniden gegründeten Fes-el-Djedid ("das neue Fes") und schließlich dem Dar Debibegh, der Ville Nouvelle, von den Franzosen während der Protektoratszeit gegründet und nun eigentliche Neustadt. Fes-el-Bali, die Altstadt aus dem 9. Jh. mit ihrem Gäßchengewirr, in dem man sich ohne Führer kaum zurechtfindet, beherbergt die Souks, und in ihr liegen fast alle historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Bis auf sehr wenige Straßen, die in die Medina führen (z.B. zum Bab Boujloud im Westen bzw. zur Rsif-Moschee im Süden), ist es nicht möglich in die Medina mit einem Auto zu fahren.
Geschichte
Fes wurde im Jahre 789 von Idriss I. gegründet, die eigentliche Gründung erfolgte aber erst 808 durch Idriss II., seinem Sohn, der dort, wo sich sein Vater niedergelassen hatte, die ersten Häuser errichtete. Im kulturellen Umfeld der Freitagsmoschee Karaouyine, die von Fatma bent Mohammed el Fihri im Jahre 862 gestiftet wurde, entstand hier ein religiöses und geistiges Zentrum und nach Kairo die zweite Universität der Welt.
Fes ist eine der modernsten Städte seiner Zeit, in der sich das geistige, religiöse, politische und künstlerische Leben besonders reich entfaltete. Den Almohaden folgten die Meriniden, unter deren Herrschern die schönsten Bauwerke der Stadt entstanden. Bald erreichte das künstlerische und geistige Leben der Stadt seinen Höhepunkt.
1912 wurde "die Konvention von Fes" unterschrieben, die den Franzosen den größten Teil Marokkos als Protektorat übertrug. Der Königssitz wurde nach Rabat verlegt, aber Fes blieb ein Zentrum der Widerstandsbewegung. Fes ist bis zum 20. Jh. die geistige Hauptstadt des Königreiches gewesen und hat jetzt etwas von ihrem Glanz eingebüßt. Die Fassis, wie sich die Bewohner von Fes nennen, begreifen sich aber immer noch als Bildungselite des Landes. Auch sind sie stolz darauf, besonders elegant und modisch zu sein, sozusagen Trendsetter.


Sehenswürdigkeiten
Eine 16 km lange Ringstraße leitet den Verkehr um die Stadt. Rings um die Stadtmauern hat man von sowohl vom Bordj Sud als auch Bordj Nord einen herrlichen Blick auf Fes und Umgebung.
Zur Stadtbesichtigung startet man in der Neustadt am Place Mohammed V. Von hier fährt man über den Boulevard Moulay Youssef nach Fes-el-Djedid, vorbei an der Kasbah der Cherardas und an dem Stadttor Bab Segma, weiter zum Bordj Nord aus dem 16. Jh. (Waffen-Museum mit historischen marokkanischen Waffen). Dort erreicht man die Aussichtsplattform des Merinides und das Luxushotel des Merinides. Von hier hat man eine herrliche Aussicht über die Stadt und das Seboutal. Nicht weit von hier findet man die Ruinen der Merinidengräber auf dem Hügel el Kolla. Neben den Merinidengräbern befinden sich die Mauerreste des Fort Chardonnet. Die kurvige Straße führt nun bergab, vorbei am Bab Guissa, wo man kurz halt machen und bei den Schlächtern und dem Häutemarkt unterhalb des Tores vorbeischauen kann. Hier wird auf mittelalterliche Weise das Vieh geschlachtet. Durch Hügelland führt die Umgehungsstraße weiter stadtauswärts, an Olivenhainen und Gärten entlang zum Bab Khoukha und zum Bab Ftouh. Hier stößt man auf die Straße nach Taza. Linker Hand, etwas abseits liegt das Töpferviertel, wo man den Töpfern und Keramikmalern bei der Arbeit zusehen und günstig in einem Ausstellungsraum Keramik kaufen kann. Fes ist neben Safi das Töpferzentrum des Landes. Die typische Feser Keramik ist blau-weiß und etwas edler als die Safi-Keramik. An der Grenze zwischen Fes-el-Djedid und Fes-el-Bali befindet sich das Dar Batha - ein ehemaliger Wesirspalast - mit seinen großzügig angelegten Gärten. Es beherbergt eine archäologische Sammlung und ein sehr interessantes, umfangreiches Museum marokkanischer Kunst. Hier findet man Teppiche aus dem Atlas, eine Waffensammlung aus vielen Jahrhunderten, Trachten und Schmuck der verschiedenen Stämme, Stickereien, Stoffe, Keramik, Holzschnitzereien und vieles mehr.
Direkt neben Bab Boujloud befindet sich die Medersa Bou Inania, die Koranschule des Abu Inan, die 1350 erbaut wurde. Die Medersa mit ihrem quadratischen Innenhof mit Waschbrunnen, den beiden vorgelagerten Betsälen und den im ersten und zweiten Stock liegenden, winzigen Wohnzellen der Studenten ist unbedingt sehenswert. Vom Tor Bab-Guissa erreicht man am besten die Handwerkersouks und die wichtigsten Kulturdenkmäler rund um die Karaouyine.
 Die Souks Attarine und Kissaria bilden den Mittelpunkt des Handwerks und des Handels. Die Straßen und Viertel sind, wie in allen Souks, nach Handwerkszweigen aufgeteilt. So kommen Sie vorbei an den Kupferund Messingschmieden, Goldschmieden, lederverarbeitenden Handwerkern und Basaren mit goldbestickten Lederkissen, Taschen und Gürteln, an den Waffenschmieden, Teppichhändlern und Manufakturen, Kleiderläden, Tischlern, Drechslern, Gewürzhändlern, Fisch- und Gemüsehändlern bis zum Gerberviertel.
Wichtigstes Bauwerk in Fes ist wohl die Karaouyine-Moschee. Sie beherbergt inzwischen nur noch zwei Fakultäten der im 9. Jh. gegründeten Universität und sie war bis zur Erbauung der Hassan II. Moschee in Casablanca größte Moschee im Maghreb. Sie faßt 20.000 Gläubige auf einer Größe von 16.000 qm. Die Gebetshalle wird von 270 Säulen getragen, 14 Tore führen in ihr Inneres. Sie ist in der typisch maurischen Architektur mit Hufeisenbögen, schlanken Stützsäulen, Stalaktiten-Deckengewölben, geschnitzten Ornamenten, Majolikaböden und kunstvollerAusstattung gebaut. Die Bibliothek stammt aus dem 13. Jh. und bewahrt seltene Manuskripte seit dieser Zeit auf. Berühmtester hiesiger Gelehrter war Ibn Khaldun mit seinem Hauptwerk Muqqaddima. Er gilt als der größte Historiker des Islam. Auch heute noch wird an der Universität unterrichtet. Sie hat einen guten Ruf. Das größte Heiligtum der Stadt, Grabmal und Wallfahrtsort zugleich, ist die Zaouia des Moulay Idriss, des Stadtgründers. Der Nejjarine Platz mit den Tischler-Souks und dem benachbarten Tor zum Foundouk-Nejjarine mit seinem zierlichen Brunnen mit Mosaikverkleidung. Eine weitere bedeutende Koranschule ist die Medersa Cherratine, die größte der Koranschulen. Die hinter der Karaouyine in Richtung Gerberviertel liegende Medersa Seffarine aus der Merinidenzeit, unter anderem auch wegen der schönen Dachterrasse, auf der man sich vom Trubel der Altstadt gut erholen kann. Auf dem Seffarin-Platz haben sich die Kesselmacher und -flicker niedergelassen, die riesige Bottiche und Kupferkessel fertigen, die in erster Linie bei großen Festen und Hochzeiten Verwendung finden. Höhepunkt der Fes-Stadtführungen, ist ein Besuch bei den Gerbern. Hier werden nach mittelalterlichen Methoden Leder und Felle gegerbt und gefärbt.

    


Die Medersa Bou Inania
Ich bin der Sammelpunkt aller Wissenschaften. Mache aus mir dein Heim und du wirst, wie du hoffst, ein einzigartiger Wissenschaftler werden", dies ist eine der typischen Inschriften, die man auf den Kacheln der Bou Inania-Medersa findet. Sie wurde von dem merinidischen Sultan Abou Inane in den Jahren 1350 bis 1357 erbaut. Sie ist sowohl eine Koranschule als auch eine Große Moschee mit einem hohen Minarett und einer bemerkenswerten Kanzel. Im gesamten Gebäude ist der Eindruck der Perfektion wahrzunehmen. Die Feinheit und Vielfalt der Farbtöne, die den weissen, rosaroten und hellblauen Marmor mit den grünen und schwarzen Kacheln vereinigen, verleihen dem Ganzen eine unvergleichliche Harmonie. Auf Regalen aus bearbeitetem Zedernholz sind die Bronzeteile eines ehemaligen Carillons zu sehen.   
    


Die Medersa der Attarine
Diese Medersa wurde 1325 von dem merinidischen Herrscher Abou Said Othman erbaut. Ihren Namen erhielt sie wegen ihrer Lage in der Nähe des Eingangs zum Souk der “Attarine” (Gewürz- und Parfümhändler). Sie zeichnet sich durch ihre Fresiendekoration, ihre äußerst feinen Spitzen aus Gips und ihren schönen Bronzekronleuchter mit Inschriften, in denen auch der Name des Gründers zitiert wird, aus.


ARECIFE. LANZAROTE


     
Arrecife

Arrecife ist die Hauptstadt von Lanzarote mit etwa 40.000 Einwohnern. Noch vor 200 Jahren gab es hier nur einen kleinen Hafen, der zur damaligen Hauptstadt Teguise gehörte, und erst im letzten Jahrhundert begann sich die Stadt so langsam zu entwickeln. Die Bewohner sind hauptsächlich Einheimische, Touristen kommen eigentlich nur zu einem Tagesausflug in die Stadt, um dann festzustellen, dass es schönere Plätze auf Lanzarote gibt als hier. Arrecife ist bis auf wenige Ausnahmen eine Stadt mit kleinen verwinkelten Gassen, die außer an den wenigen markanten Plätzen noch nicht vom Tourismus geprägt ist. Das macht sie vielleicht auch wieder reizvoll. Besonders viele Sehenswürdigkeiten hat Arrecife auch nicht, sieht man mal von einigen markanten Punkten ab.
Das Castillo de San Gabriel, ein kleines Kastell liegt auf einer der Uferpromenade vorgelagerten kleinen Insel. Im Kastell lohnt es sich, einmal das Archäologische Museum zu besuchen, in dem Schätze aus Ausgrabungen gezeigt werden.
Im Osten der Stadt befindet sich ein zweites Kastell, das Castillo de San José, eine kleine Burg mit Zugbrücke und Schießscharten. Das Innere der Burg ist in den siebziger Jahren zu einem Museum, dem Museo International de Arte Contemporáneo, unter der Anleitung von César Manrique umgebaut worden. Das Gelände rund um die Burg ist üppig und geschmackvoll bepflanzt.
Die Charco San Ginés ist eine große Lagune, die mitten in der Stadt liegt und mit einem kleinen Verbindungskanal mit dem Meer verbunden ist. Um diese Lagune führt eine Fußgängerpromenade, die nachts beleuchtet ist. Ein wirklich schönes Fleckchen in dieser sonst nicht gerade ansprechenden Stadt.
Die Calle León y Castillo ist die Hauptgeschäftsstraße Arrecifes und ist eine reine Fußgängerzone. Zur Hauptgeschäftszeit lohnt sich hier ein Shopping Spaziergang. An ihrem Ende trifft die Straße auf den Westzipfel der Lagune Charco San Ginés.
Am Westende der Stadt befindet sich der Stadtstrand El Reducto, ein für diese Stadt eigentlich recht schöner Blickfang. Er beginnt am markanten Punkt von Arrecife, am früheren Gran Hotel, einer Hochhausruine, die 1994 ausgebrannt ist, und heute so eine Art Wahrzeichen der Stadt darstellt. Auf einer Uferpromenade kann man die ca. 400 m bis zur Bushaltestelle entlang schlendern. An der Westspitze des Strandes befindet sich dann der Bushaltepunkt für die Abfahrten nach Puerto del Carmen oder Costa Teguise.
LAS PALMAS


Las Palmas, die Hauptstadt Gran Canarias, erstreckt sich – eingebettet in eine wunderschöne Landschaftsszenerie im Nordosten der Insel – zwischen den zwei herrlichen SträndenPlaya de Las Canteras und Playa de Las Alcaravaneras – und deren Buchten.

Die Stadt wurde in 1478 gegründet und verfügt über ein bedeutendes historisches und kulturelles Erbe, wovon viel im Stadtteil Vegueta, dem ältesten Teil der Stadt, zu sehen ist und der 1990 von der UNESCO zum Welterbeschauplatz erklärt wurde.

Real de Las Palmas, die erste Siedlung, entwickelte sich aus einem kastilischen Militärlager auf der rechten Hügelseite der Schlucht Barranco de Guiniguada, wo heute die Kapelle San Antonio Abad steht. Die Siedlung wuchs zunächst in die Höhen in Richtung auf die beiden Schluchtränder zu, wo sich die beiden Stadtteile Vegueta und Triana jeweils auf dem rechten und linken Ufer des Barranco de Guiniguadaausbreiteten. Die Calle Juan de Quesada, Las Palmas Schnellstraße, die über die Schlucht aus der Stadt hinaus in die Inselmitte führt, trennt heute die beiden historischen Stadtteile.

Fast vierhundert Jahre lang beschränkte sich Las Palmas in nördlicher Richtung auf die Stadtwälle der Viertel Veguetaund Triana und wuchs während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts hauptsächlich in das Innere der Insel hinein wie die meisten der Städte des Archipels. Somit bildeten die Viertel Vegueta, Triana, Vega de San José und einige kleine Nachbarschaften, die vorwiegend von Immigranten und Fischern bewohnt wurden, die Stadt Las Palmas zu jener Zeit. Erst im 19. Jh. – auch begünstigt durch den Bau des Hafens Puerto de la Luz – begann sich die Stadt nördlich an der Küste entlang auszudehnen und die Viertel Arenales,Ciudad Jardin, Alcaravaneras, Santa Catalina und La Isletaentstanden.

Las Palmas besitzt eine große Infrastruktur mit Hotels und Apartments und mit dem Hafen Puerto de La Luz einen der bedeutendsten Häfen Europas, der der Stadt ein äußerst kosmopolitisches Image verleiht. Unter den Auswirkungen der touristischen und wirtschaftlichen Entwicklung der 60er Jahre konsolidierte sich die Stadt schließlich mit einer Bevölkerung, die sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat (z. Zt. hat die Stadt etwa 400.000 Einwohner).

Heute ist Las Palmas de Gran Canaria eine dynamische Metropole, mit viel spanischem Flair, Geschichte und Kultur.Lucha Canaria (Kanarisches Ringen) und Vela Latina Canaria(Kanarisches Latein-Segeln) sind traditionelle Sportarten der Einheimischen, die sich ursprünglich in Las Palmas entwickelt haben. Fast an jedem Wochenende kann man Vela Latina Canaria Regattas vor der Küste der Stadt beobachten.

Wenn Sie erleben wollen, wie die Einwohner von Las Palmas Feste feiern, dann sollten Sie die Stadt entweder während des Karnevals – gewöhnlich im Februar/März – oder im Juni (um den 24. herum) zu den Johannis-Festivitäten besuchen.


Die folgenden Links führen Sie zu den – wie wir meinen – interessantesten Bezirken von Las Palmas:

(1) La Vegueta
Sehenswertes: Catedral de Santa Ana – Casa Museo de Colón – Centro Atlántico de Arte Moderno – Museo Canario

(2) Triana
Sehenswertes: Casa Museo de Pérez Galdós

(3) Cuidad Jardin
Sehenswertes: Pueblo Canario

(4) Santa Catalina

(5) Playa de Las Canteras

(6) La Isleta
Sehenswertes: Castillo de la Luz   


    
Playa de Las Canteras   
  
    
Las Palmas bei Nacht   

 
    
Las Palmas   

 
    
Die Stadtbezirke von Las Palmas   


 
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SAN SEBATIAN GOMERA


San Sebastian de la Gomera ist zu unrecht für viele nur Durchgangsstation auf der Reise ins Valle Gran Rey oder Playa Santiago.
San Sebastian ist eine kleine unentdeckte Perle für alle die Strand, Restaurants und etwas lebhaftes Treiben in den abendlichen Bars suchen.

Mit nur 4500 Einwohnern ist San Sebastian gleichzeitig die Hauptstadt La Gomeras und Sitz der Inseladministration.
Immer noch bestimmt die Ankunft der Fähren das Leben im kleinen Städtchen.
Entdecken Sie San Sebastian am besten abends wenn viele kleine Restaurants öffnen und die zahlreichen Hinterhöfe zu leben erwachen.

Wie alles auf La Gomera muss auch San Sebastian entdeckt werden - schlendern Sie abseits des Hauptplatzes durch eine der kleinen Nebenstrassen, shoppen Sie in einem der kleinen versteckten Läden.
San Sebastians “Stadtkern” ist klein und in gut 20 Minuten erobert.
Sehenswerte Gebäude sind die alte Kirche “Nuestra Senora de la Asuncion” in der Calle del Medio, der Torre (Turm) im kleinen Park am Hauptplatz, oder der Brunnen aus dem Kolumbus das Wasser zur Taufe Amerikas schöpfte.

Wir haben für Sie einige Bilder zusammengestellt, die San Sebastian und den Reiz der Stadt einfangen.
San Sebastian ist einmalig, faszinierend und es gibt viele verborgene Schönheiten zu entdecken - eben mehr als eine Durchgangsstation auf der Reise ins Valle Gran Rey.
Deshalb haben wir ein paar neue interessante Apartments (und Hotel) im Programm.


San Sebastián de La Gomera
San Sebastián de La Gomera das „Tor zur neuen Welt“ gehört mit dem Barranco Santiago zu Hipalán, einem der Siedlungsgebiete der Guanchen-Ureinwohner.
Im Jahr 1440 besetzte Hernán Peraza el viejo den Ort, an dem sich heute die Hauptstadt der Insel befindet, in der Mündung des Barranco de la Villa. Er gab ihm den Namen San Sebastián, wahrscheinlich aufgrund der Bewunderung, die die spanische Bevölkerung diesem Heiligen erwies.

Die ersten Gebäude, errichtet noch bevor die Eroberung der Insel abgeschlossen war, sind die ermita de San Sebastián, die sich heute ausserhalb des Siedlungskerns befindet, die casa de los Peraza, auf dem Grundstück Pozo de la Aguada, die Kirche von La Asunción, die erst nur eine kleine Kapelle war, sowie der Wehrturm Torre del Conde in der Mitte des Tales.
Letzterer ist das einzige Gebäude, das heute noch sein ursprüngliches Aussehen bewahrt
Christof Kolumbus  brach von hier aus  am 6. September 1492 ins Unbekannte auf. Nach dieser ersten Reise ankert er noch zwei Mal in der Bucht von San Sebastián, bei seiner letzten Reise macht er jedoch keine Zwischenstation mehr auf der Insel.
Heute ist die Wirtschaft der Gemeinde hauptsächlich durch die Funktionen als Hauptstadt und Hafen der Insel bestimmt, mit der entsprechenden Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen und dem Dienstleistungssektor allgemein, insbesondere von Transport, Handel und der Ausflugs-Tourismus von Teneriffa.
Interessante Sehenswürdigkeiten:
- Torre del Conde,
- Museum Casa de Colón,
- Pozo de La Aguada,
- Kirche La Asunción,
- Felsen Los Roques
- Barranco del Cabrito,
- Naturschutzgebiet Puntallana...

Fotogalerie Stand April 2006 - zum Vergrößern auf die Bilder klicken.






 



 



 



 



  




 



 



 



 



  




 



 






  
 
 
Das mystische Gomera

Schon in vorspanischer Zeit gab es auf la Gomera Kultplätze, wo magische Rituale veranstaltet wurden. Mittelalterliche Zauberbräuche, von den Europäern mitgebracht, vermischten sich sich nach der Conquista mit den alten Ritualen und blieben in entlegenen Dörfern bis in unsere Zeit erhalten.



Der Tafelberg: Fortaleza de Chipude (Bild) galt den Ureinwohnern als heilig. Archäologen entdeckten auf dem Gipfelplateau eine prähistorische Tempelanlage. Von Steinkreisen umgebene Vertiefungen im Boden werden als Brandopferherde gedeutet.
Aus den Steinkreisen ragten Menhire empor, von den Guanchen verehrte Steine.
Da sind wir aber wegen dem Baby und weil man trittsicher und schwindelfrei sein muß - nicht hochgekraxelt.

Auf La Gomera ist der Hexenglaube noch stark verbreitet. Der Begriff Hexe hat dort jedoch noch eine andere Wertigkeit, als wir es mit unserer naturreligiösen Sicht sehen. La Bruja, die Hexe ist da rein negativ belegt. Im Gegensatz gibt es die Heilerinnen: Curanderas genannt.
In Mittelamerika gibt es diese Bezeichnungen auch, wobei es auf La Gomera sich immer nur um Frauen zu handeln scheint. Böse Hexen wie auch Heilerinnen.

In einigen Dörfern des Zentrums, wie in El Cercado oder des Nordens, erstzten die Heilerinnen noch lange den Arzt. Auch heute noch sucht man die Curandera auf, wenn der Arzt versagt.
In Hermigua gab es eine regelrechte Dynastie "weiser Frauen". Von einer Generation zur nächsten gaben sie dort das Wissen um die Wirkung von Heilkräutern weiter: Asthma wurde mit gekochtem Borretsch behandelt, Kopfschmerz mit Salbei-Umschlägen.
Großen Ruhm erwarb sich Doña Clotilde aus Chipude, die den Körper von Kranken nach "leuchtenden Äuglein" absuchte und sie anschließend mit feinen Nadelstichen traktierte. 1995 ist Clotilde gestorben - hätte sie eine Tochter, so setzte diese gewiss das Werk der Señora fort.



Die Lichtung von Laguna Grande (Bild) gilt als Hexentanzplatz. Nur der Name erinnert daran, dass es einst mitten im Wald einen Kratersee gab (laguna = Teich). Heute präsentiert er sich als kreisrunde, saftiggrüne Waldlichtung, welche am Wochenende von den Einheimischen und von Touristen als Picknickgelände genutzt wird. Doch die alten Ängste sind noch lebendig: niemand würde bis nach Einbruch der Dunkelheit hierbleiben.



An den Chorros de Epina (Bild: Dorf Epina) wird angeblich heute noch Hexensabbat gefeiert. Früher jedenfalls tanzten hier angeblich Frauen in der Fastenzeit nackt um ein Feuer und huldigten dem Teufel, den ein Ziegenbock symbolisierte. Manche Wissenschaftler sind der Ansicht, der Hexensabbat sei ein matriarchalisches Relikt, ein Befreiungsakt der Frau in einer von Männern beherrschten Gesellschaft.

Garajonay, so heißt der höchste Berg auf La Gomera, neben dessen Gipfel eine alte Kultstätte gefunden wurde.


Auf dem Bild zu sehen ist eine Reproduktion einer Zeremoniellen Konstruktion, ausgegraben zwischen 2002 und 2004, welche sich momentan unterhalb dieser Aussichtsplattform befindet.
Sie besteht aus einer künstlichen Steinplattform die die Opferaltäre enthält.
Sie wurde gebaut in mehreren "Etagen": Anfänglich war es ein ovaler Sockel der 6x5 Meter mass, von langen Blöcken begrenzt.
Dies war mindestens 3 Mal vergrössert worden, mit neuen Teilen die dazu kamen,
am Ende war es umgeben von großen Steinblöcken die ihm die komplette Größe von 8x7 Meter gaben.
Große Anzahlen von geschwärzten Schaf und Ziegenknochen sind auch gefunden worden,
zusammen mit vielen Steininstrumenten für Opferung und Schlachtung dieser Tiere und für andere Verwendungszwecke.
es gab auch kleinere Mengen von Fragmenten von Töpfereien und andere Utensilien.

Bei einigen Steinen wurden Gravierungen gefunden, dessen zweck und Bedeutung unklar ist. Manche Gravierungen wurden erst nach der spanischen Eroberung gemacht, manche prähistorisch.
Sicher stehen sie in Zusammenhang mit den Ritualen die hier gehalten wurden.

Inhaltliche Quellen: Dumont Extra: Gomera | Reise Know-How: Gomera | Infomaterial von Vorort;

  
26.11.2007, 10:02     
    
Sally


Registriert: 07.09.2007, 22:56
Beiträge: 10   
Hm.. das ist ja sehr interessant.

Ich finde es immer wieder faszinierend zu sehen, dass der Glaube an "Das Göttliche" (so will ich es jetzt mal grob umreißen) und seine Huldigung in Form von Ritualen und Gedenken so alt ist wie die Menschheit selbst und sich über alle Kulturkreise und Zivilisationen erstreckt.

Auch beruflich bin ich Frage auf der Spur, was es eigentlich ist, das 'den Menschen' ausmacht, was alle Menschen eint und allen gemeinsam ist. Ich denke eine Form der Spiritualität gehört dazu.

Umso mehr erstaunt es mich, dass es einen Trend zum 'militanten Atheismus' gibt und es kommt mir immer so vor, als ob diese Menschen sich selbst ein Stück weit verleugnen.

Liebe Grüße,

Sally

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Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt...

- Joseph von Eichendorff 'Mondnacht'






SATA CRUZ Teneriffa/  LAGUNA

Geschichte [Bearbeiten]
Das spätere Stadtgebiet von Santa Cruz de Tenerife gehörte zur Zeit der Guanchen zum Königreich von Anaga. Teneriffa lag aber so günstig auf dem Weg zwischen der alten und neuen Welt, dass die Spanier sie den Ureinwohnern nicht länger überlassen wollten. Nachdem die anderen kanarischen Inseln bereits erobert waren, landete daher 1494 der Andalusier Alonso Fernández de Lugo in der Bahía de Ananza. Er ließ dort das Fort Agaete bauen, um einen festen Stützpunkt im Kampf gegen die Guanchen zu haben. Erst nach zwei Jahren gelang es de Lugo, die Altkanarier zu unterwerfen. Zum Zeichen des Sieges ließ er ein Holzkreuz errichten, nach dem die nunmehr entwickelnde Siedlung den Namen Santa Cruz de Santiago de Tenerife erhielt.


Typischer Baustil aus derFranco-Ära an der Plaza de España
Im 16. Jahrhundert wurde der wirtschaftliche Aufschwung der wichtigen Hafenstadt an der Amerika-Route durch den regen Handel mit England noch verstärkt. Administrative Bedeutung erlangte Santa Cruz 1723, als der Militärbefehlshaber der Kanaren seine Dienststelle von La Laguna nach Santa Cruz verlegte. La Lagunablieb dagegen als Bischofssitz und kulturelles Zentrum erhalten. Der Handel blühte zum Ende des 18 Jahrhunderts auf, nachdem Santa Cruz (1778) als einzige Stadt der Kanaren das königliche Privileg des Amerikahandels erhielt. Die erste Hafenmole wurde bereits 1755 errichtet.
Die Engländer, die schon früh die strategische Bedeutung des Hafens erkannten, unternahmen von 1657 bis 1799 vier erfolglose Versuche, das blühende Santa Cruz de Tenerife mit Militärgewalt einzunehmen und der spanischen Krone zu entreißen. Im Juli 1797 fand der prominentestes Eroberungsversuch einer englischen Flotte unter dem Befehl Admiral Nelsons statt. Sein Vizeadmiral Bowen landete mit 1200 Mann, konnte sich in Santa Cruz aber nur einen Tag gegen die verstärkten spanischen Verteidiger halten und wurde gefangen genommen. Im Beschuss durch die Hafenfestungen verlor Nelson seinen linken Arm. (Die Kanone "El Tigre", die das Feuer auf das Flaggschiff der Engländer abgegeben haben soll, wird bis heute im Museo Militar verwahrt.) Festungskommandant Antonio Guitérrez erreichte einen Nichtangriffsvertrag mit Nelson, woraufhin die gefangenen englischen Soldaten freigelassen werden.
Santa Cruz de Tenerife wurde 1812 zur Hauptstadt des ganzen Archipels erhoben.
1936 wurde der nationalistische General Francisco Bahamonde Franco von der Volksfrontregierung in Madrid als Militärgouverneur nach Santa Cruz strafversetzt. Seine hier eingeleitete Militärverschwörung (17. Juli 1936) führte in den spanischen Bürgerkrieg.
Seit 1982 ist Santa Cruz neben Las Palmas de Gran Canaria administratives Zentrum der autonomen Region Kanarische Inseln. Beide Regierungssitze wechseln sich alle vier Jahre ab.
Nachbargemeinden sind El Rosario im Süden und Südwesten und San Cristóbal de La Laguna im Westen und Nordwesten.
Die Stadt ist Seehafen und mit nahe gelegenem Strand Las Teresitas (dank importiertem Sand aus derSahara einer der wenigen weißen Strände der Insel) ein Urlaubsparadies mit imposanten Aussichten und mildem, subtropischem Klima. Weltbekannt ist der Karneval von Santa Cruz, der zweitgrößte der Welt nach dem in Rio de Janeiro.
Außerhalb der Karnevalszeit bietet die Stadt mit unzähligen Kinos, Messen und Galerien Abwechslung. Der Tourismus spielt im Vergleich zum ebenfalls im Norden der Insel gelegenen Stadt Puerto de la Cruzeine weitaus geringere Rolle.
Der Hafen exportiert zahlreiche Rohstoffe der Inselgruppe. Im Raum Santa Cruz hat sich auch eine vielfältige Industrie angesiedelt, darunter Textil- und Fischindustrie sowie einige Erdölraffinerien.


Örtchen Igueste im Norden des Distriktes


Strand Las Teresitas
Ortsteile [Bearbeiten]

Blick auf Santa Cruz de Tenerife; von links nach rechts: Kongresszentrum, Rückseite des Auditorio de Tenerife, Hafen, Anaga-Gebirge
§ In Ost-West Richtung verläuft die Rambla del General Franco durch die Stadt. Mit ihren gewaltigen Bäumen, Sitzmöglichkeiten, Cafés und Kiosken ist die Rambla (span. Allee) beliebte Flaniermeile bei Einheimischen und Touristen.


Das Parlament der Kanarischen Inseln
§ Im Herzen der Stadt an der Rambla del General Franco befindet sich die Stierkampfarena von Santa Cruz. Da das Parlament der Kanarischen Inseln den Stierkampf jedoch bereits vor vielen Jahren verbieten ließ, wird die Arena heute vor allem für Konzerte und Aufführungen genutzt.


Brunnen auf der Plaza Weyler
§ Die bestbesuchte Einkaufsmeile der Hauptstadt ist die Calle Castillo. Sie führt von der Plaza Weyler bergab bis zur am Hafen gelegenen Plaza de España und bietet mitsamt ihren Nebenstraßen neben vielen international bekannten Ladenketten auch einheimische Geschäfte und Cafés.
§ Der Turm der Kirche Iglesia de Nuestra Señora de la Concepciónist so etwas wie das Wahrzeichen der Hauptstadt. Die 1653 auf den Ruinen einer 1502 ausgebrannten Kapelle errichtete Kirche war Beobachtungspunkt und warnte vor feindlichen Schiffen undPiratenübergriffen.
§ Die ehemalige Tabakfabrik ist ein rötliches Gebäude an der Kreuzung von Plaza del Principe und der Calle Adelantado. Allerdings rollen dort nur noch wenige Menschen Puros(Zigarren).
§ Das 2003 eröffnete Auditorio de Tenerife. Eine vom ArchitektenSantiago Calatrava entworfene Kongress- und Konzerthalle.
§ Rund 7 Kilometer von der Hauptstadt entfernt befindet sich das früher nur über Bergpfade zu erreichende Fischerdorf San Andrés. Die 3500 Einwohner leben heute hauptsächlich von den Strandbesuchern des künstlich aufgeschütteten Strandes Las Teresitas.
Verkehr [Bearbeiten]
Die Stadt (San Cristóbal de) La Laguna auf derInsel Teneriffa, Kanarische Inseln, istUniversitätsstadt (25.000 Studenten) und Bischofssitz.

Inhaltsverzeichnis
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Lage [Bearbeiten]


Panorama
La Laguna liegt westlich von Santa Cruz de Tenerife. Die Vororte von La Laguna und Santa Cruz de Tenerife gehen fließend ineinander über. Nachbargemeinden sind Santa Cruz de Tenerifeim Osten, El Rosario im Süden und Tacoronteim Südwesten sowie das als Enklaveeingeschlossene Tegueste. Zum Verwaltungsgebiet der Stadt gehören auch einige Touristengebiete an der Nordküste der Insel wie Bajamar und Punta del Hidalgo. Die Gemeinde San Cristóbal de La Laguna hat eine Ausdehnung von 102,06 km². Die Innenstadt La Lagunas liegt auf einer Höhe von ca. 550 m über dem Meeresspiegel.
Geschichte [Bearbeiten]
Im Jahr 1494 war ein erster Versuch desAdelantados Alonso Fernández de Lugo, die Insel Teneriffa für die Krone von Kastilien und León zu erobern, fehlgeschlagen. Bei einem weiteren Versuch im Jahr 1495 traf die Hauptmacht der kastilischen Truppen auf dieGuanchen des Nordteils der Insel und vernichtete diese nahezu komplett. Diese erste Schlacht fand auf der Ebene statt, die in der Sprache der Eingeborenen Aguere genannt wurde. Zum Gedenken an diese blutige Schlacht, bei der vermutlich auch der Mencey (Fürst) der Guanchen des Nordens, Bencomo ums Leben kam, wurde an dieser Stelle ein Steinkreuz und später eine Kapelle errichtet. Die Kapelle wurde dem Heiligen Cristóbal geweiht.


Kapitulation der Guanchen, Fresko im Rathaus
Nach der endgültigen Kapitulation der Guanchen in Realejo im Orotava-Tal im Jahr 1496 führte Alonso Fernandez de Lugo seine Truppen zurück nach Aguere, wo er sich niederzulassen und eine Siedlung zu gründen gedachte. Drei Gründe werden von Historikern für die Wahl dieses Ortes vorgebracht: Der erste Grund ist eine angemessene Entfernung zur Küste. Das bot auch ohne Befestigungsanlagen Schutz vor Angriffen durch Piraten, mit denen zu dieser Zeit ständig zu rechnen war. Der zweite Grund ist die Lage auf einer der wenigen ebenen Landflächen der Insel. Der letzte Grund war die Bodenbeschaffenheit und das Klima in Aguere. Dies ermöglichte den Anbau von Getreide und bot gute Weiden für die Viehzucht. Außerdem gab es einen von einem Bach durchflossenen See mit Trinkwasser, eben die Laguna.
Die erste Ansiedlung in San Cristóbal de la Laguna erfolgte in dem Gebiet, in dem sich heute die Kirche Nuestra Señora de la Inmaculada Concepcón befindet. Heute wird dieser Teil der Stadt als Villa de Arriba bezeichnet. Es wurden mit einfachen und nicht sehr haltbaren Materialien Häuser und eine kleine Kapelle gebaut. Diese kurzlebigen Bauten ersetzten die Einwohner nach und nach durch haltbarere Gebäude, die dann auch den Forderungen der Inselregierung nach Verwendung von nicht leicht brennbaren Baumaterialien entsprachen.
Diese ersten Siedlungsaktivitäten verliefen vollkommen planlos. Die Gebäude wurden willkürlich irgendwo hingebaut. Die Situation änderte sich nach der Rückkehr des Alonso Fernández de Lugo von einem Besuch auf dem Festland. Er selbst setzte ein Beispiel dadurch, dass er für sich ein Haus in dem Gebiet bauen ließ, das heute als Villa de Abajo bezeichnet wird. Hier wurden von der seit dem 9. Juli 1497 bestehenden Stadtverwaltung (Cabildo) Baugrundstücke bereitgestellt, Straßen angelegt und Trinkwasser über eine Wasserleitung aus dem Mercedeswald herangeführt. Zu dieser Zeit ging in ganz Europa der Trend dahin, neu anzulegende Städte schachbrettförmig zu planen. Der Einhaltung der klaren einheitlichen Geometrie standen in La Laguna allerdings bereits vorhandene Wege und die Bodenbeschaffenheit entgegen. Die Entscheidung des Alonso Fernández de Lugo für einen Neubeginn der Siedlung wurde durch einen Beschluss der Stadtverwaltung bekräftigt, der die Bürger verpflichtete, sich in der Unterstadt anzusiedeln. Jeglicher Handel und Neubauten in der Oberstadt wurden verboten. Dies wurde in einer Anordnung vom 24. April 1500 bekannt gegeben. Als Grenze des zu bebauenden Stadtgebietes wird darin das Heiliggeisthospital (San Agustín) genannt. Die Stadtverwaltung erließ verschiedene Anordnungen, die die Bürger verpflichteten, gute Baumaterialien zu verwenden, die Häuser in einer Fluchtlinie zu bauen und die Straßen sauber zu halten. Man versuchte, einen kleinen Stadtkern zu erzeugen; eine wirkliche Stadt, die dem Ordnungsideal der Renaissance entsprach.
Der historische Stadtkern wurde in seiner heute bestehenden Form praktisch bis zum Ende des 16. Jahrhunderts angelegt. Das zeigt uns der erste Stadtplan, den der italienische Ingenieur Leonardo Torriani im Jahr 1588 zeichnete. Er zeigt bereits das heute noch vorhandene Straßenschema. Später wurden viele Häuser umgebaut; es wurden neue Gebäude auf freien Flächen erbaut, aber der Verlauf der Straßen wurde kaum verändert. Das Anwachsen der Stadt ist die Folge der zu Beginn des 16. Jahrhunderts rasch ansteigenden Bevölkerungszahlen. Dieses Anwachsen wurde auch dadurch verursacht, dass für die Landeigentümer die Verpflichtung bestand, in der Stadt zu wohnen, wenn sie ihr Land, das ihnen auf der Insel unter verschiedenen Auflagen zugeteilt worden war, nicht verlieren wollten. Im Jahr 1515 zählte La Laguna eine Bevölkerung von rund 3.000 Bürgern.


Wappen der Stadt aus dem Jahr 1510
Im Jahr 1510 erlaubte Königin Johanna (die Wahnsinnige) durch die Königliche Urkunde vom 23. März die Führung des Wappens, das den Erzengel Michael über einem Felsen zeigt, der den Teidedarstellen soll. Darüber hinaus sind auf dem Wappenschild eine Burg und ein Löwe ( Castilla y León) dargestellt. Im Jahr 1514 beantragte die Stadtverwaltung den Titel Stadt „unter Berücksichtigung, dass der Ort eine größere Bevölkerung hat als jede andere Ortschaft auf den Kanarischen Inseln auch als die StadtLas Palmas“. Nachdem der Hof sich nicht rührte, genehmigte sich der Stadtrat am 21. Juli 1521 selbst den Titel „Stadt“. Das wurde durch den Hof Karls I. (Karl V.) erst zehn Jahre später, 1531, legalisiert. Am 8. September 1534 wurde dem Titel das AttributNoble hinzugefügt. Heute führt die Stadt den offiziellen Titel: Muy Noble, Leal, Fiel, y de Ilustre Historia Ciudad de San Cristóbal de La Laguna.
Gleichzeitig mit den Profanbauten erfolgte im 16. Jahrhundert der Bau von Sakralbauten. Seit dem 17. Jahrhundert fand eine bemerkenswerte Stagnation statt, sowohl was die Bautätigkeit betraf, als auch bezüglich der Bevölkerungszunahme. Wenn man die Zahlen der Bevölkerungserhebungen vergleicht, ergibt sich folgendes Bild: Im Jahr 1561 gab es in La Laguna 7.220 Bürger. Im Jahr 1805 hatte sich die Zahl nur auf 9.672 erhöht. Das heißt, dass sich die Zahl in rund zweieinhalb Jahrhunderten nur um 2.452 Bürger erhöht hatte. Der Verlust der Bedeutung La Lagunas begann im Jahr 1648 mit der Verleihung der Stadtrechte an die Ortschaft La Orotava. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Cabildo, der Stadtrat von La Laguna, identisch mit der Inselverwaltung.
Die wirtschaftliche und politische Krise der Stadt hielt auch im folgenden Jahrhundert an. Im Jahr 1723 verlegte der Capitán General seinen Amtssitz nach Santa Cruz. Im Gegensatz dazu steht das Aufblühen der Kunst und der Kultur innerhalb der Stadt im 18. Jahrhundert. La Laguna im 18. Jahrhundert, das ist die Stadt der Salons, der Schriftsteller und Künstler unter dem Mäzenatentum der vornehmen Familien (Nava y Grimón, Saviñón, Román usw.) in denen die laufenden künstlerischen und politischen Strömungen in Europa diskutiert wurden die auf der Insel offenbar auffallend präsent waren. Das ist die Stadt der glänzenden Fassaden, es ist wirklich die Hauptstadt des gehobenen städtischen Lebens, der Gesellschaft, der Kunst, der intellektuellen Bewegung.
Im 19. Jahrhundert verstärkte sich der Rückgang der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Stadt zugunsten der Stadt Santa Cruz, die früher nur ein kleiner Handels- und Fischereihafen war. Santa Cruz übernahm bald die neuen Verwaltungsaufgaben und wurde der Sitz neuer Einrichtungen, die durch die Verfassung von Cádiz geschaffen und durch Ferdinand VII. auch nicht rückgängig gemacht wurden. Die schwindende Bedeutung La Lagunas wurde durch die Neugründung der Universität San Fernando und die Einrichtung des Bischofssitzes nur wenig abgemildert, da die Universität im Jahr 1845 geschlossen wurde und der Bischofsstuhl zwischen 1848 und 1877 nicht besetzt war.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitete sich die Stadt in der Fläche aus, was zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl führte. 1965 wurde die Anzahl von 50.000 Einwohnern erreicht. Seit diesem Beginn ging es weiter bergauf und so erreichte die Stadt bei der Zählung am 1. Januar 1995 127.735 Einwohner. Die Ausweitung des tertiären Bereichs der Wirtschaft führte in der Universitäts- und Verwaltungsstadt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Während der Tourismus in der Innenstadt keine überragende wirtschaftliche Bedeutung hat und in erster Linie als Tagestourismus auftritt, sind die Küstenbereiche des Stadtgebietes wie z. B. Punta de Hidalgo und Bajamar stark vom Tourismus abhängig. Im Rahmen der 500-Jahr-Feiern der Stadt wurden viele historische Gebäude renoviert. Die in der gleichen Zeit (1999) stattgefundene Erklärung zum UNESCO-Welterbe führte zu einer verstärkten Wahrnehmung der Verantwortung für die Erhaltung der vorhandenen Substanz durch die Stadtverwaltung, die Inselverwaltung und die Regierung der Autonomen Region der Kanarischen Inseln.
Ortsteile [Bearbeiten]
Historische Plätze und Gebäude [Bearbeiten]
Plaza del Adelantado [Bearbeiten]


Plaza del Adelantado
Die Plaza del Adelantado war der wichtigste Platz der Stadt, seit sich Alonso Fernández de Lugo entschloss, seine Residenz hierher zu verlegen. Sie wurde auf dem Grundstück erbaut, auf dem sich heute das Kloster Santa Catalina befindet. Auch die wichtigsten Verwaltungsinstitutionen wurden in der Umgebung eingerichtet. Zu Anfang trug der Platz den Namen San Miguel nach der Kapelle, die gegenüber dem Haus des Adelantado errichtet wurde. Auf diesem Platz fand bis in das 19. Jahrhundert ein großer Teil der öffentlichen Ereignisse statt: Feste, Prozessionen, Stierkämpfe, das Brechen von Zuckerrohr, Vollzug von Strafen usw. Er war auch Marktplatz; an der Ostseite befanden sich Metzgereien. Hier war auch der Endpunkt der Wasserleitung, die die Stadt mit Trinkwasser versorgte. Das Wasser floss durch einen Holzkanal, der aus dem Mercedeswald kam und durch die Calle Nava y Grimón verlief, die daher auch den Namen Calle Agua trug. Diese Wasserleitung bestand bis in das Jahr 1842. Die Form des Platzes war früher nicht so gleichmäßig wie heute. Auch wenn sich seine Ausmaße über die Zeit hinweg erhalten haben, wurde das Aussehen erheblich verändert. Der Platz war ursprünglich nicht gepflastert. Im Jahr 1798 geschah dies zum ersten Mal. Im Jahr 1843 wurde er neu aufgeteilt und mit Bäumen und Bänken versehen. Der zentrale Marmorbrunnen stammt aus Marseilleund wurde im Jahr 1870 aufgestellt.
Casas Consistoriales oder Antigua Casa del Cabildo [Bearbeiten]


Ayuntamiento, Antiguo Casa del Cabildo
An der südwestlichen Ecke der Plaza del Adelantado am Beginn der Calle Obispo Rey Redondo (Calle Carrera) liegen die Casas Consistoriales (Rathaus). Ein erstes Gebäude wurde hier bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Tagungsort des Cabildos errichtet. Die Struktur des Bauwerks hat sich im Laufe seines Bestehens vielfach verändert, sodass von dem ursprünglichen Gebäude so gut wie keine Reste erhalten sind. Die Fassade zur Plaza del Adelantado wurde im Jahr 1822 nach den Plänen von Juan Nepomuceno Verdugo Dapelo umgestaltet. Die neoklassizistischeFassade ist mit Cantería azul verkleidet, einer Steinart, die in einem Steinbruch in Tegueste gewonnen wurde. Das untere Stockwerk besteht aus einem offenen Säulengang. Über den fünf Halbkreisbögen befinden sich fünf Fenster mit Metallgitterbrüstungen. Die Fassade wird im Mittelteil von einem geschwungenen Giebel gekrönt, in dessen Feld sich der Wappenschild befindet, den Königin Johanna von Kastilien und León der Stadt gewährt hat. Eine Inschrift weist darauf hin, dass die Arbeiten an dem Gebäude unter der RegierungFerdinands VII. im Jahr 1824 erfolgten. Auf den Wänden des Treppenhauses, das in den Vorraum des Sitzungssaales führt, befinden sich Wandmalereien, die im Jahr 1764 von dem Maler Carlos Dacosta erstellt wurden. Auf ihnen sind Szenen aus der Geschichte der Insel dargestellt. An der Stirnwand wird gezeigt, wie Nuestra Señora de Candelaria den Guanchen erscheint. Über der Szene sind die Schutzheiligen der Stadt abgebildet: San Miguel in militärischer Kleidung mit Lanze und Schild und San Cristóbal mit einem belaubten Stab in der Hand und das Christuskind auf den Schultern. Auf der linken Seitenwand ist die Kapitulation der Menceyes der Guanchen vor Alonso Fernández de Lugo dargestellt, auf der rechten Seitenwand die Vorstellung der Guanchen am Hof der Katholischen Könige. Der Treppenaufgang schließt mit einer achteckigen Decke ab, die in portugiesischem (manuelitischem) Stil mit Blumen, Blattgirlanden und anderen floralen Motiven auf hellem Grund geschmückt ist. Der gesamte Treppenaufgang wurde im Jahr 1996 restauriert. Das Treppenhaus geht in zwei großen Bögen aus rotem Stein in den Vorraum des Ratssaales über. Im Zwickel der Bögen ist eine Inschrift zu lesen: Reinado Carlos II, siendo Corregidor y Capitán der Guerra de ésta Isla y la de La Palma Teniente Coronel Don Agustín del Castillo Ruiz de Vergara y Regidores los Capitanes Don Juan Franco de Castilla y Don Franco de la Guerra.[1]
Der Ratssaal wurde in seiner heutigen Form zwischen 1860 und 1866 nach Plänen von Manuel de Oraá y Arcocha eingerichtet. Im Jahr 1934 wurden verschiedene Veränderungen vorgenommen und im Jahr 1963 wurde die schön dekorierte flache Holzdecke fertig gestellt.
Antiguo Colegio de las Dominicas [Bearbeiten]


Antiguo Colegio de las Dominicas
Die ehemalige Schule der Dominikanerinnen liegt in der Calle Consistorio Nr. 4. Sie bildet einen Komplex mit den weiteren von der Stadtverwaltung genutzten historischen Bauten. Das Gebäude wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Das ist noch an der weitgehend unveränderten Aufteilung im Inneren zu erkennen. Die Fassade wurde bei einem Umbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach den Plänen des Architekten Mariano Estanga (1867 bis 1937) im Auftrag der Dominikanerinnen gestaltet. Heute (2008) ist das Gebäude ein Teil des Rathauskomplexes und enthält das Stadtarchiv. Hier lagern u. A. noch die Unterlagen der ersten Landverteilung sowie die Akten des alten Cabildos. Die Dekoration der Fassade entspricht den künstlerischen Tendenzen die sich beim Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelten. Die Benutzung architektonischer Elemente des späten Mittelalters, wie Spitzbogen, Wimperge oderPseudofialen, sollen an die Tradition der Klosterschulen anknüpfen. Das trifft auch auf die Statue des Heiligen Dominikus zu, die am südlichen Ende der Fassade angebracht ist.
Casa Anchieta [Bearbeiten]


Casa Anchieta
Der Hauptmann und öffentliche Schreiber Juan de Anchieta ließ zu Beginn des 16. Jahrhunderts an der damaligen Plaza de San Miguel ein Haus errichten. Dort wurde am 19. März 1534 José de Anchietader Apostel Brasiliens geboren. Der Jesuitenpater war maßgeblich an der Christianisierung Brasiliens beteiligt. Er gilt als einer der Gründer der Stadt São Paulo in Brasilien. José de Anchieta wurde 1980 selig gesprochen. Das heutige Bauwerk entstand aus dem einfachen Gebäude des 16. Jahrhunderts, das, wie man auch an den unterschiedlichen Fassaden erkennen kann, zahlreiche Umbauten erfahren hat. Die Hauptfassade zur Plaza Adelantado folgt der Anordnung, wie sie in der Architektur der Kanarischen Inseln im späten 19. Jahrhundert üblich war: Symmetrisch mit einfacher Linienführung, Fenster und Türen mit Haustein eingefasst. Die Seitenfassade zum Calljon de las Quinteras zeigt eine anarchische Anordnung der Maueröffnungen - eine Besonderheit der Architektur des 17. Jahrhunderts, die sich auch bei der Aufteilung der Bauteile im Inneren des Gebäudes erhalten hat. Das Gebäude steht seit 1986 unter Denkmalschutz. Seit dem Brand in der Casa Salazar im Jahr 2006 sind die Residenz des Bischofs und das Ordinariat der Diözese San Cristóbal de La Laguna in der Casa Anchieta untergebracht.
Casa de Los Corregidores [Bearbeiten]


Casa de Los Corregidores
Das Haus des Corregidors befindet sich am Anfang der Calle Obispo Rey Redondo (Calle Carrera). Dieses Haus bildet einen Teil des Gebäudekomplexes des früheren Cabildos. Es trägt diesen Namen, weil es den Corregidores während ihrer Amtszeit als Wohnsitz diente. Auch wenn man das genaue Datum des Baubeginns nicht kennt, ist das Fertigstellungsdatum, das Jahr 1545, dank einer Inschrift an der oberen rechten Seite des Eingangsportales doch bekannt. Von dem alten Gebäude ist das Portal aus rotem Haustein der einzige erhaltene Teil. Es ist eines der wenigen Beispiele des Plateresken-Stil das auf den Inseln erhalten ist. Das Portal besteht aus zwei Teilen die mit einem flächigen Rahmen umgeben sind. Der untere Teil enthält die umrandete Türöffnung. Auf beiden Seiten erkennt man kannelierte Pilaster die mit KorinthischenKapitellen abschließen. Die Pilaster haben unten keine Basis. Der obere, gleichfalls umrandete Teil enthält ein Schiebefenster. An den Seiten sind Pilaster, die teilweise verziert und mit Wülsten versehen sind. Auch die Pilaster im oberen Teil des Portals schließen mit Korinthischen Kapitellen ab. Am Portal sind drei Wappen angebracht: Im unteren Teil links der Tür das Wappen des Corregidor de Tenerife Jerónimo Álvarez de Sotomayor, während dessen Amtszeit das Gebäude fertig gestellt wurde, rechts der Tür das Wappen von Teneriffa und in der Mitte ganz oben das Wappen Kaiser Karls V. Heute (2008) ist das Gebäude ein Teil des Rathauskomplexes.
Casa de la Alhóndiga [Bearbeiten]


Casa de la Alhóndiga
Zwischen der Casa del Corregidor und der Casa Alvarado Bracamonte in der Calle La Carrera wurde dieses Haus in der Zeit von 1705 bis 1709 erbaut. Das Portal besteht aus einem großen Tor das von Mühlenstein (einer so genannten Steinart der Kanarischen Inseln) eingefasst wird. Darüber ist das Wappen der Spanischen Könige aus dem Haus Borbón angebracht, darunter die Inschriftreinado Felipe V. y syendo Corregidor y Capitán General destas yslas don José Antonio Ayala y Roxas, comisario de la obra Gonzalo de Ocampos y Pedro Colón. (Während der RegierungszeitPhilips V. und der Amtszeit des Corregidors und Generalkapitänsdieser Inseln Herrn José Antonio Ayala y Roxas, Aufseher der Arbeiten Gonzalo de Ocampos und Pedro Colón). Die Maueröffnungen werden durch große Schiebefenster verschlossen die alle gleich groß und symmetrisch angeordnet sind. Die Originalfassade wurde in der Mitte des 19. Jahrhundert im neoklassizistischen Stil renoviert. Dabei wurden an der Oberkante der Fassade ein Steingesims und ein Dreiecksgiebel angebracht, die das Dach verbergen. Nach einem Ratsbeschluss von 1850 wurde beabsichtigt hier ein Theater einzurichten. Das Projekt wurde aus wirtschaftlichen Gründen nicht fertig gestellt. Die Alhóndiga ist der Ort an dem die ärmsten Bürger zu Zeiten des Mangels Weizen erhielten, wenn sie ihn nicht kaufen bzw. Brot unter dem Marktpreis kaufen konnten. Hier wurde auch Weizen als Saatgut für die Arbeiter bereitgestellt; sowohl für ihre eigenen als auch für die vom Rat verpachteten Felder. Das Haus beherbergte die Verwaltung und Überwachung der verschiedenen wirtschaftlichen Tätigkeiten auf der Insel. Seit der frühesten Zeit war es Lager des Cabildos in welchem Weizen und Wein von einem Jahr auf das nächste aufbewahrt wurden. Außergewöhnlich war die Nutzung als Gefängnis für 200 Franzosen, die am 7. Juni 1809 auf die Insel kamen. Im 19. Jahrhundert befanden sich hier auch das Bezirksgericht, eine Kaserne und ein Gasthaus. Es war Unterkunft der Guardia Civil, Kaserne einer Maschinengewehr-Kompanie, Isolierstation des Krankenhauses während der Grippeepidemie im Jahr 1918 sowie städtische Schule und Lehrerbildungsanstalt. Mitte des 20. Jahrhunderts tagten hier das Amtsgericht im Erdgeschoss und das Landgericht im Obergeschoss. Heute sind in der Casa de la Alhondiga verschiedene Ämter der Stadtverwaltung untergebracht. Das Innere wurde insgesamt erneuert und kein Teil entspricht mehr dem Originalgebäude.
Casa Alvarado Bracamonte oder Casa de los Capitanes Generales [Bearbeiten]


Casa de los Capitanes Generales
Im Jahr 1624 kam Diego de Alvarado y Bracamonte nach San Cristóbal de La Laguna um hier die Ämter des Gouverneurs, des Corregidors und des Oberkommandierenden der Inseln Teneriffa undLa Palma anzutreten. Bereits kurz nach seiner Ankunft heiratete er María de Vergara y Grimón die unter Anderem ein Grundstück an der Calle Carrera mit in die Ehe brachte. Auf diesem Grundstück in unmittelbarer Nähe zu den Gebäuden des Cabildos ließ sich das Ehepaar ein Wohnhaus errichten. Nach dem Tod des Erbauers erbte sein Sohn Diego Alvarado y Bracamonte y Vergara y Grimón das Gebäude. Da die Erben auf das spanische Festland zurückkehrten, wurde das Haus in der Folgezeit bis zum Jahr 1723 von den jeweiligen Capitanes Generales als Residenz genutzt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts verkauften die Nachfahren des Erbauers das Gebäude an die aus Cuba stammenden Brüder Antonio und José Leal y Leal. Von den Erben dieser Käufer erwarb die Stadt das Gebäude im Jahr 1976. Im November 1981 wurde die Casa Alvarado Bracamonte unter Denkmalschutz gestellt. Heute (2008) ist das Gebäude ein Teil des Rathauskomplexes. Wie bei vielen historischen Gebäuden in La Laguna sind nur das Portal und die Festerfassungen aus Haustein. Hier wurde ein roter Tuffstein verwendet. Der Stein stammt vermutlich aus dem bischöflichen Steinbruch, der in der Nähe der Stadt lag. Die Fenster sind sowohl in der Hauptfassade zur Calle Carrera als auch in der Seitenfassade zur Calle Viana (früher Calle El Pino) unregelmäßig angeordnet, wie dies im 17. Jahrhundert durchaus üblich war. Die Metallbrüstungen der Fenster im Obergeschoss stammen nicht aus der Entstehungszeit. Die starken Gitter an einigen Öffnungen im Erdgeschoss deuten noch darauf hin, dass hier zeitweise Steuergelder gelagert waren. Das Eingangsportal besteht aus zwei übereinander liegenden Bereichen. Auf beiden Seiten des Eingangstores erheben sich Pilaster mit Toskanischen Kapitellen auf mit Mustern geschmückten Sockeln. Der obere Bereich wiederholt das Schema des unteren. An Stelle des Eingangstores findet man hier eine teilverglaste Doppelflügeltür die auf einen Balkon mit einer Eisenbrüstung führt. Das Portal wird oben durch einen gesprengten Dreiecksgiebel abgeschlossen in dessen Zentrum eine Kugel steht. Unterhalb der Dachkante zieht sich ein Sgraffito entlang der gesamten Fassade. Dieses dekorative Element in spanisch-muselmanischer Tradition wurde nach der letzten Restaurierung in den 90er-Jahren wiederhergestellt. Der Innenhof war früher nicht geschlossen, sondern öffnete sich in den dahinter liegenden Obst- und Gemüsegarten. Die Galerien im Innenhof werden von Säulen aus rotem Tuff getragen, die im 20. Jahrhundert mit Zement ummantelt wurden, der nicht ohne Schaden entfernt werden kann. Links des Eingangs ist eine zweiläufige Treppe, deren unterer Lauf aus Stein besteht.
Teatro Leal [Bearbeiten]


El Teatro Leal
Das Theater in der Calle Carrera wurde im Jahr 1915 im Auftrag von Don Antonio Leal nach Plänen des Architekten Pintor gebaut. Die Fassade zeigt die typischen Merkmale des Eklektizismus wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei öffentlichen Gebäuden üblich war. Die Fassade besteht aus einem zweistöckigen Zentralkörper, der von dreistöckigen Türmen flankiert wird. Im Erdgeschoss sind fünf Türen. Die drei wichtigsten sind im Zentralkörper und zwei an den Seiten. Im Hauptkörper erscheint im ersten Obergeschoss ein Balkon in der gleichen Breite wie die Türen im Erdgeschoss. Zwei Balkone an den Seiten erhalten die Symmetrie. Der Mittelbalkon zeigt eine Brüstung aus Zementbalustern, während die Brüstungen der seitlichen Balkone aus Eisen sind und oben einen Abschluss aus Holz haben. An den Innenwänden befinden sich symbolistischeFresken von López Ruiz und an der Decke große allegorischeMalereien. Das Theater, das Platz für mehr als tausend Zuschauer bot, wurde in den 60er-Jahren als Kino genutzt.
Das Gebäude war 18 Jahre lang wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Erst im Oktober 2008 wurde das Gebäude nach einem langen Prozess der Erneuerung und Wiederherstellung, seiner ursprünglichen Aufgabe, nämlich als Ort der kulturellen und künstlerischen Unterhaltung zu dienen, wieder eröffnet. Zur feierlichen Einweihungszeremonie am 14. Oktober war auch der spanische Kronprinz Felipe von Spanien mit seiner Frau Letizia Ortiz Rocasolano angereist.[2]
Casa Salazar [Bearbeiten]


Casa Salazar, Patio (vor dem Brand 2006)
Der Palacio Salazar ist ein gutes Beispiel für den kanarischenBarockarchitektur. Don Cristóabal Salazar de Frías, I. Conde del Valle de Salazar, ließ das Gebäude in den Jahren 1681 bis 1687 errichten. Das Gebäude wurde zeitweilig durch das Casino cultural „El Porvenir“ genutzt. Im Jahr 1892 wurde es zum Sitz des Bischofs und der bischöflichen Verwaltung. Die zweistöckige Fassade ist ganz in Stein ausgeführt, der in einem Steinbruch bei Teguesteabgebaut wurde. Die Fassadengestaltung stammt von Andrés Rodríguez Bello dem Baumeister, der auch die Fassade des Palacio Nava y Grimón gestaltet hat. Die Ähnlichkeit zeigt sich an dem Gesamtaufbau, besonders aber bei der Gestaltung des Portals. Es finden sich hier z. B. auch die Säulenpaare auf einer gemeinsamen Basis. Der auffälligste Teil ist der Giebelabschluss mit dem Wappen der Familie Salazar. An der Dachkante befinden sich Wasserspeier mit zoomorphen Formen, die an präkolumbisch-mexikanische Kunst erinnern. Der begrünte Innenhof ist von geschlossenen Galerien umgeben. Auf der Seite die dem Eingang gegenüberliegt, befindet sich ein Treppenhaus, das durch eine achteckige Decke abgeschlossen wird. Das Gebäude steht seit 1983 unter Denkmalschutz. Im Januar 2006 wurde es durch ein Feuer weitgehend zerstört. Zur Zeit (2008) sind die Wiederherstellungsmaßnamen noch nicht abgeschlossen.
Casa de los Jesuitas oder Universidad de San Fernando [Bearbeiten]


Casa de Los Jesuitas
Der Jesuiten-Orden ließ sich erst sehr spät in La Laguna nieder. Auf den Kanarischen Inseln war er nur noch in La Orotava und Las Palmas mit Schulen vertreten. Mit der Errichtung des Gebäudes in der Calle San Agustin wurde im Jahr 1733 begonnen. Im Jahr 1737 wurde es fertig gestellt. Im Jahr 1767 ordnete Karl III. die Ausweisung der Jesuiten aus den Spanischen Gebieten an; dadurch wurde der Staat Eigentümer des Gebäudes. Im Jahr 1778 wurde der Real Sociedad Económica de Amigos del País de Tenerife ein Teil des Gebäudes als Sitz zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1792 wurde hier die Universität San Fernando eingerichtet, die allerdings erst im Jahr 1817 ihren Betrieb aufnahm und 1845 wieder einstellte. Mit der Wiedereinrichtung der Universität im Jahr 1927 wurden hier wieder Hörsäle eingerichtet. Diese Art der Nutzung hielt an bis zur Errichtung der neuen Universitätsgebäude in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Haus wird heute von der Real Sociedad Económica de Amigos del País genutzt. Der Grundriss ist L-Förmig. Die Hauptfassade entspricht dem Aussehen vieler anderer Gebäude der Zeit in La Laguna: Ecken aus Haustein, die restlichen Mauern glatt verputzt und gestrichen. Regelmäßig angeordnete Schiebefenster mit Brüstungen und Laibungen aus Holz. Die Eingangstür wird durch einen Rahmen aus Stein hervorgehoben, der oben mit einem gesprengten Segmentgiebel abschließt. Die Doppelflügeltür besteht aus Rahmen mit Kassettenfüllungen.
Casa Lercaro [Bearbeiten]





Casa Lercaro, Museo de Historia de Tenerife
Das Haus Lercaro steht als ein gutes Beispiel für die Architektur eines Privathauses am Ende des 16. Jahrhunderts. Es wurde 1593 auf den Grundmauern eines bereits vorhandenen Gebäudes errichtet. Der Auftraggeber Francisco Lercaro de León stammte aus einer alten Genueser Kaufmannsfamilie. Seine Vorstellungen von Architektur und Lebensart sind bei der Gestaltung offensichtlich stark mit eingeflossen. Die Fassade besteht, wie in La Laguna üblich, aus Mamposteria. Dies ist eine verputzte Mauer aus Naturstein, die nur an den Ecken und den Fensterfüllungen mit sichtbaren Steinquadern und am Portal mit umfassenderenCanterías (Steinmetz- bzw. Steinbildhauerarbeiten) verziert sind. Auffallend an diesem Haus sind die Sgraffiti in der Art wie man sie an genuesischen Palästen findet. Die heute sichtbaren Muster wurden bei der Wiederherstellung des Gebäudes freigelegt und erneuert. Auch im Inneren findet man eine außergewöhnliche Ausschmückung: Türöffnungen waren weitflächig mitFreskomalereien eingefasst. Teile davon sind heute noch zu erkennen. Durch den Haupteingang gelangt man in den Innenhof. Die sieben Säulen, welche die Galerien tragen, sind abwechselnd aus Holz und aus Stein. Die Flächen der drei mit Glas geschlossenen Galerien im ersten Innenhof sind mit reich geschnitzten Füllungen geschmückt. Links des Eingangs ist die Haupttreppe, die aus dem gleichen Stein gearbeitet ist wie die Türeinfassungen und die Säulen im Innenhof. Das Gebäude, besonders aber die Anbauten, wurden teilweise erheblich verändert. Zwischenzeitlich wurde das Gebäude vom Militär genutzt, es war Sitz der Philosophischen Fakultät der Universität und Grundschule. In den Nebengebäuden befanden sich eine Tischlerei, eine Schmiede und eine Schumacherwerkstatt. Im Jahr 1976 wurde das Anwesen vom Cabildo de Tenerife erworben und 1983 unter Denkmalschutz gestellt. Das Museo de Historia de Tenerife eröffnete im Jahr 1993 seine Ausstellungen in der Casa Lercaro.
Casa Montañéz [Bearbeiten]





Casa Montañés, Patio
Der im Amerikahandel tätige Francisco Montañés, der auch Hauptmann der Miliztruppen war, ließ das Gebäude im Jahr 1746 in der Calle Real (heute Calle San Agustín) als Wohn- und Geschäftshaus bauen. Es hat drei Stockwerke und ein Zwischengeschoss. Das oberste Stockwerk diente als Kornspeicher, das herrschaftliche Stockwerk ist durch die großen Schiebefenster zu erkennen. Ein Stockwerk tiefer, in einer Art Zwischengeschoss, waren die Geschäftsräume untergebracht. Das Erdgeschoss diente als Lager und Weinkeller. Der Eingang ist mit einem für La Laguna typischen Portal geschmückt, in dessen oberen Teil das Familienwappen des Erbauers eingesetzt ist. Im Inneren öffnet sich ein erster weiter Innenhof mit verglasten Galerien, die von Holzsäulen getragen werden, deren oberen Abschluss interessante Holzarbeiten bilden. Die Haupttreppe auf der Hinterseite des Hofes besteht im ersten Lauf aus Stein, in den folgenden aus Holz. Ein weiterer Innenhof hatte früher einen Zugang zur seitlich verlaufenden Calle Viana. Im Jahr 1985 erwarb die autonome Regierung der Autonomen Region der Kanarischen Inseln das Gebäude. Es wurde wiederhergestellt, um als Sitz des Consejo Consultativo de Canarias (Beratende Versammlung der Kanarischen Inseln) zu dienen.
Casa Nava y Grimón oder Palast der Marqueses de la Villa nueva del Prado[Bearbeiten]





Casa Nava y Grimón
Das Haus der Familie Nava y Grimón befindet sich an der nordwestlichen Ecke der Plaza del Adelantado. Es hat zwei Fassaden, die eine zum Platz und zur Calle Nava y Grimón, der ehemaligen Calle del Agua, die Seitenfassade nach Süden zur Calle Deán Palahi. Der Bau des Hauses wurde im Jahr 1586 durch Tomás Grimón begonnen. Der mittlere Teil der Fassade mit seinem Giebelabschluss und den gedrehten Säulen im Stil des Barockswurde zu Ende des 17. Jahrhunderts errichtet. Im Jahr 1776 ließ Tomás Nava Grimón y Porlier das Haus komplett erneuern. Die Fassade zur Plaza del Adelantado wurde mit Cantería azul (einem Stein, der in Tegueste abgebaut wird) verkleidet. Hierbei sind diePolsterquader an den Ecken besonders bemerkenswert. Auch die Balustraden, die die Wandfläche nach oben abschließen, stammen aus dieser Zeit. Auf der Fläche über der Tür erscheint das Wappen der Familie Grimón. Im Giebelfeld ist das Wappen der Marqueses de la Villa nueva del Prado angebracht, ein Titel der in der Familie Nava y Grimon erblich ist. Auf der Rückseite des Innenhofes wurde eine glanzvolle Haupttreppe mit Marmorbalustraden und -stufen errichtet, die von einer Decke abgeschlossen wird, die mit portugiesischen Ornamenten geschmückt ist. Das Haus an der Plaza del Adelantado war im Zeitalter der Aufklärung die Bühne für die Tertulias (die politisch-literarischen Salons), deren Mittelpunkt Tomás und später Alonso Nava y Grimón waren. Das Gebäude wurde im Jahr 1976 unter Denkmalschutz gestellt.
Convento und Iglesia Santo Domingo [Bearbeiten]


Ex-Convento Santo Domingo
Der Eroberer Don Alonso Fernández de Lugo überließ am 13. Mai 1522 dem Dominikanerorden die Kapelle San Miguel an der heutigen Plaza del Adelantado, damit dieser im Umfeld der Kapelle ein Kloster mit dem Namen San Miguel de los Ángeles hätte gründen können. Ein Kloster mit diesem Namen wurde dann aber von den Franziskanern etwas nördlich der damaligen Stadt errichtet. Nachdem fünf Jahre vergangen waren, und bis dahin der Klosterbau der Dominikaner nicht angefangen war, wurden die Mönche im Jahr 1527 aufgefordert, diesen Platz zu verlassen. Dieser war nun, nach einem Beschluss des Cabildos vom 3. Juni 1524 für ein Kloster derDominikanerinnen vorgesehen. Die Mönche zogen um auf ein neues Grundstück, auf dem bereits eine Kapelle, die Ermita de la Concepción stand. Hier begannen sie mit dem Bau eines neuen Klosters, das den Namen Santo Domingo de la Concepción erhielt. Am 9. Dezember 1532 stellten die Mönche fest, dass sie so eine ehrgeizige Arbeit, wie es der Bau des Klosters darstellte, nicht allein vollbringen konnten. Als Hilfe bot die Stadtverwaltung an 150 FanegaWeizen jährlich über acht Jahre zu liefern; im Tausch dafür, dass die Dominikaner Unterricht in Grammatik, Logik und Philosophie erteilten. Im Jahr 1612 wurde das Unterrichtsangebot erweitert durch die Einrichtung eines Lehrstuhles für Theologie. Ein Jahr danach wurden im Kloster eine Schule unter dem Namen Santo Tomás und eine öffentlich Bibliothek eingerichtet. Während des 18. Jahrhunderts gerieten das Kloster und die Schule in Rivalität mit den Augustinermönchen, die eine vom Papst genehmigte Universität eingerichtet hatten. Ein Jahrhundert später wurde im Rahmen derDesamortisation auch das Kloster Santo Domingo in La Laguna aufgelöst und der Besitz eingezogen. Im Jahr 1841 übernahm die Stadtverwaltung die Gebäude, um darin das Hospital de Dolores unterzubringen - das wurde allerdings nie durchgeführt. Nach der Auflösung des Klosters wurden die Gebäude in ein Gemeindehaus und ein kirchliches Gefängnis umgewandelt und gelegentlich auch als Bischofssitz genutzt. 1877 wurden sie in ein Priesterseminar umgewandelt. In den Jahren 1980 bis 2000 war hier eine Einrichtung der Erwachsenenbildung untergebracht. Seit Ende des Jahres 2002 werden die Räume des Klosters von der Stadtverwaltung genutzt; dort ist heute (2008) der Sitz des Amtes für Kultur und das geschichtlich-künstlerische Erbe der Stadt San Cristóbal de la Laguna. Der Bau der Kirche stand von Anfang an unter dem Schutz bedeutender Familien aus La Laguna, die teilweise hier ihre Grabstädte hatten. Die Klosterkirche entwickelte sich aus der Kapelle de la Concepcíon, die heute ein Teil des Seitenschiffs bildet. Das restliche Seitenschiff besteht, von außen erkennbar, aus vielen ehemaligen Kapellen unterschiedlicher Höhe. Der Glockenturm (espadaña) aus dem 18. Jahrhundert steht in einem rechten Winkel zur Kirchenfassade. Er überragt die Fassade des Klosters und verbindet die beiden Gebäude. Im Jahr 1945 kümmerte sich der Gemeindepfarrer José García Pérez um die Restaurierung der Kirche. Von ihm stammt der Einfall, die südliche Innenwand durch ein flächendeckendes Fresco schmücken zu lassen. Die Themen für das Bild wurden von dem damaligen Bischof Fray Albino González Menéndez-Raigada ausgewählt: Sankt Pius in der Schlacht von Lepanto, die Aushändigung des Rosenkranzes an den Heiligen Dominikus, die Heilung eines Gelähmten durch die Jungfrau von Candelaria (vor dem Eingang der Kirche Santo Domingo). Das Ganze wird gekrönt von einem Fries, in welchem die Allegorien des Rosenkranzes und die Litanei der Jungfrau dargestellt sind. Signiert ist das Bild von Mariano de Cossío und Antonio González mit dem Datum 1948. Zur Zeit ist die Kirche die Gemeindekirche unter dem Patronat der Virgen del Rosario. Sie steht seit 1986 unter Denkmalschutz.
Ermita San Miguel [Bearbeiten]


Ermita San Miguel
Die Kapelle San Miguel befindet sich etwa in der Mitte der Ostseite der Plaza del Adelantado. Die Errichtung der Kapelle begann auf Anordnung des Adelantados Don Alonso Fernández de Lugo im Jahr 1506. In der Kapelle fanden bis zur Errichtung des Cabildogebäudes die Sitzungen des Cabildos statt. Nach dem Tod des Erbauers verfiel die Kapelle, wurde aber im Jahr 1547 wiederaufgebaut. Im Jahr 1759 wurde die Fassade an die Fluchtlinie des Platzes angeglichen und erhielt so ihr heutiges Aussehen. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Kapelle, die bis dahin als Lagerraum diente, renoviert und bietet heute einen geeigneten Raum für Ausstellungen. Das Gebäude steht seit 1999 unter Denkmalschutz. Die Kapelle ist ein gutes Beispiel für traditionelle religiöse Gebäude der Kanarischen Inseln. Der größte Teil der Fassade wird durch die Eingangstür eingenommen, die oben in einem Halbkreis abschließt und von zwei Pilastern und einem Bogen aus Haustein umrahmt ist. Über dem Bogen ist die Jahreszahl 1759 angebracht, das Jahr der Erstellung der Fassade. Den oberen Abschluss der Front bildet ein geschwungener Bogen und auf beiden Seiten eine Espadaña (Glockengiebel). Der einschiffige Innenraum ist in drei unterschiedlich hohe Ebenen gegliedert.
Iglesia und Convento de Santa Catalina de Siena [Bearbeiten]


Convento de Santa Catalina
Die ersten Informationen über das Kloster der Heiligen Katharina von Siena stammen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im Jahr 1524 plante das Cabildo die Gründung eines Nonnenklosters auf einem dafür bereitgestellten Gelände. Trotzdem wurde das Projekt erst im Jahr 1611 verwirklicht. Juan de Cabrejas, Regidor der InselLa Palma und seine Ehefrau Doña María de Salas kauften im Jahr 1600 das Gelände, auf dem das seinerzeit unbewohnte und teilweise verfallene Haus des Adelantado stand. Sie traten es an den Orden ab, damit dort das Nonnenkloster der Dominikanerinnen gebaut werden konnte. Am 23. April 1611 wurde das Kloster nach dem Eintritt der ersten vier Nonnen aus Sevilla geweiht. Das Kloster bekam sein endgültiges Aussehen im 17. Jahrhundert. In dieser Zeit wurde es zu einem der reichsten der Insel. Nach und nach wurde der gesamte Häuserblock mit weiteren Gebäuden des Klosters bebaut. Ende des 17. Jahrhunderts lebten hier mehr als 100 Schwestern. Im 19. Jahrhundert war das Kloster aufgrund der großen Zahl der Ordensfrauen von der Desamortisation nicht betroffen. Es ist bis heute mit demselben Orden verbunden. Auch heute (2008) leben hier Ordensschwestern der Dominikanerinnen in Klausur. Die Anordnung der einzelnen Bauteile entspricht den architektonischen Grundsätzen der Klosterarchitektur der Entstehungszeit. Die Dächer sind mit gewölbten Ziegeln gedeckt. Die Außenmauern überragen den Glockenturm, die Miradores-ajimezes (durch Holzgitter geschlossene Aussichtsbalkone) haben eine eindeutig maurische Tradition. Die einschiffige Kirche wurde in der gleichen Zeit wie das Kloster errichtet. Der Marmorboden ist neueren Ursprungs. Die Holzdecke ist im Mudejar-Stil angelegt. Die zwei großen geschnitzten Eingangstore der Kirche werden von Halbkreisbögen abgeschlossen. In der Kirche befindet sich der Leichnam der Schwester María de Jesús León y Delgado. Der Reeder und Schiffskapitän Amaro Rodrígez Felipe, bekannt als el Corsario Amaro Pago, erwirkte drei Jahre nach ihrem Tod bei den Oberen des Ordens die Exhumierung, um sie in einen Holzsarg um zu betten. Die Nonnen wurden üblicherweise direkt in der Erde bestattet. Der Körper erwies sich als nahezu unverändert und ruht seit dieser Zeit in einem Sarg, den der Kapitän gespendet hat. Die Überreste der Schwester María de Jesús, die in dem Ruf der Heiligkeit steht, werden an jedem 15. Februar besonders verehrt. Die örtlichen kirchlichen Autoritäten haben den Heiligsprechungsprozess beantragt.
Convento de San Juan Bautista oder Santa Clara [Bearbeiten]


Convento Santa Clara
Das Kloster der Klarissen mit dem Namen San Juan Bautista war das erste Nonnenkloster, das auf den Kanarischen Inseln gegründet wurde. Die ersten Ordensschwestern kamen aus dem Kloster San Antonio in Baez und dem Kloster Regina Coeli in Sanlúcar de Barrameda. Sie erreichten am 20. Februar 1547 den Hafen vonSanta Cruz. Die Überfahrt hatte das Cabildo der Insel gezahlt. Es gab ein Übereinkommen mit den Franziskanermönchen, die das Kloster San Miguel an den weiblichen Orden abgeben und selber in das Hospital San Sebastian übersiedeln sollten. Im Jahr 1572 forderten die Mönche ihr Kloster zurück. Der lange Streit um die Wiederherstellung des Klosters San Miguel wurde schließlich durch ein Urteil des Papstes zugunsten der Mönche entschieden. Im Jahr 1575 versprach Olalla Fonte del Castillo, die Witwe des Regidors Juan Fiesco Nisardo, ein Kloster und eine Kirche für die Klarissenzu errichten. Am 21. Dezember 1577 konnten die Schwestern die Gebäude übernehmen. Während des 17. Jahrhunderts wuchs das Kloster, so dass in der Mitte des Jahrhunderts 150 Ordensschwestern in dem Kloster lebten. Ein Feuer zerstörte im Jahr 1697 große Teile des Gebäudes. Der Wiederaufbau wurde unverzüglich in die Wege geleitet, und die Kirche konnte bereits im Jahr 1700 wieder genutzt werden. Das Kloster wurde im Rahmen der Desamortisation nicht aufgehoben. Noch heute (2008) leben hier Ordensschwestern der Klarissen in Klausur. Das Gebäude in seiner heutigen Form stammt aus dem 18. Jahrhundert. Es ist mit zwei großen Innenhöfen versehen die nach der Art der Klosterhöfe der Kanarischen Inseln Holzgalerien haben. Darüber hinaus gab es einen dritten dahinter liegenden schmalen offenen Platz von der gleichen Art wie die vorherigen. Im Inneren des Klosterkomplexes überwiegen die offenen Plätze, die für Licht und Belüftung in den Wohnräumen sorgen, so dass auf Öffnungen in den Außenmauern verzichtet werden konnte. Von außen fällt besonders der schöne Mirador-ajimez nach maurischem Geschmack auf. Er stammt aus dem Jahr 1717. Die Kirche ist einschiffig. Der rechteckigem Altarraum ist durch einen Halbrundbogen abgetrennt. Von besonderem künstlerischem Interesse ist die achteckig gefasste Decke über dem Hauptaltar, die ebenfalls eindeutig maurische Einflüsse erkennen lässt. Die Gebäude stehen seit 1978 unter Denkmalschutz.
Convento San Francisco oder Real Santuario del Cristo de La Laguna[Bearbeiten]


Real Santuario del Santísimo Cristo de La Laguna,
Das Franziskanerkloster San Miguel de Las Victorias (Heiliger Michael der Siege) wurde direkt nach Abschluss der Eroberung Teneriffas durch Alonso Fernández de Lugo gegründet. Mit dem Bau des Klosters wurde bereits im Februar oder März 1506 begonnen. Die wichtigsten Gebäude des Klosters konnten aber erst im Jahr 1580 fertig gestellt werden. Unterlagen über die Baugeschichte sind nicht mehr vorhanden. Wir wissen nur, dass es sich um zweistöckige Gebäude handelte, die um einen Hof angeordnet waren. Von diesem Hof gingen verschiedene Anbauten ab; im oberen Stockwerk befanden sich Schlafsäle, Zellen, Werkstätten und eine Krankenstube. Im unteren Teil waren Versorgungsräume und einige Kapellen. Der Bau der Kirche wurde in der gleichen Zeit begonnen. Von dem einzigen Schiff dessen Eingang auf der rechten Seite war, finden sich heute noch Reste in den Grundmauern des heutigen Altarraums. Es fanden immer wieder Erweiterungen statt, so dass sich die Kirche auf drei Schiffe und verschiedene Kapellen vergrößerte. Aufgrund verschiedener Unglücksfälle war es notwendig das Kloster im Laufe des 17. Jahrhunderts häufig zu renovieren. Ein weiteres bedeutendes Unglück war die schwere Überschwemmung, die La Laguna im Januar 1713 heimsuchte. Sie betraf einen großen Teil der Gebäude, die unbewohnbar wurden. Daher musste das Kloster zeitweilig verlegt werden, um die Wiederaufbauarbeiten durchführen zu können. Der Klosterhof wurde vergrößert und seit 1726 schlossen sich an den Hof Unterrichtsräume an. Auch das Franziskanerkloster lieferte so einen bedeutenden Beitrag zur Verbreitung von Bildung in La Laguna. In der Nacht des 28. Juli 1810 erlitt das Gebäude einen schweren Brand. Nur der Glockenturm und das Haus der Bruderschaft wurden verschont. Es konnten aber einige bedeutende Kunstwerke gerettet werden. Darunter der schon damals berühmteSantísimo Cristo de La Laguna, eine Figur, die als Arbeit eines unbekannten Meisters des 15. Jahrhunderts angesehen wird. Die Figur steht heute wieder am Hauptaltar vor einem in Silber getriebenem Retabel. Bei der Prozession zu Ehren des Santísimo Cristo, die jedes Jahr am 14. September stattfindet, wird das Kreuz mitgeführt. Das Gebäude steht seit dem Jahr 1986 unter Denkmalschutz.
Ex-Convento de San Agustín (I.E.S. Canarias „Cabrera Pinto“) [Bearbeiten]


Ex-Convento de San Agustín
Die Ursprünge des ehemaligen Klosters San Agustín gehen auf den Anfang des 16. Jahrhunderts zurück, als der Adelantado, Alonso Fernández de Lugo den Orden der Augustiner dafür belohnte, dass dieser ihn bei der Eroberung und Kolonisation der Insel begleitete. Die ersten schriftlichen Urkunden des Klosters Espíritu Santo (Heiliger Geist) sind aus dem Jahr 1504. Im Jahr 1506 wurde mit dem Bau der Klostergebäude begonnen. Die Fertigstellung fällt in die Zeit des Priors Pedro Grimón (zwischen 1527 und 1560), der ein Sohn des Eroberers Jorge Grimón war. Diese Verwandtschaft erklärt auch, warum diese Familie und ihre Nachkommen, die Nava y Grimón, Schirmherren des Klosters waren. Weitere Schenkungen in Form von Ackerland, Landgütern, Wasserrechten, Grundstücken und Häusern in verschiedenen Gegenden Teneriffas machten das Kloster zu einem der reichsten der Insel. Die längste Zeit des Bestehens dienten die Gebäude der Vermittlung von Bildung. Seit 1539 wurde im Eingangssaal Latein und Grammatik unterrichtet. Die Kosten dafür übernahm das Cabildo. Während des 18. Jahrhunderts wurde die erste kurzlebige Universität der Kanarischen Inseln, die Augustina hier gegründet. Sie kam im Jahr 1821 als Universidad Literaria de San Fernando zurück in die Räume der Mönche bis im Jahr 1836 das Kloster aufgehoben wurde. Die Universität wurde fortgeführt bis in das Jahr 1845. Ein königlicher Erlass löste sie auf und an ihrer Stelle wurde im Jahr 1846 das Instituto de Segunda Enseñanza de Canarias (ein Gymnasium) geschaffen. Es war das einzige Gymnasium auf den Kanarischen Inseln, bis im Jahr 1916 ein weiteres in Las Palmas de Gran Canaria und 1931 ein drittes auf La Palma gegründet wurde. Erst als 1970 das Ley General de Educación in Kraft trat, vervielfältigte sich die Anzahl der Gymnasien auf den Inseln. Im Jahr 1926 wurde nach den Plänen von Pelayo Lopez neue Anbauten aus Beton an das alte Gebäude angebaut. Hierdurch entstanden an der Calle Anchieta vier Höfe und an der Calle Rodrígez Moure ein Abschluss mit einer neoklassizistischen Fassade. Die Arbeiten wurden Jahr 1935 unterbrochen und in den Jahre 1944 bis 1948 durch den gleichen Architekten fortgeführt. In den 50ern wurden die Arbeiten durch den Architekten Domingo Pisaca beendet. Das Gebäude erhielt seine letzte große Restaurierung in den Jahren 1993 bis 1997, die durch die Regierung der Autonomen Region der Kanarischen Inseln und durch das Cabildo der Insel finanziert wurde. Heute bietet das Gebäude einen der schönsten Renaissanceinnenhöfe der noch den Originaleindruck vermitteln. Von den sechs Kapellen, die an den Innenhof anschlossen, sind heute noch eine Säule und ein Teil einer Wandmalerei zu erkennen. Der zweite Innenhof, der Claustro de los Cipreses (Zypressenhof) aus dem 18. Jahrhundert, wurde 1993 nahezu originalgetreu wiederhergestellt. Die Kirche wurde im Jahr 1964 durch einen Brand zerstört. Geblieben sind nur die Außenmauern und ein Marmorrelief der Virgen de Gracia über dem früheren Hauptportal. Im Jahr 1983 wurde das Ex-Convento de San Agustín unter Denkmalschutz gestellt.
Iglesia Cathedral oder Iglesia Santa María de los Remedios [Bearbeiten]


Fachada de la Iglesia Catedral
Die ehemalige Gemeindekirche Santa María de los Remedios ist vermutlich die Kirche in La Laguna die die umfassendsten Veränderungen durchgemacht hat. Der Bau wurde 1515 als zweite Gemeindekirche begonnen. Ihre Grundfläche von 80 mal 48 Fuß war von bescheidenen Ausmaßen. Spätere Umbauten, besonders in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wandelten bis zum Jahr 1590 die einschiffige in eine dreischiffige Kirche mit einem stark erweiterten Altarraum um. Im 17. Jahrhundert wurde die Kirche um einige Kapellen erweitert. Am Ende des 18. Jahrhunderts bestand die Kirche aus fünf Schiffen und einem Glockenturm mit einer Uhr. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts dieser Glockenturm wegen Einsturzgefahr erneuert werden musste, entschloss man sich, die gesamte Fassade umzugestalten. Diese Umgestaltung fiel zusammen mit der Gründung der Diözese La Laguna. Die Gemeindekirche wurde zur Kathedrale erklärt. Als Folge der vielen Umbauten und Eingriffe in die Grundstruktur des Gebäudes im 19. Jahrhundert ergaben sich Probleme mit der Stabilität, die dazu führten, dass die Kirche geschlossen und zur Ruine erklärt werden musste. Es wurde entschieden, die Kirche mit Ausnahme des größten Teils der Fassade neu aufzubauen. Bei dem Neuaufbau in den Jahren 1904 bis 1915 wurde die Gesamtgröße der Grundfläche eingehalten, allerdings in einer dreischiffigen Anlage. Als neues Element wurde ein Umgang um den Altarraum eingeführt. Die Vierungskuppel steht ein wenig im Widerspruch zu dem neugotischen Eindruck des Innenraums. Die Kirche ist seit einigen Jahren wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Als Bischofskirche dient derzeit (2008) die Iglesia de la Concepción.
Iglesia de la Inmaculada Concepción de la Virgen María [Bearbeiten]


Iglesia de La Conceptión
Die Kirche La Concepción ist die älteste Gemeindekirche der Insel. Das erste Gebäude stammte aus den Jahren 1496/1497. Von diesem Bauwerk ist heute nichts mehr erhalten. Im Jahr 1515 bat das Cabildo von La Laguna das Domkapitel in Las Palmas de Gran Canaria um die Genehmigung die Kirche wiederaufbauen und erweitern zu dürfen. Die Wiederherstellung wurde von Alonso Fernández de Lugo gebremst, dessen Interesse darauf gerichtet war, die Entwicklung der Villa de Abajo und damit den Bau der Kirche Remedios zu fördern. Nach verschiedenen Wechselfällen zeigte die Kirche im Jahr 1558 bereits grundsätzlich ihr heutiges Aussehen, d. h. drei Schiffe, die durch Säulen getrennt sind. Aufgrund der Erweiterungen, die im 17. Jahrhundert vorgenommen wurden, war eine Totalrenovierung notwendig, bei der in den Jahren 1714 bis 1737 auch der Hauptaltarraum erweitert wurde. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurden verschiedene Teile des Gebäudes erneuert oder abgerissen. Das war notwendig wegen der teilweise schlechten Qualität der verwendeten Baustoffe. Ein Teil der Konstruktion, die wir heute sehen, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts begonnen. Heute ist die Kirche eine Zusammenfassung von Gebäuden verschiedener Epochen, die keinen einheitlichen Stil aufweisen. Die Bauart ist aber typisch für kanarische Kirchen: Haustein an den Ecken, den Fensterfüllungen und den Portalen und große verputzte und angestrichene Flächen. Der Zugang geschieht durch zwei seitliche Portale. Der Eingang auf der Nordseite ist aus dem 16. Jahrhundert und liegt auf dem Niveau des Platzes. Den Eingang auf der gegenüberliegenden Seite erreicht man über Treppen, die von Gartenanlagen umgeben sind. Auf der Nordseite der Kirche steht als unabhängiger Baukörper der Glockenturm auf einer quadratischen Grundfläche. Er gilt als das Erkennungszeichen der Stadt La Laguna. Der Turm wurde zum ersten Mal im Jahr 1577 errichtet, fiel aber recht bald zusammen, um im Jahr 1630 neu erbaut zu werden. Auch dieser Bau war nicht von langer Dauer. Ein drittes und letztes Mal wurde der Turm dann im Jahr 1694 erbaut. Inzwischen hat er, auch in unserem Jahrhundert, viele Veränderungen erfahren. Die Kanten des Turms und die Fenstereinfassungen sind aus Haustein. Die unteren sechs Stockwerke werden durch einen achteckigen Abschluss gekrönt. Der untere Teil des Turms, der von der Kirche aus durch eine Seitenkapelle erreicht werden kann, wird alsTaufkapelle genutzt und hat ein gotisches Gewölbe. In dieser Kapelle wird ein Taufbecken aus Majolikaaufbewahrt, das aus Sevilla stammt und für die Taufe der Guanchenfürsten benutzt worden sein soll, die sich 1496 in Los Realejos den Eroberern ergeben hatten. Die Kirche steht seit 1948 unter Denkmalschutz.
Verkehr [Bearbeiten]


Seit dem Jahr 2007 sind die Innenstädte von Santa Cruz und La Laguna wieder durch eine Straßenbahnlinie verbunden.
Der Flughafen Los Rodeos, der auch als Tenerife Norte bezeichnet wird, liegt auf dem westlichen Stadtgebiet von La Laguna. Durch ein Unglück mit fast 600 Toten im Jahr 1977 erlangte er traurige Berühmtheit. Der Flughafen ist heute mit allen notwendigen Einrichtungen wie Bodenradar sowie Start- und Landehilfen ausgerüstet. Über diesen Flughafen wird in erster Linie der Flugverkehr mit den anderen Inseln und mit dem spanischen Festland abgewickelt.
Die Nordautobahn TF-5 von Santa Cruz nach Realejos führt direkt an der Innenstadt vorbei. Mit der Südautobahn TF-1, die von Santa Cruz zum Südflughafen führt, ist La Laguna durch die Anschlussautobahn TF-2 (Enlace) verbunden. Östlich der Stadt verbindet eine Umgehungsstraße die Stadt Tegueste mit der Nordautobahn.
Seit dem Jahr 2007 sind die Innenstädte von Santa Cruz und La Laguna wieder durch eineStraßenbahnlinie verbunden.
MADEIRA


Die ganze Inselgruppe ist im Prinzip ein großes Unterwassergebirge, von dem sich einige Spitzen über die Meeresoberfläche erheben. Während sich der höchste Gipfel Madeiras, der Pico Ruivo de Santana, gerade mal 1861 m in die Höhe erhebt, fällt die ganze Insel ca. 4000 m tief steil in den Atlantischen Ozean hinab - ein gewaltiges Gebirge, wenn man sich dieses Ausmaß vorstellt.
Madeira und Porto Santo sind die einzigen beiden bewohnten Inseln der Inselgruppe. Den 3 Ilhas Desertas mangelt es an Trinkwasser; sie sind daher unbewohnt, oder wie der Name einfach sagt: verlassen. Auch die weiter südlicher gelegenen "wüsten" Inseln sind nicht bewohnt.
Madeira hat eine Größe von ca. 60 km auf maximal 23 km. Der Gesamtumfang der Insel beträgt 150 km. Madeira erscheint damit auf den ersten Blick eine winzige Insel zu sein. In der Tat braucht man jedoch Stunden, um nur von einem Ende zum anderen Ende der Insel zu gelangen.
Wie ist Madeira beschaffen?
Da es sich bei der ganzen Insel um ein rießiges Gebirge handelt, das ganz tief unten im Ozean beginnt, sind fast sämtliche Küsten der Insel steil und schroff. Traumhaft weite Sandstrände findet man auf Madeira nicht. Wer jedoch unbedingt einen Sandstrand zum Baden braucht, der ist auf der Nachbarinsel Porto Santo bestens aufgehoben. Diese Insel hat nämlich kurioserweise genau das, was Madeira nicht hat: lange, schöne, breite, einladende Sandstrände.

FUNCHAL

Geschichte und Entwicklung

Die ganzen Hänge Funchals, die heute mit Häusern vollgepfropft sind, waren einst üppig mit Fenchel bewachsen. Die ersten Siedler rodeten das Fenchelgestrüpp einfach ab und benannten die Stadt nach der Pflanze: Fenchel heißt auf portugiesisch funcho.
In Funchal begann also quasi bei der Gründung der Stadt bereits eine Umweltverschändung, wie sie heute kein Mensch mehr zulassen würde. Leider wächst die Stadt auch heute noch auf Kosten der Umwelt permanent an. Die 3 Flüsse, die sich in Funchal treffen, um gemeinsam in das große Meer zu fließen, wurden stellenweise einfach kanalisiert - was für ein Eingriff in die Natur.
Funchal platzt aus allen Nähten; die Stadt wächst in alle Richtungen. Fährt man durch Funchal hindurch, so erkennt man eine einzige Baustelle. Überall enstehen neue Bürogebäude, Wohnhäuser und natürlich eine rießige Anzahl von neuen Hotels. Straßen entstehen oft schneller, als sie in Karten eingezeichnet werden können. Funchal ist mit seiner näheren Umgebung im Osten und im Westen mit einer vierspurigen Autobahn verbunden. Man überlege sich dies einmal auf einer Insel, die keine 300.000 Einwohner hat.
Überall werden neue Straßen gebaut; alte Straßen werden verbreitert; es entstehen zahlreiche Tunnels, um die Straßen nicht an den Felsenverlauf der Insel anpassen zu müssen. Dies gilt übrigens nicht nur für die Hauptstadt Funchal, sondern für die ganze Insel.
Mein Eindruck von der Stadt
Funchal hat auf mich sehr abschreckend gewirkt. Alleine die Fahrt durch Funchal hat mich so genervt wie es sonst nur eine Einkaufsfahrt in Münchens Zentrum an einem Samstag Morgen fertigbringen könnte. Möchte man in der Stadt ein Ziel mit dem Auto erreichen, so ist man in  einem unübersichtlichen Wirrwar von Einbahnstraßen oft hoffnungslos verloren. Vor allem die Nebenstraßen werden teilweise so eng und steil, dass man sich mehr durchrangiert als dass man durchfährt.

Auf dieser Seite beschreibe ich eine wunderschöne Inselrundfahrt im Osten der Insel. Sie beginnt in Funchal, führt zum Ostzipfel der Insel, dann auf der kurvigen, bergigen Küstenstraße im Nordosten der Insel bis Sao Vicente, von dort schnurstracks quer durch die Insel hinunter in den Süden nach Ribeira Brava und von dort an der Südküste entlang zurück nach Funchal. Die Wegstrecke ist kilometermäßig kurz, aber im Nordostteil der Insel dauert ein Kilometer sehr sehr lange.
Machico - der älteste Ort Madeiras
Fährt man von Funchal aus zum Ostzipfel der Insel, so nimmt man am Besten die Autobahn, da es auf dieser Strecke nicht allzu viel zu sehen gibt. Am Beeindruckendsten sind die Säulenstelzen der Flughafenlandebahn, unter der man durchfährt. Während früher Madeira's Flughafen einer der abenteuerlichsten weltweit war, hat er heute eine ganz normale Landebahn. Wie viel Beton für die dicken Tragsäulen auf die Insel geschafft werden musste, wird einem bei der Unterquerung deutlich.
Der nächste Ort hinter der Flughafenstadt Santa Cruz ist Machico - der älteste Ort Madeiras. Sofort fallen einem die beiden Festungen auf, die errichtet wurden, um die Stadt  besser gegen Piratenangriffe zu schützen. Machico entwickelt sich dank seiner geschützten Lage und seinem sonnigen milden Klima mehr und mehr zu einem Touristen-Urlaubsort. Für Besucher bietet das kleine Städtchen viele Reize: Machico ist ein richtig nettes Städtchen zum Bummeln: In kleinen Sträßchen und Platanenalleen gibt es viele kleine Geschäfte; vor allem gibt es viele kleine Läden, die Wein, Schnaps und Honigkuchen verkaufen.
Beim Bummeln durch Machico trifft man zwangsläufig auch auf die kleine Strandpromenade, wo man sowohl im Meer als auch in kleinen Pools baden darf. Für Umkleidekabinen und Toiletten ist gesorgt. Überhaupt hat mich in Machico überrascht, dass es an jeder Ecke öffentliche Toiletten gibt. Für den Ort Machico braucht man nicht lange, um alles zu besichtigen, aber den gemütlichen Ort mit seinen netten Sträßchen und Plätzen sollte man nicht auslassen.
Canical - der Ort der Wale
Von Machico aus machen wir einen Abstecher zum Ostende der Insel. Durch einen 750 m langen Tunnel gelangt man schließlich in den Ort Canical. Der kleine Ort hat eine lange Tradition, was den Walfang betrifft. Stolz zeigen die Fischer in einem kleinen Museum von ihrer glorreichen Vergangenheit. Der Walfang ist in der Tat Vergangenheit; aus dem einstigen Walfanggebiet wurde ein Nationalpark für Meeressäugetiere.
Der 3000 Einwohner Ort Canical selbst ist nicht sehenswert; die meisten Touristen machen einen Abstecher im Walfangmuseum, um dann weiter zum östlichen Inselende zu fahren. Auch das Walfangmuseum kann man sich getrost sparen; bei 1,25 € Eintritt verliert man aber auch nicht viel Geld, wenn man sich die 15 Minuten Zeit nimmt, um alles zu sehen.
Ponta de Sao Lourenco
Also am Besten lässt man Canical rechts liegen und fährt gleich weiter zur Ponta de Sao Lourenco, denn was man hier zu sehen bekommt ist einmalig. Auf einer breiten Straße fährt man durch eine wüstenartige Landschaft bis zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man auf beide  Seiten der Insel blicken kann. Wo bleibt die Blumeninsel Madeira, fragt man sich, wenn man zum Ostzipfel der Insel fährt.
Die Erklärung ist ganz einfach: Über das die nur wenige Hundert Meter hohen Felsen ziehen die Wolken einfach hinweg, ehe sie an den höheren Hängen Wasser ablassen. Deshalb regnet es in dieser Gegend praktisch nie und die Landschaft ist wüstenähnlich. Dafür bezaubern einen die Farben aus hell leuchtendem Felsen-Rot, schwarzem Vulkangestein und türkisblauem Meereswasser.
Bei der Fahrt zum Aussichtspunkt war ich total überrascht, als ich mich plötzlich in einem zweispurigen Kreisverkehr befand, obwohl weit und breit kein zweites Auto zu sehen war. Hat da jemand zu viel Geld für den Straßenbau übrig gehabt? Der Ausblick auf die Insel ist atemberaubend, denn man sieht hier sowohl die Nord- als auch die Ostküste. Und direkt unter sich sieht man steile Felsklippen aus dem Wasser emporsteigen. Und alle 15 Minuten wird die abgeschiedene Ruhe kurz durch ein landendes Flugzeug unterbrochen, das direkt über einen hinweg fliegt.
Baden am Strand von Prainha
Auf der Rückfahrt von der Ponta de Sao Lourenco nach Machico fährt man an einem unscheinbaren Strand vorbei, den man von oben aus nicht richtig erblicken kann; ein großer  Parkplatz deutet jedoch darauf hin, dass da unten am Meer etwas sein muss.
Prainha ist ein ca. 50 m langer Sandstrand, zu dem man über eine breite Treppe nach unten gelangt. Der Strand ist schön von Felsen eingesäumt und somit windgeschützt. Den meisten Touristen ist der Abstieg zu mühevoll, so dass man an diesem kleinen Strand hauptsächlich Madeirenser trifft.
Am Strand gibt es Sonnenliegen, Umkleidekabinen, Toiletten und ein kleines Restaurant. In dem Restaurant merkt man deutlich, dass hierher kaum Touristen kommen, denn die Preise sind für ein Strandrestaurant sehr niedrig und die Qualität ist trotzdem gut. Deshalb empfehle ich jedem, nach der Rückkehr vom Ostzipfel der Insel einen kurzen Abstecher an diesem netten kleinen Strand zu machen, wenigstens um sich ein Erfrischungsgetränk zu gönnen, denn es folgt eine lange etwas anstrengende Fahrerei an der Nordostküste der Insel.
Der Adlerfelsen in Faial
Fährt man von Machico aus in Richtung Nordküste, so gelangt man bei Porto da Cruz wieder ans Meer. Durch Porto da Cruz fährt man normalerweise nur durch, es sei denn man hat Hunger;  dann erwarten einen zahlreiche kleine Fischrestaurants. Porto da Cruz ist mehr ein Ausgangspunkt für Wanderer, denn von hier aus führen zahlreiche Wege in alle Richtungen; viele Leute wird man hier nicht treffen.
Eine berühmte Wanderung führt auf den ca. 600 m hohen Adlerfelsen (Penha de Águia) bei Faial. Der kleine Ort Faial liegt am Fuße des steil ins Meer abfallenden Adlerfelsen. Früher sollen auf diesem Felsen zahlreiche Fischadler genistet haben, daher der Name Adlerfelsen. Mit dem Auto kann man ein Stück hinauf fahren, um von einer kleinen Plattform aus einen Blick auf die höchsten Berge der Insel zu werfen.
Santana und seine Häuschen
Obwohl Faial und Santana nur wenige Kilometer auseinander liegen, dauert die Fahrt doch ziemlich lange, da man auf der kurvenreichen Strecke nicht schnell fahren kann. Santana ist mit über 10.000 Einwohnern der größte Ort an der Nordostküste Madeiras. Eigentlich würde man  die Städt einfach links liegen lassen, wären da nicht die weltberühmten Santana-Häuschen. Dabei handelt es sich um winzige alte Bauernhäuser mit strohbedeckten Dächern, die fast bis auf den Boden reichen.
Obwohl diese kleinen Häuschen wie ein Kunstwerk aussehen, entstanden sie aus der Not der früher von der Außenwelt völlig abgeschnittenen Dorfbewohner. Gebaut wurde mit den Rohstoffen, die man selbst hatte, und das war Holz und Stroh. Von diesen Santanahäuschen (Casas de Colmo) gibt es heute noch ca. 100 Stück in und um Santana; die meisten dienen nur noch als Schuppen oder stehen leer.
In Santana stehen im Stadtzentrum neben dem Rathaus drei solche Häuschen zur Besichtigung bereit. Man fährt unweigerlich daran vorbei, so dass man nicht lange suchen muss. Ein Santanhäuschen kann man auch von innen besichtigen und sich entsprechende Souvenirs kaufen.
Noch eine Info zum Schluss: Bei den Santanahäuschen am Rathaus gibt es öffentliche Toiletten, und in Santana selbst gibt es eine Tankstelle sowie einige Restaurants, an denen man vorbei fährt. Auf der langen, kurvenreichen Fahrt an der Nordküste entlang vergisst man nämlich gerne den Hunger seines Magens und den Durst des Motors.
Sao Jorge
Zwischen Santana und Sao Jorge beträgt die Luftlinie keine 3 km, aber die Fahrt dauert  ewig, denn man legt mehr Höhenkilometer als Entfernungskilometer zurück. Da freut man sich so richtig, wenn man in Sao Jorge einen kurzen Stopp machen kann. In Sao Jorge gibt es die schönste Barockkirche der Insel; der geschnitzte, vergoldete Altar ist wirklich sehenswert. Man kann direkt vor der Kirche parken.
Tipp: Nur 50 m von der Kirche entfernt gibt es einen kleinen Dorfladen, wo man kühle Getränke und kleine Snacks kaufen kann. Und das ist doch genau das, was man nach der langen kurvigen Fahrerei sehnsüchtig sucht. Also, ein kurzer Aufenthalt in Sao Jorge lohnt sich auf alle Fälle; die Kirche liegt nur 100 m von der Durchgangsstraße entfernt.
Ponta Delgada und Boaventura
Die Weiterfahrt von Sao Jorge bis Ponta Delgada ist anstrengend und aufregend zugleich. Die Straße ist sehr eng und kurvig; bei Gegenverkehr heißt es Rangieren und Absprechen. Die Landschaft ist sehr grün; die Pflanzen scheinen die Straße so  richtig zuwuchern zu wollen. Immer wieder gibt es Haltemöglichkeiten, um die spektakulären Blicke auf die steilen Felswände zu genießen.
Ponta Delgada liegt auf einer kleinen Landzunge direkt am Meer. Hat man diesen Ort erreicht, so hat das anstrengende Serpentinenfahren ein Ende, denn von hier aus geht es schön am Meer entlang auf einer gut ausgebauten Straße weiter bis Sao Vicente. Im Ort Ponta Delgada lädt ein Meerwasserschwimmbecken zum Ausruhen ein; als ich dort war, war die Anlage jedoch geschlossen; dabei hätte ich mich so sehr nach einer richtig nassen Erfrischung gesehnt.
Sao Vicente
In Sao Vicente endet unsere Fahrt an der Nordostküste entlang und wir fahren quer durch die Insel zurück in den Süden. Wer sich vielleicht doch vorgenommen hat, die gesamte Insel an einem einzigen Tag zu umrunden, wird spätestens hier seine Expedition zur Westinsel hin auf einen anderen Tag verschieben, denn die Fahrerei durch die bergige Landschaft hat bis hierher viel Energie und Sitzfleisch gekostet, und was im Westen der Insel folgt ist nicht anders.
Sao Vicente hat einen schönen kleinen Ortskern, in den man allerdings nicht mit dem Auto fahren darf; man muss außerhalb parken. Viel schöner als der Ort selbst ist jedoch das langgezogene Tal von der Küste bis zum Encumeada-Pass hinauf. Ein kleiner Kirchturm auf einem Felsen mitten im Tal zieht die Aufmerksam auf sich. Auch die Terrassen, die sich die Hänge hinauf ziehen, sind bestaunenswert.
Am Schnellsten gelangt man in den Süden nach Ribeira Brava, wenn man durch den langen Tunnel fährt; schöner ist natürlich die Fahrt über den Encumeada-Pass. Da wir aber an diesem Tag schon genügend Bergstraßen gefahren sind, besuchen wir den Encumeada lieber an einem anderen Tag, denn diesen schönen Fleck der Insel erreicht man praktisch von jedem Ort der Insel aus in kurzer Zeit.
Cabo Girao - die höchste Steilküste Europas
Von Sao Vicente gelangen wir dank des neuen Tunells sehr schnell nach Ribeira Brava im Süden der Insel, und von dort aus sind wir dank der Autobahn wieder schnell zurück in Funchal. Allerdings lohnt sich am späten Nachmittag noch ein kleiner Abstecher von der Autobahn aus zur  höchsten Steilküste Europas, dem Cabo Girao. Von der Autobahn aus fährt man ca. 10 Minuten durch Pinienwälder zu einem Parkplatz auf der Spitze des Cabs.
Es ist deshalb empfehlenswert, das Kliff am späten Nachmittag zu besuchen, weil dann die Sonne von Westen direkt die Hauptstadt Funchal anleuchtet und man einen fantastischen Blick auf die Hauptstadt hat. Nicht weniger beeindruckend ist jedoch der direkte Blick nach unten zum Meer. 578 m Steilküste gibt es nicht an vielen Orten der Welt. Am Cabo Girao wehen starke Aufwinde und es bilden sich Wolken. Es ist ein faszinierendes Spektakel, wie die Meerwinde an dem Kliff nach oben umgelenkt werden und Wasser zu Wolken auskondensiert.
Auf dem Kliff gibt es eine kleine Ausstellung zu besichtigen und ein WC ist auch vorhanden.



MALAGA

Málaga wurde ca. im 8. Jahrhundert vor Christus von den seefahrenden Phöniziern gegründet, die die Stadt „Malaka“, nach „malak“ = salzen der Fische, nannten. Es war lange Zeit unter der Herrschaft Karthagos, aber letztlich waren es die Römer, die aus Málaga eine Stadt machten. 571 wurde die Stadt von dem westgotischen König Leovigildo besetzt.
Die Araber eroberten Málaga 711 und nach der Eroberung durch die Katholischen Könige im Zuge der Reconquista am 18. August 1487 begannen die „Reformen“, um die Stadt in eine neue christliche Ansiedlung zu verwandeln. Während des Spanischen Bürgerkriegsfand 1937 die Schlacht von Málaga statt.

Málaga, der Geburtsort von Pablo Picasso und das Tor zur Costa del Sol, ist eine hektische, mitunter temperamentvolle Stadt mit 550.000 Einwohnern. Für all jene, die ihre Zeit nicht ausschließlich an den berühmten Stränden und in den dazugehörigen Bars verbringen wollen, gibt es zahlreiche Museen und Monumente zu bestaunen, wie z. B. den Palast La Alcazaba aus dem 11. Jahrhundert oder aber das Museo Picasso Málaga. Die Altstadt strotzt vor Tavernen und Bistros. Über den prächtigen Paseo del Parque kann man an Bananenstauden und Brunnen entlang flanieren. « weniger




MARSEILLE

marseille: besser als ihr ruf
Kultur und Kulinarisches in Südfrankreich
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Städtetour Marseille
Marseille hat seit Jahrhunderten nicht nur in Frankreich einen allzu zweifelhaften Ruf. Doch die zweitgrößte Stadt Frankreichs ist nicht nur das westliche Einfallstor zur Cote d’Azur, sondern hat durchaus ihren ganz eigenen Charme. Marseille eine Stadt, die gut in das südfranzösische Urlaubsprogramm passt. Schließlich gibt es hier eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Doch die Mittelmeer-Metropole ist auch ein ideales Ziel für einen Drei- bis Fünf-Tages-Trip.
Hauptanziehungspunkt für die jährlich mehr als drei Millionen Touristen ist der Hafen, der zu den größten Seehäfen in Europa gehört. Vom Flugzeug oder Hubschrauber beeindruckend, zu Fuß oder mit dem Auto schier unüberschaubar, prägt sich die Hafengegend einem schnell in das Gedächtnis ein. Das Treiben ist hier fast rund um die Uhr mehr als rege – besonders munter geht es in den Morgenstunden zu, wenn die Fischer am Quai des Belges den gerade erst gefangenen Fisch direkt an Touristen und Einheimische verkaufen. Schließlich hat Marseille einen Ruf zu verlieren. Hier soll es die beste Fischsuppe Bouillabaisse geben. Der alte Hafen (Vieux Port) ist der touristische Mittelpunkt der 1,2-Millionen-Stadt. Hier gibt es eine Vielzahl exzellenter Fisch-Restaurants. Nach dem Abendessen sollte ...
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man einen Spaziergang entlang der Hafenbecken machen, wo viele in Boote in Richtung Nacht aufbrechen.
Den schönsten Blick auf den Hafen hat man vom Park Jardin du Pharo, der sich nahe dem Fort Saint Nicolas befindet. Das Fort Saint Nicolas bildet zusammen mit dem Fort Saint Joan die befestigte Einfahrt zum Hafen von Marseille. Die beiden Befestigungstürme hatte einst der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. errichten lassen. Nur unweit des alten Hafens zieht die überdimensionale Cathédrale de la Major alle Blicke auf sich. Die Kuppel der bereits im elften Jahrhundert erbauten Kirche ist rund 70 m hoch. Durch die von weitem sichtbare Kathedrale sollten im Mittelalter Schiffe von weitem erkennen können, dass hier das Christentum regiert. Schließlich ist Marseille seit vielen Jahrhunderten das Einfallstor aus Afrika. Jeder dritte Einwohner von Marseille stammt nicht aus Frankreich. Viele kommen auf legalem oder illegalem Wege ins Land. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent.
Nicht weniger beeindruckend erhebt sich die Basilika Notre Dame de la Garde über den südlichen Teil der Stadt. Der 1864 fertig gestellte Bau thront auf einem 150 m hohen Hügel. Nachts wird die vergoldete Madonnenfigur mit Scheinwerfern beeindruckend beleuchtet. Vor der Stadt gibt es ein weiteres Highlight von ...
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Marseille. Die Gefängnisinsel Chateau d’If wurde durch den Schriftsteller Alexandre Dumas weltberühmt. Hier soll die Romanfigur des Grafen von Monte Christo im Gefängnis gesessen haben. Sehenswert ist das kleine Eiland allemal. Weitere Sehenswürdigkeiten vonMarseille sind das Hotel de Ville, das Maison Diamantèe, das Hafenmuseum Musèe des Docks Romain oder das schmucke Panier-Viertel. (pi)
Essen & Trinken:
Abri Cotier, Boulevard des Baigneurs,Marseille, beliebtes Fischrestaurant, frischer Fisch, einfach zubereitet, Tel.: 0491/722729;
Bistro Gambas, 29, Place aux Huiles,Marseille, der Name ist Programm, gemütliches Fischrestaurant im alten Hafen von Marseille, Tel.: 0491 / 332644;
Lina’s, Les Docks Atrium, 10, Place de la Joliette, Marseille, Snack Bar der Einheimischen in Hafennähe; Tel.: 0491/003535.




Die Stadt Marseille in „Transit“
Anna Seghers hat der Stadt Marseille in dem Roman „Transit“ dank der vielen Beschreibungen ein liebevolles Denkmal gesetzt. Viele Kapitel beginnen mit einer genauen Ortsangabe. Anna Seghers hat die real existierenden Örtlichkeiten benutzt, größtenteils sogar deren wirkliche Namen verwendet, andererseits hat sie diese aber auch verwandelt und unterschiedlich montiert.
Link Zum Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit

Die Situation im Krieg wird in „Transit“ mehrmals durch die nächtliche Dunkelheit der Stadt, als eine angsterfüllte Reaktion auf die Fliegerangriffe, dargestellt. Auch die Furcht der Flüchtlinge vor den Razzien ist ein deutlicher Hinweis auf die Gewaltherrschaft der deutschen Faschisten im besetzten Frankreich. Ebenso wird die wachsende Lebensmittelknappheit im Krieg aufgrund der Ausplünderungen der deutschen Besatzungsmacht thematisiert: Es gibt Hinweise auf Brotkarten, auf das Schlangestehen vor Lebensmittelgeschäften, zudem wird der gestreckte Kaffee häufig erwähnt, und die alkoholfreien Tage in den Cafés spielen eine Rolle.
Zu folgenden Themen sind hier Zitate aus dem Roman zusammengetragen:
1. Der erste Eindruck
"Ich kam von oben her in die Bannmeile von Marseille. Bei einer Biegung des Weges sah ich das Meer tief unten zwischen den Hügeln. Etwas später sah ich die Stadt selbst gegen das Wasser. Sie erschien mir so kahl und weiß, wie eine afrikanische Stadt. Ich wurde endlich ruhig." (2.3, S.28)

2. Versprechen, Hoffnung und Enttäuschung
Die Erzählerfigur ist zunächst begeistert von der Stadt, doch weicht diese anfängliche Euphorie einer bitteren Enttäuschung: Die Fremdheit, die er abzulegen glaubte, wird ihm von dort, wo er sich heimisch zu fühlen glaubte, entgegengehalten.
"Ich glaubte beinah, ich sei am Ziel. In dieser Stadt glaubte ich, müßte endlich alles zu finden sein, was ich suchte, was ich immer gesucht hatte. Wie oft wird mich dieses Gefühl noch trügen beim Einzug in eine fremde Stadt!“ (2.3, S.28)
„Ich hatte mir eingebildet, die Stadt habe mir schon ihr Herz geöffnet, wie ich ihr meines. Sie lasse mich auch gleich am ersten Abend in sich hinein, und ihre Menschen gäben mir Obdach.“ (2.3, S.30)
3. Mischung unterschiedlicher Völker
Mehrmals wird im Roman auf die verschiedenen Nationen hingewiesen. Dies geschieht meist im Zusammenhang eines verallgemeinernden Verständnisses der persönlichen Situation der Erzählerfigur als einen historischen Zustand innerhalb der Menschheitsgeschichte.
„Ich hörte um mich herum ein Gerede, als stünde die Theke, vor der ich trank, zwischen zwei Pfeilern des Turmes von Babel. Doch schlugen beständig einzelne Worte an mein Ohr, die schließlich auch ich verstand, in einem bestimmten Rhythmus, als sollten sie mir eingeprägt werden: Kuba-Visa und Martinique, Oran und Portugal, Siam und Casablanca, Transit und Dreimeilenzone.“ (2.3, S.29)
„Vor meinen Augen strömte sie an, mit ihren zerrissenen Fahnen aller Nationen und Glauben, die Vorhut der Flüchtlinge. Sie hatten ganz Europa durchflüchtet, doch jetzt vor dem schmalen blauen Wasser, das unschuldig zwischen den Häusern glitzerte, war ihre Weisheit zu Ende. Denn keine Schiffe, nur eine schwache Hoffnung auf Schiffe bedeuteten die mit Kreide notierten Namen, die auch immer sofort ausgelöscht wurden, weil irgendeine Meerenge vermint oder eine neue Küste beschossen wurde. Schon rückte der Tod immer dichter nach mit seiner noch immer unversehrten, knarrenden Hakenkreuzfahne.“ (3.6, S.46)
4. Die Hafenstadt ohne Schiffe
Bei einer Razzia wird die Erzählerfigur auf dem Dachboden eines Hotel versteckt:
„Ich konnte die ganze Stadt sehen und die Berge, die Kirche Notre Dame de la Garde, das blaue Viereck des alten Hafens mit seiner eisernen Überführung und etwas später, sobald der Nebel verdunstete, das offene Meer mit den Inseln. [...] Ich sah mir die Joilette an mit ihren zahllosen Hangars und Molen. Doch lagen sie alle leer. Wie ich auch spähte, ich sah kaum ein einziges richtiges Schiff.“ (3.3, 42)

Mehr zum Marseiller Hafen in den vierziger Jahren ist hier nachzulesen.
5. Verfolgung durch die Gassen – im Gewirr der Straßennamen


„Ich lief ihr nach. Wir überquerten die Cannebiére. Es war noch nicht so dunkel im Freien, wie es drinnen den Anschein gehabt hatte. Der Wind hatte völlig aufgehört. Sie lief in die Rue des Baigneurs. Ich hoffte, jetzt gleich zu erfahren, wo sie wohnte, wohin sie gehörte, unter welchen Umständen sie hier lebte. Sie aber lief kreuz und quer durch die vielen Gassen zwischen dem Cours Belsunce und dem Boulevard d´Athénes. Sie hatte vielleicht zuerst die Absicht gehabt, nach Hause zu gehen, doch plötzlich die Absicht aufgegeben. Wir überquerten den Cours Belsunce und dann die Rue de la République. Sie lief in das Gassengewirr hinein hinter dem Alten Hafen. Wir kamen sogar an dem Haus vorbei, in dem die Binnets wohnten. Seine Tür mit dem bronzenen Klopfer erschien mir wie eines der Stücke Wirklichkeit, die sich mit Träumen vermischen. Wir liefen an dem Brunnen vorbei auf dem Marktplatz im korsischen Viertel.“ (4.9, S.71/72)
6. Impressionen zum Meer und zum Horizont
„Ich sah einen Augenblick lang hinunter auf das nächtliche Meer. Es war von Kranen und Brücken fast zugedeckt. Zwischen Molen und Hangars gab es einzelne Flächen Wasser, etwas heller als der Himmel. Von der äußersten, mit einem Leuchtturm besteckten Spitze der Corniche bis zur linken Mole der Joilette lief dünn und unscheinbar, nur wahrnehmbar durch die größere Helligkeit des Wassers, jene Linie, die unversehrbar war und unerreichbar, die keine Abgrenzung war, sondern sich allem entzieht.“ (4.9, S.72)
7. Überhöhung der Stadt zum letzten Leuchtfeuer Europas
„Ich sah vom hochgelegenen Bahnhof hinab auf die nächtliche Stadt, die nur schwach erleuchtet war aus Furcht vor den Fliegern. Seit tausend Jahren war sie die letzte Bleibe für unsereins, die letzte Herberge dieses Erdteils. Ich sah von der Bahnhofshöhe hinunter ihr stilles Abgleiten ins Meer, den ersten Schimmer der afrikanischen Welt auf ihren weißen, dem Süden zu gerichteten Mauern. Ihr Herz aber, ohne Zweifel, schlug immer weiter im Takt Europas, und wenn es einmal aufhören würde zu schlagen, dann müssten alle über die Welt verstreuten Flüchtlinge auch absterben, wie eine gewisse Art Bäume, an welche Orte sie auch verpflanzt werden, gleichzeitig abstirbt, da sie alle aus einer Aussaat stammen." (9.5, S.164)
Einen weiteren Hinweis zum Zusammenhang von Baummetapher und der Entwurzelungsangst findet sich unter: Verlust der Kulturheimat.

8. Schlußfolgerung und der Cours Belsunce
„Ich schluckte einen bitteren Kaffee. Dann lief ich über den Belsunce. Die Netze waren zum Trocknen gelegt. Ein paar Frauen, die ganz verloren aussahen auf dem riesigen Platz, flickten an den Netzen. Das hatte ich noch nie gesehen, ich war noch nie so früh über den Belsunce gegangen. Ich hatte bestimmt das Wichtigste in der Stadt noch nie gesehen. Und das zu sehen, worauf es ankommt, muß man bleiben wollen. Unmerklich verhüllen sich alle Städte für die, die sie nur zum Durchziehen brauchen.“ (10.7, S.180)
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14.06.01








  
 UMBRIEN. ROM. SIZILIEN, GRIECHENLAND

UMBRIEN/ ASSISI
In der Eremitei Dei Carceri und auf dem Berg Alverna da merkte ich, daß es tatsächlich einen genius loci gibt, der unvergänglich zu sein scheint. Eichen und ein härenes Gewand. Tagebuch, 1977

Sei gelobt, mein Herr
Durch unsere Schwester, die leibliche Frau Tod.
Selig die, welche sie findet einverstanden
Mit deinem heiligsten Willen.
Ihnen kann der zweite Tod nicht schaden.
        Aus dem „Sonnengesang“ des Franziskus


ROM

Bevor sie am nächsten Morgen nach Rom gefahren waren, gab es diese spürbare Stille auf dem Berg im alten Bauernhaus von Aliano, dieser Moment Stille... nur ein Auto hatte gehupt, die Wildschweinhunde vom Kanal am Brunnen hatten plötzlich ein höllisches Geheul und Gebell angestimmt.

Sie waren also an jenem Tag gegen sieben Uhr früh nach Viareggio zur kleinen Bahnstation gefahren, warteten drei Stunden auf dem Bahnsteig, anonyme Anrufer hatten Bombenattentate angekündigt.

"Reisen, das ist doch wunderschön", sagte Cris: "anstatt ein paar Seiten lesen, reisen. Jetzt. Wir werden die Sixtina sehen, nicht? Von der Schöpfung zur Erschöpfung der Welt."
 "Immer weiter, den Rücken dem Unendlichen zugekehrt", sagte Templin.


Über den Köpfen am Bahnhof eine Uhr, die Bahnhofsuhr, über dem Kopf das Bahnhofsschild VIAREGGIO, doch fast unerreichbar dieser Ort, wo wir uns doch immer befinden: das tiefe Dunkel des Augenblicks, aus ihm tickt träge die nächste Sekunde.


    Auf dem Gleis Züge, Warten. Im Fenster Blicke, Augenweiße. Und es war tatsächlich so, als sei der Bahnsteig vor allem mit Gepäck, Koffern, Schachteln, Tragtaschen, vor allem mit Augen überfüllt, die wegsehen, sich nie begegnen, die aus dem Zufall herausbrennen, zu Liebesblicken schmelzen können, wenn sie sich treffen, heiß, "gekocht", cotto, sagen die Italiener zum Zustand des Verliebtseins: Zeit, zusammengedrängt draußen, im Fenster nur das Vorübergehen, Ausschnitte der Ewigkeit, dachte Templin, die wir hier im Gedränge vergessen, mit Hüten, Mänteln verdecken, die den nackten Körper, in dem wir noch vibrieren und uns nach einem andern nackten Körper sehnen, verstecken.


Endlich der Zug. Die Vier stiegen ein, suchten einen Platz. Ein junger bärtiger Schaffner kam, verlangte die Karten. Er hatte müde Augen. Gegenüber im Abteil saß ein älterer Italiener, Beamtentyp, er las "Il Tempo", das Gesicht von der Zeitung verdeckt, seine Nachbarin, eine dickliche Blonde, las einen Giallo. Templin hätte aus Protest am liebsten Stalin gelesen! Oder Bakunin. Aber er hatte nur das "Tibetanische Totenbuch" bei sich. Und dieses Buch, in dem wir uns eben  befinden, natürlich auch.


Im Zug Streit mit L., weil Templin wieder schlechter Laune  war, mürrisch in die Welt sah. Der "Wirklichkeit" sei jetzt Genüge getan! sagte er.


Der Zug fuhr endlich los. Bei Grosseto fuhr er am Meer entlang; es glänzte nah, Templin wollte es sehen. Er war unwillkürlich aufgestanden.


Cris sagte, es sei doch komisch, wie die Zeit zwar mit dem Zug abgekürzt werde, und doch so langsam vergehe. Und komisch sei auch, wie man da merke, wie Zeit und Raum, der schneller überwunden werde, zusammenhängen.


         "Und es läßt es sich auch auf unsere Körper und die Lebenszeit übertragen", sagte Templin: "Unter dem Einfluß der vergehenden Zeit ist dein Körper nicht mehr der, der er vor einem halben Jahr gewesen war."


         "Es sind ganz neue Zellen, die ihn in diesem Augenblick möglich machen," sagte Cris: "Das Erscheinungsbild aber ist da, nach einem bestimmten Wissen in einem Muster gespeichert, das zu deinem Körperbild gehört, und dieses dann herstellt. Dieses Muster weiß dich, weiß den Körper, hat ihn in sich und kann ihn als Erscheinungsbild immer wieder neu herstellen.. Und in diesem ´Wissen´ ist nicht nur das gespeichert, was gewesen war, sondern auch das, was sein wird. Und was angeblich gewesen war, gibt es immer noch in jenem Wissen, das gleichzeitig alle Muster im Sinn behalten kann."
"Das ist schwierig, kaum zu verstehen", sagte L..


"Ja", mischte sich die schweigsame Rut ein, "das Rätsel, das letzte Rätsel ist darin enthalten, wir werden nah an dieses Rätsel herangeführt, und das Blatt scheint sehr dünn geworden zu sein. Unser Freund Luca, der Musiker, hat es erlebt, und ich erinnere mich noch, als wir vor einem Jahr gemeinsam in Carcassone gewesen waren, es gab dort ein Künstlerfestival, und ich hatte eine Ausstellung, er aber bereitete ein Konzert mit eigenen Kompositionen vor, da ist ihm in Carcassone alles bekannt und vertraut vorgekommen, obwohl er noch nie in Carcassone gewesen war. So wußte er zum Beispiel, als wir in die Altstadt kamen, ganz genau Bescheid, als wir in einer kleinen Gasse um die Ecke bogen, kannte er die Gassen, was für Häuser da stehen, und als er Durst bekam und wir in eine alte Herberge der Altstadt gingen, um ein Glas Wein zu trinken, begann sein Herz vor Aufregung heftig zu klopfen, und zu uns, es waren noch zwei Schauspieler mit dabei, sagte er erregt: Paßt auf, jetzt geht es gleich drei Stufen abwärts, und dann seht ihr dort im Hintergrund rechts eine wunderschöne Holztreppe. Lieber Gott, sagte er aufgeregt, mir ist jetzt, als wäre ich nach vielen Jahren endlich heimgekehrt. Nie zuvor war Luca in Carcassone gewesen, und doch hatte er ein Gedächtnis von Carcassone. Wir trafen dann tatsächlich auf die schöne Holztreppe, er erkannte die Verzierungen an den rauchgeschwärzten Deckenbalken wieder, und den Geruch, ja, den Geruch nach Bier und Asche und Abort. Das war vorerst alles. Doch dann, ein paar Monate später fuhren wir nach Rom, da war Cris mit dabei. Erinnerst du dich Cris?" "Natürlich, das war doch als Luca diesen gräßlichen Unfall hatte." "Ja, wir waren ausgelassen, Luca hatte mit seinem Konzert auch in Florenz großen Erfolg gehabt. Wir hatten die ganze Nacht gefeiert, und waren dann, Gottseidank jeder mit seinem Wagen, da wir früher zurückkommen wollten, nach Rom gefahren, wir fuhren zu schnell, Luca fuhr wie ein Besessener. In einer Kurve kam sein Wagen ins Schleudern, prallte gegen ein entgegenkommendes Fahrzeug, wir konnten gerade noch rechtzeitig bremsen, Luca aber wurde vom Sitz geschleudert und verlor das Bewußtsein. Die Erste Hilfe war sofort da. Aber als er in der Klinik erwachte, schrie er vor Schmerz, er hatte viele Knochenbrüche und eine Gehirnerschütterung. Schock und dann der Spätschaden. Dieses Tasten der Augen, des Bewußtseins, in der Gegenwart anzukommen, was mißlingt, muß scheußlich gewesen sein; man muß sich das vorstellen: Immer wieder legt sich ein weißer Nebelschleier über das Bild. Die schöne feste und beruhigende Alltagshalluzination ist durchbrochen, ein Spalt reißt auf, da fällst du durch. Die Nachricht, daß seine Freundin Anita, die mit im Wagen gesessen hatte, tot war, berührte Luca kaum noch. Ich weiß, ich weiß, murmelte er, ich bin ihr drüben begegnet. Drüben? wurde er gefragt. Ja. Das waren auch die vorläufig letzten Worte, die er sprach, mehrere Monate lag er im Koma. Und ich habe mich oft gefragt, was träumt oder denkt solch ein Patient, der monatelang mit zerschmetterten Knochen in einem Klinikbett im Koma liegt und künstlich ernährt wird. Seither jedenfalls hat er einen Persönlichkeitswandel durchgemacht, Spießer könnten auch sagen, der spinnt. Ich vergaß zu sagen, daß Luca, der sich oft in Frankreich, meist in Paris aufhielt, bei solchen Aufenthalten im Marais-Viertel, Nähe Notre-Dame, einen unerklärlichen Druck, einen dumpfen Schmerz verspürte, als sei er nun einsam und verlassen in diesem Viertel, im Schatten der alten Häuser, als habe er hier einen lieben Freund verloren, als trauere er, als könne er etwas Unfaßbares nicht fassen, den Tod eines Freundes vielleicht. Doch gelang es ihm nie, sich zu erinnern, um welchen Freund es sich da eigentlich handelte. Sein erster Weg aber, als er wieder, wenn auch mit Krücken, gehen konnte, führte nach Paris, dort ließ er sich von einer Taxe in ein altes Hotel im Quartier Marais fahren. Und er ging dann gezielt in den Innenhof eines dieser alten Häuser; wir waren ja wieder mit dabei, Cris und ich, er hatte uns gebeten mitzukommen, und ich kann es bezeugen, Cris auch, daß Luca wieder gezielt, als käme er nach Hause, auf ein Fenster zuging, mit der Handfläche den dicken Staub von der marmornen Fensterbank wischte und auf ein mit einem Messer eingeritztes kleines Kreuz starrte. Wir sahen das kleine Kreuz ebenfalls. Seht ihr´s, das Kreuz, seht, es ist da, sie hat also ihr Versprechen gehalten. Nichts, nichts ist vergangen!

Wir gingen ins erstbeste Lokal, Luca schien verwirrt, es war Mittag, wir aßen, bestellten keinen Wein, aßen nur eine Kleinigkeit, Luca aber war zu erregt, er bestellte eine ganze Flasche Rotwein und trank sie aus. Er versuchte zu erzählen, er wollte sich befreien, zuerst ging alles durcheinander, dann hatte er Momente der Leere und fand den Faden nicht wieder. Man könne nicht allzulange dort sein, sagte er, der Druck wachse nämlich, die Differenz zwischen beiden menschlichen Fähigkeiten, hier und dort zu sein, gleichzeitig, also zu träumen und zu wachen, solch ein Zustand sei kaum möglich. Luca machte den Eindruck, als habe er Angst, wahnsinnig zu werden, da die Motive, hier weiterzumachen so eklatant abnähmen, sagte er, nach dieser langen Bewußtlosigkeit, sagte er, da diese sogenannte Wirklichkeit unseren Wahrnehmungen nun zu eng werde. Es sei eine Reise, und die beginne in jenem Zustand, der vielleicht dem Sterben nahekomme, und da mußte ich, als Cris vorhin von jenem weißen Licht sprach, das zu sehen, zu spüren sei, an Luca denken, denn der hatte damals erzählt, er habe schon bei seinem Unfall, als er seinen Körper verlassen mußte, den alten abgelegten sichtbaren Körper wie aus der Vogelperspektive unten auf dem Feld sehen können, und später als Endphase des Ganzen, nach einem Tunnel, den er habe durchfliegen müssen, ein blendend weißes Licht gesehen, unvorstellbar hell, alles durchdringend, das auf ihn zugekommen sei. Naja. Dieses Licht blende die Augen nicht, sondern sei so etwas wie ein unbekanntes großes und intelligentes Wesen. Und gleichzeitig habe er das Bersten und Krachen des Zusammenstoßes wie an hundert Wänden widerhallen gehört. Doch alle Schmerzen seien wie weggewischt gewesen. Man fühle sich frei. Und er habe sich am Unfallort befunden wie ein Zuschauer, habe den blutenden Körper, der da unten lag, wie einen völlig fremden Gegenstand liegen gesehen, und sei eher neugierig gewesen, gleichgültig; wie ein alter abgetragener Rock, den man liegenlassen kann, sei dieser alte Körper gewesen, und er, Luca, sei darüber geschwebt. Und er habe einen neuen Körper aus einem ganz anderen leichteren und angenehmeren Material gehabt, und da sei eine enorme Weitsicht gewesen, Sehen und Hören seien viel intensiver als je gewesen, die Farben fast schmerzend, und die Szene ganz nah: Blaulicht, Ärzte, Herumstehende, Gaffer, und gleichzeitig neben ihm sonst Unsichtbare, transparente Wesen, Schwebende, Bekannte in Weiß. Sogar seinen Vater habe er erkennen können; du bist da federleicht, durchdringst Mauern und Personen, bist aber eine Feder, die weggeblasen werden kann, sagte Luca: Eine kleine Wolke bist du. Willst den Leuten da unten etwas sagen, doch keiner hört dich. Aber das Licht holt dich heim, es läutet, es klingt alles wie schöne Musik. Man müßte die Musik aufschreiben, und da weiterkomponieren, erwog Luca, mehr und mehr schien er absent zu sein, uns völlig zu vergessen. Wie Wärme und Glück sei alles gewesen. Keine Spur von Angst. Oh, wunderbar, sollte es stimmen! Und hörte wie durch einen Vorhang eine weinende Stimme, vielleicht war es die tote Anita. Luca wollte zu ihr, sie umarmen, doch das schien unmöglich, es gab eine unsichtbare Schranke, die nicht zu überwinden war, er konnte nicht hinüber, und sie konnte nicht mehr zurück, sie entfernte sich immer mehr, und entschwand bald wie ein weißer Punkt, sie war nun von hier für immer fortgegangen - und trat in eine Gegend über, die nie vergeht. Doch dann begann es..."
"Was begann?" fragten alle.


Ein Abstecher nach Frankreich.  "Nun, die Reise, der Flug, als wäre es jetzt eben gewesen", setzte nun Cris Ruts Erzählung fort, Cris, der gespannt zugehört hatte, "ein Sog", sagte er, "ein Wirbel war es gewesen ... Und so weit ich Lucas Erzählung verstanden habe, war er dann ohne jeden Übergang plötzlich in einer Herberge. Als wäre die Zeit ausgelöscht, oder nie vorhanden gewesen, befand er sich in einem ganz anderen Zustand. Er spürte die gedrückte Stimmung in einem verrauchten Wirtshausraum. Ringsum die Freunde. Soldaten, Ordensbrüder. Katharer in weißen Gewändern mit Kreuz. Und plötzlich sprang die Tür auf: einer in weißschwarzer zerrissener Kutte, blutverschmiert, wankte herein. Die Katzen, die Wurfmaschinen haben in die Mauer eine Bresche geschlagen, schrie er: Sie kommen sie kommen, Simon de Montfort ... Die Gesänge verstummten. Ja, ich war jener Mönch, sagte Luca mit einem verwunderten Blick, ich lag blutend am Boden, schleppte mich zur Kellertür; nicht Gott hat die sichtbare Welt erschaffen, nicht Gott hat sie erschaffen, sondern sein Widersacher hat uns hier eingesperrt. Te deum laudamus. Die Seele aber ist unsichtbar, sie lebt. Und ich werde hochgehoben. Die Kraft. Te deum laudamus. Da dringen sie ein, die Mörder des Innozenz, sie dringt ein, die Kirche des Teufels. Und strömt jetzt, so spät in mich, die Tür, die Tür, dachte er, nur ab, abheben vom Boden. Waffen und Rüstungen, Eisen auf Eisen, Schläge, Röcheln, kurzer Kampf. Ich rolle die finstere Kellertreppe hinab, stürze, falle, kaum Schmerzen mehr. Frösteln, naßkalte Steine. Weingeruch. Und kenne den Ausgang, den Geheimgang, hinaus aus Carcassone. Und muß von jenseits des Flusses ohnmächtig mit ansehen, betend, leise singend, den Hymnus, wie Roger und die Freunde brennen, lebende Fackeln, lange, lange. Der Geist ist Gott. Nur Aschenflocken noch, nehmt jetzt die Sterne. Kein Wort. Erde versagt. So über Nacht auf Sternen, letzte Sicht, wo Körper sich entfernen."
    "Und Paris, was ist mit Paris und dem Kreuz?" fragte Templin.


     "Ja, nun die andere Revolution", sagte Cris: "Tote, immer die Toten, der Himmel ist voller Opfer, Tote, Tote, sagt ihr, ich glaube es nicht, ich habe es zumindest im Traum erlebt: es gibt die Toten nicht, die Gräber sind leer. Ihr vergötzt alles Sichtbare, ihr vergötzt diesen Körper, die Uhr, die mechanische und die Körperuhr vergötzt ihr. Für mich aber ist sie wirklich, diese Unbekannte, die schöne Frau mit dem langen schwarzen Haar."


 "Madame Roland?" "Jaja, lacht nicht, es ist Madame Roland", sagte Cris. "Und wir standen vor kurzem, es war ein Jetzt nach 200 Jahren im Innenhof ihres Hotels. Tanja war auch dabei. Paris ja, Paris war ihre Sehnsucht. Und sie sagte: Unsere erste Parisfahrt!


    "Luca war mit dabei gewesen, Luca hatte nachher die Memoiren der Madame Roland gelesen; und ich habe sie auch gelesen, jetzt erst," sagte Rut, "ich hatte nämlich von ihr sehr lebhaft geträumt. Und wir alle hatten von ihr geträumt. Vielleicht hatte uns nur die Lektüre so beeindruckt. Doch ich glaube es nicht! Jetzt erst lerne ich diese Zusammenhänge ein wenig besser begreifen: 1792, 1793, sie war der gute Geist der Girondisten, Manon Roland. Nun, ich gebe zu, Luca hatte unsere seltsamen Träume mit Hilfe der Memoiren erzählbar gemacht. Doch dort in jener kleinen Brasserie im Marais-Viertel wirkte alles wie eine plötzlich aufgebrochene spontane Erinnerung. Lesen, ein Buch, genau wie dieses auch, wo wir eben sind, kann stark beindrucken und lebenlassen wie ein Traum!! Ich sah die letzte Umarmung Manons wirklich, es muß ein sehr schmerzlicher Abschied gewesen sein: Manon, die Feste, Selbstbeherrschte hatte Tränen in den Augen Alles vorbei? Aus? Die Revolution, das Ende. Nichts mehr. Die Not. Die Armut. Die Sansculotten. Die Intervention. Der Druck. Nur oben, ganz oben diese Falschheit: Tugend als Ziel, Robespierres grande terreur. Manon und Jean- Marie. Sie kommt, läuft auf ihn zu, ihr entschlossenes Gesicht ist vorn, als wäre sie ein Mann, denkt er, Jean-Marie, Jakobiner-Gegner, auch er ist hart, Innenminister, die Hand zitterte ihm bei jedem Todesurteil, das er unterschreiben mußte, und sie, Manon, sie machte ihm Mut, auch jetzt macht sie ihm Mut, ihr großes Gesicht kommt auf ihn zu, er steht im Hof, er wartet, ihr Wort, ihre Altstimme im Ohr, und ein Sommerwind in den Platanen, Vögel, Wolkengesichter in Blau, Paris. Jean-Marie hat schon das Pferd gesattelt, sie stehen neben dem schnaubenden Pferd. Jean-Marie bittet sie mitzukommen. Sie aber drängt, geh, geh. Flieh nach Rouen. Wenn sie mich verhaften, ritze ich hier ein Kreuz in den Stein, hier auf die Fensterbank, sagt sie entschlossen wie immer: - dann wirst du mich nie mehr wiedersehen. Geh jetzt, geh. - Er kehrt sich ihr noch einmal zu, küßt sie, geht zum Pferd, reitet davon. Winkt. Blickt zurück, dann ist er um die Ecke der Straße verschwunden. Sie bleibt. Paris 1793. Juni. Am 8. November steht sie vor der Guillotine. Ihr Mut. Ihre klangvolle Stimme. Sie bittet den Henker, ihr das lange Haar zu lassen, es nicht abzuschneiden. Schreckliche Qualen erwarten Sie, sagt der Henker, wenn das Messer behindert wird. Dann schnitt also die Schere zuerst. Und dann kam der Wagen angefahren, hielt. nein, es war weder Danton, noch Camille dabei gewesen, aber das Blutgerüst wartete. Es war nur der arme Lamarche dabei gewesen, der vor Todesfurcht zitterte, krampfhafte Schauer. Sie aber, sie hatte nur ein verächtliches Lächeln gehabt, fast Ekel. Und stützte den Haltlosen. Nur Mut. Dieses ist nicht das erste, nicht das letzte Leben. Und das Ende ist kurz, das Sterben schnell, bricht den Blick zwischen zwei Augenblicken, die Iris wird schwarz, die Lidspalte vergeht.

Den armen Lamarche aber mußte der Scharfrichtergehilfe stützen. Und sie sagte: Gehen Sie zuerst, mein Armer. Dabei hätte sie das Vorrecht gehabt, den Tod nicht auch noch sehen zu müssen, den dumpfen Fall des Messers, hochaufspritzend das Blut. Sie sah es nun, furchtlos. Und gefaßt, weil sie wußte. Was wußte sie? Das Kreuz war längst geritzt, in die Fensterbank geschrieben, das Todeszeichen, und dies Todeszeichen wartete zweihundert Jahre auf jenen späten Blick Lucas; niemand kannte das Geheimnis, und auch in den Memoiren gab es keinen Anhaltspunkt dafür, also wollte Manon dies Geheimnis des Wiedererkennens bis heute wahren. Heute? Wann war das? Und wer war Luca gewesen - vielleicht gar Jean-Marie...? - Manon sah den Kopf des armen Feiglings Lamarche fallen, sie sah auch die kolossale Freiheitsstatue auf dem Place de la Révolution, es war ein andauerndes Vergessen da auf dem Platz, und ein Volksfest dröhnte, Volksfest, und davor der abgehauene Kopf, der in die Kiste rollte. Lautes Auflachen: O Freiheit, wie hat man dir mitgespielt hat! Sie stieß die Henkersknechte zurück, wie ein Mann, diese Kraft! stieß die Knechte zurück und verneigte sich vor der Freiheit. Nur kurz. Dann ließ sie sich aufs geneigte Brett schnallen." "Das Beil, halb verrostet", sagte Cris, "das gibt es noch, wir haben es in der Concièrgerie gesehen; auch Luca hat es gesehen. Man kann daran fassen, es ist wirklich noch da, man kann es berühren, und die Erinnerung ist unwirklich wie ein erinnerter Blutgeruch. - Am Abend des 9. November 1793 erreichte die Nachricht von der Hinrichtung Manons ihren Mann Jean-Marie in Rouen. Kaum jemand hörte den Schuß. Die Kugel drang durch die Schläfe und trat wieder aus, prallte an die Wand der Herberge und fiel dann müde zu Boden. Von einem in die Fensterbank eingeritzten Kreuz wußte nun niemand mehr. Luca war der erste, der es sah und seine Bedeutung begriff. War dies ein Beweis?"
ROM




Wir fanden ein erstaunlich billiges Hotel an der Piazza Vittorio Veneto, aßen nach all dem Kraut und den Knödeln in Schwaben wieder einmal italienisch und tranken viel Rotwein.
Beim Aufwachen im matrimoniale, dem ersten Bewusstseinsschimmer: Wo bin ich? Blick aus dem Fenster auf die von rötlichen hohen alten Häusern umgebene Piazza, Kulisse zu einer Oper. Die Uhr auf dem Rathaus drehte den Eindruck nicht schneller. Der Rückblick am besten vom Cottolengo aus, der größten Irrenanstalt Italiens.
Heute aber empfinde ich Ekel sogar am Colosseum





Nehmen wir ROM, BLICKE vom toten Brinkmann. (Muss versuchen, mit ihm Tonbandkontakt zu bekommen!). Prall ist sein Buch: Fotos, krude Realität, Fotzeneingänge, Briefe an seine Frau Marleen. Tagebuch. Wie er lebte. Komm mir daneben dünn, schon tot vor. Der hat Nervenblicke ringsum, raue Materie. Las und stärkte sich an H.H. Jahn: „Träume, diese Blutergüsse der Seele.“ Brinkmann in der Unterwelt. Wo ist das?

Bei unserem Besuch der frühchristlichen Katakomben in Rom, es war vor etwa drei Jahren, sagte L., ich höre sie deutlich: Die hatten es besser. Da kam ihr Rätsel in Menschengestalt zu ihnen, sehr fremd und doch vertraut, erinnert daran, dass Heimat etwas ist, wo noch niemand war, Menschensohn, ein Besuch aus jener Ferne durch seinen Tod, seine Hinrichtung (vertikal auf horizontal) noch einmal betont, was so unerträglich ist, nicht aussagbar, auch wenn etwas geschehen ist, an das wir nicht glauben könnten. Dieses Fremde, das ich besser kenne als alles andere in mir, hat bei jenen Katakombenmenschen noch eine Erwartungsstelle, beinahe körperlich durch diesen Mann berührt. Bei uns schmerzt sie weiter und sucht nach allen möglichen Heilmitteln. Und als wir in der Galerie der Vatikanischen Bibliothek mit Hunderten von Inschriften waren, suchten wir nach Marcion, der damals diese Gedanken aufgeschrieben und von der merkwürdigen Ankunft dieses „Ganzanderen“ gesprochen hatte, seine „Antithese“ und seine Wut gegen das „Gesetz“ der Welt und deren Herren., In der Katakomben-Galerie gabs auch das Relief eines Mädchens, das diesen Herren verflucht, weil er sie mit zwanzig sterben ließ, und keiner sagte mehr: Stehe auf!, wie es eigentlich natürlich gewesen wäre. Weißt du noch, sagte ich zu L., in Toledo mussten wir daran denken, wie gefährlich es auch heute wäre, wenn der wirkliche Herr nun einfach das „Gesetzt des Herren“ aufheben würde. Ein Russe, wer denn sonst, hat das gedacht. Ich glaube daran, dass es diese unsichtbare innere Ordnung gibt. Man kann es doch ablesen an ganz einfachen „Zufällen“. Weshalb aber glauben alle an diese grauenhafte Ersatzordnung, die dann auch noch Fortschritt genannt wird.

PARIS ROM im März 1981. Ein Kontrast.
Ich erinnere mich an unsere Rom-Fahrt im März 1981 damals zu Luce d’Eramo. L. sollte eine Übersetzung besprechen, dort trafen wir auch die Huren-Spezialistin Pike Biermann in hohen Stiefeln, die in ihrer Aufmachung seltsam zur blassen Luce im Rollstuhl kontrastierte. Von einer herab fallenden Hauswand in Frankfurt am Main während eines Bombardements 1945 wurde Luce gelähmt, war in Dachau als Gefangene, schrieb darüber ein Buch: Der Umweg.
In ihrer Wohnung tauften wir mit Veuve Cliquot meinen eben erschienenen Gedichtband nachts um eins. Gestern schrieb ich:
Was mir aber bleibt, ist der vergangene und der kommende Krieg
die Auferstehung im verkehrten Schacht
wenn die Erde birst / wie eine faule Frucht
und die, seit ich sie kenne: immer nur vergehende Sekunde endlich rafft
die andere Seite aber der Ewigkeit dieses fünfte Rad im Kommen
das kleine Einmaleins zieht dann mit uns um
die Tage die unserem Licht hier bleiben / sind schon gezählt
doch keiner zählt mit / und hofft auf ein Wunder
jener große Schatten über uns
ein Strudel / der dröhnt
trichterförmig wirbeln darin
unsre restlichen Tage / Glasuhrpilz und verkehrt
Sand.

Damals bei Luce hatte ich zur „Taufe“ gelesen: Die Rettung sag / ist sie nicht schön / Die Flucht nach vorn / und vorwärts unvergessen / Parolen sind ein Zaun vor dem Tod / Dies unverdiente Glück ließ aus Ideen grüßen.

Heute ist ein Brief von Paul Goma angekommen. Und vor einigen Tagen kam auch sein Manuskript „Die Hunde von Pitesti“ an
Lieber Dieter, wahrscheinlich hast du erfahren, dass mich Ceausescu wegen meiner „Aktivitäten“ schon einige Male versucht hat zu liquidieren – im buchstäblichen Sinn. Der letzte Versuch – durch Gift, trägt das Datum des vergangenen Sommers… Dieser gehetzte Aspekt meines Lebens ist Fleisch und Geist meines Buches, das in den nächstenTagen bei Hachette erscheinen wird.“
Dieses Buch ist bis heute in Agliano nicht angekommen, dafür aber die schreckliche Foltergeschichte aus dem ehemaligen Zuhause, die Paul erlebt hat, im schönen Ort Pitesti. Ich kenn ihn, ich habe rührende Erinnerungen an den Ausflugsort Trivale, Spaziergänge mit Maria und ihrem Bruder. Dort nahm ich Puius Kinder Huckepack, sonntags. Vom Gefängnisfenster sieht man Trivale. (Maria und ich schrieben dort Gedichte.)
Wie die Bulgaren mit Curare in Regenschirmen ihre Ausgereisten und Ausgerissenen durch geschulte Sicherheitsleute mit leichten Stichen ins Bein in der Menge (o Pardon!) umlegten, so haben es auch die Seculeute mit Paul versucht, doch war die Giftspritze sehr sinnbewusst ein - Füllhalter, mit dem bei einem offiziellen Empfang ein Oberst in Zivil dem Ungewünschten ein Spezialpräparat ins Partyglas tropfen sollte. Der Oberst aber war dem Verbrecher an der Staatsspitze nicht gewachsen, er fürchtete für sein Seelenheil und entdeckte dich dem französischen Geheimdienst CGT. Der inszenierte nun (der Innenminister und der Präsident der Republik Mitterand waren informiert) selbst die Vergiftungsszene. Paul wusste davon, der Oberst spritzte das Gift, ein französischer Agent aber, der den Verehrer Pauls mimte, ein Autogramm wollte, stieß den eben vorbereiteten Giftbecher um (O Pardon!). Diese misslichen Tücken der Objekte! Der Oberst fuhr heim und nahm seinen Orden in Empfang und den dankbaren Handschlag des Anstifters auf dem roten Thron im ehemaligen Königspalast.
Nach dem Essen lagen wir in der Sonne in Liegestühlen. Und ich schäme mich: Inzwischen ist der Zustand des Anfangs von mir abgefallen, ich habe mich angepasst, vergessen. Paul hatte das Glück, dass sie ihn daran hinderten.


 In Rom wohnten wir oft auch  in der Villa Massimo, Spottpreis: zwanzigtausend Lire die Nacht, und auf dem bläulichen Schein das bärtige Gesicht Michelangelos, es kam direkt von der Banca D`Italia. Im Hof hörten sie zuerst nur den Kies, da wurde L. von Hunden der Frau Wolfen überfallen, sie zerrissen, zerbissen ihr fletschend den Jackenärmel, und wollten ans Fleisch; als wäre nur jener Satz des Hundes wahr, brutal, zerfetzt er etwas, immer wieder der Sprung, Cave canem stand auf einer antiken Kachel, darauf gemalt der bellende Hund. Wolfshunde, Sklavenjagden, Lagerjagden im Moor. Und dazu flimmerte die Luft draußen schon, obwohl es dem Kalender nach erst eine Woche nach Pfingsten war; die ersten Zikaden am Rande des Gehörs zwischen den Silben und Stimmen. Roman dachte, sie sind unermüdlich, eine Einsame geigt da ganz nahe, als beobachte sie uns; Zirpen im großen Park der ersten Zikade, schwächer die Antwort der zweiten. "Die müssen nichts zu sich nehmen, wie die Hunde, die Menschen, sie zirpen bis sie sterben. Erinnerst du dich an die schöne Legende", sagte Roman zu L., zu Rut, Rut, die sich nun mit einem Schulterblick umwandte: "Die Zikaden", sagte Roman, "hören uns zu, berichten dann im Himmel. Sie sollen ja einmal Menschen gewesen sein, die sich in der Poesie vergaßen, sagt die alte Legende, sie lagen verzückt im Vers und starben vor Hunger, den sie gar nicht bemerkten."

Cris lachte über diese "altmodische Poesie" und wollte den Freunden unbedingt das andere Rom, nämlich das Physikalische Institut mit "dem Goldfischteich" zeigen, hier sei der Zerfall erprobt worden, schon vor 1933; 1932 da gab es die Entdeckung des Neutrons. "Und dann erst das Wunderjahr 1934! damals hatte der junge Enrico Fermi, weil ihm die Zeitschrift Nature eine Arbeit über Betastrahlen, den Betazerfall von Atomkernen, abgelehnt hatte", sagte Cris, "da hatte Fermi einfach so aus Spaß und per Zufall die erste Kettenreaktion der Welt ausgelöst, er hatte aus Langeweile ein Element nach dem anderen mit Neutronen bombardiert, bei Fluor tickte der Geigerzähler; nur eine Minute lang dauerte die Strahlung, so daß Fermi und sein Kollege D`Agostino in ihren langen ölverschmierten Mänteln wie Sprinter zu den am andern Ende des Korridors gelegenen Messinstrumenten rennen mußten."

 Und da die Sache mit den Zikaden nicht näher untersucht werden konnte, waren die Freunde dann am Colosseum vorbei, zu jenem denkwürdigen Ort gepilgert, der so redselige Cris führte die Freunde zur Via Panisperma, wo Fermi jene erste Kettenreaktion künstlich ausgelöst hatte: "Ha", lachte der Lange und sah Rut und dann auch L. an: "Panisperma." Erstaunlich sei auch die Jahreszahl 1933/34. Gott würfele nicht. Rut war amüsiert. Sie mag diesen jungenhaften Cris, der Unsinn treibt, darin spürt sie seine Freiheit. Cris zeigte auf das Straßenschild PANISPERMA: "Pulverisierung, Explosion. In der Sixtina das Jüngste Gericht"; Templin sagte: "Die Sixtina müßt ihr unbedingt sehen."

      "An einem Montag also waren wir in Rom angekommen", notierte Roman später in sein Tagebuch: "Wir hatten den Abend gemeinsam im Biotheater verbracht. Dann waren wir in einem Lokal gewesen: redend, redend, redend. Am nächsten Tag mit dem Bus zum Bahnhof, von dort mit der Linie 106 zum Vatikan. Wir waren kurz vorher ausgestiegen, am Tiber entlang gegangen, den Blick in gelbem Brackwasser, Grasflecken schwammen oben, Platanenzweige, die nach unten hingen, stachlige Früchte an dünnen steifen Zweigen. Wir spannten den Schirm auf, Nieseln und etwas Gemütlichkeit, weil die Lichter angingen, späte Platanenblätter, ein raschelndes nasses Gehen, halb vegetal und gedämpft. - Vom Corso dann auf den Ponte Vittorio Emanuele, geflügelte Wesen auf dem Geländer, die mühsam ihre Kreuze schleppten, den Rücken uns zugewandt, als stürzten sie sich in den Tiber, schräg links aber das Ospedale Santo Spirito, und rechts die Piazza. Mole Adriana, Castel Sant` Angelo ... Museum ABENDLAND, JETZT. Die ENGELSBURG, o wie alt: Hadrians Mausoleum, ach, nein, das Mausoleum des Abendlandes, da liegst du begraben, du Schöne, Europa. Und dazu Sirenengeheul des Unfallwagens oder der Polizei, Blaulicht, Sirene. Rom: Castel Sant` Angelo, das Todeskastell: Pest mit dem Papst Gregor, hör ihn, den monotonen Gesang in Katakomben, und Beten, der Engel aber oben auf der Zinne steckt verlogen sein Schwert in die Scheide. Frauen kommen und gehen und schwätzen so/ Daher von Michelangelo, mit Stöpseln im Ohr, akustische Führung. Wie reimen wir weiter, Sonette in Kasematten, unten Verliese. Hier in den Verliesen hatte Bruno vor der Verbrennung, man stelle sich vor: Zelle um Zelle im Feuer, - in der Folter gelegen, und oben über ihm der Prunk der Päpste. Es ist noch Zeit, ja, für Zeugung, Mord, Zeit für Werk und Hand. Säle Clemens` VII., und dann die östliche Hälfte der Terrasse, Ölhof mit der Zisterne Alexanders, des Borgia, Öl - und Getreidespeicher sind zu besichtigen und die Hinrichtungsstelle. Hier wurde enthauptet, gehängt, erwürgt, ersäuft, erdrosselt, verbrannt, lebendig begraben, sagte Rut, die auch den Horror fotografiert, fast fröhlich sagte sie es, denn sie weiß vom Tode viel, und arbeitete gerade an der Fotomontage eines riesigen zerfressenen Totengesichtes. Ich aber meinte schon einmal hier gewesen zu sein und redete sehr schnell, als müßte ich darüber hinwegkommen, als täte es weh und dachte an Nicco, als wäre er dabei: Häretiker, Philosophen, Dichter, und Giordano Bruno wurden gefoltert, ließen sich nicht brechen.Und überlegte, warum wohl die Herrn Bischöfe und Päpste solche Angst vor den freien Energien des Geistes hatten. Wehe es wäre wahr, was wahr ist: und es wird wirklich, was tatsächlich wirklich ist: das Jüngste Gericht, gemalt schon an der Altarwand der Sixtina.

Ich blieb zurück, wollte allein sein, sah die Alpträume in den Schlafzimmern an die Wand gemalt, festgehalten: Libellen mit Frauengesichtern kamen aus der alten Mauer, aus ihrem Gedächtnis: dort eine Frau mit einer Brust in der Leistengegend, und ich legte verstohlen die Hand auf einen Buckligen mit einem pompösen Phallus, meinte, meine Hand da nicht mehr herausziehen zu können, mit der Wand zu verschmelzen, durch sie mit dem Finger durchzustoßen wie durch Butter. In Sälen, Kammern, Treppen, Gängen des alten Mausoleums gab es ein perfektes Labyrinth, und unsichtbar gab es da ein Ungeheuer, brüllend, verirrt, wohl der Stier der schönen Europa. Und ein Faun überreicht auf ausgestreckter Hand der Unersättlichen seinen großen Penis, den er sich, heftig tropfend, amputiert hatte; Entsetzen hier im Grab verdunkelt, zugeschütetet die Augen, Lächeln auf den Lippen. Träumender Geist, aufgelöst das Grauen? Wie die vegetalen beinlosen Mädchen aufgereiht und aus Blumen sprießend. Rückerinnert, der Schock; doch der hat sich gemildert, es wird zum Traum, was Tod war, die Grenze wird überschritten, die Höhle, um aufzusteigen.

Da stieß mich L. an und sagte lachend ironisch: du träumst ja! Ich sah mich um, als wäre ich ganz unbefangen und zufällig hier: Weiß ja, es ist die Engelsburg, wo wir uns eben gerade befinden, das hatte ich keinen Augenblick vergessen können; steigst auch jetzt so hinan zur Loggia Paul III, von A. Sangallo d.J., und durchschreitest eine Galerie rechts, die zur Loggia Julius II führt. Aus dem Girlanden-Kabinett über eine Treppe wieder ins Gefängnis, zum Luxusgefangenen Cagliostro, dann aber wieder zu den Eingemauerten und Lebendigbegrabenen, herzzerreißender Schrei, bevor die Erde über den Sarg fällt, dies noch eine Vergünstigung, das scharfe Urteil ließ ein Luftloch zu, zur Qual. Und andere Verliese; weiter links in den Delphin-Saal (die Marter wird Kunst: Christus unter dem Kreuz); nun zurück zur Bibliothek, von da in ein Vestibül, schmale Treppe zur Oberen Terrasse. Herrlicher Rundblick über Rom. Ich aber sah wenig, sah jenen Mann mit dem Rundkopf vor mir, Granucci, und es schien mir, als hätte ich ihn hier schon einmal gesehen."

Am nächsten Morgen Besuch in der Sixtina. Ja, die Sixtina. L. freute sich auf die überschäumend bunten Bilder, die sie "Diademe" nannte, sie hatte sie schon oft gesehen; alte Bekannte. Sie brauchte nicht wie Templin Namen und ein ganzes kompliziertes Gespinst von Deutungen dazu. Sie entzückte einfach das Blau Marias. Oder das Grün des Zacharias. Das Feuerrot des zornigen Engels oder das vielfarbige Schimmern der Schlange. Nur die Leute störten sie, das Gefilme und Fotografieren, das Gesumme und Gestoße. Die Sixtinische Kapelle aber ist eine Sache für sich, hatte Templin entschieden. Und L. lächelte darüber, als wäre das nicht sowieso klar. Für uns in diesem Augenblick, nur für uns, hätte sie gerne gesagt, doch sie wußte, daß Templin damit die eifersüchtige Einsamkeit des Buonarroti meinte. Erst jetzt konnten die zwei Meter hohen Figuren: wie entweiht ganz nah: vom Gerüst aus nun auch von fremden Augen betrachtet werden. Den Papst Julius hatte der Buonarroti fast vom Gerüst geworfen. Von unten sah man weniger, die Propheten und Heiligen waren dort oben, zwanzig Meter hoch, nur klein wie sich Entfernende, Entschwebende wahrzunehmen.


Die Vier staunten, sahen die "Diademe" dort oben an der Decke, redeten allerlei Quatsch dazu, fast schadenfroh notierte Templin jeden Unsinn, den sie von sich gaben, weil sie gar nichts begreifen konnten. Hier ist´s besonders deutlich sichtbar geworden, daß man nur sieht, was man weiß, dachte er. Aber gehend weiß man oft besser Bescheid: Im Kapellenraum gingen die Vier jetzt dem Altar zu; Jesus und Jonah im Blick, Symbol des Untergangs als Erlösung - Zeitenende am Altar und dahinter das Jüngste Gericht. "Du gehst zugleich auch dem Urlicht, der Erschaffung der Welt zu", sagte Templin: "Seht, ist es nicht ein merkwürdiges Zurückstürzen nach vorn: Grenze der Welt. Seht, an der Decke die Erschaffung des Lichtes, der Pflanzen, der Sterne, die Erschaffung Adams, Evas, und immer weiter hinab dem Ausgang, der Außenwelt Roms zu: Sündenfall, Vertreibung, Opfer, Sintflut und Trunkenheit Noahs. Damals konnte etwa die Tragik, nicht zu Gott, zum Einen zu kommen, noch symbolisch dargestellt werden. Sogar die Trunkenheit des Schmerzes, der Teilung. Immer wieder erscheint dazu in der Malerei der Renaissance und des Manierismus Poros, der trunkene Gott der unerschöpflichen Fülle und des Reichtums, nur wenn wir unser kleines Ego und die dazugehörige Uhrzeit samt Zeitplanung aufgeben, uns öffnen, können wir daran teil-nehmen! Als müßte alles, was die Tradition zu bieten hat, aufgeboten werden, um sich jenem Einen, sich Gott, dem Licht anzunähern. Neun Deckenszenen, die in der Gegenrichtung des Altars eine immer größere Entfernung von Gott und dem Urlicht als Verfall und Katastrophe anzeigen. Das verwirrt. Logik und Wirklichkeit werden an der Decke buchstäblich auf den Kopf gestellt, die Figuren stehn Kopf, den Himmel als Abgrund über sich. Seht nur, wenn ihr die imaginäre Architektur als eine Perspektive seht, dann die Vorfahren Christi in den Lünetten, weiter die Decke mit der Urgeschichte, dann den Gang zum Altar, mehrere Perspektiven kreuzen sich an der Decke in vier Blickpunkten. Aufgelöst wird auch jede Chronologie und Richtung in einem Riesengeflecht eines Konkordanzsystems der Bedeutungen im Kapellenraum. Um alle Allegorien und Verweise zu begreifen, müßten wir Renaissancemenschen sein..."
      "Vielleicht ist dieses Konkordanzsystem nur noch abstrakt heute  in der Mathematik möglich", warf Cris ein.
"Es sind Gleichnisse, nach Ortega Schöpfungsgeräte, das Gott im Innern seiner Geschöpfe vergessen hat", sagte Rut.


"Ausgangspunkt der Sixtina ist ja die hebräische Bibel", sagte Templin, "wo jeder Buchstabe zugleich Zahl ist, ein Zahlensystem also, Zahlensymbolik, ein Ideengeflecht des Lichtes, Proportion gemalt."
"Lichtmetaphysik? Ich denke da an die Biophotonen!"


"Ja, genau, Lichtmetaphysik. Zahl, Ton, Maß, Maße, Rhythmus: Die Wellen stellen Zeiten, Räume, Dinge, Schichtontologien her. Michelangelo war Neuplatoniker, das Licht ist Gott: die Eins, das Eine. Hier, seht, da strahlt es vom Altar her. Seht ihr dort oben an der Decke in der vierten Sequenz die Erschaffung Adams durch die Fingerberührung der Eins: Digitus paternae dexterae. Und nur wer sich auf die renaissance-theologische Allegorese, vor allem auf die Zahlensymbolik einläßt, kann eindringen und begreifen. Ohne dieses Deutungsmuster bleibt vieles unverstanden. Warum wird Adam in der vierten Sequenz erschaffen? Was bedeutet überhaupt Adam? Wir müssen es hebräisch lesen, denn die Bibel ist in dieser Urschrift geschrieben, wir müssen alles auch als Zahl verstehen, da im Hebräischen jeder Buchstabe einen Zahlenwert hat, nur so sind die schönen naiven Geschichten vom Paradies, von Adam und Eva usw. als Schöpfungsgeschichte und nicht als naive Kindergeschichte deutbar. Adam: Eins und Vier, die vier Elemente, die sich mit Gott, der Eins, oder auch dem theologisch verstandenen Nichts, wenn man will, verbinden. Michelangelo kannte  diese Deutungen der biblischen Bildert im Werk Scechina des damaligen Hoftheologen beim Papst Julius II Ägidius von Viterbo, Julius II ist der Papst, der die Sixtina in Auftrag gegeben hatte, Ägidio hatte die Kabbalah gedeeutet, jenen einzelnen hebräischen Buchstaben; die Kabbalah ist zur Deutung der Sixtina unverzichtbar. So z.B. das Wort Adam, es wird hebräisch a-d-m geschrieben. Die Vokale, außer a (1), durften nicht geschrieben, nur gedacht werden. Sie sind die Gnade Gottes in unserem Kombinationsvermögen. Die Konsonanten sind der Körper, dem dieser Geist noch eingehaucht werden muß, wie es Gott, mit Adams Körper tat. A ist Er, die Eins, Aleph, d, Daleth, ist die Vier (Elemente), m, Mem, die Vierzig, das Wasser oder die Zeit. Durch Adam bindet Gott sich an die Elemente (Körper) und an die Zeit. Das alles aber ist nicht abstrakt, Michelangelo übersetzt es in Farbklänge und Figurengeflechte, er verbindet diesen "Sinn" wieder mit dem schmerzhaft Sinnlichen des Körpers, will den Bruch heilen, der nach dem Sündenfall eingetreten war, wo Gott Adam die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis isolieren, abreißen läßt. Essen heißt hebräisch a-chol. A ist die Eins, chol heißt ´alles´, das Viele (auch Klang, der in allem gespeichert ist). Sonst ist das Essen also ein Verbinden von Einem und Vielem, Gott (A) und den Elementen. Bei Adam aber ist es eben ein Trennen, ein Abreißen. Daher der Tod ab jetzt, und jedes Herstellen mit dieser abgerissenen Frucht (der Erkenntnis) vermehrt die Unzahl, die Entropie, würde man heute sagen, also den Tod."


Rut, die die Kapelle nach der Renovierung noch nicht gesehen hatte, schwieg. Es schien, als hörte sie Templin gar nicht zu, als wäre sie für sich mit den Ansturm der Bilder beschäftigt. Dann sagte sie hart:


"Ich kenne eine ganz andere Sixtina, Roman. Ich gebe zu, dieses Changeant kommt deiner Licht-Deutung sehr nahe, ja ihr entgegen, du hast mir früher auch schon einiges erzählt. Doch vielleicht literaturisierst du zu sehr... und dann, ganz ohne jede Einschränkung möchte ich diese Popfarben nicht gutheißen, sie sind mir manchmal zu kindlich- knallig und wie nackt. Ist da nicht auch einiges von den Schatten abgewaschen worden, wie der Professor Beck aus den USA behauptet?"

Templin sah Rut an, als habe sie etwas Verbotenes gesagt: "Ich habe das Glück gehabt, oben auf dem Gerüst und ganz nahe den Gestalten der Kapelle etwas von Michelangelos äußerst intensiver schmerzlicher Sinnlichkeit zu spüren", sagte er laut, fast schreiend, daß sich ein japanisches Paar, das eben filmte, entrüstet umwandte; Templin war unangenehm davon berührt, daß ausgerechnet Rut seinen Enthusiasmus zu stören wagte, ja sein Wissen nicht würdigen wollte. "Es schien mir", sagte er heftig und ein wenig gekränkt: "Es schien mir, als breche endlich einmal schmerzhaft Realität durch die Mattscheiben unserer Wahrnehmung! Unsere Sinne sind atrophiert, so daß wir nicht einmal mehr das Furchtbarste, den Glaubensverlust, den Michelangelo noch als schrecklichste Krankheit empfunden hat, wirklich als Unglück und Verlust empfinden können, sonst wüßten wir nicht nur, sondern empfänden es mit allen Sinnen, was mit Utopieverlust gemeint ist. Und diese neu entdeckten Farben sind eine enorme Provokation, als würde dich ein elektrischer Schlag treffen: 500 Jahre fallen plötzlich zusammen, jene unheimlich starken Farben berühren distanzlos dein Auge. Wir sind dafür nicht gewappnet. Unsere Lebensumstände sind so, wir registrieren nur, anstatt wahrzunehmen, es dringt nichts mehr wirklich in unsere Sinne. Ja, besonders deutlich habe ich diese Atrophie der Sinne oben auf dem Gerüst gefühlt, als die jungen frischen Farben, die enorme sinnliche Spannung des genialen Renaissancemenschen Buonarroti wie Wahrnehmungsschläge auf mich eindrangen, ich die riesige Sinnen-Distanz plötzlich spürte, und diese Farben am liebsten mit der Zunge berührt hätte! Symbole erschienen als sichtbar gewordene Wirkkräfte der Transzendenz, Kräfte, die auch im Leben und in der Geschichte heute wahrscheinlich noch stärker als damals akut wirken, wir sind aber unfähig, sie zu empfinden, gar, danach zu handeln, obwohl jetzt möglicherweise ein Jahrtausendebruch stattfindet. Man sieht nur, was man weiß. In der Sixtina aber sind die Bild- und Farbkräfte noch originärer Art, bewegen sich in einem langsamen und großen Farbrhythmus, sie berühren in unserem Seelenhaushalt vielleicht jene Schichten, die durch den Glaubensverlust und die Hektik lahmgelegt worden sind. Hier aber an der Decke der Sixtina wird versucht, das Quälende, Zerschlagene zusammenzufügen, zum Einen zu kommen. Jene Schichten in uns scheinen aufwachen zu können. Ich empfand eine sehr starke Erregung, jenes mysterium tremendum wohl, ein Zittern überfiel mich dort oben: Todesbilder, die ich in Zeitlupe sah, alle aber im Gesamtkomplex Kapelle in Richtung Altar, Licht, Erlösung, dahinter: das Jüngste Gericht. Und alles ist überwölbt vom Flug, Flug der kleinen Taube, dort im Fenster der Arche, über die ganze Decke bis hin zu Jonah fliegt diese weiße Taube, und Jonah heißt auf hebräisch TAUBE: Flug des befreiten ´Heiligen Geistes´, der in unserem Körper eingesperrt ist, der Astralleib, der uns einmal in den Himmel führen wird."

"Also, wenn ich ehrlich bin", sagte Cris, "mir hat eigentlich die alte Sixtina mit den grauen diskreten Figuren besser gefallen in ihrem Schleier, als wäre da das Geheimnis besser gewahrt gewesen, als in diesem nackten Farbenrausch. Der Sinn ist nicht das Sehen, freilich der FLUG. Ist er nun nicht zu nackt?"

L., die Schweigsame, tat etwas, was sie sonst nie tat, sie sagte Cris ins Gesicht: "Du verstehst gar nichts davon, Herr Physiker." Legte eine Pause ein, und meinte dann besänftigend: "Ich kann den ersten Eindruck nicht vergessen, vor allem als wir einmal dabei waren, wie ein Fenster geöffnet, also eine Probe aus der verschmutzten Decke herausgewaschen wurde, wir standen da, die Decke schwarz wie die Decke eines alten Bahnhofs, und da brach plötzlich wie durch ein geöffnetes Fenster der Frühling ein."
"Und ist wirklich nichts abgewaschen worden?" fragte die Fotografin mit der ihr eigenen Skepsis in der Stimme...

"Doch, schon", gab Templin rasch zu. "Aber es gab ja wenige Ritocchi, Nachbesserungen mit Tempera, Michelangelo hat alles ganz allein, die riesigen Flächen allein ausführen müssen, da hatte er keine Zeit für Schattierungen. Allerdings beim Gesicht der Schlange war ich selbst entsetzt, früher war's ein recht verruchtes Gesicht gewesen, und nun wirkt es wie das rosige Gesicht einer braven Hausfrau. Vor allem aber ist diese Patina, also die Zeitarbeit von fünfhundert Jahren abgewaschen worden, das geben die Restaurateure selbst zu."

Der Streit dauerte nicht lang. Rut, die Templin ganz nah fühlte, sah auf ihn, war erregt; L. aber war mit Cris vorausgegangen, auch sie hatte ihre Erfahrungen mit der Sixtina und erzählte dem Physiker davon, wies nach oben, erklärte ihm die vielen Figuren. Sie war jedesmal mit auf dem Gerüst gewesen, die sinnvollste Zeit ihres gemeinsamen Lebens mit Templin. Gewesen? Und sie erzählte Cris, lachte und sagte: "Damit ist es nun leider vorbei, endgültig. Aber der starke, unvergessliche Eindruck bleibt, eine AURA, die dein Leben von nun an bestimmt, und auch einiges Wissen bleibt. Weißt du, worauf Eva so erschrocken sieht, warum sie sich nach der Vertreibung an Adams Brust duckt? Nicht etwa auf den drohenden Feuerengel der Vertreibung sieht sie, sondern auf Adams Schulter, wo der übermütige junge Buonarroti einen Riesenphallus eingeritzt hat; ihr Schrecken ist dieser Knüppel." Und am liebsten hätte sie gesagt, und das saugende Loch, der Abgrund dieses Lebens und aller kommenden, davor müßtet ihr Männer auch Angst haben. Schwieg aber. Erzählte vom verrückten Bruno, dem kleinen Heiligen, dem Restaurator mit dem brennenden Blick eines Mönchs, der am findigsten gewesen war.


Plötzlich lachte ich laut und bitter auf, es war wie ein scheppernder Klang auf Blech, zeigte auf eine Lünette nahe am Altar, auf Ruth und den verbiesterten Alten am Krückstock, Booz, ihren Pseudomann, sie, die Witwe eines Jüngeren und deshalb Freien. Templin, der sich als Alter fühlte, täglich die Jahre in sich wie eine Krankheit wachsen spürte, die unheilbar in ihn eingebrannt waren, sagte bissig zu Rut, die stumm neben ihm herging, den Hals schmerzhaft hochgereckt in Richtung der Lünette: "Nicht jede ist so sanft wie jene geschlagene junge Frau Ruth, zärtliche Linien im kommenden Licht da oben. Und die Ruth, sieh, wie sanft sie dort oben ist, trat anscheinend sinnlos aus dem Leben und aus der Erscheinung zurück in die Majestät des Absurden mit diesem alten Ehemann, denn nur so kam sie zum alten Booz. Weißt du, was ich dazu geschrieben habe, in der dreibändigen Sixtina-Dokumentation, die ich dir geschenkt habe, du kannst es zu Hause nachlesen? Der Alte (das Alter) nimmt sie, rettet sie nach dem Tod des Jungen. So stellt sich ihr hoffnungsloses Leben wieder her..." Templin erschrak, hatte er zuviel gesagt, es ist fast anzüglich, dachte er, was ich da sage! Und er sah jetzt erst wieder diese zurückgehaltene Trauer in Ruts feinem Gesicht, dessen Blick sich in die Figuren verlor; die Fotografin begriff jetzt erst, was sie längst gesehen und in sich aufgenommen hatte, seit Jahren. Langsam, wie unbeabsichtigt entfernte sie sich von Templin, ging genau zwischen ihm und Cris, der ihr den Rücken zuwandte, so daß nur sie ihn sehen konnte, er war nun weit entfernt, abwesend für sie, sie in einem leeren Zwischenraum, den nur manchmal einer der Besucher überquerte.

Vergangene Zeit wie ein Gespinst, Sehgespenst: Trauer der Bilder im Kopf. Überall das Brennende, alttestamentarische FRAUEN, Michelangelos grausame und krude Sinne, Schmerzen, zu heftige Sinne, die die Blässe der Gedanken durchbrachen. Oben auf dem Gerüst das flammende Gelbrot der Joatham-Lünette, Gewänder der Mutter Joathams: Durchbruch durch die Zeit, Schwindel, der Sog, Wirbel aus Rot: überlebensgroß die FRAU, Stromstoß von Gefühlen, mußte sich am Gerüst krampfhaft festhalten, Angst, vom Gerüst in die Tiefe zu fallen, diese Flamme einer unbekannten Leidenschaft, als Farbe berührt, als Geruch, Fallen der Farben ins Herz, Rotmusik, gelber Pinselschlenker - das Rotbraun der Schulter in heftiger Bewegung: Faltenwurf, Kreuz und zuckender Blitz. Großer Rhythmus - feuerrot, ein viel zu starker Blick, ein Sog, ein Strudel, Rot, er glüht, als wäre er verliebt... fällt der Grund einer ganzen Himmelswelt in seine Netzhaut? Alltagsblick, Bilderknecht; am besten die Nacht: DU BRICHST DAS MATTE DENKEN AB... DU HEILST DIE SCHWACHE FLEISCHLICHE GESTALT ...

Der einzige Freiraum der Raum der früheren Massaker: Colosseum, Forum Romanum. In einer Kneipe dahinter bei Frascati Gespräche mit L. über meine erste Ankunft in Deutschland. Die Abfahrten aber nehmen nicht ab. Leben: Zwischen Abfahrt und Ankunft? Überall in den Olenaderbüschen die Liebespaare. Abends aber der Philoktet von Sophokles, Glauco Mauro in der Hauptrolle im Teatro Argentina Leute in Alltagskleidung im Prachtheater.  Denke an Heiners Stück. Schreibe noch nachts in den Thermen des Caracalla bei Vollmond:
Der Bogen ist die Wunde des Philoktet

 (Tagebuch, 5.Mai 1975)
An einem Montag also waren wir in Rom angekommen, notierte ich später im Tagebuch:  Wir hatten den Abend gemeinsam im  Biotheater verbracht. Dann waren wir in einem Lokal  gewesen: redend, redend, redend. Am nächsten Tag mit dem Bus zum Bahnhof, von dort mit der Linie 106 zum Vatikan. Wir waren kurz vorher ausgestiegen, am Tiber entlang gegangen, den Blick in gelbem Brackwasser, die hohe Mauereinfassung gesehen, Grasflecken schwammen oben, Platanenzweige, die  nach unten hingen, stachlige Früchte an dünnen steifen Zweigen. Wir spannten den Schirm auf, Nieseln und etwas Gemütlichkeit, weil die Lichter angingen, späte Platanenblätter, ein raschelndes nasses Gehen, halb vegetal und gedämpft. -  Vom Corso dann auf den Ponte Vittorio Emanuele, geflügelte Wesen auf dem Geländer, die mühsam ihre Kreuze schleppten, den Rücken uns zugewandt, als stürzten sie sich in den Tiber, schräg links aber das Ospedale Santo Spirito, und rechts die Piazza. Rut, da stehst du davor: Mole Adriana, Castel Sant‘ Angelo ... Museum ABENDLAND, JETZT.  Die ENGELSBURG, o wie alt: Hadrians Mausoleum, ach, nein, das Mausoleum des Abendlandes, da liegst du begraben, du Schöne, Europa. Und dazu Sirenengeheul des Unfallwagens oder der Polizei, Blaulicht, Sirene. Rom: Castel Sant‘ Angelo, das Todeskastell: Pest mit dem Papst Gregor, hör ihn, den monotonen Gesang in Katakomben, und Beten, der Engel aber  oben auf der Zinne steckte verlogen sein Schwert in die Scheide. Frauen kommen und gehen und schwätzen so/ Daher von Michelangelo, mit Stöpseln im Ohr, akustische Führung. Wie reimen wir weiter, Sonette in Kasematten, unten Verliese:  Als ich mit Sie dann am Campo di Fiore stand, an Brunos Todesplatz, begann ich zu zittern, hier in den Verliesen hatte Bruno vor der  Verbrennung, man stelle sich vor: Zelle um Zelle im Feuer, - in der Folter gelegen, und oben über ihm der Prunk der Päpste. Es ist noch Zeit, ja, für Zeugung, Mord, Zeit für Werk und Hand. Säle Clemens‘ VII., und dann die östliche Hälfte der Terrasse, Ölhof mit der Zisterne Alexanders, des Borgia, Öl - und Getreidespeicher sind zu besichtigen und die Hinrichtungsstelle. Hier wurde  enthauptet, gehängt, erwürgt, ersäuft, erdrosselt, verbrannt, lebendig begraben, sagte Rut, die auch den  Horror fotografiert, fast fröhlich sagte sie es, denn sie weiß vom Tode viel, und arbeitete gerade an der Fotomontage eines riesigen zerfressenen Totengesichtes. Ich aber meinte schon einmal hier gewesen zu sein und redete  sehr schnell, als müßte ich darüber hinwegkommen, als täte es weh und dachte doch an Nicco, als wäre er dabei: Häretiker, Philosophen, Dichter, und Giordano Bruno wurden gefoltert, ließen sich nicht brechen.Und überlegte, warum wohl die Herrn Bischöfe und Päpste solche Angst vor den freien Energien des Geistes hatten.  Wehe es wäre wahr, was wahr ist: und es wird wirklich, was tatsächlich wirklich ist: das Jüngste Gericht, gemalt schon an der Altarwand der Sixtina.In Sälen, Kammern, Treppen, Gängen des alten Mausoleums ein perfektes Labyrinth, und unsichtbar ein Ungeheuer, brüllend, verirrt, wohl der Stier der schönen Europa. Und ein Faun überreicht der Unersättlichen  auf ausgestreckter Hand seinen großen Penis, den er sich, heftig tropfend, amputiert hat;  Entsetzen in den Augen, Lächeln auf den Lippen, hier im Grab. Träumender Geist, aufgelöst das Grauen? Wie die vegetalen beinlosen Mädchen, aufgereiht und aus Blumen sprießend. Rückerinnert, der Chock:   aber er hat sich gemildert, es wird Traum, was Tod war, die Grenze überschreitend, die Höhle, um aufzusteigen,
Das Jenseits der Zeit jeden Textes  und Fragmentes aus der anderen Zone von Möglichkeiten jenseits des Todes ist fruchtbar:  Spiegel des Un-Wirklichen, das wir heute ertragen müssen. Und solch eine Fiction ist wirklicher als der Schein, der  sich Leben nennt. (Mai, 1988)
8.12. 85. Was geschah eben an diesem Tag? Die Deutsche Welle sagt, Rumänien habe die Meistbegünstigungsklausel verloren. Im Vatikan geht eine Bischofssitzung zu Ende. Und noch rauscht in mir die Autobahn. Von Rom kamen wir her, Bocca della Verita. Und du küßtest mich wirklich auf den Mund.. Ich hatte mich rasiert und mir die Haare gewaschen, das tue ich morgens sonst nie ...


 ... dieses Heft, lange nach dem Krieg geschrieben, "hätte gut niemandes Heft sein können: so tief unterhalb menschlicher Wege und Reisen liegt der Sinn eines Menschenlebens verborgen ..." (René Char).


In Sorrent fragte ich damals nach dem Preis des Hotels "Syrene". "Damals" wars/ hoch über dem Steilufer/ Palmengarten/ schöne Räume der "Villa Pompejana"/ zu teuer/ vor drei Tagen war sie geschlossen. Zimtgeruch und wie ein Wunder/ die alten Lampen über uns. Sägen und ein Geräusch wie aus der Kindheit in Transsylvanien (Herr Nagel und mein Kopf!) /Und der wahnsinnige Tasso kam mir entgegen. Langher.


Auch unser Leben ist langher gewesen: 1972, damals Dezember: "Orangen reif und leuchtend über dem Meer. Kein Tourist." Es war auf der Rückfahrt von Amalfi und Positano: "Bei Nacht noch schöner der Golf. Drüben liegt Neapel und der Vesuv." Lang her, gewesen


Begegnete dem Dichter Andres in Positano/ und las dazu Tassos Gerusalemme, samt irren Briefen an seine Schwester. Langher./ Und Parsifal aus dem Radio (eine Kassette im verzauberten Garten (des Klingsors. kam aus Siebenbürgen)/ War er müde und erschöpft/ kein nervum rerum?/sah Herbst und Reif/ kam die Sonne wie auf der Mole von Amalfi/ die Liebe überwinden und mit den Sinnen wie im Tod ganz hinübersein/ das Mantra am Morgen: diese Ruhe im Hotel "Magna Graecia" und  um 6 aufgestanden/ sah Eleas Unbewegtheit vor mir.


In Sorrent aber Tasso/ von Stimmen umgeben: So fühlte er die Angst vor der Inquisition: Einer war da, sagte ich zu L. auf dem Spaziergang zur Marina Piccola durch tiefe Tuffschichten: Einer war da in Tasso/ der glaubte- / der andere aber/ die Skepsis/ spaltete ihm das Hirn./ Es zeigte ihn an jener der glaubte...


Die Steilwand in Positano/ als rutschte man von ganz oben ab von der riesigen Höhe/ wie im Traum/ und dort hat Er vielleicht zu Tassos Zeit/ noch einen Blick herab geworfen/ jetzt sind wir geteilt/ bald völlig getrennt/ Wolken seh ich/ und wir gingen zu Fuß die lange Treppe hinab/ das Auto stand auf dem Hauptplatz/ wo die Geneis der Muße hier saßen und redeten/ der Wirt unseren kleinen Hund vertrieb.


Terrassen auch auf Capri/ mein Gott von 1957/ wann war das: 1943!/ "Leben am Rande der Ereignisse/ hier versteckte sich damals Anders. Auch er schon längst tot!/ Erzählte es deutschen Kriegsgefangenen: "Fatamorganen in der Wüste der Echolosigkeit"./ Das kleine Buhc "Positano" aber blieb, wie dieses Echo hier!

Welcher Krieg tobt in meinem Innern/ 40 Jahre danach/ und gestern
waren wir in Montecassino/ Ursprung aller Klöster/ und drei Tage vorher in Positano und Amalfi/ die kleine Stadt mit Klingsors verwildertem Garten/ Blicke von der in den  Felsen gehauenen Straße/ von Sorrent am Kap/ aus der "Villa Maria" neben einem Ospedale/ blau der Himmel, nein, azur wie bei Campana:/ "göttliche Küste also/ frei der Tag/ nur das Herz wund/ allen Ernstes. Und könnten die Zeit so brauchen - zurückgestellt und verflossen die Uhr!


Von Rom kamen wir her, Bocca della Verita. Und du küßtest mich wirklich auf den Mund.. Ich hatte mich rasiert und mir die Haare gewaschen, das tue ich morgens sonst nie ...
... dieses Heft, lange nach dem Krieg geschrieben, „hätte gut niemandes Heft sein können: so tief unterhalb menschlicher Wege und Reisen liegt der Sinn eines Menschenlebens verborgen ...“ (René Char).
In Sorrent fragte ich damals nach dem Preis des Hotels „Syrene“. „Damals“ wars/ hoch über dem Steilufer/ Palmengarten/ schöne Räume der „Villa Pompejana“/ zu teuer/ vor drei Tagen war sie geschlossen. Zimtgeruch und wie ein Wunder/ die alten Lampen über uns. Sägen und ein Geräusch wie aus der Kindheit in Transsylvanien (Herr Nagel und mein Kopf!) /Und der wahnsinnige Tasso kam mir entgegen. Langher.
Auch unser Leben ist langher gewesen: 1972, damals Dezember: „Orangen reif und leuchtend über dem Meer. Kein Tourist.“ Es war auf der Rückfahrt von Amalfi und Positano: „Bei Nacht noch schöner der Golf. Drüben liegt Neapel und der Vesuv.“ Lang her, gewesen
Begegnete dem Dichter Andres in Positano/ und las dazu Tassos Gerusalemme, samt irren Briefen an seine Schwester. Langher./
Und Parsifal aus dem Radio (eine Kassette im verzauberten Garten des Klingsors. der kam aus Siebenbürgen/ War er müde und erschöpft/ kein nervum rerum?/sah Herbst und Reif/ kam die Sonne wie auf der Mole von Amalfi/ die Liebe überwinden und mit den Sinnen wie im Tod ganz hinübersein/ das Mantra am Morgen: diese Ruhe im Hotel „Magna Graecia“ und  um 6 aufgestanden/ sah Eleas Unbewegtheit vor mir.
In Sorrent aber Tasso/ von Stimmen umgeben: So fühlte er die Angst vor der Inquisition: Einer war da, sagte ich zu L. auf dem Spaziergang zur Marina Piccola durch tiefe Tuffschichten: Einer war da in Tasso/ der glaubte- / der andere aber/ die Skepsis/ spaltete ihm das Hirn./ Es zeigte ihn an jener der glaubte...
Die Steilwand in Positano/ als rutschte man von ganz oben ab von der riesigen Höhe/ wie im Traum/ und dort hat Er vielleicht zu Tassos Zeit/ noch einen Blick herab geworfen/ jetzt sind wir geteilt/ bald völlig getrennt/ Wolken seh ich/ und wir gingen zu Fuß die lange Treppe hinab/ das Auto stand auf dem Hauptplatz/ wo die Genies der Muße saßen und redeten/ der Wirt unseren kleinen Hund vertrieb.Terrassen auch auf Capri/ mein Gott vor 1957/ wann war das: 1943!/ Leben am Rande der Ereignisse/ hier versteckte sich damals Anders. Auch er schon längst tot!/ Erzählte es deutschen Kriegsgefangenen: „Fatamorganen in der Wüste der Echolosigkeit“./ Das kleine Buch „Positano“ aber blieb, wie dieses Echo hier!
Welcher Krieg tobt in meinem Innern/ 50 Jahre danach/ und gestern waren wir in Montecassino/ Ursprung aller Klöster/ und drei Tage vorher in Positano und Amalfi/ die kleine Stadt mit Klingsors verwildertem Garten/ Blicke von der in den  Felsen gehauenen Straße/ von Sorrent am Kap/ aus der „Villa Maria“ neben einem Ospedale/ blau der Himmel, nein, azur wie bei Gino Campana:/ „göttliche Küste also/ frei der Tag/ nur das Herz wund/ allen Ernstes. Und könnten die Zeit so brauchen - zurückgestellt und zerflossen die Uhr!

Mai 1983
Sog der schwarzen Löcher.  Welle und Körper, wie gesagt. Und deine Logoreia, dafür kommst du in die Hölle. f a e b d c  -  Kepler hat es als „fame, miseria, fame“ ausgelegt,   Hadyn, Die „Schöpfung“! Und Ich hörte es wie Sphärenmusik in der Ferne...  die ersten Geigen durch f (fame) un-vollständiger Dominantseptakkord, der sich nach C-Dur  löst, denn es ist ja noch Nichts fertig, sondern die Melodie in den Violinen geht über fis, als Leitton verkappt, leer nach g. Ist aber nur scheinbar ruhend aufgelöst.

Jeden Augenblick kann etwas Ungewöhnliches geschehen, Und der Leitton quält. Alles immer unvollständig und drängt in der Schwebe weiter. Unfertige Auflösung, denn das Orchester verläßt die ersten Geigen, die spielen oben weiter, schwächliches Thema als Kadenz nach Es-Dur. (Fame, miseria, fame, e aber als Es. Mein Gott: ES). Diesen Akkord hatte schon Johannes Kepler in der Sphärenmusik des Alls  als Schwingungsakkord der  Erde ausgemacht.
Kepler lebte, als sein Elend begann, in Linz; er war, weil er geforscht und geschrieben hatte, einsam und heimatlos. Bis zum Tode Kaiser Rudolf II. hatte er als Hofastronom in Prag  gewirkt, mit Tycho Brahe die Epheremiden erforscht  und Sterntafeln aufgestellt.  
„Es gibt nichts, was ich lieber erforschen und wissen möchte als dieses,“ schrieb er aus Linz an einen Freund nach Straßburg: Kann ich Gott, den ich bei der Betrachtung des Weltalls geradezu mit Händen greife, auch in mir selber finden? Ich habe mich lange und schwer mit diesen Sorgen herumgeschlagen, das Jahr ... war jammervoll und auf allen Seiten verderblich. Vor allem erhielt ich vom Hof keinerlei Zahlung. Meine Frau... wurde von Melancholie ergriffen, erkrankte zu Ende 1610 am ungarischen Fieber, Krämpfen und Irresein. Kaum besserte sie sich, als im Jänner 1611 drei meiner Kinder von den Pocken befallen wurden. Inzwischen besetzte Erzherzog Leopold mit einem Heeresteil die (Prager) Kleinseite jenseits des Flusses.“
Hör, das Mißlingen dazu: 3 Mal versucht es das Orchester, die Flötentöne gehen  klagend hoch. Ins Unmögliche, sagen wir. Wie läßt sich Unten und Oben zusammenbringen, ihr fühlt es in euch solange ihr lebt und im Körper seid, es ist noch da, dies Furchtbare, die Spaltung, das Unerlöste: Schwebendes Zögern, Holz, Celli, Fagott gehn erfolglos hoch, das Chaos wabert in der Tiefe, gurgelt, dreimaliges ergreifendes c-moll, Warten, Schreien nach Erlösung von unten. Schmerz des Ungeformten, des sinnlosen Banalen, des Vielen da.  Ein UNISONO wieder, Pianissimo.
Zur selben Zeit starb mein Lieblingssohn... Er glich ganz der Mutter... Man konnte ihn eine morgendliche Hyazinthe in den ersten Frühlingstagen nennen, deren zarter Duft das Zimmer...füllt. Der Junge hing so sehr an seiner Mutter, daß man nicht sagen konnte, beide seien „krank vor Liebe“; beide waren rasend vor Liebe. Ich mußte mit ansehen wie meine Frau in der Blüte ihres Alters ganze drei Jahre lang von den wütenden Säften in ihrem Körper heimgesucht, erschüttert und schließlich zerrüttet wurde, so daß sie nicht selten geistig verwirrt und von Sinnen war... (Sie war) bis in die Tiefe ihres Herzens durch den Tod des kleinen Jungen getroffen...Von den wüsten Ausschreitungen der Soldaten und von dem Anblick des Kampfes in der Stadt betäubt... Schließlich kamen österreichische Haufen hinzu, die ansteckende Krankheiten mitbrachten. In melancholischer Mutlosigkeit, der traurigsten Geistesverfassung unter der Sonne, gab meine Frau schließlich ihre Seele dahin.“ So mußte er arbeiten; von den meisten für irr gehalten, Spinner mit dem „Schwindelhirnlein“. Er aber hielt die andern um sich, die Alltagsmenschen und nur am Faßbaren Interessierten für wahnsinnig. So wünschte auch Kaiser Rudolf II von seinem Hofmathematikus eine Berechnung der Nativität Mohameds und Kaiser Augustus, das nach Horoskopen zu erwartende Schicksal des türkischen Reiches usw. Alle waren an seiner Arbeit höchstens noch  aus rein egoistischen Gründen interessiert, vor allem Horoskope mußte er stellen; alle wollten sie hören, ob sie reich werden oder krank werden, Glück oder Unglück haben, wie sie ihre Feinde besiegen, ihre Nachbarn übervorteilen können: „Item hat es unter dem gemeinen Mann, ja wohl auch unter den Schreibern und unter den Hofleuten so viel  grobe unverständige Knebel  (im Hirn), daß sie immerzu einem Sternseher in den Ohren liegen, und meinen sie sollen ihnen viel von künftigen Dingen sagen... Gleich als wenn die Werke Gottes anders nicht würdig wären, das man sie anschauen und ihnen nachrechnen sollte...Er komme sich oft wie ein Irrenarzt vor, der einem Kranken eine Medizin verordnet, schrieb er in einem Brief: daß seine Umgebung...In Worten und in Gebärden dem wirren Gerede geistig Gestörter gleicht.“ Und dem unpassenden Spott entgehe er, indem er den Leuten „den blinden Hinterkopf“ zeige. Wer aber nun wirklich wahnsinnig war, er oder die andern, das  ist ja wohl nun undiskutabel!
Er war an keinem Nutzen interessiert, wie ein Kind: Musik der Sphären, musikalische Gesetze und Formen als Mathematik: Gesetz der Welt - daran glaubte er, und daß es sie gibt, das war ihm Rettung. Auch vor dem furchtbaren Leben. Im Kleinen gelang ihm nichts. Konnte er den Alltag nicht mathematisch angehn, scheiterte er, wurde umständlich, wie Dostojewskijs Idiot. Wo es aber gelang, da meisterte er für immer ein Problem, auch für uns.
Das kindliche Staunen selbst, da zu sein, und dann ein Hervorbrechen: Licht, das nun schon Form  ist, Jubel, Strahlen C-Dur-Fortissimo.  „Die wilde Welt der Todten“ ists. Bevor die Zeit einfiel, und wir in sie. Und war das Ungebundene,  begriffslos. Da ist auch heute kein Ab-Leben, du weißt.


ÜBERFAHRT


Dann standen wir oben auf dem Berg
Kalabriens und sahen hinüber
Richtung Catania. Wie ein altes Märchen
ließ uns Sizilien das neurotische Herz
wieder höher schlagen.

Auf der Autostrada del Sole
kurz nach der Überfahrt (Ulyss hatte auf dem Wasserso komisch gelacht) kam es bei Messina zum Autounfall (ohne jede Schrecksekunde)
Scylla und Carybdis

Porticello/ bei Palermo
Gänsehaut. Fieber vom Scirocco. Gerüche in der Nacht dazu: Jasmin, Orangen. Endlich das Hotel. Im Fernsehraum ist es wieder furchtbar laut. Überhaupt dröhnt es hier stärker in den Ohren als in Frankfurt oder Köln. Autos, Motorräder, Lautsprecher, Fernseher. Das Geschrei, die lauten Stimmen der Leute. Alles auch viel brutaler, greller: der kleine Liftboy, Hotelsklave ist erst zehn,  und arbeitet zwölf Stunden am Tag; niemanden stört das. Er klopft schon 6h20 , fragt , ob wir Kaffe wollen.Und es ist doch heimaltlich, Balkanerinnerungen, die Walachei.Marcello erzählt, wie er in der Schweiz gezwungen wurde, anders zu reagieren als hier, z.B. leiser zu sprechen, seine Freude weniger stürmisch und herzlich zu äußern!
Heute und gestern waren wir vom Scirocco so dumpf, daß wir fast nichts von der Landschaft wahrnahmen. Außer in Messina und Umgebung, wo die üppige Vegetation ins Auge stach. Ja, und wir waren ja unserer Sehsucht nachgefahren, anders zu sehen als gewohnt. Lernen Ptolemaeus zu vergessen, zu sehn, was wir wissen, daß nicht die Sonne, sondern die Erde täglich untergeht. Doch die Kleider kleben uns fiebrig am Leib. Fieberträume Realität. In der Ferne sind die Liparischen Inseln zu sehen, wie eine Verheißung, en Horizont erreichst du nie... (17. Mai)


SPÄTER GELA/ Sizilien
Aeschylos starb hier wie eine Halluzination
Sein Leben/ Occident, ein verschrobenes Irren Land, Gott  es ist wahr,
Aeschylos starb hier, weil sein Kahlkopf einen  Adler blendete,
der flog,  welch ein tragischer Zufall gerade Jetzt
über ihn, den Erfinder des Trauerspiels kopfwärts
hinweg/ das Herz war von oben ja nie zu sehen
nur der blendende Kopf;: ach, der geblendete Adler oben
warf die Schildkröte (auf der ja bekanntlich die Welt ruht)wie einen ein goßen Stein vom Himmel also brachteden Kahlkopf um, er uns immer noch blendet:
 Und du sagst, es gäbe kein Leben nach dem Tod?


Und dann Palermo, Siculina Marina, Agrigen und Empedokles, Palma und die Riviera des Ghattopardo mit der Donna Fugata, Caltanisetta, Piazza Armerina, Ragusa mit dem gewaltigen Canon. Noto. Syrakus mit der Grasblüte des Papyrus. Archimedes in Erinnerung. Und am 1. Juni „Medea“ im Griechischen Theater. Exil und Schrecken der Liebe: (Das furchtbarste in der Welt ist das Vaterland zu verlieren!) – Dann Catania. Aci Trezza (La terra trema!) Der Ätna und die Todesgefühle in der brennenden Steinwüste. Taormina. Tropea. Ach, Sizilien, in Eraclea Minoa, seltsamster Hafen des Mittelmeeres, entstand  Sizilien: eine Handvoll Kreter kamen da an Land, zerrten die Insel so ins grelle Licht der Geschichte.
Und passend zur Logik des Occidents oder ists schon die Levante: Ein Kreter sagt, alle Kreter lügen, also lügt er auch, also sagen alle Kreter die Wahrheit: wo begann unsere Paranoia, hier? Oder langher im Minoischen Labyrinth?
Und dann wieder der Stiefel: Tarent. Brindisi: Der Tod des Vergil (Broch). Die Überfahrt. (8. Juni)

Patras. Korinth. Fahrt durch den engen Isthmus. Die harzige Luft.  Das Meer blauer, die Luft flimmernder. Die Landschft karger. Wie ein Traum, kann kaum erwachen. An Eleusis vorbei. Ist das mögliche, da vorbeizufahren? Piräus. Einschiffung nach Kreta mit der „Minos“. Ach. Von der Souda Bucht nach Agios  Nikolaos. Sitia. Dann zurück nach Kritsa. Und zur Dike-Höhle. Malia. Und Knossos.

Es begann in der Kindheit: als Kind war ich ein Einzelgänger, immer allein, und alle Zimmer des Hause waren von den Eltern, von den Großeltern, von den Geschwistern besetzt, in der Diele aß man, im Vorzimmer war immer große Bewegung, so richtete ich mich meist zwischen den Zimmern, auf der Schwelle ein.  Also immer auf Übergängen kam es mir vor, daß ich nach   „ Hause“ kam, mich wohl fühlte, an Orten, den die anderen kaum beachteten,  der für sie gar nicht existierte, leer war, übersehen wurde; da ging man schnell darüber hinweg, um in einem Zimmer und damit wirklich in einem Raum zu sein. So ein Zwischenraum des Übergangs, eine Art Fluchtort und Vorläufigkeit ist aber auch ein Flug, ist jede Reise.

Wie die Schwelle trennt die Reise uns vom Alltag, vom Selbstverständlichen, ja ist ein Zustand im „Tapetenwechsel“, der Abenteuer, der aber auch  Schock sein kann.

... und wohin man jetzt jettet
mit der vermehrung der nullen
auf den schweizer konten
stimmen sie ein ins vertrauliche
                                      gemauschel
über kitzbühl, st. Moritz und
                       lagerfeld
denn das ist ihre welt
und sonst gar nichts
Elfriede Gerstl, Vor der ankunft


die fahrpläne wissen bescheid
voll einverständnis
tuschelt die sftware
rollbahnen sind ausgelegt
die krähen sind mit dem tower
im bunde
unauffällig schleppe ich mein köfferchen
während in meinen synapsen die hölle los ist
elfriede gerstl, vor der ankunft



KREUZ   FAHRT IM WESLICHEN MITTELMEHR



SAVONA

Aber Savona sollte auch nicht unterschätzt werden, wir taten es leider, und sahen dann tatsächlich aich nichts von der Stadt, ausser dem Stadtwahrzeichen, de, Fort vo0m Taxi aus. Und den Hafen, freilich aus der Abfertigungshalle und vorher kurz, empfangen von Costaleuten, die uns das Grossgepäck feundlich abnahmen, uns die nr. 9 gaben, mit der wir aufgerufenb wrden sollten. Dann nur noch wie auf dem Flughafen, Warteraum mit einer elenden Bar und schlechtem Essen, WCs, vorher aber 10 Passskontrollen und Durchleuchten.
Dabei ist Savona auch eine Colmbusstdt, wie die ewige grosse Rivalin Genua mit der es auch Kriege gab, bis Savona G. als Überlegene anerkannte und klein blieb, bedeutungslos. Doch ein kleines Bauernhaus mit Obsthainen auf den Hügeln wird als „Casa del Colombo“ vorgezeigt. Und hier solol er sich zwischen seinen Reiesn aufgehalten haben , um die Ländereien zu bestellen und die Erfahrungen der bisherigen Reisen zu Papier zu bringen. Wo finde ich diese? Und  möchte sie jetzt hier reinnehmken, weil der Eroberer und Wegbereietre der Genozide (auch auf den Kanaren, La Gomera , war sein Ausgangspunkt) sie hierin Savona niedergeschrieben
Aber ab 1528, nach der verlorenen Schlacht gegen Genua nur noch der Abstig bis in Napoleons Zeit, aber bis heute.


Die Fahrt dann mit stürmischer See, L. immer nahe am Kotzen, die Arme auch mit Erkältung und Fieber, war immer nahe am Kotzen.
Vgl. Notizen
Schlechter Schlaf. Sogar das grosse Schiff  schlingerte u. schaukelte wie wild.

Frühstück mit Franzosedn, und nicht besonders gut.  Doch wenigstens in der Fern das Land, wir verliesssen den stürmischen Golfo die Lione, Spanien  Ärgerlich aber überall das Schiff als Melkkuh. Entweder die Kreditkarte angeben oder 150 Euro vorausszahlen.  Und dauernd Ausflüge, die horrend teuer sind, 40-350€. Z.B. eine Reise nach Marakesch 120. Oder Barcelona auch nur Stadtbesichtigung 58. Wofür?  Internetpoint 50c pro min. Da geht keiner hin. Oder Modeschau, um in der Boutique kleinedr zu vrkaufen, das fernsehen andauernd aufforderunehnnreisetickets zu kaufen und shopping.


BARCELONA
Dreimal waren wir in Barcelona, jetzt das drittemal. 1971 auf der Durchreise nach Portugal als noch Cajetano herrschte (auf der Rückreise dann über das Baskenland und mit dem Untergrund Kontakt); Und damals wohnten wir in einem elenden Hotel in einer Nebensrasse Im Bario Gotico, „mittelalterlich“, aber wie Koeppen, der eine schöne Beschreibung seinjer Spanienreise in „Nach Rusland und anderswohin“ geschrieben hat. Genau wie im Chinesen –Barrio kein Chinese zu finden ist.. (heraussuchen aus dem Notizbuch) L. war mit ihrer Mutter da, und da wohnten sie elegant auf der Piazza Catalunya. Beim zweitenmal wars  zum „Jahrtausendewechsel) 1999/2000 bei Freunden. Und jetzt eben  vom Schiff, ohne Auto, man ist schon viel ausgesetzter, auch der Landausflugshyänen. Wir fuhren aber mit der Taxe zum Colon.
Und dann die Hauptrambla aufwärts zur Piazza Calunya. Und eine Überraschung nach der andern, ich habe sie alle gefilmt. Vor allem erstaunte mich zuerst die wie erstarrt als Puppen Einzelne und Paare in phantastischen alten Kostümen unbewegt da standen, nur, wenn ein Euro in den Hut fiel eine marionenttenhafte Verbeugung etwa, oder ein schöner Goldengel, ein Dracula usw. Vor allem Schulkinder wurden magisch angezogen, und Don Quijote verteilte ihnen Bonbons. Wie sahen sich diese Leute, waren sie auch Gegenvoyeure, die sich gern anschauen lassen, Exhibitionisten? Denn wie Bettler verdienen sie doch kaum etwas? Dann der Markt, so reich und exotisch auch an Früchten, Gewürzen, Zuckersachen usw., wie man ihn in Italien nicht finden kann, wir sind doch südlicher, näher an Afrika.
Schlimm aber waren die Tierhalter, die diese armen Wesen in kleinsten Käfige gesperrt halten, so Schildkröten ganz winzige auch, vor allem aber zwei  schnelle Wiesel, die unaufhörlich mit Bällen herumturnten, spielten, sich überschlugen, zubissen, wie blind und im Tretrad, zu kaufen samt Ball für 9 €. Oder  am rührendsten acht kleine Kaninchenbybas, die ineinander verwuselt ein einziges angstvolles, sich schützendes Kollektivwesen bildeten. Salamander, Vögel, unendliches Gezwitscher.
Ärgerlich auch wie die Texifahrer, ähnlich wie das Schiff auf uns als Melkühe betrachten. Einer verlangt 10€ obohl der Taxometer 5 anzeigt.  Au meine Frage, warum? Vor my hör ich da. Alos 100%trinkgeld? Der bei der Rükfahrt nimmt 8, 3 müsse man für den Hafen berappen.

Das einzige was grosszügig auf dm Schiff ist, das (schlechte) aber sehr reichhaltrige Essen, nicht vion Italienern gekocht, zum teil von Schwarzen. Beim Mittagessen standen sie, etwa zwanzig in einer Reihe zur Begrüssung.

Ich muss versuchen, in Barcelona, aber auch auf dem Schiff anzukommen. Das Touristische auch für uns selbst die Pest. Schon in den fünfziger Jahren klagt Koeppen, und freut sich dann, dass er in Barcelona ein Hotel gefnden hat, wo keine lauten Touristen sind.

Jedenfalls der Hafen ist riesig, zu Ffuss kaum zu bewältigen, man müsste kilometerweit wandern. Und gleich vier Kreuzfahrtschiffe, es scheinen viele so reisen zu wollen, auch jetzt steigen noch Spanier zu hier.  Die andern alle viel grösser, und unsere Mittagsgenossen, ein französisches Paar, meinte, sie seien mit dem grössten auch schon auf Kreuzfahrt gewesen, das essen sei viel besser gewesen. Und der Taxichauffeur sagte, oh, euer kleines Schiff, daher hat es so schrecklich gewackelt in der Nacht. Alles Mittelschichtler auf unserem Schiff, kein Touristenplebs.

Die Annehmlichkeit dieses  Reisens ist eben die schöne Außenkabine, die wir uns geleistet haben. Mit Bullaugen nach außen aufs Meer. Viertes Deck „Aurora“ von neunen. Nur die Klimanlage ist grausam, zu laut dies ständige Rauschen, zu kalt, und beide husten wir. Doch wir können  sogar dt. fernsehen sehen, lesen, ich auf dem pc schreiben.
 Und nichts erinnert an die Strapaze, wennn wir wie auf unserem Segelschiff alles zu verantworten haben Landfall, ankern, usw. Und die gedspannte Aufmerksamkeit aufs Wetter gerichtet, und dann auch mal eins aufs Dach zu bekommen, von den Unbequemlichkeiten ganz zu schweigen. Freilich, die Freiheit ist enorm vielo grösser, ein ganz anderes nahes Gefühl zum Land, den Häfen, dem Meer. Auch die Freude, die Poesie tausendmal grösser. Die Fremde, die Weite freilich ehr beschränkt. Auchg wnenn dieses Schiff an sich nur dreimal schnller ist (18-20 Kn. Wir schaffen 6-7).


1999/2000 also:
Es ist eine Ewigkeit vergangen. Und wir sind auch schon längst zurück aus unserem Urlaub in Katalonien, und der Feste, und mehr oder weniger Feste mit den Familien in Deutschland, wo es vor allem um Lindes alten Vater und meine alte Mutter ging, und die Brüder und Schwestern , die sonst antreten müssen, mal zu entlasten.
Wir haben mit der Meerfahrt noch Glück gehabt, die 17Stunden von Genua nach Barcelona waren ruhig, in der Außenkabine haben wir wunderbar geschlafen, ein paar Tage später kam ja der Orkan mit Windstärke 11 und 12, das riesige Schiff ist dabei fast untergegangen und mußte nach Marsaille ausweichen.
Bei den Freunden in Mont-ras, an der Costa Brava hatten wir intensive Gespräche, es ist mein erster Lektor in Deutschland 1970 bei Fischer, und sogar arbeiten konnte ich da, hab an meinem neuen Geichtband geschrieben und den fertigen verabschieded mit pr-Texten. Zu Walter Benjamin, den wir in Port Bou „besucht“ haben, es ist ja da nur ein leeres Grab, aber ein sehr schönes Denkmal von einem israelischen Künstler, hab ich dann noch mein schon fertiges Gedicht überholt und umgeschrieben, der Eindruck war sehr sehr stark mit den schwarzen Felsen, und vor allem dem Kunstwerk, ein Schacht, der steil mit Treppen hinab zum Abgrund des Meeres führt, wobei eine Glasplatte die Gestalt des Besuchers spiegelt, er geht quasi sich selbst zu. Dieser so schmerzhaften Aufforderung, sich in die Zeiten und die Schuld zu versenken, steht in dieser Landschaft das Amoralische und die Scharlatenerie des faschisierenden Dalí entgegen, der übrall die Gegend besetzt hält, vor allem in Cadaquaes, in Figueres mit seinem unsäglichen Museums-Theater, im Zentrm ein amerikanisches Großauto mit Kitschmusik und D, als Schaufensterpuppe, Mister Dollar, wie er auch genannt wurde.
Wir haben von all dem auch Filme gedreht, leider scheint der Apparat beschädigt zu sein, gestern haben wir versucht ihn Freunden hier zu zeigen, und die Bilder sind mit weißen Streifen überlagert! Vielleicht eine Dali-Magie, daß man seine Schande, so nah an Benjamin, nicht sehen soll!
Nun ja,

Das Leben ist zu kurz, um es in Deutschland (oder wie ich in Italien) zu verbringen. Doch wohin? Nach Transsylvanien? "Nach Hause"? Ich höre, du fährst wieder dahin. Ich reise vorerst vor allem "im Geiste". Und ich sehe, Du bist auch damit zugange. Vielleicht erleben wir nach dem Tode unser blaues Wunder. Ich schwör auf die "Transkommunikation" mit der ich mich beschäftigt habe.
Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatten, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Vielleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als Gedächtnisstütze verwenden wollte.

Es ist eine Ewigkeit vergangen. Und wir sind auch schon längst zurück aus unserem Urlaub in Katalonien, und der Feste, und mehr oder weniger Feste mit den Familien in Deutschland, wo es vor allem um Lindes alten Vater und meine alte Mutter ging, und die Brüder und Schwestern , die sonst antreten müssen, mal zu entlasten.
Wir haben mit der Meerfahrt noch Glück gehabt, die 17Stunden von Genua nach Barcelona waren ruhig, in der Außenkabine haben wir wunderbar geschlafen, ein paar Tage später kam ja der Orkan mit Windstärke 11 und 12, das riesige Schiff ist dabei fast untergegangen und mußte nach Marsaille ausweichen.
Bei den Freunden in Mont-ras, an der Costa Brava hatten wir intensive Gespräche, es ist mein erster Lektor in Deutschland 1970 bei Fischer, und sogar arbeiten konnte ich da, hab an meinem neuen Geichtband geschrieben und den fertigen verabschieded mit pr-Texten. Zu Walter Benjamin, den wir in Port Bou „besucht“ haben, es ist ja da nur ein leeres Grab, aber ein sehr schönes Denkmal von einem israelischen Künstler, hab ich dann noch mein schon fertiges Gedicht überholt und umgeschrieben, der Eindruck war sehr sehr stark mit den schwarzen Felsen, und vor allem dem Kunstwerk, ein Schacht, der steil mit Treppen hinab zum Abgrund des Meeres führt, wobei eine Glasplatte die Gestalt des Besuchers spiegelt, er geht quasi sich selbst zu. Dieser so schmerzhaften Aufforderung, sich in die Zeiten und die Schuld zu versenken, steht in dieser Landschaft das Amoralische und die Scharlatenerie des faschisierenden Dalí entgegen, der übrall die Gegend besetzt hält, vor allem in Cadaquaes, in Figueres mit seinem unsäglichen Museums-Theater, im Zentrm ein amerikanisches Großauto mit Kitschmusik und D, als Schaufensterpuppe, Mister Dollar, wie er auch genannt wurde.
Wir haben von all dem auch Filme gedreht, leider scheint der Apparat beschädigt zu sein, gestern haben wir versucht ihn Freunden hier zu zeigen, und die Bilder sind mit weißen Streifen überlagert! Vielleicht eine Dali-Magie, daß man seine Schande, so nah an Benjamin, nicht sehen soll!
Nun ja,

Das Leben ist zu kurz, um es in Deutschland (oder wie ich in Italien) zu verbringen. Doch wohin? Nach Transsylvanien? "Nach Hause"? Ich höre, du fähst wieder dahin. Ich reise vorerst vor allem "im Geiste". Und ich sehe, Du bist auch damit zugange. Vielleicht erleben wir nach dem Tode unser blaues Wunder. Ich schwör auf die "Transkommunikation" mit der ich mich beschäftigt habe.

Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends das Picasso-Museum in Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewandelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich wohnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatten, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in der Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was unsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlossen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Vielleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, weil sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als Gedächtnisstütze verwenden wollte.


HIER AUF DEM MEER GENUA-BARCELONA
NULL UHR
Für Linde
Ist das Meer unser Schicksal geworden
sich einlassen können
in dieses Glitzern zu zweit, Jahrhunderte
Mondnacht mit dir: jetzt
die lange, vertane Zeit ist  immer wieder
gewonnen,
sie schreibt sich in unsere Herzen ein,
gemeinsam, sogar im Streit.

Sich vertiefen können,
lesen können aus Ungeschriebenem
ist anders,
eine andere Hirnspur.

Und du siehst wieder den Engel
hinter dem Papier deiner Augen.

Andere Verbindungen, andere Wege
und Augenkünste
als die schlagenden.

Aber der Blick jetzt ins Meer,
ganz nah am Rande der Reling,
gibt gegen die Zeit wieder etwas
Gewissheit, -
wie einst  als wir
mit Liebesbriefen
unser Leben begannen.

Wer brachte uns zusammen
welcher Schutzengel meinte uns
nur uns/ auch jetzt
nach drei Jahrzehnten Fahrt
auf einem Meer
wo niemand
sichtbar die Wege
fand.

31.12.99
Zum Werk gehört auch die
- Psychiatrie, Erfahrungen mit Klosterneuburg, Arezzo. Die Sendungen, Hörspiel. Tagebuch. Adalgisa Conti.
- Die Reisen. Mexiko vor allem.

Und was bedeutet diese hier jetzt in Katalonien?
Barcelona: Picassos Vs, der Mann-Voyeur! seine Kopien, seine Umwandlungen ins Eigne. Und so meine Werke auch gestalten, wie er die Las Meninas. Degas und die Huren! Illustrationen mener Poesia erotica.
Der unmögliche Gala-freund, sein „Schloß“ in Figueres.
Dann aber Walter Benjamin in Portbou und der Kontrast zu diesem Dollarmaler mit seinem Cadillac. Ein Scharlatan. Dali.

Dann aber VIC, die Totenkirche mit em Michelangelonachahmungen des katalanischen Muralisten, dann Juan Rulfo mit dem Totenroman Pedro Páramo, Transsylvanisches als Vater-Totengespräch.
Vater fragte mich, wieso ich denn überhaupt zu dieser Geschichte gekommen sei, und ich sagte zu ihm, Ja, Tata, bevor ich ganz naiv werde, was ich am liebsten möchte, als wäre ich wieder ein Knd in unserer Stadt, sag ichs so, weil ich jetzt so bin:
Nachdem ich in den letzten Tagen des vergangegenen Jahrtausends das Picasso-Museum in der via ... Barcelona mit den zu Picasso-Malereien gewordenen Las Meninas von Velasquez und den umgewamndelten erotischen Huren-Zeichnungen von Degas zu picassoiden Hymnen an die V gesehen, und Freunde, bei denen L. und ich whnten, mir Pedro Páramo des Mexikaners Juan Rulfo mir mit den Worten: Hier, sieh, das ist genau dein Thema, in die Hand gedrückt hatte, ich noch dazu am letzten Tag des Jahrtausends Vic, das ehemalige Ausonia mit der Toten-Kirche besucht und dort in dr Düsternis plötzlich wie vor zwanzig Jahren in Mexiko an der Wand dein unbewegtes Gesicht wie ein Film über das, was umsere Augen uns als real vorspiegln, ziehen sah, war ich dazu entschlopssen, das, was es nicht mehr gab, in den Höhlen der Erinnerung aber noch da war, etwa das Stadthaus an der Kokel in unserer transsylvanischen Stadt, wo damals bei eurer Heirat das blumenbekränzte Auto gestanden hatte, mit Hilfe des Mexikaners wiederauferstehen zu lassen.
Wie ist das denn bei ihm? Und hörte das Sächsische durch: Wä wor et denn bä äm? (Viellleicht hoffte Vater, daß ich so wieder sein Sohn, gar Kind werde, das ich an mir verloren hatte! Den Freunden hatte ich erzählt, daß ich nachts oft zu solchen Kindzuständen käme, wenn ich über Geister schreibe oder in meinem Arbeitszimmer Totenstimmen höre, dann wird’s mir unheimlich und ich muß aus dem Zimmer flüchten, wel sich die Präsenzen im Raum sammeln, mich berühren wollen!)
Ich dachte an die vielen Beispiele, an Rulfos Comala, das ich als GedächtnisStütze verwenden wollte.

Denn auch mußte es immer wieder tun, immer wieder, wie unter Zwang, als hätte ich dort wirklich etwas Unersetzliches, Kostbares verloren, das nirgends anders zu bekommen war als in Siebenbürgen. Ich fuhr also nach Hause, S. (sprich ES) heißt der Ort, und hier sollte mein Vater immer noch leben. Niemand würde es mir glauben, nicht mal meine Mutter, mein Bruder oder meine Schwester schon gar nicht – wenn, ja, wenn es die vielen Erinnerungen nicht gäbe, von denen unsere alte Stadt Schäßburg, die so leer wirkt, dicht besiedelt ist; also dann kannst du es mir ruhig glauben, würde ich ihnen sagen: er lebt immer noch hier, wie Großvater oder die Ami hier leben, und natürlich alle die andern, dazu mußt du gar nicht auf den Bergfriedhof gehen, die findrest du doch in dir selbst, samt ihrer vertrauten Stimme! Doch nein, alle tun so, als gäbe es sie nirgends mehr, vielleicht noch auf Fotos!
Auch Mutter, die ihnen eigentlich am nächsten stehen müßte, verschließt sich ganz, lebt ganz hier, die Fotowand mit den vielen Familienbildern, den Gesichtern und vertrauten Köpfen, alle tun so, als gäbe es sie dort an der Wand noch wirklich, scheinen ihr zu genügen; nur manchmal wird die Erinnerung übermächtig, dann ist auch Mama nicht mehr da, und dann erst ist sie wieder die alte, als hätte sie sich bisher auch ganz vergessen.
So gab es eines Tages eine ernste Stunde, die wir fürchten, sie mußte in die Klinik, und alle dachten wir, das Schlimmste könnte eintreten. Da hatte Mama mich ganz überraschend gebeten, meinen Vater aufzusuchen. Und ich drückte ihre Hände, versprachs, und sie schien schon etwas verwirrt, denn sie sagte, er heißt Victor. und wird sich sicher freuen, dich „so“ kennenzulernen! Was heißt so, und wieso Victor, Vater hieß doch Erwin K. und er kennt mich doch, dachte ich, nahm aber Rücksicht auf Mamas Zustand, sagte nichts mehr versprachs nur immer wieder. Sie murmelte noch: Meine alte Liebe! Und laß es ihn teuer zu stehen kommen, mein Sohn, daß er es getan hat!
Ja, ich will fahren, Mutter! Und fragte nicht mehr.

Wichtig sind noch Reisen. Heute war das Tossa de Mar, erinnerte auch Vik nördlich von Barcelona, als wärs eine Fahrt nach Rostock und Warnemünde und dann Stralsund, wo Onkel A. im Krieg gewesen war, den der Spieß doch damals so busereirt hatte; genau in Stralsund vor Jahren mit Thorsten erinnerte ich es, denn in Vik gibt’s ähnliche Häuser „modernista“-Häuser, und die Totenkirche in Vik, ach, hieß der andere, den ich in Mamas Auftrag zu Hause suchen sollte, nicht auch Vik, der, den ich suchen sollte, ja, Vater, es ist eine Totenerinnerung, ich bin gestorben und weiß es nicht, suche aber weiter, du hockst in der Erinnerung, wachst manchmal auf und fühlst mich? Hörst du mich? Lassen wir die andern, die da durcheinanderreden!
Hab ich mich verirrt? Komm doch jetzt nach Hause? Erstaunlich, alles steht noch da; und muß kaum suchen, Vater steht ja da im Stadthaus, im Speisezimmer, an den schwarzen Kachelofen gelehnt, denn es doch gar nicht mehr gibt, das Hochwasser der Kokel hatte es weggerissen! und sagt, Du bist schon da, bist schon zu uns gekommen? Es geht ein wenig durcheinander bei uns, das macht aber nichts, es ist ja wie ein Traum: so lebt man eben als Toter (Senkwos. Sendung dazu). Und wenn ich das Papier rascheln höre, sind es alte Schulhefte ...

Abfahrt dann 18h. Und wir sehen den Riesenhafen. Hässlich natürlich.   Abendessen mit den  Schweizern an Tisch 43.  Sie fahren schon 10x mit Costa. Immer Weihnachten.  Geben wenig Preis. L. natürlich über unser Boot. Und die Toskana.  Die Sache mit al inclusiv scheint gelöst.  Wir trinken eine flasche. L. geht es besser.  Meer realiv gut molto mosso nur bis mosso, bewegt. Wind allerdings 60kn. Um 20h schon in der Kabine. Fernsehn, deutsches Nachrichten.  Wie zu Hause. Erstaunlicxh. Lesen.
 Ich den Spiegel. Ursprung der Germanen. Arminis und Varrus-Schlacht etc. Komisch, etwas Stolz.
Um 2h dann Licht aus.  Um 2h Ibiza. 8h wsunderbarere Sonnenaufgang. Ein Tanker . (ich filme es. 9h. Kartagena. Frühstück wie immer mit Küstensicht. Ich esse vor allem Früchte. Dan ein Vortrag der dt. Hostess Petra. Süanien und Marokko. Guadalquivir oder Ebro, Kastiloien Toledo usw. Die Namen sprechen, schaffen Atmosphäre.


Draussen starker Wind. Nach dem Mittaggesse sogar  Windstärke zehn Westwind vom Alantik.
 Tischnachbarn aus Münster und aus Kroatien, Pola. Istrien.
Mit den Deutschen über Capesius und unsr Haus, Leben. Und das neue Buch Das Alter. Die schönste Zeit des Lebens. Darin müsten aber Auch Uunsere Bauern und unsere alten Eltern vorkommen.

Nachmittags Ruhe. Etwas Wein und Bier getrunken. Lesen in der Kabiine.
 Wir nähern uns Malaga. Um  20,30 erreichen wir Gibraltar. Um 21,30 den Felsen.

Ich überlege, wie lange haben doch in der Antike die Segelschiffe gebraucht 2-3 Knoten, als fast zehnmal langsamer?


GIBRALTAR
Denken an Ulysses , den Irrfahrer.
Moder bleibt: Schein zerschlagen ist, erst gereinigt ist Heimat endlich das Verlorene. Das Unmögliche also, denn die Nähe ist nicht mehr herzustellen, dabei braucht der Biotop Mensch die Nähe, Nahrung für die Sinne, der heutige Rhytmus macht ihn krank, das Abstrakte tut weh, macht die Seele arm. Bei Dante noch war die Nicht-Heimkehr zum Elternhaus, zu Frau und Kindern, die über den unmittelbaren Erfahrungshorizont hinausgehende Flucht in die Fremde, Schuld! Odysseus wagte es die Grenze der Welt bei den Säulen des Herakles, Gibraltar, mit Hilfe der Navigationstechnik zu überwinden, weiter zu fahren ins Uferlose. Dort aber fuhr er zur Hölle! Es ist tatsächlich das, was der Prozess der Zivilisation auch uns heute brachte.

Gestern Abend sah ich einen Science Fiction-Film, der Film nun wie ein diagnostisches Stimmungsbild, das bald Realität sein wird, unausweichlich? Eine Familie, dann ein junges Liebespaar war da zu sehen, sie waren in unterirdischen Wohnungen eingeschlossen, konnten sich nur auf Entfernung mit "Datenhandschuhen" und in "Datenkleidern" auf Distanz berühren, nie körperlich, und sahen sich nur auf einem riesigen Bildschirm, der eine ganze Zimmerwandseite einnahm, auf der auch Nachrichten kamen, Schaupiel, Filme, Musik usw. Praktisch gab es nur diese Fernsehhalluzination und Berührungen via Computer.
Bald werden wir nicht nur in unserem Körper, sondern in der Welt selbst eingesperrt sein. Denn mit der Möglichkeit einer absoluten Geschwindigkeit durch Telekommunikation (300 000km/s), ist ja keine AußenReise mehr nötig, um überall weltweit dabei zu sein, es ist ein Angekommensein, ohne abzufahren, alles vor dem Monitor. Dieses ist das Ende von Raum und Zeit, ja des Körpers. Das Individuum wird zum "Hyper-Zentrum", einer Art selbstreferenzieller Weltegomanie.

Ach DU  sind wir zu weit und zu spät
hinausgeschwommen
Hand in Hand hinaus ins Offne
Als stände ein neues Ende
Der Welt bevor
Dem zu entkommen?

Dort: du weißt: Gibraltar, die alten Säulen
Wo das Offne unendlich beginnt
Jetzt, wir beide zusammen
unter einem neuen Stern?
Liebe, dass wir
Entkommen?!

Geliebte,  solch ein Aufbruch
Gegen die Zeit und das Schicksal
Auch gegen den Tod?

Alles was uns trennt?
In einem Meer von Tränen
Deinen meinen in Später Zeit?

Oh du Geliebte meiner Trauer
Wehmut wächst mit dir
Und dem Vertrauen Glück
Des Vertrautseins geborgen in uns
Dass uns der Flug
In ein tief Verschwiegenes gelingt

Je weiter wir fliegen weit und nah
Gestern Nacht wie der Hauch und
die Haut die das Tiefste
Berührt feucht und gleitend und glühend
Und sanft brennt wie das ewige Feuer
Liebesfrau du für IMMER
Freundin Unsterblich Geliebte
Mein fliegendes DU
WIR ausgetauscht zur guten Hälfte
Ich geb dir mein Wort


Nur im täglichen Leben
Dieses heftige Laufen
Es zu erreichen
Da es uns übersteigt,
Ewiges Feuer
Brennendes Geheimnis

Doch gestern gemeinsam
Zärtlich und jauchzend
berührt

Denn Liebe ist Leben für immer

Ja, wir fahren den Hesperiden zu, den goldenen Äpfeln in der Sage, wer die isst, bleibt jung und nimmer alt?
Reisen ja, das ist wahr, erhält jung, öffnet eine art geographisches Wunder der Menschheitsphantasie, wenn man sich daruf vorbereitet freilich, denn  nach Weizsäcker sieht man immer nur das, was man auch weiss.

Die Kanaren könnten die alten Hespetriden sein. Also lese ich wieder einmal nach in Wikipedia, mein bestes Lexikon und kopiere für mich und meine Leser diese Daten:

„Hesperiden
Die Hesperiden sind Nymphen (die hellsingenden Töchter) der griechischen Mythologie. Ihre Zahl schwankt je nach Quelle zwischen drei und sieben. Genannt werden Aigle, Arethusa, Erytheia, Hestia, Hespere, Hesperusa (auch: Hesperthusa) und Hespereia. Auch Medusa wird zu ihnen gezählt. Sie werden manchmal auch die „afrikanischen Schwestern“ genannt. Es gibt unterschiedliche Angaben, wer ihr Vater ist: mal wird Erebos als dieser bezeichnet, mal Atlas, manchmal auch Hesperos (der Abendstern).
Ebenso verschieden ist die Angabe ihrer Mutter. Hesiod nennt als solche Nyx (Göttin der Nacht), andere Quellen Hesperis, die weibliche Verkörperung des Abendsterns d. h. die römische Venus. Alle diese Stammbäume deuten aber auf den Standort der Hesperiden jeweils an dem von Griechenland aus gesehen fernsten Westen hin.
Dieser verschob sich allerdings im Laufe der Jahrhunderte mit wachsender geographischer Kenntnis der Griechen bis in den die drei Kontinente Europa, Asien und Afrika umfließenden Okeanos (Atlantik). Dasselbe geschah mit den um die Hesperiden und um ihre prominenteste Schwester Erytheia kreisenden Geschichten mit den Rindern des Riesen Geryon, der äpfelbewachenden Schlange Ladon und dem von Herakles für seine Fahrt nach Erytheia erhaltenen Becher des Sonnengottes.
Entsprechend werden je nach Autor und dessen Lebenszeitraum unterschiedliche Wohnorte immer jeweils am Rande der den Griechen bekannten Erde genannt - zuerst im griechischen Arkadien, dann in der Großen Syrte beim heutigen Benghazi (früher Euhesperides genannt), dann in Marokko beim Atlas und schließlich auf eine der Inseln im Atlantik. Welche dieser Inseln die Hesperiden sind, ist bis heute noch nicht vollständig geklärt (vielleicht die kanarischen oder die kapverdischen Inseln).
Die Goldenen Äpfel
Die Hesperiden hüteten in einem wunderschönen Garten einen Baum mit goldenen Äpfeln, den Gaia der Hera zu ihrer Hochzeit mit Zeus wachsen ließ. Die Äpfel verliehen den Göttern ewige Jugend. Der Baum wurde durch den hundertköpfigen Drachen Ladon bewacht. In der griechischen Mythologie stellt er dabei praktisch immer eine Schlange dar. Nur ein Held war in der Lage, die Äpfel zu erhalten: Herakles. Durch eine List bewog er Atlas, den Vater der Hesperiden, ihm die Äpfel zu pflücken, da er sie für die Erfüllung seiner zwölf Arbeiten benötigte. Eurystheus jedoch, dem Herakles die Äpfel übergab, gab sie weiter an Athene, die sie wieder zurück an ihren Platz legte.
Bei Carl von Linné (1707 - 1778) taucht der Begriff wieder auf und dient zur Bezeichnung der Citrusfrüchte. Dabei hat sich Linné an Giovanni Baptista Ferrarius (1584 - 1655, ital. Botaniker) orientiert, der bereits 1646 in seinem Werk "Hesperides sive de malorum aureorum cultura et usu libri quator" über die Gattung Citrus schreibt und von den goldenen Früchten der Hesperiden spricht. So haben sich wohl beide Gelehrte beim Anblick der goldenen Schalen der verschiedensten Zitrusfrüchte an die mythologischen Quellen erinnert und den Zitrusfrüchten die Bezeichnung Hesperides zugewiesen. Allerdings bleibt die Antwort auf die Frage, ob man in der antiken Welt Zitrusfrüchte schon kannte, rein spekulativ und selbst der Baum mit den Goldenen Äpfeln wurde ja genau dort vermutet, wo die Welt ihr Ende hatte und der Titan Atlas das Himmelsgewölbe trug.
Die Parfumerie, stets um schöne Geschichten und klangvolle Namen bemüht, griff diese Namensschöpfung dankbar auf und so werden Zitrusdüfte nicht nur als Agrumen sondern häufig auch als Hesperiden bezeichnet. Siehe Parfüm.
Medizinisch interessant sind die Zitrus-Bioflavonoide, die ihren rohstofflichen Ursprung ebenfalls im Namen tragen - Hesperidinkomplex.
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Hesperiden“
Kategorien: Nymphe

Vermochte dass mein drängen unterbliebe
Wie ich mich über alle welt belehre ·
Der menschen tüchtigkeit und eitle triebe.

[60] Ich steuerte hinaus zum offnen meere
Mit Einem fahrzeug und den paar genossen
Die mich erwählt zum ständigen verkehre.

Die beiden ufer hatten wir erschlossen
Bis nach Marokko bis zu den Hispanen
Und andrem land vom gleichen meer umflossen.

Wir alt und müd schon ich und die kumpanen
Gelangten dann zu jenem engen rachen
Wo uns die pfosten Herkules' gemahnen

Von hier ab weiter keinen schritt zu machen.
Rechts liess ich schon die küste der Iberer
Links hatte Ceuta hinter sich der nachen.

O brüder · sprach ich · durch die unzahl schwerer
Gefahren seid ihr nun gelangt zum westen.
Zeigt euch an hohem sinne nun nicht leerer

In eures lebens nur noch kargen resten:
Dass ihr jezt die erforschung wolltet missen
Der sonn-rückwärtigen unbewohnten festen.

[61] Ich ruf euch eure abkunft ins gewissen:
Ihr seid nicht da zu leben gleich den kühen
Doch zum verfolg von tüchtigkeit und wissen.

Ich machte für die weiterfahrt erglühen
Mit dieser kurzen rede mein geleite –
Nun hätt ich sie nur abgebracht mit mühen.

Den morgen hinter sich zur tollen weite
Beflügelten sie ihre ruder gerne
Sich immer haltend nach der linken seite.

Schon sahen in der nacht wir alle sterne
Des andern pols · die unsren so in tiefen
Dass sie nicht tauchten aus der meeresferne.

Fünfmal erhellten sich und es entschliefen
Sovielmal über uns des mondes strahlen
Seit wir zum hohen unternehmen liefen:

Als ich dann einen durch entfernung fahlen
Bergzug von einer solchen höh entdecke
Wie ich bis dahin schaute noch niemalen.


[62] Uns kam die freude · doch sie ward zum schrecke:
Vom neuen land her eines wirbels wehen
Zerschmetterte des fahrzeugs nächste ecke ·

Dreimal liess ers mit allen wassern drehen ·
Das hinterschiff stand hoch · beim vierten zug
Das vordre abwärts – so musst es geschehen –

Bis über uns das meer zusammenschlug.

Hölle · XXVI. Gesang · 76–142.

Jenseits des Zeichens
Plus ultra: Dantes Überschreitung der Grenzen durch die Kunst
„Die Säulen des Herkules markierten die Grenzen der Alten Welt. Mit dem Beginn der Neuzeit werden sie zur Schwelle: Dantes vermessener Odysseus lässt sie hinter sich; und mit ihm wagt sich der Autor der «Commedia» poetologisch vor in neue Gewässer. ...
In einem berühmten Buch, Francis Bacons unvollendet gebliebener «Instauratio magna», deren erster Band 1620 unter dem Titel «Novum organum sive indicia vera de interpretatione naturae» erschienen war, befindet sich ein nicht minder berühmtes Frontispiz, in dem sich das Bewusstsein einer Epochenschwelle in der Geschichte des menschlichen Wissens zu einem emblematischen Bild verdichtet. Der Blick des Lesers fällt auf zwei mächtige, frei stehende Säulen zur Linken… Durch die beiden Säulen wird der Blick ins Offene gelenkt; mit dem heimkehrenden Schiff wendet er sich zurück in die nur noch angedeutete Enge einer kleinen Welt, in der das imaginäre Auge des Lesers selbst seinen Ort hat. Im Blick tritt der Leser über eine Schwelle, kehrt durch sie zurück und liest an der vorderen Grenze des Blickfeldes die Devise: Multi pertransibunt et augebitur scientia (Viele werden sie überschreiten, und die Wissenschaft wird sich mehren).
Das Frontispiz in Bacons «Instauratio magna» ist der Schlusspunkt der langen Geschichte einer Anschauungsform, die zuerst dem Pathos der Markierung einer Grenze dienstbar war, ehe sie zur Markierung einer Schwelle wurde. Dantes «Commedia», die schon seine Zeitgenossen «Divina» nannten, ist der Ort dieses Übergangs.

Bekanntlich hat Kolumbus 1492 den ersten Schritt der Entdeckung der Neuen Welt getan. Kolumbus wagte sich als Erster über die mythische Grenze der bewohnten Welt hinaus und machte dabei die umwälzende Entdeckung der noch unbekannten Welt, die «unsere» Welt in eine radikal neue Perspektive brachte. Bevor aber Kolumbus sich auf seine abenteuerliche Reise begab, hat ein anderes Werk aus der Gattung des italienischen romanzo, der erstmals 1483 gedruckte «Morgante» von Luigi Pulci, die Überschreitung der Pforten des Herkules zum dringlichen Postulat gemacht. Es ist wie ein prophetischer Vorgriff auf den Aufbruch des Kolumbus ins westliche Weltmeer, wenn Rinaldo den ihn begleitenden Teufel Astarotte fragt, ob bisher noch niemand gewagt habe, die Säulen des Herkules zu überschreiten, und erfährt, grundlose Angst habe dies bisher verhindert. Seine Vorhersage, es werde nicht mehr lange dauern, bis die ersten Schiffe Kurs auf das Unbekannte nehmen würden, hat sich schon neun Jahre später erfüllt.
FRÜHE ANTIKE
Von Pulcis Säulen des Herkules als einer Schwelle, die es zu überschreiten galt, ist es nötig, in einem Zeitsprung hinüberzuführen zur Geschichte der Vorstellung von den Säulen des Herkules als einer unverrückbaren Grenze, so wie sie im Mittelalter, besonders in Italien, vielfach belegt ist und in einer ununterbrochenen Kette bis in die frühe antike Vergangenheit zurückführt. In der im 13. Jahrhundert verfassten «Historia destructionis Troiae» des Guido delle Colonne wird Herkules gefeiert als kühner Held, der sich mit Jason ins offene Meer - das Mittelmeer - hinauswagte, bis sie an dessen äusserste Grenzen gekommen seien und Herkules dort zwei Säulen errichtet habe, damit jedermann erkenne, dass hier die bewohnte Welt an ihr Ende gekommen sei und die Überschreitung dieser Grenze lebensgefährdend wäre. Einprägsam formuliert diese Erfahrung sich auch Guidos Zeitgenosse Brunetto Latini, den Dante als Lehrer ansah.
Bereits in der Antike ist der Mythos von den Säulen des Herkules in einer Vielzahl der Varianten bezeugt. Während aber die Heldentaten Alexanders des Grossen früh literarische Gestalt fanden und Spätantike und Mittelalter immer abenteuerlichere Taten dieses Welteneroberers in einem fabelhaften Orient ausmalten, überrascht es, wie die kollektive Phantasie der Mittelmeerländer, insbesondere Griechenlands und Roms, an die durch die Säulen des Herkules gesetzte Grenze gebunden blieb und sich trotz ihrem theoretischen Wissen von der Kugelgestalt der Erde den Ausgriff auf das westliche Weltmeer versagte.
Es ist Dantes «Commedia», die genau jenen ereignishaften Moment an der Schwelle zwischen antiker und neuzeitlicher Welterfahrung ins Werk setzt, wo die Grenze zur Schwelle wird und erstmals die Imagination des Dichters es wagt, den Bann eines stummen nec plus ultra der Phantasie zu brechen. Es ist das Denkwürdige dieses Augenblicks, dass Dante in ihm das Überschreiten einer menschheitsgeschichtlichen Schwelle darstellt und dass der Akt dieser Darstellung selbst die Überschreitung einer Schwelle bedeutet.
ODYSSEUS
Im 26. Gesang des Inferno ist Dante vom Anblick des Feuermeers unter ihm so sehr fasziniert, dass er, ein lebendes Fragezeichen, beim Sich- Vorbeugen in den Höllengraben beinahe hinabstürzt. Von Virgil erfährt er, welche Seelen in der Doppelflamme büssen, auf die sich seine ganze Aufmerksamkeit gerichtet hat: Odysseus und Diomedes, die hier gemeinsam ihre Untaten vor Troja büssen. Als jetzt die Doppelflamme mit den beiden Seelen herankommt, kann Virgil die Frage nach dem Ende des Odysseus stellen, auf die die ganze Antike keine Antwort wusste. Es ist, als hätte Odysseus selbst das Bedürfnis, sich mitzuteilen und seine ungeheure Geschichte zu erzählen, die er in einer so unerhörten Konzentration vorbringt, als sei in ihm selbst die unablässige Beschäftigung mit seinem Ende gleichsam zu einer Skulptur der Erinnerung geworden.
In einem weit ausholenden Satz beginnt Odysseus seine Erzählung da, wo er, aus der Gefangenschaft der Circe befreit, die Möglichkeit gehabt hätte, sein Schiff heimwärts zu wenden, und wo ein unbändiges Verlangen, das keine Familienbindung zurückhalten konnte, ihn ergriff, sich erneut aufs offene Meer zu begeben, um der Welt und ihrer Menschen kundig zu werden. Diese Reise lässt Jahre vergehen, ehe Odysseus mit seinen Gefährten, schon alt geworden, die Säulen des Herkules im äussersten Westen der bewohnten Welt erreicht: «Ich und meine Begleiter waren schon alt und langsam, als wir an jene Meerenge kamen, wo Herkules aus Fürsorge ein Zeichen setzte, damit der Mensch sich nicht weiter hinaus wage», «acciò che l'uom più oltre non si metta». Hier sind erstmals in einer einzigen syntaktischen Figur beide Formeln greifbar, die bis ins 16. Jahrhundert und darüber hinaus Fortüne gemacht haben. Wir stehen hier am Ursprung des herausfordernden plus ultra von Karl V., aber auch des diesem implizit vorausgesetzten «non plus ultra», das als eine eigene Devise erst aus dem «plus ultra» hervorgehen wird.
Der Odysseus des Inferno erinnert sich der schicksalhaften Rede, mit der er die kleine Schar seiner Gefährten zum ungeheuren äussersten Wagnis begeisterte. Darauf aber folgt eine kleine, unscheinbare Bemerkung, die den entscheidenden Hinweis gibt auf die konkrete Situation, in der Odysseus seine Rede hielt: «Und nachdem wir unseren Bug gen Morgen gewandt hatten, machten wir mit unseren Rudern dem Schiff Flügel für den wahnwitzigen Flug.» Odysseus sprach also auf dem schon umgewendeten Schiff. An der Grenze der bewohnten Welt, die Herkules mit seinen Säulen bezeichnet hatte, gibt es nichts mehr weiter zu erkunden, ist endgültig der Punkt erreicht, von dem aus es nur noch den Rückweg, die Heimkehr gibt. So ist das Schiff wie selbstverständlich schon zurückgewendet, aber eben in diesem Augenblick, gleichsam als Blitz des ingegno, der Einfallskraft, leuchtet in Odysseus die unerhörte Möglichkeit auf, zu der er seine Gefährten überredet. Erst dann, als er seine Rede beendet hat, wird das Heck des Schiffes wieder gegen Morgen, das heisst nach Osten gelenkt, kann der «folle volo», der vermessene, wahnwitzige und dennoch grandiose Aufbruch in den Westen, beginnen. In ihrer Unscheinbarkeit ist dies eine entscheidende Stelle im Ganzen der «Commedia» wie im Ganzen der Geschichte der Säulen des Herkules. Sie markiert die Scheidestelle zwischen antiker und neuer Tradition. Die Wendung des Schiffes bedeutet ein Drehmoment, in dem genau sich die Grenze in eine Schwelle verwandelt. Damit ist zugleich das erreicht, was in der Sprache der modernen Astronautik «point of no return» heissen wird.
Fünf Monate dauert die Fahrt, bis Odysseus Land erblickt. Es ist die Paradiesesinsel, die seit der Vertreibung von Adam und Eva keines sterblichen Menschen Fuss mehr betreten hat, und Odysseus wäre der Erste gewesen, der den Zugang zu dieser verbotenen Welt gefunden hätte, hätte Gott der Allmächtige, der nur «altrui» genannt wird, keinen gewaltigen Sturm geschickt, so dass Odysseus und seine Gefährten im Anblick der Insel vom Meer verschlungen werden.
VENEDIG?
Dante ist der Erste, dem es gelang, Herkulesmythos und Odysseussage zu einer neuen Einheit zusammenzuschliessen, in der Odysseus zum Überbieter und Überwinder des Herkules wird. Doch ist der neue Odysseus zugleich auch eine Überbietung jenes Alexander, von dessen phantastischen Eroberungstaten im Osten der spätantike Alexanderroman mit seinen europäischen und orientalischen Bearbeitungen und Fortführungen in Spätantike und Mittelalter zeugt. Die Frage stellt sich, ob Dante für diese Verschmelzung zweier Mythen der Weltentdeckung, die zuvor nicht ihresgleichen hat, gleichwohl eine Anregung gehabt haben könnte. Eine solche, so scheint mir, könnte Dante in Venedig gefunden haben, das er vermutlich im Jahr 1304 besuchte, demselben Jahr, in dem er mit der Niederschrift der «Commedia» begann. In Venedig, der kühnen Seefahrerrepublik, waren 1176 die beiden gewaltigen Säulen, die den Namen San Marco und San Teodoro tragen, links und rechts des Lagunenhafens, der hier an die Piazza San Marco stösst, aufgestellt worden. Die beiden Granitsäulen wurden von venezianischen Seefahrern vermutlich aus Syrien geraubt. Ein frühes, perspektivisch etwas verzeichnetes Bild von Battista Danielo del Moro, das sich heute im Museo navale befindet, gibt von dem lebendigen Hafenbetrieb, den die beiden Säulen beherrschen, eine anschauliche Vorstellung.
Es lässt sich fragen, welche programmatische Aussage hinter der Aufstellung dieser beiden gewaltigsten Säulen des Mittelmeerraums am Hafeneingang der mächtigen Seerepublik vermutet werden darf. Sollten die Säulen von Venedig nicht selbst schon eine Antwort auf die sagenhaften Säulen des Herkules sein? Dann wäre ihre Hereinholung vom mythischen Horizont in die unmittelbare Nähe der ankommenden und aufbrechenden Schiffe, die die fernsten Weltgegenden mit Venedig in Berührung bringen sollten, selbst schon ein implizites plus ultra, das dem impliziten nec plus ultra der Säulen am Rand der Welt antworten sollte. Die Grenze verwandelte sich hier schon zur Schwelle, die Warnung vor der Grenzüberschreitung zum Programm des kühnen Aufbruchs ins Offene.
Sollte nicht Dante bei seinem Besuch in Venedig die Säulen von Venedig als eine herausfordernde Antwort auf die Säulen des Herkules begriffen haben? Dann hätte er imaginär gleichsam die venezianischen Säulen an die Meerenge am Ausgang des Mittelmeers versetzt und so in seiner Dichtung noch einmal die Grenze zur Schwelle gemacht.
DER NEUE ADAM
Dante hat die Begegnung mit Odysseus und die Geschichte seiner unerhörten Grenzüberschreitung zur kompositionellen Mitte der ganzen «Commedia» gemacht und ihr damit unter allen Begegnungen in Inferno, Purgatorio und Paradiso eine singuläre Bedeutung gegeben. Jeder der drei Teile der «Commedia» beginnt, bis in die sprachliche Formulierung, mit einer Bezugnahme auf den kühnen, aber auch vermessenen Akt des Odysseus. Die paradigmatische Bedeutung der Odysseus-Episode wird aber erst ganz deutlich im 26. Gesang des Paradiso, der auf den 26. Gesang des Inferno antwortet. Hier begegnet Dante dem Stammvater des Menschengeschlechts, Gottes ersterschaffenem Menschen, Adam. Unter den Fragen, die Dante im Geist an Adam richtet und die diesem offenkundig sind, ohne ausgesprochen zu werden, ist die Frage nach dem Grund für die Vertreibung aus dem Paradies die schwerwiegendste. Sie beantwortet Adam zuerst: «Nun, mein Sohn, nicht das Schmecken der Frucht war an sich Grund eines solchen Exils, sondern allein die Überschreitung des Zeichens.» Die Vermessenheit des «trapassar del segno», der Überschreitung einer gesetzten Grenze, wird hier gleichsam zur Urgeste, in der der Mensch sich seine gefährliche Autonomie erringt. In dieser Perspektive ist Odysseus, der das von Herkules gesetzte Zeichen überschreitet und so aus eigener Kraft beinahe den Ort erreicht hätte, den Adam zur Strafe für seine Vermessenheit verlassen musste, selbst ein neuer Adam. Aber auch Dantes eigenes Werk, die «Commedia», ist ein «trapassar del segno», ein unerhörter Aufbruch ins Neue. Das più oltre als Handlungsmaxime des Odysseus wird zur poetologischen Maxime der Dante'schen «Commedia».
Das Werk steht im Zeichen einer räumlichen Überschreitung von Schwellen, die immer zugleich Metapher sind für die Überschreitung gesetzter Grenzen des Erkennens oder des Handelns. Aber auch als Überschreitung einer zeitlichen Schwelle versteht sich die «Commedia». Sie beginnt, wie sich Gesang XXI des Inferno entnehmen lässt, am Karfreitag des Jahres 1300. Dante markiert so den Übergang zu einem neuen Jahrhundert.
Der Augenblick des Aufbruchs an der Jahrhundertschwelle steht für Dante im Zeichen eines radikalen Zweifels am Sinn der Welt, so dass er, wie der Text diskret andeutet, in der Gefahr steht, selbst seinem Leben ein Ende zu setzen, ehe Virgil ihn aus der verzweifelten Lage am Rand der selva oscura rettet und ihm die unerhörte Reise in Aussicht stellt, die ihm ein neues Seinsvertrauen in eine göttlich geordnete Welt schenken soll. Man darf hinter dieser Sinnkrise diejenige des 1302 unter ehrverletzenden Anschuldigungen aus Florenz vertriebenen jungen Politikers und Dichters vermuten, der von da ab sein Leben im Exil zubringen und bis zu seinem Lebensende nie mehr in seine Heimat zurückkehren wird. Dantes Weltgedicht ist zugleich das Gedicht einer persönlichen Krise und nicht zuletzt ein ahnungsvoller Vorgriff auf das Jahrhundert selbst, an dessen Schwelle die unerhörte Reise steht.
Das 14. Jahrhundert steht zwischen Mittelalter und Renaissance; an seinem Anfang stellt sich der Dante der «Commedia» die Frage nach der eigenen Identität, aber auch nach der Zeit, in die er hineingeboren worden ist. Bis zum Schluss wird Dante, der Weltenwanderer, die ersehnte Gewissheit nicht erlangen. Noch ganz am Ende ist Dante ein Beunruhigter, der nicht aufhören kann, Fragen zu stellen, und der in dem Augenblick, wo ihm die absolute Gewissheit zuteil wird oder zuteil werden würde, das Bewusstsein verliert, so dass die Erinnerung an das Ungeheure nur noch bruchstückhaft gegenwärtig ist und die Dichtung, das Imaginäre, an die Stelle des Erfahrenen treten muss. In einer besonderen Weise ist dies der Augenblick der Kunst. Das Kunstwerk wird zum Supplement der religiösen Evidenz, wie stark diese auch immer noch als Erinnerung oder Erfahrung mächtig sein mag. Es ist die Sprache der avanciertesten Kunst seiner Zeit, in der hier die religiöse Erfahrung zum Ausdruck kommt, doch zugleich vermittelt durch einen Anspruch an die Kunst, der so in nachantiker Zeit noch nie gestellt worden war. Es scheint kein Zufall, dass im frühen 14. Jahrhundert, als Dante sein Werk verfasste, Giotto in Padua die Kapelle des Kaufmanns Scrovegni ausmalte und so ein malerisches Gesamtkunstwerk herstellte, das noch ganz im Bann der Religion steht und dennoch eine neue Dimension auf sich selbst bezogener Kunst verwirklicht. Beide, Dante und Giotto, markieren mit ihrem Werk eine Schwelle, Anfangspunkt einer neuen, sich ins Unerschlossene vorwagenden Kunst, die dem Aufbruch in die noch unerschlossene wirkliche Welt vorangeht.
Ja, hier begann angesichts des „Paradieses“ aus dem Adam vertrieben wurde, doch wo Odysseus nicht anlanden durfte, er ging voher aus Hybris unter. Benjamins Traum vom durch die Hintertür zurückkehren nach Eden, scheitert.  Das Paradies: Atlantis, das ebenfalls untergegangene. Oder doch die Kanaren?
Doch war nicht tatsächlich Columbus, die Entdeckungen, der Anfang unseres Endes, der von Gomera aufbrach.
Und Dante sieht es voraus? Er, der lebenslang im Exil war. Hatte er aus Venedegif, der Seemachtstadt die Säulen mitgebrahct, sie wurden im Libanon getraubt, San Marco und San… Teodoro aus Syrien.Und zeigen schon die Grenze, ie überschritten werden soll. Festgelegt dann wissenschaftlich von Bacon im „Novm organum“ (16.Jhdt. Wo als Frontospiz die Säulen ins Unendliche stehen, Motto „Multi pertransibunt“. Schon  Karls V. Devise: Plus ultra. Bisher „nec plus ultra“ der Griechzen uhnd Römer in gefestigter Welt.
Dante im 26. Gesang der Hölle:  ein Feuermeer und Höllengraben. Virgil sagt ihm, dass auch Odysseus und Diomedes ihre Untaten in Troja büssen. Sie kommen heran und erzählen, beichten. Überschritten Heimweh, Familienbindung, Irrfahrt Fernweh und Sehnsucht, Erkenntniswahn. Odysseus Rede an die Mannschaft, „Und nachdem wir unseren Bug gen Morgen gewandt hatten, machten wir mit unseren Rudern dem Schiff Flügel zum wahnwitzigen Flug“. Ein Blitz des Ingegno.  Zum „folle volo“. Drehmoment dann, Heck gen Osten, Bug gen Westen. Und machten die Grenze zur Schwelle wie heute!
Und Adam wieder im 26. Gesang aber des Paradieses, sagt ihm die Ursache der Vertreibung sei „trapassar del segno“ gewesen. Nicht der Geschmack der Frucht, sondern Grenzüberschreitung.
Dante hat die Begegnung mit Odysseus und die Geschichte seiner unerhörten Grenzüberschreitung zur kompositionellen Mitte der ganzen «Commedia» gemacht und ihr damit unter allen Begegnungen in Inferno, Purgatorio und Paradiso eine singuläre Bedeutung gegeben. Jeder der drei Teile der «Commedia» beginnt, bis in die sprachliche Formulierung, mit einer Bezugnahme auf den kühnen, aber auch vermessenen Akt des Odysseus. Die paradigmatische Bedeutung der Odysseus-Episode wird aber erst ganz deutlich im 26. Gesang des Paradiso, der auf den 26. Gesang des Inferno antwortet.“
Und diese Grenzüberschreitung ist heute imminent, aber … riskant. Und ebenfalls SO mit reiner fahrt und Grenzüberschreitung im räumlichen oder zeitlichen nicht möglich….  Eben keine reiuen technische oder Erkenntnistheoretische frage etwas das Sichtbaren oder des Begriffes…
Erst der erlebte Todeszustand macht sie möglich. Auch bei Dante wird die Frage nach der eigenen Identität und Gewissheit auch als Weltenwanderer nicht erhalten. Und es ist wie auch in meinem Leben und Schreiben sondern, dass Dante im Augenblick, wo er die Gewissheit (wie im Traum) erhalten sollte, er das Bewusstsein verliert, und die Erinnerung an das Ungeheure nur noch bruchstückhaft anamnetisch erinnert da ist, und so die Dichtung, das Kunstwerk die Lücke ersetzen muss, anstelle der Erfahrung tritt Es ist der Augenblick der Kunst, neben dem Traum oder die meditative Grenzüberschreitung, um zur Erleuchtung zu kommen, den Tod also mit öffenen Augen zu sehn, nur noch im Kunstwerk da ist.
Freilich, und Weizsäcker fordert es, dass diese Schwelle eben nur durch Meditation noch überschritten werden kann. Dass das begriffliche Denken sich im besten Falle bewusst werden kann, dass es den Grund der eigenen Möglichkeit nie selbst wissen und beschreiben kann.
:
ANHANG DAZU (Vgl „Zwischen Himmel und  Erde):
Daher ist Schreiben nicht in alter Gemütlichkeit möglich, auch der Kiergegaardsche "Kummer" oder Aitmatows "epische Wehmut" etc. oder Bodo Strauß` "Einstweh", gilt nicht mehr; Strauß sagt es selbst, ihr ist der "geschichtliche Grund" entzogen ( Beginnlosigkeit, S. 27), die Kunstwelt ist zur Natur geworden, sie beschert erst den eigentlichen "rasenden Stillstand" oder "steady state". Doch ist das nicht leeres Gemecker und wir gehen tatsächlich einer großen Utopie entgegen, wo alle Menschheitsträume erfüllt sind, die bedrückende Körperexistenz abgeschafft ist, wir uns endlich ablegen können, Ichlosigkeit herrschen wird, wie es die alten Weisheiten verlangten? So daß das Doppelwesen Mensch zwischen Engel und Körpertier nun endlich himmelt? Nichts als das reine Paradies?
Ja, ein Paradies mit der "Zurüstung" unseres Körpers, das Eindringen der Elektronik ins Hirn, in das Herz. Wie wunderbar, es wird bald möglich sein mit dem "Datenhandschuh" auf Entfernung etwa eine Frau in Australien zu streicheln, so wie wir jetzt telefonieren.


Der Zufall, das Unerklärliche als Bote aus dem Nichtgewußten, ist die eigentliche Realitätsgrundlage. Und zugleich das schöpferische Element im Leben. Im absoluten Raum des Gesetzes aber wirkt die Lebensverhinderung, das Totalitäre.

Heute sammelt sich merkwürdig konkret alles im Realen, was bisher nur "Geist" oder "Phantasie" war. Etwa Bacons "Nova Atlantis", ein Land jenseits der "Säulen des Herakles", jenseits unserer Vorstellung, ein vom Menschen geschaffenes Paradies, wo das Leben chemisch verlängert wurde, sogar der Vogeltraum erfüllt war, ist heute realisiert und ins Gegenteil verkehrt.
"Im Glück erstrebt alles Irdische seinen Untergang, nur im Glück aber ist ihm der Untergang zu finden bestimmt," heißt es in Benjamins "Theologisch-politischem Fragment", denn "messianisch" sei "die Natur aus ihrer ewigen und totalen Vergängnis".

3
Das Grundproblem heute
Wie kann heute dies "Irreguläre", die wildgewordene Phantasie in der Technik, die ja unsere Realität "utopisch" konstruiert, ins Humane "reintegriert" werden? Das Irreguläre des Barock, so Gustav René Hocke in seinem Manierismus-Buch (S.305), habe damals "unter strengstem geistigem Vorzeichen" Blaise Pascal mit religiösem Impetus noch zu integrieren vermocht. Und heute?
Die Atrophie, die im Einzelnen spürbar wird, das, was mit ihm geschieht, ist das, was auch mit der Natur geschieht. Psychiatrie und Ökologie gehören eng zusammen. Umfassend wehrt sich die innere und äußere Natur gegen den Mißbrauch. Ein nicht verfügbarer Rest, ein Reichtum, der nicht aufgeht, sich der Berechenbarkeit und Ausnützung entzieht, beginnt sich zu zeigen, wenn auch im Negativbild zerstörerischer Kräfte, die uns übersteigen; sie entlarven das bürgerliche Konstrukt von Isolierung und Autonomie; am peinlichsten sichtbar im neuen Eisernen Vorhang, mit dem die zweite und dritte Welt ausgesperrt werden soll. Als Einzelne aber sind wir von der originären Fülle getrennt durch die Illusion restriktiver Zeit und die Hektik des Lebensstils. Dabei wird der Widerspruch immer deutlicher. Die geltende Logik im Alltag, in Wirtschaft und Gesellschaft, die für große Körper gilt, aus Zeiten der Wägen und des Wanderns stammt, widerspricht unserem Alltag mit Auto, Elektronik, Computer, Atom und Rakete, die unserer "alten" Natur einen zuwiderlaufenden Rhythmus aufzwingen. Der Widerspruch ist enorm. Das Unheil heute ist unvermeidbar, sagt Carl Friedrich von Weizsäcker, ein Lebenssystem, "das die Wirklichkeit so mißversteht, kann diese Wirklichkeit nur zerstören".
Eine ganz andere Moral wäre nötig, als die der physischen "Effizienz
Heute kann ein Poet entweder poeta doctus sein oder eben”postmoderner” Banallyriker der reinen Zufälligjkeit. Doch es ist natürlich nicht nur das theoretische Fundament, das Literatur, vor allem die Lyrik brauchen würde, um das Peinliche einer Bauchnabellyrik zu vermeiden, sondern mit diesem trifft sich der Chock des Historischen für uns Posthume in seiner ungeheuren Konsenquenz heute.

Dieser Grenzgang eröffnet enorme geistige Perspektiven, in der Mikrophysik oder den Randgebiten sämtlicher Wissenschaften interdisziplinären alternativen Erkenntnissen, auch den Parawissenschaften. C.F. von Weizsäcker war mir da ein Lehrer, um etwa zurück zu Kant zu finden, und zur oben beschriebenen Einsicht. Aber auch, daß der Rahmen der Zukunft etwa (historisch und technisch) im Überschreiten der bisherigen Naturkonstanten gesehen werden kann, nämlich im Überschreiten von Lichtgeschwindigkeit und Quant. Und bei solch einer Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit geschieht Unvorstellbares, wir kommen ins Fassungslose, denn da löst sich jede “feste Welt” (die kollektive Halluzination) auf, Materie erweist sich als das, was sie ist: gefrorene Information und eine Art Minifirmament oder ein Schweizer Käse. (Gemimt wird diese Immaterialität ja schon durch unsere elektronischen Haustiere und das Internet! Und der Körper als Genresultat. Aber gesellschaftlich ist schon heute im Prozeß alles gefesselt und an Macht und Geld gebunden oder wird bald dazu gemacht werden!) Vielleicht ist Kunst und Literatur heute deshalb so ohnmächtig und “Nebensache”, weil sie kaum ein Fundament besitzt mit der sie jenen, die Wahrheit fürchten, zuvorkommen, ja, ihnen Angst machen kann, möglicherweise wäre es obiges Nicht-Fundament, das auch das Tabu Tod und Kürze der Zeit, Angst also, mit der geherrscht wird, auflöst. Früher war es etwa für Kleist oder Schiller Kant, für Thomas Mann Freud, Schopenhauer, Nietzsche. Oder für die Bachmann Heidegger oder für den weiter fortgecshrittenen Celan ebenfalls die Mikrophysik und die jüdische Weisheit mit ihrem Todeswissen.


Was mich nach 89 beschäftigt, ist verstärkt jene Aufgabe, die mich auch vorher beschäftigt hat. Es ist schwer, dieses in ein paar Worten zu erklären, doch ich will es versuchen, da es ins Zentrum meiner Arbeit zielt: nämlich den Abgrund zwischen dem, was das Denken und das Handeln - bis hin zu den Politikern, Managern und Universitäten bestimmt, und den Dimensionen, auf die unsere gesamte Umwelt aufgebaut ist, nämlich eine Welt von Geist, die nicht als Geist erscheint, mit meinen literarischen Mitteln überbrücken zu helfen. Genauer: Das, was uns umgibt, ist ja eine völlig andere, immaterielle Welt an einer unvorstellbaren Grenze zu einem neuen Weltmuster und Paradigma. Beispiel: Denken wir nur an unsere "elektronischen Haustiere," Computer, Radio, Fernsehen usw. Sie beruhen auf Formeln, die einmal "Einfälle", Intuitionen von genialen Menschen waren, es sind ähnliche "Gedankenblitze" wie in der Kunst, aus einem großen kosmischen Informationssystem, das alles bestimmt. Das Nicht-Materielle, das "Geistige" bestimmt heute mehr denn je alles, was geschieht, mentale Prozesse machen mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte, Denken wird "objektiv", lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch, beherrscht im Gerät die Natur und Gesellschaft. Völlig im Gegensatz dazu beherrscht der krasseste Materialismus die Köpfe und das Handeln. Die Menschen der Gegenwart bewegen sich und handeln in dieser neuen immateriellen Umgebung weiter so, als wäre es immer noch die alte Körperwelt. Das herrschende materielle Denken ist antiquiert, denn die Welt ist Geist, der nicht als Geist erscheint, wie ein bekannter Physiker formuliert! Außerdem ist durch weltweite Kommunikation unsere Welt eine einzige geworden, in der anstatt der Kontrolle einer Weltregierung, die von diesen Bedingungen des Lebens überholte alte und trübe nationalistische Emotionen in den armen Ländern und das materialistische Profitdenken des Geldsystems in den reichen Ländern wie ein Krebs wuchern und die Erde teilen!

Nicht nur Althusser, die besten Köpfe im Westen, wie Foucault oder Derrida, George Steiner, Paul Virilio oder am genausten vielleicht Jürgen Habermas in seiner schon 1984 erschienenen Untersuchung "Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfung der utopischen Energien", haben auf das Scheitern der Moderne und ihres Fortschrittsgedankens seit 1789 hingewiesen; und diese Skepsis gab es schon in der "Dialektik der Aufklärung" von Horkheimer und Adorno. Was neu ist und bei Althusser bis in den Wahnsinn hinein durchlebt wird, spricht auch Habermas aus, daß nämlich "die Erschöpfung utopischer Energien nicht nur eine der vorübergehenden kulturpessimistischen Stimmungslagen anzeigt, sondern tiefer greift. Sie könnte eine Veränderung des modernen Zeitbewußtseins überhaupt anzeigen." Daß sich nämlich die "Struktur des Zeitgeistes und der Aggregatzustand der Politik" radikal verändern, daß wie vor 200 Jahren "die Paradieseshoffnungen mit der Verzeitlichung der Utopien ins Diesseits eingewandert sind," so würden heute "die utopischen Erwartungen ihren säkularen Charakter verlieren" und möglicherweise wieder transzendenten, grenzüberschreitenden Charakter annehmen, wie Habermas vermutet, um diese These dann sogleich zurückzunehmen, als habe er Selbstverrat geübt. (In: Die Moderne ein unvollendetes Projekt, Leipzig 1992)

CASABLANCA

Da fällt sofort der berühmte Film ein.  Nähe Portugals, von hier kamen die Piraten, bis die Portugisen , die Berbersiedlung  Anfa nahmen.: 1468 ihn zerstörten, 1575 einen Hafen dann anlegten Casa Branca. Das grosse Erdbeben (Lissabon) 1755 vertrieb sie. Dann kamen die Spanier.  1782, Handelsstützpunkt. 19. Jhdt. Immer mehr Europ#er, wurden vertrieben. Nun kamen die Franzosen 1912  ein französischer General: beginnender Hnadelsaufschwung. Welthafen. Heute viel Kriminalität, Jungednarbeitslosifkeit, Krawalle. Wachsen  fundametalisischer Guppen.

Gefühle wie: zum rstnmal Atlantik, vorher die riesige Skyline Casablancas. Dann  Galaessen. Fade Langeweile. Händedruck Kapitä, Spumante. Und ältre Damen tanzen mit Eintanzern. Häppchen. Und dann Costaproaganda 60 Jahre eigenlob.

Abendessen mit Kerzen, etwas besser.
Nachher dt, Fernseen, Nachrichten, und „Neues aus der Anstalt“. Vorher abgerufen mails. L ertappte mich beim schreiben eines liebesbriefes an E. WKLeiner Schock. Doch sdann gut.  Sagte es sei K. gewesen.

Früh auf, Uhr eine stunde nachgesetllt, eine Stunde gewonnen.
Nach dem Frühstück zu Fuss bis zur Medina. Hafen resig,  und häslich. Vieles bewacht mit Hunden. Verkommen. Die Medina noch schlmmer. Diese Armut, kein orientalisches Leben in den engen Gassen, elende kleine Läden, wo arme Menschen Brot ujd Mlch einkauften.  Früchte klein und  alt.  Müll uf den Gässchen, haufenweise, und die Müllabfuhr, fassten mit blossen händen da reijn. Sie funktioniert, ach Strassenkehrer. Nd Gärtner.
Ägypten wirkte dabneben reich.
Filme. Fotos.

Nur ein paar Friseursalons „normal“ unnd ein zahnarzt. Sie haben sicher auch kein Wasser, Wasserbverkäufer füllen ihre Blechknnen. Viele herumlungernde Jugendliche. Alte. Frauen Kopftuch, bunt, etwas farbe bringen sie. Viele Katzen.
 1993 grösste Moschee (nun zweitgr.) 200m hoch der Gebetsturm, 225000 plus 800000 Gläubige. Dafür alte Medina abgerissen, Armut sollte nicht gezeigt werden. Laserstrahl nach Mekka, Hamams, Biböiothek vernetzt.

Besuchen zuerst sie, dann die Moscjee. Nach  Mekka wichtigster Wallfahrtsort: Mekka und Medina.
Gross unjd protzig, neu 1993. Ein französischr Architekt,  90 Ingenieure 30 Handwerker. Doch alls kunstvoll und leer, unbeseeel. Kweine Zeit in den Mauern. Und erinnert an den Protz Ceaqusescu.
Zum Trost für die Gläubigen, dass sie anderes erwartet als dies Elend hier. Es ist nur obszön.

Siehe Notizbuch.

Polizei ebenfalls arm und lasche kontrollen.
Das Resultat: müde und Schindel, immr schwerer das Gehen.
Beobachtungen?   Alte Autos und Taxis. Arme Katzen. Üner zusam,menedrängt in einem Käfig, die alle frisch geschlachtet werden. Wie eine inrictunm

RABAT Regierungsstadt. Und Sale?
Alle Städte Kolonialsil und Eurpaneu und die alte Medina, oft Mauern. Franzosen und Spanier waren die Herren. Heute Medinas viele Landfküchtlimge.
1,6 mio. viel Blumenschmuck.
Ursprung Berber, Wewhrkotser Ribat. 0.jhdt. Auch hier Piraten, Rückkehrer aus Al Andalus.
Tour Hassan unfrtug Moschee. Mausoleom Mohamed V
ChellahRuinenstadt
In Rabat. Zuerst die Stadt durcfaren, mer noc bei der Rückker die Leute normal anezoen, selten nur Leute im Kafan, aber wie frieren die nict. mmm
Aupteindruck in R. Macht , wir dürfen nur den Könispalast seen, laneweile, und das Mausoleum, wie die neue Moscee MACTDEMONSTRATION daneben die Armut. Doc viele Eindrücke. Kaum sortierbar, verwirrend.
Den strksten Eindruck die Saria, ein Mann one Unterarme und´nde,   Abesclaen. Ein armer Wlfsund im Park, der sic ier escleppt at.  Und eine rosse blonde Deutsce, die sic überall vordrnt
Eine Reihe von Filmzitaten (manchmal leicht verfälscht zitiert) haben große Bekanntheit erlangt, und die Hauptdarsteller Humphrey Bogart und Ingrid Bergman verbindet man heute vor allem mit ihrer Rolle in Casablanca, obwohl sie davor und danach in vielen anderen Filmproduktionen mitspielten.
Das American Film Institute wählte Casablanca 2007 zum drittbesten US-Film aller Zeiten.
Handlung
Der Film spielt im Zweiten Weltkrieg. Frankreich ist von der deutschen Wehrmacht erobert und teilweise besetzt, nicht aber das französische Protektorat Marokko, das zu Französisch-Nordafrika gehört, welches vom Vichy-Regime verwaltet wird. Viele Menschen flüchten nach Casablanca, um von dort einen Flug ins neutrale Lissabon zu erreichen, von wo sie weiter nach Amerika zu fliehen versuchen. Allerdings kommen die meisten der Flüchtlinge nicht über Casablanca hinaus. Der korrupte französische Polizeichef Louis Renault, der mit den Deutschen kooperiert, erteilt Transit-Visa nur gegen Bezahlung mit Geld oder Sex. Zwielichtige Gestalten wie der Italiener Ugarte bieten Visa auf dem Schwarzmarkt gegen Höchstbeträge an. Ebenfalls in der Stadt hält sich der Amerikaner Rick Blaine auf, dessen Nachtclub Rick's Café Américain Treffpunkt vieler Emigranten ist. In den 1930er Jahren hatte Rick Waffenschmuggel für das von Italien angegriffene Äthiopien betrieben und auf der Seite der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft. Inzwischen ist er jedoch ein desillusionierter Zyniker, der, wie er sagt, kein Interesse mehr daran hat, für andere den Kopf hinzuhalten.
Als eines Tages zwei deutsche Offiziere ermordet und die Transit-Visa, die sie bei sich trugen, gestohlen werden, beginnt in Casablanca eine Großfahndung nach dem Täter. Die Polizei erfährt, dass es sich dabei um den Italiener Ugarte handelt. Die Verhaftung soll in Ricks Café stattfinden. Der deutsche Major Strasser reist nach Casablanca, um der Ergreifung des Mörders beizuwohnen. Inzwischen bittet Ugarte seinen Bekannten Rick, die Transit-Visa für ihn aufzubewahren, bis sich die Aufregung gelegt hat. Rick versteckt die Dokumente im Klavier seines Pianisten Sam. Am Abend wird Ugarte in der Bar von Captain Renaults Leuten festgenommen und kurze Zeit später getötet. Die Visa bleiben unentdeckt.
Sehenswürdigkeiten
 Casablanca ist eine moderne Großstadt mit wenigen alten Bauwerken und geringen marokkanischen Kulturelementen, geprägt aber vom französischen Kolonialismus - mit breiten Boulevards und französisch inspirierten Stadthäusern aus den 30er und 40er Jahren, ergänzt durch neue Hochhäuser und Gebäude in neuorientalischem Stil. Kinos, Cafés, Restaurants, Discos - alles ist hier zu finden.
Der Platz mit dem höchsten Haus der Stadt (18 Stockwerke) ist Kreuzungspunkt der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt.
Der Bd Houphouet Boigny mit zahlreichen Souvenir-Geschäften führt zum Hafen und zu einem der wichtigsten Einkaufszentren der Stadt, mit Boutiquen, Reisebüros, Banken und Restaurants, dem “Centre 2000”. Die Av. de I'Armee Royale mit den wichtigsten Hochhäusern der Stadt beginnt ebenfalls am Mohammed-V.-Platz. Die Av. Hassan II. läuft von der entgegengesetzten Seite des Platzes weg und durchquert den Place Mohammed V., dem schönsten Platz Casablancas mit einem Springbrunnen. Am Platz liegt das Rathaus mit einem Uhrenturm, der Justizpalast, das Stadttheater, die Staatsbank und der Park der Arabischen Liga. Dieser Park wurde im Jahre 1918 mit Wasserbecken, Spazierwegen und einem Stadion geschaffen.
An der NW-Ecke der Anlage befindet sich die etwas heruntergekommene Kathedrale Sacre-Coeur aus dem Jahre 1930, die erst in eine Moschee umgewandelt wurde, aber jetzt zum Kulturkomplex umgebaut wird.
Medina, die arabische Neustadt. Sie wurde 1923 erbaut und ist eine gelungene Verbindung traditioneller arabischer Baukunst mit moderner Architektur. Wichtigstes und interessantestes Gebäude dieses Viertels ist die Mahkama, ein Gerichtsgebäude, das 1941-1956 im spanisch-maurischen Stil erbaut wurde. Neben dem Gebäude steht der Königspalast.
 Die neueste Attraktion Casablancas ist die Moschee Hassan II., die 1993 am Geburtstag des Propheten Mohammed eröffnet wurde - ein Mammutbauwerk, nach der Moschee von Mekka die größte Moschee der Welt; sie bietet 100.000 Gläubigen Platz. Ein Laserstrahl ist auf Mekka gerichtet. Die Moschee ist auf den Klippen ins Meer hineingebaut, dort wo sich ehemals das große Meerwasserschwimmbecken befand.
Der gesamte Moscheebereich umfaßt eine Größe von 9 ha, zum Komplex gehören eine islamische Schule, Hammams, Schwimmbäder, ein Museum über marokkanische Geschichte, Konferenzräume und eine Bibliothek, die via Satellit mit den größten Bibliotheken der Welt verbunden ist. Der Gebetssaal faßt 20.000 Gläubige, weitere 80.000 finden auf einer Gebetsplattform außerhalb Platz. Die Spitze des 200 m hohen Minaretts krönen drei, zusammen 3700kg schwere Goldkugeln, deren größte einen Durchmesser von 3,8 m hat. Jede Seite des quadratischen Minaretts ist 25 m breit und kunstvoll mit arabischer Ornamentik dekoriert. Ein Aufzug führt nach oben und erschließt eine prachtvolle Aussicht auf die Stadt und den Atlantik. Der Moscheebereich hat 25.000 Säulen und 124 Brunnen.
 Den Kunsthandwerksmarkt Youtiya mit Kupferarbeiten, Schmuck, Teppichen, etc. findet man in der Neuen Medina - dem Viertel Habbous.
Die Neue Medina ist der Souk für die Einheimischen; hier gibt es Gemüse, Fische, Schuhe, Kunsthandwerk, alles ohne Touristenrummel, ein Beispiel alltäglichen Lebens. Die wichtigsten Bauwerke in der Medina sind die Jamaa el Kebir (die Moschee des Sidi Mohammed Ben Abdallah), die große Moschee Jamaa ech Chleuh und die Koubba des Sidi el Kairouani, des ersten Schutzheiligen der Stadt, der Mitte des 14. Jh. aus Kairouan hierher kam.
Empfehlenswert ist ein Besuch des Zentralmarktes (Marche Municipale, Bd. Mohammed V.). Am Vormittag kann man hier die angebotenen Fische und Meeresfrüchte noch lebend besichtigen und kaufen.
Entlang der palmengesäumten Küstenstraße Corniche mit einigen Hotels, Bars und Diskotheken gelangt man zu diesen Villen- und Badeorten. Überall an der Küste findet man modernst eingerichtete Bäder mit Meeres- und Süßwasserbecken. Die Corniche von Aih Diab ist das beliebteste Ausflugsziel von Casablanca, und man hat jeden Abend dort das Gefühl, auf einem großen Volksfest zu sein. Auch sind die Villenviertel in Anfa mit ihren herrlichen Gärten zu bewundern. ...

ARECIFE. LANZAROTE
Arrecife
Arrecife ist die Hauptstadt von Lanzarote mit etwa 40.000 Einwohnern. Noch vor 200 Jahren gab es hier nur einen kleinen Hafen, der zur damaligen Hauptstadt Teguise gehörte, und erst im letzten Jahrhundert begann sich die Stadt so langsam zu entwickeln. Die Bewohner sind hauptsächlich Einheimische, Touristen kommen eigentlich nur zu einem Tagesausflug in die Stadt, um dann festzustellen, dass es schönere Plätze auf Lanzarote gibt als hier. Arrecife ist bis auf wenige Ausnahmen eine Stadt mit kleinen verwinkelten Gassen, die außer an den wenigen markanten Plätzen noch nicht vom Tourismus geprägt ist. Das macht sie vielleicht auch wieder reizvoll. Besonders viele Sehenswürdigkeiten hat Arrecife auch nicht, sieht man mal von einigen markanten Punkten ab.
Das Castillo de San Gabriel, ein kleines Kastell liegt auf einer der Uferpromenade vorgelagerten kleinen Insel. Im Kastell lohnt es sich, einmal das Archäologische Museum zu besuchen, in dem Schätze aus Ausgrabungen gezeigt werden.
Im Osten der Stadt befindet sich ein zweites Kastell, das Castillo de San José, eine kleine Burg mit Zugbrücke und Schießscharten. Das Innere der Burg ist in den siebziger Jahren zu einem Museum, dem Museo International de Arte Contemporáneo, unter der Anleitung von César Manrique umgebaut worden. Das Gelände rund um die Burg ist üppig und geschmackvoll bepflanzt.
Die Charco San Ginés ist eine große Lagune, die mitten in der Stadt liegt und mit einem kleinen Verbindungskanal mit dem Meer verbunden ist. Um diese Lagune führt eine Fußgängerpromenade, die nachts beleuchtet ist. Ein wirklich schönes Fleckchen in dieser sonst nicht gerade ansprechenden Stadt.
Die Calle León y Castillo ist die Hauptgeschäftsstraße Arrecifes und ist eine reine Fußgängerzone. Zur Hauptgeschäftszeit lohnt sich hier ein Shopping Spaziergang. An ihrem Ende trifft die Straße auf den Westzipfel der Lagune Charco San Ginés.
Am Westende der Stadt befindet sich der Stadtstrand El Reducto, ein für diese Stadt eigentlich recht schöner Blickfang. Er beginnt am markanten Punkt von Arrecife, am früheren Gran Hotel, einer Hochhausruine, die 1994 ausgebrannt ist, und heute so eine Art Wahrzeichen der Stadt darstellt. Auf einer Uferpromenade kann man die ca. 400 m bis zur Bushaltestelle entlang schlendern. An der Westspitze des Strandes befindet sich dann der Bushaltepunkt für die Abfahrten nach Puerto del Carmen oder Costa Teguise.
LAS PALMAS


Las Palmas, die Hauptstadt Gran Canarias, erstreckt sich – eingebettet in eine wunderschöne Landschaftsszenerie im Nordosten der Insel – zwischen den zwei herrlichen SträndenPlaya de Las Canteras und Playa de Las Alcaravaneras – und deren Buchten.

Die Stadt wurde in 1478 gegründet und verfügt über ein bedeutendes historisches und kulturelles Erbe, wovon viel im Stadtteil Vegueta, dem ältesten Teil der Stadt, zu sehen ist und der 1990 von der UNESCO zum Welterbeschauplatz erklärt wurde.

Real de Las Palmas, die erste Siedlung, entwickelte sich aus einem kastilischen Militärlager auf der rechten Hügelseite der Schlucht Barranco de Guiniguada, wo heute die Kapelle San Antonio Abad steht. Die Siedlung wuchs zunächst in die Höhen in Richtung auf die beiden Schluchtränder zu, wo sich die beiden Stadtteile Vegueta und Triana jeweils auf dem rechten und linken Ufer des Barranco de Guiniguadaausbreiteten. Die Calle Juan de Quesada, Las Palmas Schnellstraße, die über die Schlucht aus der Stadt hinaus in die Inselmitte führt, trennt heute die beiden historischen Stadtteile.

Fast vierhundert Jahre lang beschränkte sich Las Palmas in nördlicher Richtung auf die Stadtwälle der Viertel Veguetaund Triana und wuchs während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts hauptsächlich in das Innere der Insel hinein wie die meisten der Städte des Archipels. Somit bildeten die Viertel Vegueta, Triana, Vega de San José und einige kleine Nachbarschaften, die vorwiegend von Immigranten und Fischern bewohnt wurden, die Stadt Las Palmas zu jener Zeit. Erst im 19. Jh. – auch begünstigt durch den Bau des Hafens Puerto de la Luz – begann sich die Stadt nördlich an der Küste entlang auszudehnen und die Viertel Arenales,Ciudad Jardin, Alcaravaneras, Santa Catalina und La Isletaentstanden.

Las Palmas besitzt eine große Infrastruktur mit Hotels und Apartments und mit dem Hafen Puerto de La Luz einen der bedeutendsten Häfen Europas, der der Stadt ein äußerst kosmopolitisches Image verleiht. Unter den Auswirkungen der touristischen und wirtschaftlichen Entwicklung der 60er Jahre konsolidierte sich die Stadt schließlich mit einer Bevölkerung, die sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt hat (z. Zt. hat die Stadt etwa 400.000 Einwohner).

Heute ist Las Palmas de Gran Canaria eine dynamische Metropole, mit viel spanischem Flair, Geschichte und Kultur.Lucha Canaria (Kanarisches Ringen) und Vela Latina Canaria(Kanarisches Latein-Segeln) sind traditionelle Sportarten der Einheimischen, die sich ursprünglich in Las Palmas entwickelt haben. Fast an jedem Wochenende kann man Vela Latina Canaria Regattas vor der Küste der Stadt beobachten.

Wenn Sie erleben wollen, wie die Einwohner von Las Palmas Feste feiern, dann sollten Sie die Stadt entweder während des Karnevals – gewöhnlich im Februar/März – oder im Juni (um den 24. herum) zu den Johannis-Festivitäten besuchen.


Die folgenden Links führen Sie zu den – wie wir meinen – interessantesten Bezirken von Las Palmas:

(1) La Vegueta
Sehenswertes: Catedral de Santa Ana – Casa Museo de Colón – Centro Atlántico de Arte Moderno – Museo Canario

(2) Triana
Sehenswertes: Casa Museo de Pérez Galdós

(3) Cuidad Jardin
Sehenswertes: Pueblo Canario

(4) Santa Catalina

(5) Playa de Las Canteras

(6) La Isleta
Sehenswertes: Castillo de la Luz   


    
Playa de Las Canteras   
  
    
Las Palmas bei Nacht   
  
    
Las Palmas   
  
    
Die Stadtbezirke von Las Palmas   

  
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SAN SEBATIAN GOMERA


San Sebastian de la Gomera ist zu unrecht für viele nur Durchgangsstation auf der Reise ins Valle Gran Rey oder Playa Santiago.
San Sebastian ist eine kleine unentdeckte Perle für alle die Strand, Restaurants und etwas lebhaftes Treiben in den abendlichen Bars suchen.

Mit nur 4500 Einwohnern ist San Sebastian gleichzeitig die Hauptstadt La Gomeras und Sitz der Inseladministration.
Immer noch bestimmt die Ankunft der Fähren das Leben im kleinen Städtchen.
Entdecken Sie San Sebastian am besten abends wenn viele kleine Restaurants öffnen und die zahlreichen Hinterhöfe zu leben erwachen.

Wie alles auf La Gomera muss auch San Sebastian entdeckt werden - schlendern Sie abseits des Hauptplatzes durch eine der kleinen Nebenstrassen, shoppen Sie in einem der kleinen versteckten Läden.
San Sebastians “Stadtkern” ist klein und in gut 20 Minuten erobert.
Sehenswerte Gebäude sind die alte Kirche “Nuestra Senora de la Asuncion” in der Calle del Medio, der Torre (Turm) im kleinen Park am Hauptplatz, oder der Brunnen aus dem Kolumbus das Wasser zur Taufe Amerikas schöpfte.

Wir haben für Sie einige Bilder zusammengestellt, die San Sebastian und den Reiz der Stadt einfangen.
San Sebastian ist einmalig, faszinierend und es gibt viele verborgene Schönheiten zu entdecken - eben mehr als eine Durchgangsstation auf der Reise ins Valle Gran Rey.
Deshalb haben wir ein paar neue interessante Apartments (und Hotel) im Programm.


San Sebastián de La Gomera
San Sebastián de La Gomera das „Tor zur neuen Welt“ gehört mit dem Barranco Santiago zu Hipalán, einem der Siedlungsgebiete der Guanchen-Ureinwohner.
Im Jahr 1440 besetzte Hernán Peraza el viejo den Ort, an dem sich heute die Hauptstadt der Insel befindet, in der Mündung des Barranco de la Villa. Er gab ihm den Namen San Sebastián, wahrscheinlich aufgrund der Bewunderung, die die spanische Bevölkerung diesem Heiligen erwies.

Die ersten Gebäude, errichtet noch bevor die Eroberung der Insel abgeschlossen war, sind die ermita de San Sebastián, die sich heute ausserhalb des Siedlungskerns befindet, die casa de los Peraza, auf dem Grundstück Pozo de la Aguada, die Kirche von La Asunción, die erst nur eine kleine Kapelle war, sowie der Wehrturm Torre del Conde in der Mitte des Tales.
Letzterer ist das einzige Gebäude, das heute noch sein ursprüngliches Aussehen bewahrt
Christof Kolumbus  brach von hier aus  am 6. September 1492 ins Unbekannte auf. Nach dieser ersten Reise ankert er noch zwei Mal in der Bucht von San Sebastián, bei seiner letzten Reise macht er jedoch keine Zwischenstation mehr auf der Insel.
Heute ist die Wirtschaft der Gemeinde hauptsächlich durch die Funktionen als Hauptstadt und Hafen der Insel bestimmt, mit der entsprechenden Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen und dem Dienstleistungssektor allgemein, insbesondere von Transport, Handel und der Ausflugs-Tourismus von Teneriffa.
Interessante Sehenswürdigkeiten:
- Torre del Conde,
- Museum Casa de Colón,
- Pozo de La Aguada,
- Kirche La Asunción,
- Felsen Los Roques
- Barranco del Cabrito,
- Naturschutzgebiet Puntallana...

Fotogalerie Stand April 2006 - zum Vergrößern auf die Bilder klicken.






 



 



 



 



  




 



 



 



 



  




 



 






  


Das mystische Gomera

Schon in vorspanischer Zeit gab es auf la Gomera Kultplätze, wo magische Rituale veranstaltet wurden. Mittelalterliche Zauberbräuche, von den Europäern mitgebracht, vermischten sich sich nach der Conquista mit den alten Ritualen und blieben in entlegenen Dörfern bis in unsere Zeit erhalten.
Der Tafelberg: Fortaleza de Chipude (Bild) galt den Ureinwohnern als heilig. Archäologen entdeckten auf dem Gipfelplateau eine prähistorische Tempelanlage. Von Steinkreisen umgebene Vertiefungen im Boden werden als Brandopferherde gedeutet.
Aus den Steinkreisen ragten Menhire empor, von den Guanchen verehrte Steine.
Da sind wir aber wegen dem Baby und weil man trittsicher und schwindelfrei sein muß - nicht hochgekraxelt.

Auf La Gomera ist der Hexenglaube noch stark verbreitet. Der Begriff Hexe hat dort jedoch noch eine andere Wertigkeit, als wir es mit unserer naturreligiösen Sicht sehen. La Bruja, die Hexe ist da rein negativ belegt. Im Gegensatz gibt es die Heilerinnen: Curanderas genannt.
In Mittelamerika gibt es diese Bezeichnungen auch, wobei es auf La Gomera sich immer nur um Frauen zu handeln scheint. Böse Hexen wie auch Heilerinnen.

In einigen Dörfern des Zentrums, wie in El Cercado oder des Nordens, erstzten die Heilerinnen noch lange den Arzt. Auch Die Lichtung von Laguna Grande (Bild) gilt als Hexentanzplatz. Nur der Name erinnert daran, dass es einst mitten im Wald einen Kratersee gab (laguna = Teich). Heute präsentiert er sich als kreisrunde, saftiggrüne Waldlichtung, welche am Wochenende von den Einheimischen und von Touristen als Picknickgelände genutzt wird. Doch die alten Ängste sind noch lebendig: niemand würde bis nach Einbruch der Dunkelheit hierbleiben.

Auf dem Bild zu sehen ist eine Reproduktion einer Zeremoniellen Konstruktion, ausgegraben zwischen 2002 und 2004, welche sich momentan unterhalb dieser Aussichtsplattform befindet.
Sie besteht aus einer künstlichen Steinplattform die die Opferaltäre enthält.
Sie wurde gebaut in mehreren "Etagen": Anfänglich war es ein ovaler Sockel der 6x5 Meter mass, von langen Blöcken begrenzt.
Dies war mindestens 3 Mal vergrössert worden, mit neuen Teilen die dazu kamen,
am Ende war es umgeben von großen Steinblöcken die ihm die komplette Größe von 8x7 Meter gaben.
Große Anzahlen von geschwärzten Schaf und Ziegenknochen sind auch gefunden worden,
zusammen mit vielen Steininstrumenten für Opferung und Schlachtung dieser Tiere und für andere Verwendungszwecke.
es gab auch kleinere Mengen von Fragmenten von Töpfereien und andere Utensilien.

Bei einigen Steinen wurden Gravierungen gefunden, dessen zweck und Bedeutung unklar ist. Manche Gravierungen wurden erst nach der spanischen Eroberung gemacht, manche prähistorisch.
Sicher stehen sie in Zusammenhang mit den Ritualen die hier gehalten wurden.




SATA CRUZ Teneriffa/  LAGUNA

Geschichte [Bearbeiten]
Das spätere Stadtgebiet von Santa Cruz de Tenerife gehörte zur Zeit der Guanchen zum Königreich von Anaga. Teneriffa lag aber so günstig auf dem Weg zwischen der alten und neuen Welt, dass die Spanier sie den Ureinwohnern nicht länger überlassen wollten. Nachdem die anderen kanarischen Inseln bereits erobert waren, landete daher 1494 der Andalusier Alonso Fernández de Lugo in der Bahía de Ananza. Er ließ dort das Fort Agaete bauen, um einen festen Stützpunkt im Kampf gegen die Guanchen zu haben. Erst nach zwei Jahren gelang es de Lugo, die Altkanarier zu unterwerfen. Zum Zeichen des Sieges ließ er ein Holzkreuz errichten, nach dem die nunmehr entwickelnde Siedlung den Namen Santa Cruz de Santiago de Tenerife erhielt.


Typischer Baustil aus derFranco-Ära an der Plaza de España
Im 16. Jahrhundert wurde der wirtschaftliche Aufschwung der wichtigen Hafenstadt an der Amerika-Route durch den regen Handel mit England noch verstärkt. Administrative Bedeutung erlangte Santa Cruz 1723, als der Militärbefehlshaber der Kanaren seine Dienststelle von La Laguna nach Santa Cruz verlegte. La Lagunablieb dagegen als Bischofssitz und kulturelles Zentrum erhalten. Der Handel blühte zum Ende des 18 Jahrhunderts auf, nachdem Santa Cruz (1778) als einzige Stadt der Kanaren das königliche Privileg des Amerikahandels erhielt. Die erste Hafenmole wurde bereits 1755 errichtet.
Die Engländer, die schon früh die strategische Bedeutung des Hafens erkannten, unternahmen von 1657 bis 1799 vier erfolglose Versuche, das blühende Santa Cruz de Tenerife mit Militärgewalt einzunehmen und der spanischen Krone zu entreißen. Im Juli 1797 fand der prominentestes Eroberungsversuch einer englischen Flotte unter dem Befehl Admiral Nelsons statt. Sein Vizeadmiral Bowen landete mit 1200 Mann, konnte sich in Santa Cruz aber nur einen Tag gegen die verstärkten spanischen Verteidiger halten und wurde gefangen genommen. Im Beschuss durch die Hafenfestungen verlor Nelson seinen linken Arm. (Die Kanone "El Tigre", die das Feuer auf das Flaggschiff der Engländer abgegeben haben soll, wird bis heute im Museo Militar verwahrt.) Festungskommandant Antonio Guitérrez erreichte einen Nichtangriffsvertrag mit Nelson, woraufhin die gefangenen englischen Soldaten freigelassen werden.
Santa Cruz de Tenerife wurde 1812 zur Hauptstadt des ganzen Archipels erhoben.
1936 wurde der nationalistische General Francisco Bahamonde Franco von der Volksfrontregierung in Madrid als Militärgouverneur nach Santa Cruz strafversetzt. Seine hier eingeleitete Militärverschwörung (17. Juli 1936) führte in den spanischen Bürgerkrieg.
Seit 1982 ist Santa Cruz neben Las Palmas de Gran Canaria administratives Zentrum der autonomen Region Kanarische Inseln. Beide Regierungssitze wechseln sich alle vier Jahre ab.
Nachbargemeinden sind El Rosario im Süden und Südwesten und San Cristóbal de La Laguna im Westen und Nordwesten.
Die Stadt ist Seehafen und mit nahe gelegenem Strand Las Teresitas (dank importiertem Sand aus derSahara einer der wenigen weißen Strände der Insel) ein Urlaubsparadies mit imposanten Aussichten und mildem, subtropischem Klima. Weltbekannt ist der Karneval von Santa Cruz, der zweitgrößte der Welt nach dem in Rio de Janeiro.
Außerhalb der Karnevalszeit bietet die Stadt mit unzähligen Kinos, Messen und Galerien Abwechslung. Der Tourismus spielt im Vergleich zum ebenfalls im Norden der Insel gelegenen Stadt Puerto de la Cruzeine weitaus geringere Rolle.
Der Hafen exportiert zahlreiche Rohstoffe der Inselgruppe. Im Raum Santa Cruz hat sich auch eine vielfältige Industrie angesiedelt, darunter Textil- und Fischindustrie sowie einige Erdölraffinerien.


Örtchen Igueste im Norden des Distriktes


Strand Las Teresitas
Ortsteile [Bearbeiten]

Blick auf Santa Cruz de Tenerife; von links nach rechts: Kongresszentrum, Rückseite des Auditorio de Tenerife, Hafen, Anaga-Gebirge
Geschichte [Bearbeiten]
Im Jahr 1494 war ein erster Versuch desAdelantados Alonso Fernández de Lugo, die Insel Teneriffa für die Krone von Kastilien und León zu erobern, fehlgeschlagen. Bei einem weiteren Versuch im Jahr 1495 traf die Hauptmacht der kastilischen Truppen auf dieGuanchen des Nordteils der Insel und vernichtete diese nahezu komplett. Diese erste Schlacht fand auf der Ebene statt, die in der Sprache der Eingeborenen Aguere genannt wurde. Zum Gedenken an diese blutige Schlacht, bei der vermutlich auch der Mencey (Fürst) der Guanchen des Nordens, Bencomo ums Leben kam, wurde an dieser Stelle ein Steinkreuz und später eine Kapelle errichtet. Die Kapelle wurde dem Heiligen Cristóbal geweiht.


Kapitulation der Guanchen, Fresko im Rathaus
Nach der endgültigen Kapitulation der Guanchen in Realejo im Orotava-Tal im Jahr 1496 führte Alonso Fernandez de Lugo seine Truppen zurück nach Aguere, wo er sich niederzulassen und eine Siedlung zu gründen gedachte. Drei Gründe werden von Historikern für die Wahl dieses Ortes vorgebracht: Der erste Grund ist eine angemessene Entfernung zur Küste. Das bot auch ohne Befestigungsanlagen Schutz vor Angriffen durch Piraten, mit denen zu dieser Zeit ständig zu rechnen war. Der zweite Grund ist die Lage auf einer der wenigen ebenen Landflächen der Insel. Der letzte Grund war die Bodenbeschaffenheit und das Klima in Aguere. Dies ermöglichte den Anbau von Getreide und bot gute Weiden für die Viehzucht. Außerdem gab es einen von einem Bach durchflossenen See mit Trinkwasser, eben die Laguna.
Die erste Ansiedlung in San Cristóbal de la Laguna erfolgte in dem Gebiet, in dem sich heute die Kirche Nuestra Señora de la Inmaculada Concepcón befindet. Heute wird dieser Teil der Stadt als Villa de Arriba bezeichnet. Es wurden mit einfachen und nicht sehr haltbaren Materialien Häuser und eine kleine Kapelle gebaut. Diese kurzlebigen Bauten ersetzten die Einwohner nach und nach durch haltbarere Gebäude, die dann auch den Forderungen der Inselregierung nach Verwendung von nicht leicht brennbaren Baumaterialien entsprachen.
Der Verlust der Bedeutung La Lagunas begann im Jahr 1648 mit der Verleihung der Stadtrechte an die Ortschaft La Orotava. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Cabildo, der Stadtrat von La Laguna, identisch mit der Inselverwaltung.
Die wirtschaftliche und politische Krise der Stadt hielt auch im folgenden Jahrhundert an. Im Jahr 1723 verlegte der Capitán General seinen Amtssitz nach Santa Cruz. Im Gegensatz dazu steht das Aufblühen der Kunst und der Kultur innerhalb der Stadt im 18. Jahrhundert. La Laguna im 18. Jahrhundert, das ist die Stadt der Salons, der Schriftsteller und Künstler unter dem Mäzenatentum der vornehmen Familien (Nava y Grimón, Saviñón, Román usw.) in denen die laufenden künstlerischen und politischen Strömungen in Europa diskutiert wurden die auf der Insel offenbar auffallend präsent waren. Das ist die Stadt der glänzenden Fassaden, es ist wirklich die Hauptstadt des gehobenen städtischen Lebens, der Gesellschaft, der Kunst, der intellektuellen Bewegung.
Im 19. Jahrhundert verstärkte sich der Rückgang der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Stadt zugunsten der Stadt Santa Cruz, die früher nur ein kleiner Handels- und Fischereihafen war. Santa Cruz übernahm bald die neuen Verwaltungsaufgaben und wurde der Sitz neuer Einrichtungen, die durch die Verfassung von Cádiz geschaffen und durch Ferdinand VII. auch nicht rückgängig gemacht wurden. Die schwindende Bedeutung La Lagunas wurde durch die Neugründung der Universität San Fernando und die Einrichtung des Bischofssitzes nur wenig abgemildert, da die Universität im Jahr 1845 geschlossen wurde und der Bischofsstuhl zwischen 1848 und 1877 nicht besetzt war.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitete sich die Stadt in der Fläche aus, was zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl führte. 1965 wurde die Anzahl von 50.000 Einwohnern erreicht. Seit diesem Beginn ging es weiter bergauf und so erreichte die Stadt bei der Zählung am 1. Januar 1995 127.735 Einwohner. Die Ausweitung des tertiären Bereichs der Wirtschaft führte in der Universitäts- und Verwaltungsstadt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Während der Tourismus in der Innenstadt keine überragende wirtschaftliche Bedeutung hat und in erster Linie als Tagestourismus auftritt, sind die Küstenbereiche des Stadtgebietes wie z. B. Punta de Hidalgo und Bajamar stark vom Tourismus abhängig. Im Rahmen der 500-Jahr-Feiern der Stadt wurden viele historische Gebäude renoviert. Die in der gleichen Zeit (1999) stattgefundene Erklärung zum UNESCO-Welterbe führte zu einer verstärkten Wahrnehmung der Verantwortung für die Erhaltung der vorhandenen Substanz durch die Stadtverwaltung, die Inselverwaltung und die Regierung der Autonomen Region der Kanarischen Inseln.
Ortsteile [Bearbeiten]
Historische Plätze und Gebäude [Bearbeiten]
Plaza del Adelantado [Bearbeiten]
MADEIRA


Die ganze Inselgruppe ist im Prinzip ein großes Unterwassergebirge, von dem sich einige Spitzen über die Meeresoberfläche erheben. Während sich der höchste Gipfel Madeiras, der Pico Ruivo de Santana, gerade mal 1861 m in die Höhe erhebt, fällt die ganze Insel ca. 4000 m tief steil in den Atlantischen Ozean hinab - ein gewaltiges Gebirge, wenn man sich dieses Ausmaß vorstellt.
Madeira und Porto Santo sind die einzigen beiden bewohnten Inseln der Inselgruppe. Den 3 Ilhas Desertas mangelt es an Trinkwasser; sie sind daher unbewohnt, oder wie der Name einfach sagt: verlassen. Auch die weiter südlicher gelegenen "wüsten" Inseln sind nicht bewohnt.
Madeira hat eine Größe von ca. 60 km auf maximal 23 km. Der Gesamtumfang der Insel beträgt 150 km. Madeira erscheint damit auf den ersten Blick eine winzige Insel zu sein. In der Tat braucht man jedoch Stunden, um nur von einem Ende zum anderen Ende der Insel zu gelangen.
Wie ist Madeira beschaffen?
Da es sich bei der ganzen Insel um ein rießiges Gebirge handelt, das ganz tief unten im Ozean beginnt, sind fast sämtliche Küsten der Insel steil und schroff. Traumhaft weite Sandstrände findet man auf Madeira nicht. Wer jedoch unbedingt einen Sandstrand zum Baden braucht, der ist auf der Nachbarinsel Porto Santo bestens aufgehoben. Diese Insel hat nämlich kurioserweise genau das, was Madeira nicht hat: lange, schöne, breite, einladende Sandstrände.

FUNCHAL

Geschichte und Entwicklung

Die ganzen Hänge Funchals, die heute mit Häusern vollgepfropft sind, waren einst üppig mit Fenchel bewachsen. Die ersten Siedler rodeten das Fenchelgestrüpp einfach ab und benannten die Stadt nach der Pflanze: Fenchel heißt auf portugiesisch funcho.
In Funchal begann also quasi bei der Gründung der Stadt bereits eine Umweltverschändung, wie sie heute kein Mensch mehr zulassen würde. Leider wächst die Stadt auch heute noch auf Kosten der Umwelt permanent an. Die 3 Flüsse, die sich in Funchal treffen, um gemeinsam in das große Meer zu fließen, wurden stellenweise einfach kanalisiert - was für ein Eingriff in die Natur.
Funchal platzt aus allen Nähten; die Stadt wächst in alle Richtungen. Fährt man durch Funchal hindurch, so erkennt man eine einzige Baustelle. Überall enstehen neue Bürogebäude, Wohnhäuser und natürlich eine rießige Anzahl von neuen Hotels. Straßen entstehen oft schneller, als sie in Karten eingezeichnet werden können. Funchal ist mit seiner näheren Umgebung im Osten und im Westen mit einer vierspurigen Autobahn verbunden. Man überlege sich dies einmal auf einer Insel, die keine 300.000 Einwohner hat.
Überall werden neue Straßen gebaut; alte Straßen werden verbreitert; es entstehen zahlreiche Tunnels, um die Straßen nicht an den Felsenverlauf der Insel anpassen zu müssen. Dies gilt übrigens nicht nur für die Hauptstadt Funchal, sondern für die ganze Insel.
Mein Eindruck von der Stadt
Funchal hat auf mich sehr abschreckend gewirkt. Alleine die Fahrt durch Funchal hat mich so genervt wie es sonst nur eine Einkaufsfahrt in Münchens Zentrum an einem Samstag Morgen fertigbringen könnte. Möchte man in der Stadt ein Ziel mit dem Auto erreichen, so ist man in  einem unübersichtlichen Wirrwar von Einbahnstraßen oft hoffnungslos verloren. Vor allem die Nebenstraßen werden teilweise so eng und steil, dass man sich mehr durchrangiert als dass man durchfährt.

Auf dieser Seite beschreibe ich eine wunderschöne Inselrundfahrt im Osten der Insel. Sie beginnt in Funchal, führt zum Ostzipfel der Insel, dann auf der kurvigen, bergigen Küstenstraße im Nordosten der Insel bis Sao Vicente, von dort schnurstracks quer durch die Insel hinunter in den Süden nach Ribeira Brava und von dort an der Südküste entlang zurück nach Funchal. Die Wegstrecke ist kilometermäßig kurz, aber im Nordostteil der Insel dauert ein Kilometer sehr sehr lange.
Machico - der älteste Ort Madeiras
Fährt man von Funchal aus zum Ostzipfel der Insel, so nimmt man am Besten die Autobahn, da es auf dieser Strecke nicht allzu viel zu sehen gibt. Am Beeindruckendsten sind die Säulenstelzen der Flughafenlandebahn, unter der man durchfährt. Während früher Madeira's Flughafen einer der abenteuerlichsten weltweit war, hat er heute eine ganz normale Landebahn. Wie viel Beton für die dicken Tragsäulen auf die Insel geschafft werden musste, wird einem bei der Unterquerung deutlich.
Der nächste Ort hinter der Flughafenstadt Santa Cruz ist Machico - der älteste Ort Madeiras. Sofort fallen einem die beiden Festungen auf, die errichtet wurden, um die Stadt  besser gegen Piratenangriffe zu schützen. Machico entwickelt sich dank seiner geschützten Lage und seinem sonnigen milden Klima mehr und mehr zu einem Touristen-Urlaubsort. Für Besucher bietet das kleine Städtchen viele Reize: Machico ist ein richtig nettes Städtchen zum Bummeln: In kleinen Sträßchen und Platanenalleen gibt es viele kleine Geschäfte; vor allem gibt es viele kleine Läden, die Wein, Schnaps und Honigkuchen verkaufen.
Beim Bummeln durch Machico trifft man zwangsläufig auch auf die kleine Strandpromenade, wo man sowohl im Meer als auch in kleinen Pools baden darf. Für Umkleidekabinen und Toiletten ist gesorgt. Überhaupt hat mich in Machico überrascht, dass es an jeder Ecke öffentliche Toiletten gibt. Für den Ort Machico braucht man nicht lange, um alles zu besichtigen, aber den gemütlichen Ort mit seinen netten Sträßchen und Plätzen sollte man nicht auslassen.
Canical - der Ort der Wale
Von Machico aus machen wir einen Abstecher zum Ostende der Insel. Durch einen 750 m langen Tunnel gelangt man schließlich in den Ort Canical. Der kleine Ort hat eine lange Tradition, was den Walfang betrifft. Stolz zeigen die Fischer in einem kleinen Museum von ihrer glorreichen Vergangenheit. Der Walfang ist in der Tat Vergangenheit; aus dem einstigen Walfanggebiet wurde ein Nationalpark für Meeressäugetiere.
Der 3000 Einwohner Ort Canical selbst ist nicht sehenswert; die meisten Touristen machen einen Abstecher im Walfangmuseum, um dann weiter zum östlichen Inselende zu fahren. Auch das Walfangmuseum kann man sich getrost sparen; bei 1,25 € Eintritt verliert man aber auch nicht viel Geld, wenn man sich die 15 Minuten Zeit nimmt, um alles zu sehen.
Ponta de Sao Lourenco
Also am Besten lässt man Canical rechts liegen und fährt gleich weiter zur Ponta de Sao Lourenco, denn was man hier zu sehen bekommt ist einmalig. Auf einer breiten Straße fährt man durch eine wüstenartige Landschaft bis zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man auf beide  Seiten der Insel blicken kann. Wo bleibt die Blumeninsel Madeira, fragt man sich, wenn man zum Ostzipfel der Insel fährt.
Die Erklärung ist ganz einfach: Über das die nur wenige Hundert Meter hohen Felsen ziehen die Wolken einfach hinweg, ehe sie an den höheren Hängen Wasser ablassen. Deshalb regnet es in dieser Gegend praktisch nie und die Landschaft ist wüstenähnlich. Dafür bezaubern einen die Farben aus hell leuchtendem Felsen-Rot, schwarzem Vulkangestein und türkisblauem Meereswasser.
Bei der Fahrt zum Aussichtspunkt war ich total überrascht, als ich mich plötzlich in einem zweispurigen Kreisverkehr befand, obwohl weit und breit kein zweites Auto zu sehen war. Hat da jemand zu viel Geld für den Straßenbau übrig gehabt? Der Ausblick auf die Insel ist atemberaubend, denn man sieht hier sowohl die Nord- als auch die Ostküste. Und direkt unter sich sieht man steile Felsklippen aus dem Wasser emporsteigen. Und alle 15 Minuten wird die abgeschiedene Ruhe kurz durch ein landendes Flugzeug unterbrochen, das direkt über einen hinweg fliegt.
Baden am Strand von Prainha
Auf der Rückfahrt von der Ponta de Sao Lourenco nach Machico fährt man an einem unscheinbaren Strand vorbei, den man von oben aus nicht richtig erblicken kann; ein großer  Parkplatz deutet jedoch darauf hin, dass da unten am Meer etwas sein muss.
Prainha ist ein ca. 50 m langer Sandstrand, zu dem man über eine breite Treppe nach unten gelangt. Der Strand ist schön von Felsen eingesäumt und somit windgeschützt. Den meisten Touristen ist der Abstieg zu mühevoll, so dass man an diesem kleinen Strand hauptsächlich Madeirenser trifft.
Am Strand gibt es Sonnenliegen, Umkleidekabinen, Toiletten und ein kleines Restaurant. In dem Restaurant merkt man deutlich, dass hierher kaum Touristen kommen, denn die Preise sind für ein Strandrestaurant sehr niedrig und die Qualität ist trotzdem gut. Deshalb empfehle ich jedem, nach der Rückkehr vom Ostzipfel der Insel einen kurzen Abstecher an diesem netten kleinen Strand zu machen, wenigstens um sich ein Erfrischungsgetränk zu gönnen, denn es folgt eine lange etwas anstrengende Fahrerei an der Nordostküste der Insel.
Der Adlerfelsen in Faial
Fährt man von Machico aus in Richtung Nordküste, so gelangt man bei Porto da Cruz wieder ans Meer. Durch Porto da Cruz fährt man normalerweise nur durch, es sei denn man hat Hunger;  dann erwarten einen zahlreiche kleine Fischrestaurants. Porto da Cruz ist mehr ein Ausgangspunkt für Wanderer, denn von hier aus führen zahlreiche Wege in alle Richtungen; viele Leute wird man hier nicht treffen.
Eine berühmte Wanderung führt auf den ca. 600 m hohen Adlerfelsen (Penha de Águia) bei Faial. Der kleine Ort Faial liegt am Fuße des steil ins Meer abfallenden Adlerfelsen. Früher sollen auf diesem Felsen zahlreiche Fischadler genistet haben, daher der Name Adlerfelsen. Mit dem Auto kann man ein Stück hinauf fahren, um von einer kleinen Plattform aus einen Blick auf die höchsten Berge der Insel zu werfen.
Santana und seine Häuschen
Obwohl Faial und Santana nur wenige Kilometer auseinander liegen, dauert die Fahrt doch ziemlich lange, da man auf der kurvenreichen Strecke nicht schnell fahren kann. Santana ist mit über 10.000 Einwohnern der größte Ort an der Nordostküste Madeiras. Eigentlich würde man  die Städt einfach links liegen lassen, wären da nicht die weltberühmten Santana-Häuschen. Dabei handelt es sich um winzige alte Bauernhäuser mit strohbedeckten Dächern, die fast bis auf den Boden reichen.
Obwohl diese kleinen Häuschen wie ein Kunstwerk aussehen, entstanden sie aus der Not der früher von der Außenwelt völlig abgeschnittenen Dorfbewohner. Gebaut wurde mit den Rohstoffen, die man selbst hatte, und das war Holz und Stroh. Von diesen Santanahäuschen (Casas de Colmo) gibt es heute noch ca. 100 Stück in und um Santana; die meisten dienen nur noch als Schuppen oder stehen leer.
In Santana stehen im Stadtzentrum neben dem Rathaus drei solche Häuschen zur Besichtigung bereit. Man fährt unweigerlich daran vorbei, so dass man nicht lange suchen muss. Ein Santanhäuschen kann man auch von innen besichtigen und sich entsprechende Souvenirs kaufen.
Noch eine Info zum Schluss: Bei den Santanahäuschen am Rathaus gibt es öffentliche Toiletten, und in Santana selbst gibt es eine Tankstelle sowie einige Restaurants, an denen man vorbei fährt. Auf der langen, kurvenreichen Fahrt an der Nordküste entlang vergisst man nämlich gerne den Hunger seines Magens und den Durst des Motors.
Sao Jorge
Zwischen Santana und Sao Jorge beträgt die Luftlinie keine 3 km, aber die Fahrt dauert  ewig, denn man legt mehr Höhenkilometer als Entfernungskilometer zurück. Da freut man sich so richtig, wenn man in Sao Jorge einen kurzen Stopp machen kann. In Sao Jorge gibt es die schönste Barockkirche der Insel; der geschnitzte, vergoldete Altar ist wirklich sehenswert. Man kann direkt vor der Kirche parken.
Tipp: Nur 50 m von der Kirche entfernt gibt es einen kleinen Dorfladen, wo man kühle Getränke und kleine Snacks kaufen kann. Und das ist doch genau das, was man nach der langen kurvigen Fahrerei sehnsüchtig sucht. Also, ein kurzer Aufenthalt in Sao Jorge lohnt sich auf alle Fälle; die Kirche liegt nur 100 m von der Durchgangsstraße entfernt.
Ponta Delgada und Boaventura
Die Weiterfahrt von Sao Jorge bis Ponta Delgada ist anstrengend und aufregend zugleich. Die Straße ist sehr eng und kurvig; bei Gegenverkehr heißt es Rangieren und Absprechen. Die Landschaft ist sehr grün; die Pflanzen scheinen die Straße so  richtig zuwuchern zu wollen. Immer wieder gibt es Haltemöglichkeiten, um die spektakulären Blicke auf die steilen Felswände zu genießen.
Ponta Delgada liegt auf einer kleinen Landzunge direkt am Meer. Hat man diesen Ort erreicht, so hat das anstrengende Serpentinenfahren ein Ende, denn von hier aus geht es schön am Meer entlang auf einer gut ausgebauten Straße weiter bis Sao Vicente. Im Ort Ponta Delgada lädt ein Meerwasserschwimmbecken zum Ausruhen ein; als ich dort war, war die Anlage jedoch geschlossen; dabei hätte ich mich so sehr nach einer richtig nassen Erfrischung gesehnt.
Sao Vicente
In Sao Vicente endet unsere Fahrt an der Nordostküste entlang und wir fahren quer durch die Insel zurück in den Süden. Wer sich vielleicht doch vorgenommen hat, die gesamte Insel an einem einzigen Tag zu umrunden, wird spätestens hier seine Expedition zur Westinsel hin auf einen anderen Tag verschieben, denn die Fahrerei durch die bergige Landschaft hat bis hierher viel Energie und Sitzfleisch gekostet, und was im Westen der Insel folgt ist nicht anders.
Sao Vicente hat einen schönen kleinen Ortskern, in den man allerdings nicht mit dem Auto fahren darf; man muss außerhalb parken. Viel schöner als der Ort selbst ist jedoch das langgezogene Tal von der Küste bis zum Encumeada-Pass hinauf. Ein kleiner Kirchturm auf einem Felsen mitten im Tal zieht die Aufmerksam auf sich. Auch die Terrassen, die sich die Hänge hinauf ziehen, sind bestaunenswert.
Am Schnellsten gelangt man in den Süden nach Ribeira Brava, wenn man durch den langen Tunnel fährt; schöner ist natürlich die Fahrt über den Encumeada-Pass. Da wir aber an diesem Tag schon genügend Bergstraßen gefahren sind, besuchen wir den Encumeada lieber an einem anderen Tag, denn diesen schönen Fleck der Insel erreicht man praktisch von jedem Ort der Insel aus in kurzer Zeit.
Cabo Girao - die höchste Steilküste Europas
Von Sao Vicente gelangen wir dank des neuen Tunells sehr schnell nach Ribeira Brava im Süden der Insel, und von dort aus sind wir dank der Autobahn wieder schnell zurück in Funchal. Allerdings lohnt sich am späten Nachmittag noch ein kleiner Abstecher von der Autobahn aus zur  höchsten Steilküste Europas, dem Cabo Girao. Von der Autobahn aus fährt man ca. 10 Minuten durch Pinienwälder zu einem Parkplatz auf der Spitze des Cabs.
Es ist deshalb empfehlenswert, das Kliff am späten Nachmittag zu besuchen, weil dann die Sonne von Westen direkt die Hauptstadt Funchal anleuchtet und man einen fantastischen Blick auf die Hauptstadt hat. Nicht weniger beeindruckend ist jedoch der direkte Blick nach unten zum Meer. 578 m Steilküste gibt es nicht an vielen Orten der Welt. Am Cabo Girao wehen starke Aufwinde und es bilden sich Wolken. Es ist ein faszinierendes Spektakel, wie die Meerwinde an dem Kliff nach oben umgelenkt werden und Wasser zu Wolken auskondensiert.
Auf dem Kliff gibt es eine kleine Ausstellung zu besichtigen und ein WC ist auch vorhanden.

PERSÖNLICHE EINDRÜCKE

23. L.s Gburtstag in Funchal. Erszanlich, dass ein Habsburger, Franz-Jpsefs Nachfolger Karl (ab 1916) seilig gespochen wurde, weil er Wunder bewirkt hatte. Ist hier imn ;omnte begrabven und hat eine Statue. Zur Vorbereitung am Markt zwei Riesenorchideen gekauft.
Seilbahn dann. Blick auf die Stadt, immmer das Scgiff in Sich.t. Ängaste un Assoziazionen. Dann Botanischer Garten. Endemische Pflanzen viele.  Beiindruckend vor allem der Kaktuspark, enorme Vielfalt. Dan die Vögelk. Ein sprechender Papagei. Der Markt. Die Sickereien.  Bis zu 15 000 E. Madeirawein. Au dem Markt moch mehr als Barcelone die vielen exotischen Früchte. Wir kisten einige. (Film).

Die Reiseleiterin machte kleine Witzchen, die Franzosen reagierten mit Lachen, Klatschen oder Protesten, die Deutschen gar nich. Ich auch nicht. War immer absent- Wie früher in der Schule.



Die Tortre wurde beim Maitre bestellt, ebenso derChampahner Hidseck. Und ich schrie einen Geburtstagsgruss auf Papier, zu einem Gedichte ereichte es nicht,
Die Schweiter Zischnachbarn brachten sogar ein Geschenk.
Dann kamen die rotgekleideten Kellner beim Machtisch mit der sehr git schmekcenden Torte (1 Lichtlein) und sangen ihr Happy Birday. Der Champagner mit dn Nahcbran.
Dann gingen wir. Ich kam nochmals mit dem Trnkgeld. Dann in den beiden Salomns Marina und Jim< Bar Deck 6. Im Theatersaal eine schrecliche Vampe singend, doch der Saal voll. Nur 3 Leutchen bei der senisblen Klabierspielerin in der Bar, die jedes kleine Klatschen dankbar ujd glücklch quittierte.

Dnnn tanzten witr in der Marina Bar. Gestern wieder sogar gut. Und mit der Sängerin, die uch gu, schgön und gelenkig wa, hielenw irs sogar bis halbzwölf aus.

24. Schwer aufsteh, starke erkältung. Frühstück schnell. Dann die Bar, wo Bernsteinschmuck vorgestellt werden soll. Lernene einen Franzosen kennen, der schon 150 Kreuzfahrten hinter sich hat. 80. und sie wie unter sechzig aus. Ist mit dieser Kreuzfahrt nicht zufrieden, schlechtes Essen, abends miserables programm. Doch die Bedienung vorzüglich.

Seltsam, dass mich jetzt ein Artikel von Thomans Assheuer in der ZEIT umtreibt (nr 52. 17. dez), dass nch den schönen, unseren Utopieb nun auch die reaktionären Utopien gestorben sind, so die neoliberale, dass der Markt doch alles rihtet, man sich da nmicht einmischen soll, zu unseem wohle qusi. Das das Kapial toll sei. Oder dass die Natur eine gute Mutter sei, die uns begleitet, alles erlaubt, auch ihre Ausbeutung. Dass also das anbsolute Nichts geblieben sei. Soll man da nicht kontern, soll ichz auch meine Sinn-Einsicht des Einen, aufgeben, wo nur das Auge alles verdeckt, die „Realität“ dahinter  das eigentliche sei, das die Pjysik erkannt, das Numinose, das der Kunst, der Poesie gehöre. Und die Liebe. So dass Vive meine naive Lehrmeisterin sein kann, die mich freilich nervt, und sie mich eigentlich abstüsst.

Es ist auch Zeit, dass ich aus diesem wohlhabenden Altenheim wegkomme, heute mit 2 Achtzigjährigen. Mittags eine fröhliche Mainzerin, die andauernd vom Neid der Armen sprach, den sie nicht verstehen könne, daher ja auch der Terrorismus. Sie lebt allein, schaut noch gut aus, L. hat mehr Falten. Und fährt alle 3-4 Montaen auf Kreuzfahrt.
Es ist erstaunlich, wie hier die Unterschiede schmelzen,  alles erscheint überzuckert und „normal“, das Denken, die Sensibilität verschwinden.
Jetzt nähern wir uns Gibraltar. Es erregt mich nicht mehr, ich bin zum Touristen georden. Ich kann das Bordleben auch nicht mehr geniessen. Aber eines ist klar, allein geht’s auch nicht, war even L. suchen, die vor anderthalb Stunden wortlos weggegangen ist. Und fand sie nicht.
Wahrscheinlich reichen aber 10 Tage. Heute ists schon zuviel.

Diese Rührung immer bei L.

Beobachtungen. Gestern Die Kolumbus –Karavelle, fährt mit Touristen herum, unter segeln?
Der Kontrast Vampe ordinäre Sängerin, alle gingen zu ihr , nicht zur asensiblen Klavierspieloerin.

Abfahrten, gestern Madeira, sinjd sehr nostalgisch, ich komme hierher nie wieder, der Gedanke.
Aber auch dich, kleines Gummnoot, das da schaukelt sehe ich nie mehr wieder. Seltsam, dass es kaum Menschen sind. Siehtr man die gar wieder.

Und das Alktnautische Dabei, alles vololer Kolumbs-Atmosphäre, Seefahrerweie.


Die anderen TAGE:

Teneriffa.Santa Cruz. Am wenigsten Eindruck. Nachmittags nicht mehr weggefahren.  Dabei wenig gesehen Auch da der Markt. Vorher aber Porto Santa Cruz. Mit  den grässlichen Toristkmerbadeanlagen. Leider wollte L. nixcht zum Zoo fahren, woe Wal- und Haifischbeclem zu sehen gewesen wären. Loro. Eine Klinbahn fuhr dorthin.

Vorher die Stadt mit den vielen Balkonnen und dem Kunsthandwerkszentrum im alten Haus.


GOMERA ist klar.

Gran Camaria ,i Las Palmas weniger.   Da war wohl das Mittagessen ausserhalb in der “Cabana”


Lanzarote auch klar mit der Vulkanfahrt.




MALAGA

Málaga wurde ca. im 8. Jahrhundert vor Christus von den seefahrenden Phöniziern gegründet, die die Stadt „Malaka“, nach „malak“ = salzen der Fische, nannten. Es war lange Zeit unter der Herrschaft Karthagos, aber letztlich waren es die Römer, die aus Málaga eine Stadt machten. 571 wurde die Stadt von dem westgotischen König Leovigildo besetzt.
Die Araber eroberten Málaga 711 und nach der Eroberung durch die Katholischen Könige im Zuge der Reconquista am 18. August 1487 begannen die „Reformen“, um die Stadt in eine neue christliche Ansiedlung zu verwandeln. Während des Spanischen Bürgerkriegsfand 1937 die Schlacht von Málaga statt.

Málaga, der Geburtsort von Pablo Picasso und das Tor zur Costa del Sol, ist eine hektische, mitunter temperamentvolle Stadt mit 550.000 Einwohnern. Für all jene, die ihre Zeit nicht ausschließlich an den berühmten Stränden und in den dazugehörigen Bars verbringen wollen, gibt es zahlreiche Museen und Monumente zu bestaunen, wie z. B. den Palast La Alcazaba aus dem 11. Jahrhundert oder aber das Museo Picasso Málaga. Die Altstadt strotzt vor Tavernen und Bistros. Über den prächtigen Paseo del Parque kann man an Bananenstauden und Brunnen entlang flanieren. « weniger

Nachschauen die alten Tagebücher: Grenada Alhambra, Andalusien..

DIE PAULNISCHE PHILOSOPIE DER DEMUT

Vielleicht traf mich ein Artikel über Paulus heute ganz besonders. Denn es ging mir miserabel an diesem Weihnachtstag, dem  25. 12. 2008 und dem Spaziergang in der Altstadt von Malaga auf unserer Kreuzfahrt, der Rückkehr von den Kanaren und Gibraltar, , ich konnte kaum gehen, atmete schwer.
Ein Lichtblick des Sinns: Picasso beherrscht alles, ist hier geboren.

Bei der Rückkehr heiß an Deck heiß.

Ich entdeckte in einem Artikel von  Rolf SPINNLER in der ZEIT „Ein Siegt über das Siegen“, dioe Beschreibung einer neuen Philosophie, die meine vollauf bestätigt Und zwar auf Grund der paulinischen  Exegese, der ich bisher keine Aufmerksamkeit gewidmet.  Paulus gegen Petrus (den Stuhl Petri?) Wer spricht von Siegen, Überstehen ist alles, fällt Rilke ein.
Das „Humile“, Demütige, Unfertige im Zentrum. Und… nach Gottes Tod als Rest, der bleibt die Liebe. So könnte man wieder Christ werden.

Ich muss mir die Bücher von  Bourdieu, Agamben, Zizek kommen klassen.
Im Zentrum:
Das Jetzt, der erfüllte Augenblick, wie in der Quantenlehre und bei den Orthodoxen, die Präsenz, das unvorhergesehene, unberechenbare Ereignis!
Das Subjekt als Zentrum und seine
 Überzeugung (Entelechie- auch schon als „Einfall“ des Einen. Jedoch an Unerhörtes, also an „Wunder“ und  Überschreitung der pragmatisch Erfassbaren. So etwa die „Auferstehung“ So wie in der Liebe, berührt werden, und dann sich dazu bekennen, ihm die Treue wahren.
Der Schock. Also ein erschütterndes Bekehrungs-Umkehr-Erlebnis. H.s Kehre? Und immer auf dieses Unerwartete hoffen? Solche historischen Schocke 1789 und 1989 ( siehe die Texte dazu!) Aber auch Celan, Benjamin, Jünger. „Wunder“? Denken des Ereignisses, nicht Denken des Seins. Der Augenblick, der Kairos als  Rätsel wieder.
Paulus wollte das klammernde jüdische Gesetz und  die griechische Weisheit , samt der Polis-Gesetze überschreiten. Kein anderer Gehorsam mehr als der an diese demütige  Gestalt der Überschreitung ins Nicht-Nachvollziehbare mit dem Kopf. Der Erfahrung.
Am wichtigsten also das Unfertige! Und das Kommende, Unwissbare. Dazu, weil es so gewaltig ist, unsere Kleinheit, unser Nicht-Wissen, aber auch unsere „Jämmerlichkeit“, wie die von Christus am Kreuz. Leiden. Und nochmals, wir, die es wissen, sind wie Abfall in dieser falschen, aber geordneten anmaßenden Welt, in die wir keineswegs reinpassen und reinpassen WOLLEN: Allein: Die Ausgeschlossenen  (Arezzo, Klosterneuburg? Patienten, als Wissende) als Instrument der Rettung? Auch wir die Poeten und Künstler?




MARSEILLE

marseille: besser als ihr ruf
Kultur und Kulinarisches in Südfrankreich
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Städtetour Marseille
Marseille hat seit Jahrhunderten nicht nur in Frankreich einen allzu zweifelhaften Ruf. Doch die zweitgrößte Stadt Frankreichs ist nicht nur das westliche Einfallstor zur Cote d’Azur, sondern hat durchaus ihren ganz eigenen Charme. Marseille eine Stadt, die gut in das südfranzösische Urlaubsprogramm passt. Schließlich gibt es hier eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Doch die Mittelmeer-Metropole ist auch ein ideales Ziel für einen Drei- bis Fünf-Tages-Trip.
Hauptanziehungspunkt für die jährlich mehr als drei Millionen Touristen ist der Hafen, der zu den größten Seehäfen in Europa gehört. Vom Flugzeug oder Hubschrauber beeindruckend, zu Fuß oder mit dem Auto schier unüberschaubar, prägt sich die Hafengegend einem schnell in das Gedächtnis ein. Das Treiben ist hier fast rund um die Uhr mehr als rege – besonders munter geht es in den Morgenstunden zu, wenn die Fischer am Quai des Belges den gerade erst gefangenen Fisch direkt an Touristen und Einheimische verkaufen. Schließlich hat Marseille einen Ruf zu verlieren. Hier soll es die beste Fischsuppe Bouillabaisse geben. Der alte Hafen (Vieux Port) ist der touristische Mittelpunkt der 1,2-Millionen-Stadt. Hier gibt es eine Vielzahl exzellenter Fisch-Restaurants. Nach dem Abendessen sollte ...
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man einen Spaziergang entlang der Hafenbecken machen, wo viele in Boote in Richtung Nacht aufbrechen.
Den schönsten Blick auf den Hafen hat man vom Park Jardin du Pharo, der sich nahe dem Fort Saint Nicolas befindet. Das Fort Saint Nicolas bildet zusammen mit dem Fort Saint Joan die befestigte Einfahrt zum Hafen von Marseille. Die beiden Befestigungstürme hatte einst der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. errichten lassen. Nur unweit des alten Hafens zieht die überdimensionale Cathédrale de la Major alle Blicke auf sich. Die Kuppel der bereits im elften Jahrhundert erbauten Kirche ist rund 70 m hoch. Durch die von weitem sichtbare Kathedrale sollten im Mittelalter Schiffe von weitem erkennen können, dass hier das Christentum regiert. Schließlich ist Marseille seit vielen Jahrhunderten das Einfallstor aus Afrika. Jeder dritte Einwohner von Marseille stammt nicht aus Frankreich. Viele kommen auf legalem oder illegalem Wege ins Land. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent.
Nicht weniger beeindruckend erhebt sich die Basilika Notre Dame de la Garde über den südlichen Teil der Stadt. Der 1864 fertig gestellte Bau thront auf einem 150 m hohen Hügel. Nachts wird die vergoldete Madonnenfigur mit Scheinwerfern beeindruckend beleuchtet. Vor der Stadt gibt es ein weiteres Highlight von ...


                                                              ÄGYPTEN


15.4. 2006. Heute die Ägyptenreise bestellt. Es war fast unmöglich, sie nicht anzutreten.
Das Totenbuch der Mayas, Das Totenbuch der Tibeter halten ähnliche Erfahrungen bereit wie das Ägyptische Totenbuch, das kann kein Zufall sein, es ist höchste Gewissheit!
Und heute am Ostersamstag, heute Nacht ist Auferstehung um Zwölf, Null Uhr. Dann sind sie zu Hause alle unterwegs, mit Kerzen um die Kirche. Ein Lichtermeer.
Und ich muss an Mutters Tod denken, am 24. Februar haben wir sie begraben. Und wenn ich jetzt das 17. Kapitel des Totenbuches lese, diese Hymnen, die im Augenblick gelesen werden müssen, wenn der Tote seinen Körper verlässt, hineintritt ins volle Tageslicht, befreit von seinem Körper-. Die lange Reise… und Musik höre, die in den Pyramiden aufgenommen wurden (Paul Horn, Inside the great Pyramid), muss ich an mein meiner Mutter gewidmetes Buch, an  mein Mutter-Buch „Die Kunst der Rückkehr“, (Totenbuch, 17: „Sieh, nun gelange ich ins Land meines Ursprungs“) an dem ich heute wieder schreibe, denken, mir wird es auch klar, dass es kein Zufall sein kann, dass ich ausgerechnet jetzt zur Totenwelt des Uralten fahren möchte, ohne es mir freilich bewusst gemacht zu haben, als ich die Reise mit aller Besessenheit plante und „wollte“, sogar gegen L.s Willen, die sich dann doch anschloss; jetzt lese ich nach, was ich aufschrieb  am Tag von Mutters Begräbnis, und jetzt erst wird mir dieser Grosse Ernst bewusst, dass sich in den letzten sechstausend Jahren Nichts daran geändert hat, ja, seit Ewigkeiten gilt es, das Undenkbare, das uns alle erwartet:

„Nun ist die ernste Stunde  gekommen, Mutter ist tot, Mutter ist gestern gestorben; ist heute ein Begräbnis, das dem alten, dem Uralten, dem Tod entsprechen kann, HEUTE, Jetzt? Alles UNS viel zu angemessen, viel zu gewohnt, viel zu „neu“ kaum der Späte und dem Wissenkönnen angemessen. Es gab ein Begräbnis in Aalen; sie hatte es sich so gewünscht. Jedoch: was würde sie JETZT sagen? Wünschen, wünschen können? Eines schon: Sie wollte nicht verbrannt werden, sondern neben ihrem Mann, neben Vater "liegen";   Ihr winziger Körper lag in der Totenkammer,  vergeistigt, schön und wie verjüngt von diesem ewigen Quell, der in unserer Ohnmacht „Tod“ heißt. Meine Schwägerin, die sie von Anfang an besucht hatte, gleich nach ihrem Tod, sagte, meine Mutter sei am ersten Tag noch spürbar gewesen, ja, es schien, als hätte sie sogar mit dem Auge Zeichen gegeben, und beim Ausziehen mitgeholfen. Jetzt aber in der Kammer da war sie nicht mehr spürbar. Doch, sagte ich: Ganz ganz fern, ist sei spürbar, und als käme sie als junge Frau aus der Vergangenheit wieder. Und ich sah auch nachts dann ihr jungen Gesicht.  Ich fasste in der Kammer ihre eiskalten  runzligen Hände, streichelte ihr Gesicht, das jetzt, nach einer halben Stunde in die Erde musste, nur noch eine halbe Stunde wird sie das Licht sehen können? Ich strich ihr über das weiße Haar, was kam mir jetzt noch vertraut vor? Nichts,  nur das Gefühl, das nicht ihres, das meines in der menschlichen Gewohnheit war. Und die Tränen rannen mir unaufhörlich übers Gesicht,  warum weinte ich, sie war doch frei!
 Vor allem als ich dann alles was gewesen war herausholte mit meinem im Dialekt verfassten Gedicht: Schlof gead, schlof gead, schlaf gut.


Ich erinnere mich immer wieder an eine Schwedin, Ruth Dalehn, die aus einer Tanne Lichtsäulen hatte schießen sehn, die jene Wirklichkeit hatte plötzlich erkennen können, von der wir wie durch einen Schleier getrennt sind: Kreise, fünf Kreise sah sie, wie Schalen eines Atoms, der innerste aber war so etwas wie Liebe. „Alles verwandelte sich in blendendes Licht. Bald war die ganze Tanne eine einzige Feuersäule.“ Sekundenlang durchfuhr sie, wie sie bekannte:  „ein lähmender Schrecken - war mein Gehirn irgendwie in Unordnung geraten?... Bald war der ganze Wald ein Meer aus dem gleichen lebendigen Licht... auch meine Hände,“ erzählte sie: „Die ganze Schöpfung vibrierte von diesen unerhört schnellen Lichtwellen... Ich sah den Kosmos funktionieren wie eine fünfdimensionale Geometrie...das innerste Mysterium des Universums, Liebe... Das ist ein schwacher Versuch, Worte für etwas zu finden, das ich wirklich mit meinen Augen sah, etwas absolut Reales und Greifbares... Mehr und mehr wurde ich zu Licht, bis ich mich selbst als Strahlungsphänomen funktionieren sah, auf derselben Wellelänge vibrierend wie die `fünfte Dimension`.“

Im Nahtoderlebnis soll es, wie  Keneth Ring in seinem Buch „Im Angesicht des Lichts“ eine Reise zu jener Quelle geben, woher wir kommen, wohin wir gehen, dem Urlicht. Einer seiner Patienten, die er befragt hatte,  Mellen-Thomas-Benedict, hat angeblich sogar Gespräche mit diesem Urlicht geführt.
Jedenfalls gibt es dieses als größte Geheimnis bei Yogis, Mystikern und Künstlern.
Bei Mellen kommen einem Zweifel, er soll sogar durch  den Urknall „geflogen“ sein, als Ebenbild Gottes. Wir als Teil davon können angeblich, so Mellen, mit unserer innern Kraft alles machen. Er konnte sogar die Panoramavisionen anhalten.

Nun gut, eines ist sicher wahr: Der dichteste Ort der Welt ist der Kopf, der sie vernichtet, Spiegel des "Schöpfers", der nun zur Erschöpfung führt, eine Art neuer Sündenfall; wir kennen den ersten Fall am Baum der Erkenntnis im menschheitlichen Kindheitsparadies Eden. Es scheint sich zu erweisen, dass jene schönen alten Legenden lauter große Modelle sind, für deren Gültigkeit wir jetzt mit unserem eignen Leben einstehn müssen.


                       UND DANN DIE WIRKLICHE REISE

      Montag, 8. Mai. Seltsam; die Wirklichkeit ist immer eine reichhaltige, schöpferische Banalisierung, und die Sprache scheint sich zu sträuben… Gestern Abend sind Hannahs Bruder und seine Frau angekommen, um das Haus zu hüten und vor allem den Felix, besser: Urlaub zu machen.  Ich hatte ja diese 0Einladung zur Marmara University nach Istanbul, doch das scheiterte, weil ich alles hätte bezahlen müssen und so verzichtete ich. Und  wir wählten dafür Ägypten, ich fand nach einigem Suchen eine Reise, angeboten von „Turchese“: 7 Tage, Nilkreuzfdahrt und Kairo samt Pyramiden.
      Am 8. fuhren wir los, Abflug in Bologna um 15,30, schon mal verschoben worden von 11h 5. Wollten in Luxor Abendessen und den Tempel besichtigen etc. Daraus wurde am 8, nichts. Immer wieder wurde der Flug verschoben.  Zuerst um 5,5 Stunden auf 20h, dann auf 22h, schließlich auf 0,50. Verdächtig war, dass Hunderte Carabinieri sich vor dem Turchese Schalter drängten, um in den Irak zu fliegen.
      Wir waren verzweifgelt, wie sollten wir so unausgeschlafen Theben Ost und West sehen? Ankunft  gegen 5 Uhr früh Ortszeit. Ärger, dass ich den PC nicht mitgebracht hatte, um was zu tun, nicht nur herumzusitzen, dies fade Gefühl des Wartens, verlorener Lebenszeit, hier sogar von Erlebniszeit.

Und nein, so ist es nicht. Es war auch geschenkte Zeit, Zeit zum Nachdenken.

Lese auch über die Pharaonen, denen wir ja die zu besuchenden Tempel und Gräber verdanken:

„Pharao` bedeutete im hebräischen “par-o”, ägyptisch: Per-aa einfach “großes Haus” und bezeichnete den Palast des Herrschers. Die Bezeichnung Pharao für die Person des Königs kam erst ab Thutmosis III. auf und erst ab der 18. Dynastie (Scheschonq I.) wird es zum Titel des Herrschers von Ägypten. Nur die allerhöchsten Beamten durften ihn sehen und mit ihm sprechen. Der Pharao war Gott und König zugleich.

Der Pharao wird häufig mit einer Krone dargestellt, die sich aus der weißen Krone Oberägyptens und der roten Krone Unterägyptens zusammensetzt. An der Krone befestigt ist die Kobra (Uräus-)Schlange (für Unterägypten) und ein Nekhbet-Geier (für Oberägypen). Schlange und Geier symbolisieren auch die beiden Göttinen Nechbet (Geier) und Uto (Schlange) unter deren Schutz die Kronen standen. In den Darstellungen findet man verschiedene Kronen, die teilweise einfache Kopfbedeckungen darstellen, teilweise mehrfach aus Schmuck zusammengesetzt sind. Ein weiteres königliches Attribut war der künstliche Bart, der selbst als Gottheit verehrt wurde und bei einem verstorbenen Pharao geflochten dargestellt wurde. Als Attribute der Macht hält der Pharao einen gekrümmten Hirtenstab. In den meisten offiziellen Darstellungen des Pharao wurde dieser als Gott Osiris dargestellt, der vor seiner Brust gekreuzt den Krummstab -welcher sich vom Hirtenstab ableitete- und die Peitsche hielt.
Der Pharao war von großer Bedeutung für Ägypten, weil er nicht nur einfach der verwaltungsmäßige Herrscher war. In der Frühzeit und im frühen Alten Reich besaß der Pharao vermutlich göttlichen Status. Er war selbst göttlicher Herkunft und gottähnlich oder sogar ein Gott. Dies verschob sich über die Zeit. In der 5. Dynastie tritt ein offensichtlicher Ideologiewandel ein: Der Pharao galt nur noch als Sohn der Götter, zum Gott wurde er erst wieder nach seinem Tod. Erst viel später versuchten einzelne Pharaonen (Amenophis III., Ramses II.), sich wieder bereits zu Lebzeiten als Gott verehren zu lassen.
Und da er den Göttern näher war, war er auch der wichtigste Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen und darum die Ursache dafür, ob es dem Land gut oder schlecht ging. In seinem Leben war er die Personifizierung des Gottes Horus, nach seinem Tod wurde er zu Osiris.“

       Was suche ich in Ägypten, Beweise für das Nahtoderlebnis?
Im Nahtoderlebnis soll es, wie  Keneth Ring in seinem Buch „Im Angesicht des Lichts“ eine Reise zu jener Quelle geben, woher wir kommen, wohin wir gehen, dem Urlicht. Einer seiner Patienten, die er befragt hatte,  Mellen-Thomas-Benedict, hat angeblich sogar Gespräche mit diesem Urlicht geführt.
Jedenfalls gibt es dieses als größte Geheimnis bei Yogis, Mystikern und Künstlern.
Mei Mellen kommen einem Zweifel, er soll sogar durch  den Urknall „geflogen“ sein, als Ebenbild Gottes. Wir als Teil davon können angeblich, so Mellen, mit unserer innern Kraft alles machen. Er konnte sogar die Panoramavisionen anhalten.

     Nun gut, eines ist sicher wahr: Der dichteste Ort der Welt ist der Kopf, der sie vernichtet, Spiegel des "Schöpfers", der nun zur Erschöpfung führt, eine Art neuer Sündenfall; wir kennen den ersten Fall am Baum der Erkenntnis im menschheitlichen Kindheitsparadies Eden. Es scheint sich zu erweisen, daß jene schönen alten Legenden lauter große Modelle sind, für deren Gültigkeit wir jetzt mit unserem eignen Leben einstehn müssen.

Bei den Hebräern:
Da gibt es den sogenannten Urraum (Zimzum), der "achte Tag", jenseits von Zeit und Geschichte, doch zugleich in ihnen verwoben: I Null, II Lichtpunkt, III Grenze oder das Hinabgehen in Klang und Form: Dieses Hinabgehen ins Materielle ist sehr nah an den Modellen der heutigen Informationstheorie: Erst die Erscheinungsform im Kopf als Wissen des "Lichtpunktes" und als Nulldimensionalität des „Reshith“ (allerdings immer noch als berührbare Unendlichkeit) ermöglicht es dem Urlicht der Eins (En-Sof im Hebräischen) hier in der menschlichen Welt überhaupt zu erscheinen. Dieser Punkt aber braucht Laut und Klang, die Begrenzung, Umhüllung des Unmeßbaren, Verstofflichung des Gedächtnisses, das nicht von dieser Welt ist (Wissen im Samen, in den Genen, Chromosomen, dem Atom), Mater Materia ist ja Geist, der nicht als Geist erscheint, aber er braucht die Form, die Grenze, um sich verkörpern zu können. BINA, der dritte Ast (oder die 3. Sphäre) die Ur- Mutter ermöglicht es.

Und  es scheint doch zu sein, daß Schlafen
ein Kunststück bleibt, die Augen verklebt auch
von der Blindheit, ist es ein Geständnis, daß
der verwöhnte Körper hier ablegt: Blei wie
ein Schuß, die Lider drücken und schmerzen. Abgelegen
abgehangen und/ im Feder Bett, weißer Körper,
langer Krückstock, der jetzt in das Sterben fliegt.
Endlich löst sie, was dir blieb, Auflösung
und nichts mehr gilt, der Kopf dröhnt, packt
mich ein, das Denken: der Motor Verzweiflung.
Wachsein war einmal gut. Wo ist sie, wo,
die Zeitdienststelle fürs Leben, fürs Himmeln,
einem, es ist lang her, wars unangenehm,
nicht auf dem  Kopf gehen zu können,
den Abgrund, wie bekannt: als Himmel
gespannt tiefgrau über sich.
Als sähe ich den Armen von oben.

Heute weiss ich mehr. Erstaunlich, wie ich mich verändert hab, als hätte ich Kontakt mit der Ewigkeit bekommen. Wieso aber ist Mutter jetzt weiter weggerückt, entfernter? Ich muss zwar noch immer wieder an sie denken, doch sie ist nicht mehr DA. Ich hatte ein Foto mitgenommen, in dieses Tagebuch gelegt, doch ich nahm es selten wahr. Anders war das bei unserer Mexikoreise gewesen nach Vaters Tod?
Wir kennen noch niemanden, alle fremd, so ist es langweilig. Auch Flaubert hatte in seinem Ägyptischen Reistagebuch gecshrieben, „dauernd diese Langeweile“, „ich sterbe vr Überdruss.“ Mir ging es auch so, schon gestren mit S und H. muste ich mich zur Anwesenheit zwingen, am liebsten wäre ich in meionem Zimmer bei meiner Arbeit geblieben.
Wenn die Frauen und die Blicke nicht wären, die och hin und herflogen, fast heinmlich, da ja fast alle mit Partner da waren. Die Beine, Örme, Brüste, Ärsche. In vielfältiger Form. Man konnte sich damit unterhalten. Und lesen, es gab ja viel aufzuholen an Ägyptenkenntnissen.
Imnmer weioder dies Herumgehen, mal zur Turchese-„Assistenten“, der freilich auch nichst wuste, mit ihm wurde heftig vorwurfsvoll gestritten, ich bedauerte ihn fast. Mal war der Pilot abhanden gekmmen, mal fehlte angeblkich ein Teil. Vom Fklugzeug, mein Gott, wenn  wir abstürzen. Dann so gegen acht das gespoendete Abendessen. Den Wein genehmigten wirt uns und soffen zwei Flaschen vor lauter Frust. Sowie Biere. Naja. Fade umgebung. Schlechtes Essen. Kau, Flugzeuge. Was ist das für ein Flughafen, sagte L. Scvhlafen kjo0nnten wir auch nicht. Dabei war anfangs alles so gut gelaufen,  wir weatren sogar schon eingtecheckt gewesen, auch die Kärperkontrolle hinter uns, und kamen dann doch wieder raus, es wurde genehmigt.n <ewor bedauerten schn, gebucht zu haben, Wollten alkles ins Wassert fallen lassen, doch 200 Euro war doch etwas viel, und zurück bekam man einen teil nur nach 12 Stunden Verspätung.


Tgebuch ist gut, weil es wiederauferstehen lässt die Zeit, und ioch weiss jetzt, schreibend, besser, was gecshehen ist. Es wäre ns Vergessen hinabgesunken.
Eros alein hilft. Und ich dachte an K. und H. Und wunbderte mich, dass U. noch stärker istz, trotz aller Häslichkeit. Dch es ist das Wilde, das anmacht. Und dann, dass . atraktiver wirkte gestern neben ihrer mageren, blassen Schwägerin.
Las dann über Broch, dass er andauernd neben seiner Ehefrau andere Frauenbeziehungen hatte, nicht etwa nur eine, sondern mehrer „Nebenfruen“, ist also das das Normale, wie es etwa die alten Ägypter kultivierten, 200 Kinder mit 30 Frauen, wie Ramses II, der 96 wurde?

Und dann halb zwälf war das lange erwartet Flugzeug da. Wie erlöst neues check-in. An Bord dannn. Schlaf, ja. Vier Stunden.


9. Mai 2006.
Noch im Halbdunklen aAnkunft in Luxor. Aufgs Schiff. Doch sofort schon Frühstück, ohne Ruheause. Und nachher gleich los nach Theben West. In die Totnstadt, um sieben.


Ich notierte: Keine Autos nur Esels- und Pferdewagen auf der Strassae, Taxis, Sammeltaxis.
Hesham  (Isham, nannt ich hn, Eselbrücke Ischa, die Schulkollegin!)

62 Pharaonengräber als. H. stellte sich vor, hielt dann im Bus einen Vortrag. Behalten hab ich die Sache mit den durchsichtigen, also unsichtbaren Barken, die sie Könige ins Jenseits brahcten. Und dass es keiunen Tod hier gibt, nur eine Art Umzug, einen Neubeginn im Jenseits.

Königstal und Königinnental. Deir el Bahri: Schreckliches Attentat 1997 (daher jetzt Soldaten mit MP) Sonst keine Gdenktafel. Dafür idiotische Souvenirshops, man muss vorbeigehen. Gecshnacklose Parkplätzwe. Geld. Geld.
WeilRaub in vierziger Jahren in Qarna, wurde das Dorf versucht zu verlegen, der Architekt  Faty: Neu Quaena, alte Lehmbauweise plus Kuppel, auch von Reichen nahcgeahnt. Holzarmut.

Das Grab nr. 1, Ramses IV 160 m lang, und Ramses III 230 m, hatte er von den offenen Gräbern ausgesucht, jeden Tag seien andere offen, um sie zu schonen, da Aiusdüntung der vielen Touristen sie schädige. Klar. Ich hätte am liebsten Ramses VI und Hatshepstut gesehen.

Ist es ein memento mori? Oder doch zu farbenfroh?
Leider konnten wir das berühmte Nefertari-Grab nicht sehen, Nefertari, die nubische FPharaonin des Ranmses II, die wir dann in Abu Simnbel (Felsengräber) wuedertrafen.

Ramses III entschädigt kaum. Auch wnen es im 19. durch James Bruces Zeichnung des Harfenspielers am bekanntesten war. Auch eines xder längsten 188m, Hatschepsut Grab 210. Riewenlanger Korridor mit Seitenkammern. Hinter Glas geschützt. Litanei des Re An der Oberkante die 74 Manifestationen des Sonnengottes Am  Ende der Wände Kapitel 151 des Totenbuches.
8 Seitenkammern mit Anspielungen auf das Totenbuch. OPFERSZENEN: Schön gemalte Opfertiere. Und Nilgötter. Auffällt eine riesige Schlange mit vier Beinen und drei Köpfen. Schlangen waren die heiligen Tiere und Beglkeiter des Pharaos, den sie nei aus den Augen liessen.

Wie wichtig diese Totenopfer waren:
Normalerweise hat der (älteste) Sohn die Pflicht, für die Eltern den Opferdienst zu verrichten, d.h. den Ahnenkult aufrechtzuerhalten und für die Nahrung der Toten zu sorgen.
Der König und seine Würdenträger unterhalten eigene (bezahlte) Opferpriester ("Diener des Ka") für diesen Zweck. Auch (vermögende) Privatleute halten sich einen solchen Priester.
Zur Sicherheit werden dem Toten die für das jenseitige Leben notwendigen Nahrungsmittel auf die Grabwände gemalt und Formeln hinzugefügt, die die Lebensmittel im Jenseits magisch real werden lassen sollen. Es genügt auch, wenn ein Lebender eine entsprechende Formel über dem Grab für den "Ka" spricht, damit dieser die für sein Überleben notwendige Nahrung finden kann.
In den Opferformeln werden die Opfergaben immer als vom König kommend bezeichnet ("ein Opfer, das der König gibt"). Eine häufige Opferformel lautet (gekürzt): "Ein Opfer, das der König dem Osiris gibt (...), ein Totenopfer von Brot und Bier, Fleisch und Geflügel, Alabaster und Kleidern, allen guten und reinen Dingen, von denen ein Gott lebt, dem Geist des NN (Name des Toten), dem Gerechtfertigten." Das Opfer an Osiris ist ein Geschenk des Königs, das durch die Stimme erschaffen wurde, für den Geist des Toten.
Totenopfer = ägypt. peret-cheru (wörtlich: "Hinausgehen der Stimme")



Ramses IV. <ist breindrukender.. Auch hier aber wieder diese Familienverwirrungen wegen der vielen Nebenfrauen und den gestatteten Inzest.

Ein Tourist beschreibt das Ganze ganz nai so: „Man fährt auf einen grossen Parplatz, wo schon zahlreiche Busse stehen und auf ihre Fahrgäste warten. Am Rand dieses Parkplatzes sind natürlich wieder Souvenirstände mit hartnäckigen Verkäufern an zu treffen. Die Souvenirs hier sind auf die Pharaonen ausgerichtet, Statuen der berühmtesten gab es haufenweise. Auch Imitationen von Steintafeln mit Grabmalereien konnte man kaufen und natürlich immer wieder den gleichen Kram wie Hüte, Tücher, Klamotten und Karten.
Nachdem man den Spiessrutenlauf hinter sich gebracht hat, steht man am Kartenhäuschen, wo unser Reiseleiter die Tickets holte. Danach mussten wir noch ein paar Meter gehen bis wir auf einen kleinen Platz gelangten, der als Bahnhof und Wendeplatz für Touristen-Bähnchen diente. Gut mussten wir nicht die heisse Teerstrasse inmitten der Wüste entlang gehen. Wir konnten einfach ins nächste Wägelchen einsteigen und wurden dann laut tuckernd zum Haupteingang des Tales der Könige kutschiert.
Hier wird man nochmals gründlich kontrolliert, ein hübscher Haufen Touristen steht vor dem mit Metalldetektor ausgestatteten Eingang. Da der Andrang recht gross war, öffnete man noch einen weiteren ungesicherten Eingang, wo wir dann durch durften. Nun standen wir also auf dem Gelände der berühmtesten Begräbnisstätte der Welt. Irgendwie sah das ganze recht unspektakulär aus, eine befestigte Strasse führt zu den einzelnen Katakomben, linkerhand hat es eine überdachte Sitzmöglichkeit.“

Zahlreiche Gräber sind hier während Jahrhunderten pharaonischer Herrschaft entstanden. Rames 1 - 12, Thutmosis III. und Tut-ench-amun (eigentlich heisst es sogar Tut-ankh-amun) fanden hier ihre letzte Ruhestätte.
Vor jedem Grab ist eine Infotafel aufgestellt die Auskunft über das Innere der Gruft gab. Übrigens ist überall fotografieren verboten. Die Malereien an den Wänden sind hinter Glas und können somit nicht berührt werden, dafür sind aber die Farben noch sehr gut erhalten und die einstige Pracht ist gut zu erahnen. Jedes Grab hat eine Treppe die zu einem vergitterten Eingang führt. Am Eingang hängt eine ältere Tafel mit der Grabnummer und dem Namen des Pharao. Ein Beduine steht dann am Eingang und reisst einem ein Eckchen des Tickets ab. Pro Ticket kann man drei Gräber besuchen, mit Ausnahme von dem von Tut-ench-amun, dafür zahlt man separat.“

Hesham meint, es sei niemals gelungen, dieses Geheimnis der tausende von Jahren dauernden Farben zu entschlüsseln. Es wurde von den Künstlern mit ins Grab genommen. Lapislazuli, e3rde Ocker usw. weiss man, aber wie wurden sie „behandelt“- Ähnliches ist ja auch ben den Moldauklöstern zu bemerken das berühmte Voronetzblau.

“Bereits im Alten Reich hatten einige Beamte ihre Gräber in den Felsabhang des Westgebirges treiben lassen. Der Aufstieg zum nationalen Ehrenfriedhof setzte aber erst unter Pharao Mentuhotep I. ein, der 1987 v. Chr. Ägypten wieder vereinigt hatte. Er ließ im Talkessel von Deir el-Bahari seinen Totentempel erbauen. Daneben hat dan Hatschepsut ihren Tenpel errichtet. Nach einer Pause von rund 500 Jahren, in der im Norden des Landes noch einmal die Pyramide als Grabform für den Herrscher in Mode kam, kehrten die Pharaonen der 18. Dynastie (ab 1540 v. Chr.) zurück nach Theben. Um dreisten Grabräubern zu entgehen, ließen sie ihre „Häuser für die Ewigkeit“ versteckt in einem entlegenen Seitental des zerklüfteten Westgebirges anlegen. Zu jedem Grab gibt es immer einen Gedächtnistempel, jedoch sind diese oft nicht in der Nähe der eigentlichen Gruft sondern weiter weg, um potenziellen Grabräuber nicht den Weg zu weisen.


Doch es bleibt wichtig, warum nun diese Gräber überhaupt angelegt wurden;  die Ägypter glaubten daran, dass der Leib nicht alles ist, wie wir, ziemlich idiotisch heute, denn es hat sich nichts verändert, die komponenten des Körpers sind wieter die gleichen, was die Thanatologie und Transkommunikation, vor allem OOBE überdeutlich nachgewiesen hat. Bei den Ägyptern:
Gemäß ägyptischen Glaubensvorstellungen formt der Schöpfergott CHNUM einen Menschen auf der Töpferscheibe und versieht ihn mit Lebenskraft (Ka), Seele (Ba) sowie Geist oder göttlicher Kraft (Ach). Chnum wird in widderköpfiger Menschengestalt dargestellt (s. "Neunheit" [E]). Sein Beiname ist "belebender Bildner".
Die "Ka"-Lebenskraft - da mit dem Körper verbunden - benötigt ebenso wie dieser Nahrung zur Erhaltung. Der "Ka" ist eine Art Doppelgänger des Menschen, der auch nach dessen Tod weiterlebt.
Die "Ba"-Seele in Gestalt des Seelenvogels kann sich aus dem Grab entfernen und sich wieder dorthin zurückbegeben. Der Ba wird seit dem Ende des AR zum Inbegriff der unvergänglichen Kräfte.
Der "Ach"-Geist (göttliche Kraft) wird als unveränderlich und ewig betrachtet. Der Ach ist die Form, in der sich die verklärten Toten in der Unterwelt aufhalten. Ba und Ach können auch in der Gestalt des Verstorbenen auftreten.
Dem Verstorbenen wird häufig eine Statue seiner selbst mit ins Grab gegeben als Ersatzkörper. Falls seine Mumie später einmal beschädigt oder gar zerstört werden sollte, dient diese Statue dann als Wohnsitz des Ka. Von besonderer Bedeutung für den Menschen ist sein Name! Auch der Name kann, wie die Statue, als Ersatzkörper fungieren.
Es ist also für den Verstorbenen äußerst wichtig, daß in seiner Grabkammer Abbildungen der 3 (auch in der Jenseitswelt erforderlichen) Kräfte - Ka, Ba, Ach - vorhanden sind sowie auch (reale oder bildliche) Opfergaben für den Ka. Ebenso wichtig ist die (mehrmalige) Nennung seines Namens in den Wandmalereien; denn in seinem Namen lebt der Verstorbene ewig weiter! Hier der Name Rmses IV zwischen den beiden Falken:

Ka, Ba und Ach sind die 3 mit der geistigen (spirituellen) Welt verbundenen Wesensbestandteile des Menschen, während der Leib, der Name und der Schatten die 3 mit der materiellen Welt verbundenen sind.

Der Leib (äg. "chet"; "ch" wie in "ich") ist der materielle Wesensbestandteil des Menschen und muß für das Überleben und Weiterleben in der Unterwelt so gut wie nur möglich konserviert (mumifiziert) werden, damit er weiterhin als "Wohnsitz" für Ka und Ba dienen kann.
Der Name (äg. "ren") gilt ebenfalls als Wesensbestandteil des Menschen und muß ihm schon bei der Geburt gegeben werden (weil befürchtet wird, daß der neue Erdenbürger sonst "nicht richtig" ins Leben treten könne). Er ist für das Überleben unentbehrlich, da der Verstorbene in seinem Namen weiterlebt (s.o.).
Durch das bewußte Auslöschen des Namens z.B. auf Statuen - als "Usurpation" bezeichnet - soll der Vorbesitzer aus politischen oder religiösen Gründen der "damnatio memoriae" (dem "Verdammen des Andenkens") anheimfallen; manchmal spielen aber auch ganz profane Gründe eine Rolle, nämlich Kosten- und Materialersparnis.
Der Schatten (äg. "schut"), ein weiterer Wesensbestandteil des Menschen, ist auch für das Überleben wichtig, um den Menschen vor Übel zu schützen. Die Hieroglyphe "schut" bedeutet sowohl "Schatten" als auch "Schutz" (z.B. wird der Pharao unter dem Schutz eines Palmwedels, also im Schatten, dargestellt).
Nebenbei bemerkt werden die Sonnenheiligtümer des NR "Sonnenschatten" oder "Schatten des Ra" (äg. "Schut-Ra") genannt.

Das Grab von Ramses IV ist etwas nach unten in den Berg versetzt und wird durch eine Treppe die mal eine zackige Lingskurve macht erreicht. Wenn man dann die Begräbnisstätte betreten hat, führt eine lange Rampe leicht nach unten. Die Wände links und rechts davon weisen farbenprächtige Zeichnungen auf, die die Taten des Pharaos nochmals erzählen. Aber auch Darstellungen des Totenreiches sind zahlreich zu sehen. Wenn man dann weiter nach unten geht, kommt eine interessante bauliche Begebenheit; nebst der weiter nach unten führenden Rampe hat es links und rechts davon so was ähnliches wie eine Galerie mit jeweils zwei Säulen. Auch da sind die Wände und Säulen voll mit Darstellungen des Ramses IV und seiner Familie sowie seinen Taten. Es erstaunt doch sehr, wie gut die Farben noch erhalten sind. Teilweise strahlt das Weiss wie frisch gemalt! Nun kann ja per Rampe noch weiter in die Tiefen des Grabes vordringen. Nach ein paar Meter wird alles plötzlich kahl, nackter Stein und Geröll herrschen hier vor. Anscheinend wurde die Grabkammer nicht komplett fertig gestellt. Auch findet man keinen Sarkophag vor.

Interessant ist, dass Nr. 2 (Ramses IV) schon in der Antike zugänglich wqar, die heute Längsttoten haben den Tod vor uns neugierig besucht, vieel Graffitti angebrahct, Griechen und Rämer, auch 50 koptische Graffitti- Und diente bis ins 20. Jhdt. Als Schlafplatzt für Touristen.
Detail der vierten Stunde des Pfortenbuches (Amduat)  UND BEEINDRUCKND IST DAS Vlau des Buches on Nut, die das Zeichen von <avh msvht.
 Mit dem Grab Ramses IV. wird die Tradition der immer komplexer gestalteten Grabbauten, wobei ein Pharao seinen Vorgänger übertreffen wollte, unterbrochen. So hat das Grab Ramses IV. kaum Seitenkapellen in den Gängen  und auch auf Pfeilerhallen mit abknickenden und in die Tiefe vorstoßenden Gängen wird verzichtet. Statt dessen reicht die Anlage fast horizontal in den Fels hinein, Gänge und Säle sind dafür jedoch deutlich breiter und höher ausgeführt. Aus diesem Grund wurde es bis ins 19. Jhd hinein  auch als Unterkunft für Expeditionen, Forscher und Studienreisende genutzt, die sich in zahlreichen Graffitis “verewigt” haben.
 Auch die Sargkammer selbst und der Sarkophag sind sehr groß ausgeführt. Die Decke schmückt eine Darstellung aus dem “Buch der Nacht”: Göttin Nut, die sich mit Händen und Füßen auf die Erde abstützt. Durch ihren Körper hindurch fährt symbolisch die Sonnenbarke, die Sonne wird am Abend von ihrem Mund verschluckt und am Morgen in ihrem Schoß erneut geboren.
An den Seitenwände sind Darstellungen aus dem “Pfortenbuch” zu sehen, in mehreren Abschnitten (Stunden) kniet der König auf einer Barke vor dem Sonnengott und bringt ein Opfer in Form einer kleinen Statue der Göttin Maat dar.

(http://www.alfredrichter.de/Reiseberichte/Egypt/Mittelagypten/Theben_West/theben_west.html)
Diese verwirrend vielen Inschriften, so schön an der Seite, sind Zita(te, so Korridor D 1. u.2. Abscghnitt des Höhklenbucghes, erlöste und geköpfte Tote. In den Sarkophagen.  Korridor D.  74 INschriftsensäulen aus dm Totenbuch:Kap. 123,124 u. 127, was sei in der Halle des Gerichtes, wo ie gewogen werden vor Maat und Thoth zu sagen haben. Herz wird mit einer Flaumfeder gewogen.

Es gibt eine ganze Reihe von Hieroglyphentexten, die den Toten begleiten:
(1) Pyramidentexte:
 Die Pyramidentexte sind die ältesten Totentexte; sie befinden sich auf den Wänden der Grabkammern der Pyramiden des AR (z.B. in der Pyramide des Unas, 5. Dyn.). Diese Textsammlung besteht aus ca. 800 Sprüchen.
Es gibt mehrere Gruppen von Sprüchen; u.a. beziehen sich einige auf den Sonnenkult (wahrscheinlich von den Priestern von Heliopolis verfaßt); andere sind eine Art "Zauber-Sprüche", die den Verstorbenen vor Schaden bewahren sollen; eine weitere befaßt sich mit den verschiedenen Bestattungsritualen für den (auferstandenen) Pharao, der zum Osiris wird.
In diesen Texten ist das Mundöffnungs- und Opferritual aufgezeichnet.

Mundöffnungszeremonie (Vignette zu Kap. 23 des Totenbuches)
(Papyrus des Hunefer) (Britisches Museum London)
(2) Sargtexte:  Die Sargtexte (eine Sammlung von über 1000 Sprüchen) leiten sich z.T. von den Pyramidentexten her; sie sind besonders im MR gebräuchlich. Mit dem Zusammenbruch des AR tritt eine "Demokratisierung" der Jenseitsvorstellungen ein, d.h. "das Jenseits steht jetzt für jedermann offen"!
Die Texte, eine Art "Jenseitsführer", sind hauptsächlich auf Särgen und Sarkophagen in Privatgräbern zu finden; sie sollen das Überleben im Jenseits garantieren.

Sarg des Generals Sepa (Deir el-Berscheh, 12. Dyn.)
(Ägyptisches Museum Kairo) (Quelle: "Tour Egypt")
General Sepa (Sepi) ist Oberbefehlshaber des Heeres des 15. oä. Gaues ("Hasengau"). Die Abbildung zeigt den rechteckigen äußeren Sarg des Sepa aus Deir el-Berscheh (Friedhof von Chemenu = Hermopolis; s. auch "Neunheit": B. Achtheit). Außer den Totentexten befinden sich auf dem Sarg in Augenhöhe des Verstorbenen die magischen Augen; auf der hübschen Abbildung in der Mitte ist der Verstorbene mit seinem Hund an der Leine zu sehen.
(Zu Sepa s. auch "Schebenu": [14] Sarg des Sepa)

"Hund an der Leine" (vergrößerter Ausschnitt aus vorhergehender Abb.) (Quelle: "Tour Egypt")


(3) Totenbuch: Die Sprüche des sog. Totenbuches (wörtlich: "Sprüche vom Herausgehen am Tage") befassen sich z.B. mit dem Totengericht, dem Leben im Jaru-Gefilde und dem "negativen Sündenbekenntnis" (s.o., "Totengericht"). Das Totenbuch, in dem viele Sprüche aus den Sargtexten enthalten sind, wird besonders im NR geschätzt. Die ersten Sprüche dieser Textsammlung haben meist die Bestattungsriten und das Mundöffnungsritual zum Inhalt.
Das Totenbuch besteht aus 190 Sprüchen od. "Kapiteln", von denen etwa die Hälfte aus den Pyramiden- bzw. Sargtexten übernommen worden ist.
Die Texte, mit hübschen Illustrationen (sog. Vignetten) versehen, werden auf Papyri geschrieben und dem Verstorbenen mit ins Grab gegeben - in den Sarg oder Sarkophag, zwischen die Mumienbinden oder in besondere Kästchen.
Im Totenbuch finden sich auch Hymnen an Re (Himmel) und Osiris (Duat = Unterwelt).

Die Ba-Seele ("Seelen-Vogel") verläßt den Körper
des Verstorbenen (Papyrus des Ani)
(Quelle: http://www.niki-go.de)
In Kap. 42 des Totenbuches sind u.a. die Götter aufgelistet, die für die einzelnen Körperteile als Schutzgötter ("Körpergötter") zuständig sind (Quelle: "Ägyptisches Totenbuch" von G. Kolpaktchy):
"Wohlan! Schaue!
Das Haar meines Hauptes, es ist NUNs Haar.
Mein Antlitz ist die Scheibe der Sonne [RE].
In meinem Augenstrahl lebt HATHORs Mut.
In meinen Ohren erklingt UPUAUTs Seele.
In meiner Nase schwingt CHENTI-CHAS´ [HORUS?] Tatkraft.
ANUBIS´ Lippen sind meine Lippen.
SERKETs Zähne sind meine Zähne.
ISIS´ Hals ist mein Hals.
Meine Hände gehören dem großen Gebieter von Djedu [ANEDJTI, OSIRIS].
In meinen Armen lebt NEITH, die Göttin von Saïs.
Und SETH, er webt in meinem Rückgrat.
Mein Phallus, ein Leibesglied von OSIRIS.
Meine Leber gehört dem Fürsten [PTAH] von Cher-Aha [Memphis].
Herr der Schrecken [NEB-NERU, löwenköpfiger Genius] lebt mir in der Brust.
In meinem Bauch wirkt die gewaltige SACHMET.
Im Gesäß ist tätig das Auge des HORUS.
NUTs Beine sind meine Beine.
PTAHs Füße sind meine Füße.
Des doppelten göttlichen Falken Krallen sind meine Finger.
Wahrlich! In jedem Glied meines Körpers
Lebt eine Gottheit; und THOT
Beschützt und pflegt das Ganze."

(4) Zweiwegebuch:
 Dieses "Buch" wird im MR - ab dem Ende der 11. Dynastie - verwendet. Es ist eine Sammlung von Formeln, die den Verstorbenen auf seiner Jenseits-Reise begleiten und unterstützen sollen (ebenfalls eine Art "Jenseitsführer").
Am Beginn seiner Reise steht der Verstorbene vor einem Feuersee: er kann sich hier für den Wasser- oder Landweg nach Ra-Setjau (Ro-Setau; s. "Gottheiten 1", Sokar) entscheiden, den Eingang zur Welt des Osiris.
Das "Zweiwegebuch" enthält die meisten Informationen über die Unterwelt. Es ist fast nur auf Särgen aus Deir el-Berscheh, einer Nekropole von Hermopolis, überliefert (um 2000), wo sich die Gräber führender Familien des Gaues von Hermopolis befinden.

Sarg des Arztes Gua (Deir el-Berscheh, 12. Dyn.)
(Britisches Museum London) (Quelle: "Tour Egypt")
Gua ist einer der Leibärzte des Gaufürsten Djehutihotep (Fürst des 15. oä. Gaues; ca. 1870-1830; 12. Dyn.). Obige Abbildung zeigt das Innere des äußeren Sarges des Gua mit Zeichnungen (Zweiwege-Karte) und Texten. Wegen der Karten und sonstiger Darstellungen bezüglich der Unterwelt kam es zu der modernen Bezeichnung "Zweiwegebuch" für diese Art von Sargtexten. Der Sarg stammt aus Deir el-Berscheh, der Nekropole von Chemenu (grch. Hermopolis), der Stadt des Gottes der Weisheit Thot (Djehuti).
 Auf den Wegen der Unterwelt, wie in diesem Buch beschrieben, wandeln nicht nur der Verstorbene und der Sonnengott, sondern auch der Mond als der Gott Thot (sicherlich im Zusammenhang mit seiner Funktion als Stadtgott von Hermopolis; s. auch "Neunheit von Heliopolis" [B] + "Gottheiten 2").

Das Thema des Buches ist die 12-stündige Nachtfahrt des Sonnengottes Ra (Re) durch die Unterwelt, die in 12 Abschnitte geteilt ist, deren jeder einer Stunde entspricht.
Im Amduat wird die Sonne im Bild der (Sonnen-)Barke dargestellt.

Die 4. Stunde des Amduat (Grab Thutmosis´III.)
(Quelle: http://members.tripod.com/~ib205/kv34.html)
In der 4. Nachtstunde wird der Wasserweg der Sonnenbarke durch einen im Zickzack verlaufenden Sandweg, der durch Pforten versperrt ist, unterbrochen.
 Der erste Beleg des "Amduat" findet sich im Felsengrab Thutmosis´I. (18. Dyn.), Vater der Hatschepsut. In der 21. Dynastie (ab 1000) wird das "Amduat" auch in Privatgräbern, auf Totenpapyri und auf bemalten Särgen von Amunpriestern in Theben verwendet.

(6) Weitere Unterwelts- und Himmelsbücher:
 "Höhlenbuch" (Sonne als Scheibe dargestellt; ausführlichste Beschreibung der Unterwelt, die aus zahlreichen "Höhlen" oder "Grüften" besteht; Schilderung der Strafen für die Verdammten). Das "Höhlenbuch" ist seit Merenptah (19. Dyn.; um 1200) belegt.
Schlußbild des Höhlenbuches (Grab der Tausret) (Quelle: "Tour Egypt")
Im Schlußbild des Höhlenbuches wird der nächtliche Lauf der Sonne zusammengefaßt: er führt durch Dunkelheit und Gewässer (schwarze und blaue Zonen auf den Dreiecken). Die Aspekte der Sonne (des Sonnengottes) werden durch das widderköpfige geflügelte Wesen wiedergegeben.



Und dann die Grabkammer J: 1 u.2. Stunde des Amduat und Auszüge aus der sechsten und neunten Stunden.


Sechste Stunde
Name der Stunde: "Ankunft, die den rechten (Weg) gibt"
Name des Tores zu dieser Stätte: "Mit scharfen Messern"
Name der Stätte: "Wasserloch der Unterweltlichen"
Die ersten neun Gottheiten im oberen Register deuten durch ihre scheinbar sitzende Stellung an, dass sie sich bereits von dem Mumienbinden befreit haben. Re sagt ihnen Opfer, grosse Erscheinungsformen und Macht zu. Ebenso verspricht er den anwesenden toten Königen die Kronen und damit die Macht über die beiden Länder. Am Ende des mittleren Registers schützt die Schlange "Vielgesicht" den Leichnam des Chepri. Im unteren Register befinden sich zwölf Götter mit teilweise unklaren Namen, die dafür zu sorgen haben, dass die Achu ihr Wasser erhalten. Eine nachfolgende Schlange hat die Schatten zu verschlingen und die Feinde zu vernichten. Den Götterstäben am Ende des dritten Registers kommt die Aufgabe zu, die Feinde Chepri's ihre Schatten (des Sonnengottes) zu vernichten.


 Die Decke aber Göttin Nut. Buch Nut beschreibt Sonnenlkauf bei tag. Kosmogonie, Buch der Nacht, wo die Sonne nie scheint. Sarkophag 3,5, m. reisig. Szenen aus dem Buch der Erde.
Wichtig im Grab des Ramses IV ist aber´, dass die 12 Stunden des „Amduat“ in Bildern belegt sind:

"Pfortenbuch" (Sonne als Barke dargestellt; die einzelnen Bereiche der Unterwelt werden durch Türen oder "Pforten" voneinander abgegrenzt; der Name "Pfortenbuch" stammt von dem frz. Ägyptologen G. Maspero). Das "Pfortenbuch" ist kurz nach 1400 entstanden (Besonderheit: Schlußbild mit Sonnenlauf). Die älteste erhaltene Fassung stammt aus der Sargkammer des Haremhab (18. Dyn.; um 1300). Ein vollständiges Exemplar findet sich auf dem Alabaster-Sarkophag Sethos´I. (19. Dyn.). Im "Pfortenbuch" ist die berühmte Darstellung der 4 Menschenrassen (Ägypter, Asiaten, Nubier und Libyer) im Jenseits zu finden.

Pfortenbuch: 12 Nachtstunden (Grab Ramses´IV.)(Quelle: "Tour Egypt")
Die 12 Göttinnen "auf ihrem See" verkörpern die 12 Nachtstunden; zwischen ihnen die endlos gewundene "Schlange der Zeit", die die einzelnen Stunden "gebiert" und dann wieder "vernichtet".

Man muss sich  diesen Aufwand an Totenkult erklären; für die alten Ägypter bestand der unsterbliche Teil des Menschen aus:

"Seelenvogel" (Papyrus des Ani)
Wesensbestandteile des Menschen

Erläuterungen (Hieroglyphen):
(1) Ein Paar erhobener Arme (KA)
(2) Seelenvogel mit Weihrauchgefäß (Vogel mit Menschenkopf als Darstellung der Seele)
(3) Schopf-Ibis (Darstellung der göttlichen Kraft)
(4) CHNUM (widderköpfig)
Gemäß ägyptischen Glaubensvorstellungen formt der Schöpfergott CHNUM einen Menschen auf der Töpferscheibe und versieht ihn mit Lebenskraft (Ka), Seele (Ba) sowie Geist oder göttlicher Kraft (Ach). Chnum wird in widderköpfiger Menschengestalt dargestellt (s. "Neunheit" [E]). Sein Beiname ist "belebender Bildner".
Die "Ka"-Lebenskraft - da mit dem Körper verbunden - benötigt ebenso wie dieser Nahrung zur Erhaltung. Der "Ka" ist eine Art Doppelgänger des Menschen, der auch nach dessen Tod weiterlebt.
Die "Ba"-Seele in Gestalt des Seelenvogels kann sich aus dem Grab entfernen und sich wieder dorthin zurückbegeben. Der Ba wird seit dem Ende des AR zum Inbegriff der unvergänglichen Kräfte.
Der "Ach"-Geist (göttliche Kraft) wird als unveränderlich und ewig betrachtet. Der Ach ist die Form, in der sich die verklärten Toten in der Unterwelt aufhalten. Ba und Ach können auch in der Gestalt des Verstorbenen auftreten.
Dem Verstorbenen wird häufig eine Statue seiner selbst mit ins Grab gegeben als Ersatzkörper. Falls seine Mumie später einmal beschädigt oder gar zerstört werden sollte, dient diese Statue dann als Wohnsitz des Ka. Von besonderer Bedeutung für den Menschen ist sein Name! Auch der Name kann, wie die Statue, als Ersatzkörper fungieren.
Es ist also für den Verstorbenen äußerst wichtig, daß in seiner Grabkammer Abbildungen der 3 (auch in der Jenseitswelt erforderlichen) Kräfte - Ka, Ba, Ach - vorhanden sind sowie auch (reale oder bildliche) Opfergaben für den Ka. Ebenso wichtig ist die (mehrmalige) Nennung seines Namens in den Wandmalereien; denn in seinem Namen lebt der Verstorbene ewig weiter!
Ka, Ba und Ach sind die 3 mit der geistigen (spirituellen) Welt verbundenen Wesensbestandteile des Menschen, während der Leib, der Name und der Schatten die 3 mit der materiellen Welt verbundenen sind.

Erläuterungen (Hieroglyphen):
Leib: 1. Bauch eines Tieres mit Zitzen und Schwanz + Determinativ-Strich, d.h. die Hieroglyphe bedeutet das, was sie darstellt (CHT, "chet": "ch" wie in "ich"; "chet" = Bauch, Körper, Leib); 2. Brotlaib (T; Konsonanten-Wiederholung zu 1). Zu lesen: CHET
Name: 1. M                              und (R); 2. Wasserlinie (N; "en"); 3. sitzender Mann (Determinativ: hier für "[mein persönlicher] Name"). 1.+2.: RN, "ren". Zu lesen: REN
Schatten: 1. Gartenteich (SCH); 2. Wachtelküken (W = U); 3. Brotlaib (T); 4. Sonnenschirm (Ideogramm für Schatten, Schutz). Zu lesen: SCHUT

Der Leib (äg. "chet"; "ch" wie in "ich") ist der materielle Wesensbestandteil des Menschen und muß für das Überleben und Weiterleben in der Unterwelt so gut wie nur möglich konserviert (mumifiziert) werden, damit er weiterhin als "Wohnsitz" für Ka und Ba dienen kann.
Der Name (äg. "ren") gilt ebenfalls als Wesensbestandteil des Menschen und muß ihm schon bei der Geburt gegeben werden (weil befürchtet wird, daß der neue Erdenbürger sonst "nicht richtig" ins Leben treten könne). Er ist für das Überleben unentbehrlich, da der Verstorbene in seinem Namen weiterlebt (s.o.).
Durch das bewußte Auslöschen des Namens z.B. auf Statuen - als "Usurpation" bezeichnet - soll der Vorbesitzer aus politischen oder religiösen Gründen der "damnatio memoriae" (dem "Verdammen des Andenkens") anheimfallen; manchmal spielen aber auch ganz profane Gründe eine Rolle, nämlich Kosten- und Materialersparnis.
Der Schatten (äg. "schut"), ein weiterer Wesensbestandteil des Menschen, ist auch für das Überleben wichtig, um den Menschen vor Übel zu schützen. Die Hieroglyphe "schut" bedeutet sowohl "Schatten" als auch "Schutz" (z.B. wird der Pharao unter dem Schutz eines Palmwedels, also im Schatten, dargestellt).
Nebenbei bemerkt werden die Sonnenheiligtümer des NR "Sonnenschatten" oder "Schatten des Ra" (äg. "Schut-Ra") genannt.
 Totengericht
Auf dem Weg in die Unterwelt passiert der Verstorbene die "Halle der beiden Gerechtigkeiten" ("der beiden Maat"; d.h. der vollständigen Maat des Diesseits und des Jenseits); dort tagt das Gericht des Osiris mit den 42 Richter-Gottheiten, vor denen der Verstorbene die "negative Konfession" (das "negative Schuldbekenntnis", das aus 42 Vergehen besteht) ablegt. Darauf führt Anubis den Toten zur Waage der Gerechtigkeit, wo dessen Herz gegen die Feder der Maat aufgewogen wird; Thot notiert das Ergebnis.
Wenn der Tote die Wahrheit gesagt hat, bleibt sein Herz, das nicht lügt, im Gleichgewicht mit der Feder; er ist dann "gerechtfertigt" ("wahr an Stimme") und wird von Osiris in die "Jaru-Gefilde" (das ägyptische "Paradies") geleitet.

Erläuterungen (Hieroglyphen):
(1) 1. Sichel mit Statuenbasis (MAA; "maa" = wahr); 2. Arm (A; Konsonanten-Wiederholung zu 1); 3. Plazenta? (CH; wie in "Buch"); 4. Mund (R); 5. Ruder (CHRU; "cheru" = Stimme; "ch" wie in "Buch"; CHR: Konsonanten-Wiederholungen zu 3+4); 6. Wachtelküken (U; Konsonanten-Wiederholung zu 5); 7. sitzender Mann mit Hand am Mund (Determinativ für "denken, fühlen").
Zu lesen: MAA-CHERU
(2) etwas verkürzt (ohne "Wachtelküken"), sonst wie (1)
(3) nochmals verkürzt; 1. Hieroglyphe: Sichel (MA); 2. Statuenbasis (MAA); 3.+4. s. (1)
(4) weiter verkürzt (ohne "Sichel"), sonst wie (3)
(5) noch weiter verkürzt (ohne "Arm"; "Ruder" aus ästhetischen Gründen horizontal unter der oberen horizontalen Hieroglyphe).
Ob "übermäßig" (pleonastisch) ausgeschrieben oder verkürzt (in verschieden stark gekürzten Ausführungen): die alten Ägypter, sofern schreib- und lesekundig, können immer "maa-cheru" daraus herauslesen. So flexibel ist die ägyptische Orthographie!

Nach Ramses IX Grab, das weniger interessant scheint,  und ist doh sehehnswert Ein eigentlich eher unbekannter Pharao, was sich bei der Gestaltung des Grabes widerspiegelt. Das eigentlich interessante ist hier ein riesengrosser steinerner Sarkophag im Innersten der Gruft. Der Besucher kann um das mit Hieroglyphen verzierte Ungetüm herum gehen. Die Darstellungen in diesem Grab sind auch viel weniger bunt und eher zurückhaltend, viele Figuren sind ganz in schwarz.

ging ich noch zu Tutanch amuns kleinen Grab, das die meistren enttäuscht. Durfte natürlich auch nicht fotografieren, die Videikamera im Auobus lassen. Ich knipste nur den Eingang und die Tafeln davor, dann die berümtne  1 Treppen ausen.
0:

Es gab nur vier Kammern, spärlich bemalt. Den riesi9gen Schatz mit 3600 Exponaten konntennwir dann teilweise im Ägyptischen Museum bewundern. ASusgeraubt war es schon zur Pharaonenzeit zweimal. Nur die Grabkammer enthält den Sarkophag aus Quarzit, darin der äussere Srag und die Mumie. Am 4. November wurde die Zugangstreppe mit den 16 Stufen entzdeckt Schlamm und Steine verdeckten den verseigelten Eingang. Das nuss ein einormes Erregungsgefühl gewesen sein, angesichts eines Wunders., dass jetzt etwas offengelegt werden sllte, das über 30 Jahrhuderte verborgen war. Das muss ein Moment gewesen sein… Erst am 24. Nov. 22, als auch der Geldgebere kam, die Öffnung: Er schildetr es so: „ Zuerst sah ich gar nichts. <dir sud frt <ksmmrt siddtrömendr hridr <luft brachte nmeine Kerze zum Flackern, doch als sich meine Augen nach und nach an das Licht gewöhnten, erkannte ich die Detaiuls des Raumes, die sich lagsam aus dem Nebel lösten, mrtkeärdigr <Tirrr4, <staturn und <golöf übrrsll fsd <glöänzrn von <gold.<2 Zehn Jahre daueerte das Foptigrafieren und reinigen und >Registrieren des Schatzes. Viels ist bis heute nicht veröffentlich. Nacvh dem Korridor und der Vorkammer, vollgesdtopft mit <Stühln, Tischen, Streitwagen, eingelgten Kästen, Alabasterkrügen, mumifiziertrn  <Enten, <<bruzrl mit <Nstron, <bandagen zum Mumifizieren. In der Grabkammer vier v erfgoldete Schreine ineinander verschachtelt. Im Innern der Sarkophag aus Quartit. Darin zwei vergoldete Särge, darin einer aus purem Gold. Darin die Mumie. Neben der Grabkammer die Schatzkammer, wo auch zwei mumifizierte Fötusse liegen, wohl T. ungeborene Kinder?
Hinter der Mumie gemalt 12 kniende Paviane, darüber die Nachtbarke des amonra (in Form des Chepren: des Skareabäus). Daneben drei Götter und zwei Göttinen. Es ist die erste Stunde des Amduat. T. wird als MUmi von 12 Hofbeamten auf einem Schlitten gezogen. Osiris begüsst das Ka und Ba des Pharaos. Dann Rituak der Mundöffnung.
Der Quarzit Sarkopphag gesxhmückt mit an der vier Ecken  geflügelten (Seele) Göttinen: Nephtis, Isis, Serquet und  Neith. Blau bemalte Halsketten unf Armbände4r. Warnungen Farben enthalten tödliche Schimmelgifte, Bakterien.  Sollte das die Ursache des Fkluches sein?
Innerhalb kurzer Zeit schien der "Fluch der Pharaonen" seine Opfer zu fordern. Lord Carnarvon, der Finanzier der Ausgrabungsexpedition, und einige Altertumsforscher, die der Graböffnung beigewohnt hatten, starben auf angeblich mysteriöse Weise.  Legendenbildung von der Rache der Pharaonen. Ein Schimmelpilz namens "Aspergillus Flavus"
Des Rätsels Lösung, so wird heute vermutet, war ein Schimmelpilz namens "Aspergillus Flavus" (Gelber Gießkannenschimmelpilz). In alten Grabstätten und Grüften kann die Konzentration von giftigen Schimmelpilzsporen, die über Mund und Nase eingeatmet werden, so hoch sein, dass Menschen mit einer angeschlagenen Gesundheit (insb. Bronchien und Lunge) bzw. schwachem Immunsystem lebensgefährlich erkranken.

Der große Fund
     Howard Carter ist überzeugt davon, dass es hier noch ein Grab gibt, aber er weiß nicht wo. Als er aus England zurückkehrt, ahnt er noch nicht, was ihn erwartet. Nahe dem Grab Ramses des VI. haben Arbeiter eine Steintreppe freigelegt. Sofort telegrafiert Carter an Lord Carnavon, dass er endlich eine wunderbare Entdeckung gemacht habe. Carnovan reist sofort an. Am 26. November 1922 macht Carter die großartige Entdeckung: Zusammen mit dem Lord öffnet er den Zugang einer bislang unentdeckten Grabkammer: das Grab des Tutenchamun. Dort finden sie Schmuck, Spielsachen, Möbel - insgesamt 3600 Funde von unermesslichem Wert.

Fluch des Pharao
     Die Bergung der Schätze ist schwierig, da das Grab sehr klein ist und alle Gegenstände ineinander verschachtelt sind. Innerhalb weniger Wochen wird das Grab zur Pilgerstätte für Touristen aus aller Welt. Nachdem im Februar 1923 die letzten Schätze aus der Vorkammer geborgen sind, wollen Carter und sein Sponsor den Sarkophag aufbrechen. Doch eine Inschrift droht, dass jeden, der die Totenruhe stört, der Fluch des Pharao ereilt. Für die Briten ist das zunächst purer Aberglaube

Doch zur gleichen Zeit tötet eine Kobra, die als Beschützerin der Pharaonen gilt, den Kanarienvogel in Carters Haus. Man glaubt, dass diese Kobra ein schlechtes Ohmen für den Fluch des Pharao war. Sechs Wochen nach Öffnung der Grabkammer stirbt Lord Carnavon an einer mysteriösen Lungenkrankheit. Wieder glaubt man an einen Fluch der Pharaonen. Auch viele Mitarbeiter Carters sterben einen frühen Tod. Und jeder Tod gibt der Legende Nahrung. Bis heute tauchen in regelmäßigen Abständen Theorien auf von geheimnisvollen Viren und altägyptischen Fluchtexten. Wahrscheinlich waren Schimmelpilzsporen, die im luftdicht verschlossenen Pharaonengrab Jahrtausende lang überlebt hatten, die Ursache für die mysteriösen Todesfälle

Goldenes Antlitz des Pharao
     Trotz des Todes seines Freundes setzt Carter seine Arbeit fort. Vier Schreine müssen Carters Helfer öffnen, bis endlich das goldene Antlitz des Pharaos zum Vorschein kommt. Die Arbeit der Briten wird durch die Nationalisten, die inzwischen in Kairo regieren, behindert. Sie sagen, die Schätze stünden nicht den Kolonialherren zu, sondern den Ägyptern. Carter protestiert, worauf ihn die Regierung außer Landes weist und das Grab geschlossen wird. Erst ein Jahr später kehrt Carter an die Fundstätte zurück und öffnet den Sarg des Tutenchamun. Endlich ist er da - der Augenblick, auf den er so lange gewartet hat.

Und dann sahen wir auch noch das weniger bedeutende Grab im Tal der Königinnen:
Prinz Amunherchepeschef, Sohn von Ramses III und Teti. Sehr schön azusgetaltet, vor alm die Kleidung so detailgenau. Das ist keine UNterweklt, das ist LEBEN. Innenleben wohl mehr. Vor allem die Umarmung mit der Isis! Dann Hathor, die Ramses und seinen Sohn empfängt. Dann der Horus. Und der menschenfärmige Sarkophag, den wir umgingen und betasteten.
Die4r Grabkammer ausgemalt mit Kap 145 und 146 des Totenbuches. Die 21 Pforten werden becshruieben, durh die Ramses III seinen Sohn geleiten muss. Jede Pforte von einem Geistwesen bewacht. Und Vater u. Sohn müsen wissen, welche Worte aus denm Totenbuch rezitiert wreden mus, um die Pforte geöffnet zu bekommen, So an der siebenten Pfort:  Bwereite mitr einen Weg, denn ich kenne dich, ich kenne deinen Namen, und ich kenne den Namen dessen, der dich behütet `Leichentuch, das den Schwachen umhüllt, Trauernder, der der den Körper verbergen will´lautet dein Name. Íkenty ist der Name des Hüters der Pforte.“
Auf ihm  aus dem Buch der Erde Inschriften.


Und das alles halbtohnmächtig nach dieser ungecshlafenen Nacht. Aber es brahte wie kurze Unterbrechungen, in Ziwschenräume ziwchen Schlaf und Wachen fallen.

Jedenfalls  die Wirkung ist freundlich-hell wie ein Auferstehungsfest: in Schrift und Sinn ist Überleben.

Und noch ertwas: es war ja ein Umzug, ein Wohnungswechsel Zauberworte und Hilfen, um diesen Wechsel zu bestehen. In den Seitenniscvhen war die ganze Habe. Sie nahmen ja alles, was sei hatten mit. Die Priestger hatten für diesen Umzug einen genaue Plan, die in den Büchern becshrieben saren. Und dazu der Schutz der Schlange. Das Ich in allken Formen.

Es gibt noch eine Unmenge Löcher, nur die Öffnung auszementiert mit Betonrahmen.

Gräbe wie bemalte Bergwerke in den Fels, Labyrinth. Unterwelt. Jenseits.
Inschriften beziehen sich auf:

Warum so: warum versteckt im Berg, im Fels, in den Kammern. Im alten Reich wurden sie gezeigt, die Pyramiden mit den Grabkammern. Damals stieg der Pharao mit der Pyramide auf zum Himmel.
Jetzt aber der zu Osiris gewordene König geht ins Jenseits der Unterwelt.
Und auf seiner sonnenbarke durchlöuft er 12 stunden bis er wieder auftaucht,
Das sch.nst grab ist Anebopoholis II (35)
Zur Grabkammer führt der Gang zur Sargkammer. Die it ausgecshmückt mit 12 Stunden. Erstaunlucu, das ist de reise in die totenwelt mit den Sonnenschiff, der Tote Pharao verwandelkt sich in Osiris.
Aufgezeichnet nach dem Buch Amduat, als wioderköpfiger Ba. Die Stationen aufgezeichnet, S. 304.  In der zwölften Stunde durch den Leib der Schlange gezogenm und taucht wiedr auf. Und muss wie auch im OOBE durch viele Scheusale durch. Gefährlich. Dazu eben die Texte, als Reisanweisungen,  Es ist der König als Osiris. Dann auftauchen und alle verfallen wieder in den Todesschlaf.

Textsammlungen;  Pyramidentexte (5,Dynstie), Dann das Totenbuch, Becshreibung der Reise und auch Verklörung. Wie das Totengericht zu bestehen ist etc. Schon bei der Bestattung wird vorgelesenm
, amit der Toten nicht vergisst.
Im neuen Reich das Buch Amduat (auch bei Amenopholis)
Am besten erhalten ds Grab von Sethos I, eine art egypt, siytina.  OIpfer, Gebet, alles fehlerfrei sei. Zwei Feste dafür Opet und Wüstenfest.
.
ZUR RELIGION RELIGIÖSE FESTE (S. 54)
 Himmel Erde Unterwelt. Ägypten inmitten. Fremde Länder am Rand. Umgeben vin Nun: Urozean Auf einem kleinen Hügel, Insel, Welt erschffen.  Spuckte der Gott Atum, masturbierte auf den Hügel. So enstand Schu., Got der Luft. Und Sonnenlicht. Und Tefu Göttin der Feuchtigkeit (rutschigß9 Eltern von Geb, Erdscheibe, wuchs aus dem Hügel raus.Nut Himmel, Geb Erde hatten Kinder Osiris, Isis, Seth und Nephthys, die weitere Götter gebaren.
Vier Ecken der Welt wie ein Tenmpel vier Pfeiler, daran Himmelskuppel, daran Sonne, Mond und Sterne befestigt. Kosmisch Gottheiten, die dann die Erde verliessen, Bedroht Re Sonnengott., Reise durch duie nacht 1 Stunden bedroht durch Schlange Apophis und ander Unwesen.
Götter wie Menschen, in Enneaden oder Triaden.
Amun der gröste (Der Vrebiorgene)
Herrscharen von Göttern für alles, jede Regung. Schicsal also jeder Augenbliock? So gut. Vor allem Maat sorgte für Ordnung (Gerechtigkeit) damit Sonne nicht starb. Nil. Etc. Nur Priester. Erst Mensch aus Trönen der Götter entsatnden remi Weinen, remitj Menschheit. Wie bei Maya Menschen und Götter zusammen. Dann böse suie entfernt, sie zogen ab. Aber sei schickten Horus! Lebt im Körper des Königs, ebenbildlich, Mimesis, gttgleich., Engstelöle, Sanduhr, Engf+hrung. So Wichtig Rituale, dass König sicher in Unterwelt. Osiris wird. Und neue König als lebender Horus DA ist.

Gottlosigkeit so bekämpfen?
Alles, auch Mumifizierung daz: Kontakt zwischen Dieseist und Jnsiets, Mensche  und Göttern zu erhalten! Heute AUS.,

Dann  zum  Tempel der Hatschepsud. Enttäuschend, da es wie neuplastik wirkt.



Tie Terrassen aber horizontale auf der Vertikalen des Gebirges effektvoll.

HATSCHEPSUT TEMPEL

Verrückte Familien-Konkurrenz mit Thutmosis III Stiefsohn und Neffe zugleich. Der Sohn ihres Mannes Thutmosis II, zugleich ihr Bruder, mit einer Nebenfrau, der zugleich die einzige Tocter der Hatschepsut und Thutmosis zwei heiratet. Dabei gleich aber Mahctkampf. Hatschepsut hatte für den Minderjöhrigen SAtiefsohn regiert.
Hatschepsut erklärte sich selbt zur Pharaonin. Mit Senenmu herrschte sie, Rat. Th II wartete Tod ab oder führte ihn herbei. Ganz anders Herrschaftskonzept. Nicht Frieden, Krieg, 17 Feldzüge!  Vormachtstellung. Ausl. Söldner, Wagentruppe, stehendes Heer Ausländer. Blütezeit. 18 Dynastie.

Erst Hatschepsut baute. Dann Thutmosis III Vor allem Deir-el Bahari: Th II baute weiter, tilgte aber H. Namen und Bilder. Baute mit ihr NMedient Habu, vor allem beide in Karnak. ER vior allem.

Sie im Tempel des Reichsgottes: Obelis! Pylon IV (Wo auch Obelsik Thutmosis I Vater der H. steht.( Ganze Geschichte des Htschepsut-Obelisk mit ihrer Inschrift..

IN Bahari: H.-Tempel. Hass ihres Stiefsohnes; liess alles zerstören. Sie Friedenspolitik, Ausbau. Er Kriege. Se 22 Jahre!
Terrassentempel unmittelbar neben dem Tempel Mentuhotep! Mit kleiner Pyramide.

Senenmut ihr Architekt, langgestrkt gegen das Horizontale. Anub Zentral, baute so in Verlängerung zu Karnak. 5. km. Achse.
Dazu Hathorkult (Schreine) Und hat sich selbst ein Denkmal gesetzt, ihrer Geburt:  Mittlere Kollonade Nord. Und auch das „Schöne Fts vom Wüstental“ mit Protession hier endpunkt. Eigentlich in erotisches Trunkelheiztsfest. Von Karnak bis hierher.

Hier Göttlikche Zeugung durch Amun und Gebuirt der HKönigin. (Man denkt an Zeus: Geföhrt von Tod nähert sich Amun der Königin Ahmes, die also Thutmosis I mit dem Gott betrügt, wie Maria den Jopseph betrügt) Ahmes wird dann zum Geburtssaal geführt von

Ammun vögelt nicht, übergibt nur das Anch-Zeiche3n. Inshrift dazu. Duft, Parfüm aus dem Land PUNT. „Sie beglückte ihn mit sich selbst und küsste ihn.“ Mittlere Kollonade, Anubussc hreib, am schnönsten bemalt

Aber auch die Mimesis hier, nämlich das Ebenbikldliche dere Könige: gottähnlichkeit. Kant.

REISE NACH PUNT? Reise von H Schiffsreise nahc POunt:  Mittlere Kollonade Süden dargestellt. Wohl Somalia oder Eritreia. Viel Reliefs darüber. Fünf Schiffe. Genau dargestelt: 25 m lang.. Schwierig1 jahr gereist, bios Queseir, dann schiffe auseinadergenommen, überland an den Nil, von dort nach RTheben gesegelt. Genaue schiffsdarstellung.  Vor allem Weihrauch etc. mitgebrahct, auch lebndige Bäume.

Hathorschreib. Kuh.
Obere Terarresse 24 kolossale Osirisstauen.

Am schönsten über as Gebirge (Horn) zu Fuss oder Esel zum Tal der Könige!

Schön nur die rechts noch die erhaltenen Teile:



Noch die Memnonkolosse (Memnonsäulen) Denken an Sperber, den alten Juden.
Und der Winzige rechts bin ich nebem klingenden Koloss:



Totentempel von Echnatons Vater Amenophis III, grösste. Nur noch diese Reisen. Lehmziegeln, Nil aufgeweicht.



 Einziger Steinblock die Säulen. 20m hoch. Orthoquarzit-. Men Steinmnetz. Ameonophis Siohn des Hapi war der Baumeister. Amenophis recht auf d Thron, mit Nilgöttern. Lotos u. Papoyros. Südliche König mit Mzutter und Frau Teje plus Töhter. Erdbeben Daher Spalt, Memnosn Ton, Klageton. Pfeifgeräusch:  Sonne morgens. Memnon  an Eos, die Mutter, Göttn der Morgenröte.. Von Achilles in Troja erschlagen. Graffiti aus GReich. Röm. Zeit  Seltimus Sever  199mn.Chr. liess sie reparieren die Staue, seither kein Ton mehr.  Alos Reperatur kann schaden (Sixtina?) SDtatuensammlung, Tausend von ASechmet. Eine riesige umgestürzt Heute Ausgrabungen wieder.

Kolosse aus Quarzit Gegend v. Heliopolis. S. 1666.  266 Hirmer)
Peer Gynthat sich in einen Orientalisten verwandelt. Er bereist Ägypten und steht vor der Memnonsäule, die bei einer bestimmten Morgensonne zu singen beginnt. Staunend hört er, wie die Säule die Worte des "Krummen" singt: "Geh außen rum!" Darauf entführt ihn ein Mann hinter die Gitter einer Irrenanstalt. Paranoide Gestalten begegnen ihm, die irgendwie mit seinem krausen Ich zu tun haben und ihm unangenehme Empfindungen verursachen. Schließlich wird er zum Kaiser der Narren gekürt. Zeitsprung: (Musikstück: Peer Gynts Heimkehr

Neben der Hauptstraße zu den Nekropolen des Westufers erheben sich weithin sichtbar die Memnonkolosse. Sie sind aus Quarzit und wurden aus einem einzigen Rohling gefertigt. Acht zusammengebundene Schiffe waren nötig, um die 1000 Tonnen schweren Steine aus einem Steinbruch bei Memphis über den Nil zu befördern. Sie stellen Amenophis III. dar, der auf einem würfelförmigen Thron sitzt. In der römischen Kaiserzeit bekamen sie ihren heutigen Namen, denn man hielt sie für Statuen des Memnon, des Sohnes der Eos und des Tithonos, der im Trojanischen Krieg von Achill getötet wurde. Ihr ursprünglicher Name war Neb-Maat-Re (Herrscher der Herrscher). Der südliche Koloß ist besser erhalten als der nördliche, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um die einst berühmte 'klingende Memnonsäule' handelt. Sie war das Ziel vieler Reisender in der römischen Kaiserzeit. Seit einem Erdbeben 27 n.Chr. gab die Statue bei Sonnenaufgang einen singenden Ton von sich, den vermutlich die wärmende Morgensonne durch Spannungen im Stein auslöste. Der Koloss habe "bis zum Bersten unter Spannung gestanden", so die Archäologin Myriam Seco. Man erzählte nun die Sage, daß Memnon mit sanftem Klageton seine Mutter Eos begrüße, deren Tränen (als Mor-gentau) auf das geliebte Kind herniederfielen. Strabon, der zuletzt darüber berichtet, hatte allerdings Zweifel an dieser Version
Für Pausanias (2. Jh. n.Chr.) und Juvenal (2. Jh. n.Chr.) ist der Klang eine Tatsache. Wenn er ausblieb, so nahm man an, der Gott zürne. Kaiser Septimius Severus ließ den oberen Teil der Statue aus fünf Lagen von Sandsteinblöcken ziemlich roh wiederherstellen. Seitdem schweigt der Koloss. Inschriften in griechischer und lateinischer Sprache, die sich in erreichbarer Höhe um die Beine befinden, bestätigen die Annahme, daß er die "klingende Memnonsäule" war. Kaiser, ägyptische Gouverneure und auch ein Arbeiter verewigten sich hier. Neben den Memnonkolossen, einer kolossalen Stele und einigen Säulenbasen ist nicht viel geblieben vom Totentempel Amenophis III., der mit seiner 700 x 550 Meter weiten und 8,5 Meter starken zinnenbewehrten Ziegelmauer sogar den Amun-Tempel von Karnak übertraf. "Gebaut aus weißem Sandstein, Gold, einem Boden aus Silber, mit Türen aus Elektrum" (wie es auf einer Stele im Ägyptischen Museum heißt). Der Tempel besaß vier von Pylonen abgeschlossene Vorhöfe. Die Memnonkolosse befanden sich vor dem ersten Pylon. Die spärlichen Reste vom eigentlichen Tempelhaus erlauben keine Rekonstruktion seines Grundplanes mehr. Der Tempel stand von Anfang an unter keinen guten Stern. Nachdem nubische Heere bereits nach Amenophis III. Begräbnis sein Grab plünderten, vergriff sich Nachfolger Echnaton an den Inschriften seines Vaters und ließ sie tilgen. Um 1210 v. Chr. setzte ein Erdbeben dem Bauwerk stark zu. Nun ging der Raubbau richtig los. Der Pharao Merenptah baute seinen Tempel fast ausschließlich aus Altsteinen. Im 16. Jh. kamen die Mamelucken und zerschossen mit Steinschleudern die Gesichter der Kolosse. Den Rest besorgten dann Europäer wie Henry Salt. Mit Seilwinden holte er Skarabäen, Nilpferde aus Alabaster und monumentale Anubis-Figuren aus dem Morast. Ein Zehntel aller Funde die in alle Länder der Welt verstreut sind, stammt von dieser riesigen Anlage (u.a. die riesigen Sphingen in St.Petersburg). Der Kom el-Hetan ist inzwischen in die World Monument Fund Liste der hundert meistgefährdeten Denkmäler aufgenommen worden. Seit 1998 werden umfangreiche Grabungen und Sanierungen unter der Leitung von Rainer Stadelmann in Zusammenarbeit mit Hourig Sourouzian auf dem Gelände durchgeführt.

Mit einem Motorboot  setzen wir vom  linken auf das rechte Nilufer über. Fotos. Der Nil noch näher als heute morgen.

Mittag in einem noblen Lokal am Nil. Wir sitzen am Fenbster. Heiss. Idiotische Kleinigkeiten fallen mir ein: dass das Bier zu teure ist, dass ich Hesham das sage. Wir über die schönen Blumen, die Bougainviela, die anders wachsen als in Itlaien.
Nachmittags Tempel von Luxor. Besichtigung.

Erster Pylon




Und ist ein Beispiel für den Hass untereinander und die Zerstörungswut der Pharaonen:

Dann Karnak ebenfalls am Nachmittag.

Sphingenallee Karnak





Der Säulenwald: 147 Säulen:


Beeindruckend die Geschichte der Obelisken in Karnak: Hatschepsut und ihr Vater. Sie beschreibt voller Stolz die Riesensnstrengung den Granit aus Assuan hierher transportiert zu haben (23 Schiffe) auf dem Obelisk..


Abendessen an Bord.  Fahrt weiter? Erinnere es nicht mehr. Nur dass wir  Station in Esnah (Esneh) machten? Ohne den Tempel gesehen zu haben. Dort übernachtet?
 In Flauberts „Reise in den Orient“ ausfährlich und pilant dieser Ort egcshildertt. Der hat das Land noch erlebt. Im Tempel waren am Eingang noch Mumien aufgehäuft-

Besuch bei der Ortskonkubine und Tänzern  Ruchiouk-Hanem. Die zweite Tänzerin Bembeh hat es über seinen Diener Joseph vermittelt. Viel Raki. Der Bienentanz, nackt. Dem Kind im Raum wird ein schwarzer Schleier über die Augen gelegt. Dem alten Musikanten sein Turban heruntergezogen. Nur er darf zuschaun. (Was hat er dann dafür bezhalt. Schreibt er nicht.) Dann  „stürmische Fickerei“ mit ihr. In der Moschee Tinte gekauft. Eine gejagte, getötet Gazelle gekauft. Turteltauben vorher geschossen. Alles gedankenlos. Normal. Die Stadt- gtreockneter Nilschlamm. Aus Damaskus. Becshreibt sie. Ihren Tanz Musik mit Rebab (zwei Saiten. Wie vieel haben eine Nachahmung gekauft, ihren Enkeln und Kindern mitgenommen.). Mit der Trommel Tarabuka

Was habe ich da schon erlebt? Den Tenpel nicht angesehn.  Nur dass Esnah Chnun gewidnet ist, dem Weltschöpfer haha.
(Flaubert: Ich spürte ihren Bauch auf meinen Hoden, ihr Möschen, wärmer als ihr Bauch, wärmte mich wie ein heises Eien… Um Viertel vor Drei Erwachen voller Zärtlichkeit…“ (Hätte ich Hesham bitten sollen, ein Nachttour nach 1001 Nacht zu machen?“)


Doch. Den Sonnenuntergang über dem Tal der Könige in Luxor schon noch gesehn, fuhr das Schiff schon? Oder lagen wir nur sonnend auf dem Sonnendeck? In der Pause vor dem Abendessen? Wie ein Spuk alles vorbeigerauscht, kann wenig erinnern. Doch nahm ich den Untergang von Ammon Ra auf. Und neige freilich mehr zu Deutungen und Tiefsinn dabei.
Foto


Und es war ebenfalls so: Berge von dunklem Indigo, Blau über schwarzem Grau
Mit schwarzgestreiften weinroten Kontrasten in den kleinen Taleinschnitten. Genau so wie es schon Flaubert (1850)  vor über 150 Jahren gesehn hatte, Nichts hat sich verändret. Nichts. Nur er, tot. Wir, kurz da. Auch nach 1000, 5000 Jahren wird’s so sein. Nur wir sind nicht mehr da.  Die Palmen sind schwarz wie Tinte, der Himmel rot, der Nil sieht aus wie ein See aus flüssigem Stahl.

Ich nahm die Wellen oft auf, ganz nah. Zoom. Das hab ich Flaubert voraus, nur dies? Lächerlich. ER hat mehr gesehen. Wir sehen fast nichts. Sogar seine schwarzweissfotos sind aurareicher. Echter als diese farbige kitschzeug. Auch des Films.
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Und hatte auch ähnliche Nilwempfindungen. Komisch, kommt es vom Nilwasser Sterilisiert) das wir täglich trinken? Einhssein. Wellenempfndung, ER beherrscht alles, verändert. Schafft Weite, zusammen mit den Bergen, ferrn, und den umgebenden Tempeln, oder dem Sonnenuntergang von Amon re?. Wo versank ich hier, und tauchte wieder auf…. Wann war ich mal hier gewesen, den Nil gab es „immer“, uns kaum je und noch: „da fühlte ich in dem Augenblick, als ich drei Wellenfalten betrachtete, die sich hinter uns im <Winde krümmten, tief aus meinem Innern ein feierlihges Glücksgefühl emporsteigen. Das sich mit diesem Schauspiel vereinigte, und in meinem Herzen habe ich Gott gedanket, dass er mich fähig  gemacht hatte, auf diese Weise zu geniessen;“ so Flaubert: „ich fühlte mich im Denken bereichert, obwohl ich, so schien es mir, an nichts dachte; es war eine innige Steigerung meines ganzen Wesens.“


Echnaton und Nofretete, die berühmtesten, die aber nicht nur Amon Ra abschafften, interessieren mich wenig jetzt. Es ist auch wneig übriggeblieben von ihnen, nur in Museen.

Es werden die Fragen des Daseins nach dem Tode (Unterwelt), des Todes überhaupt und auch der Nacht (als Gegenpart des Tages) völlig ausgeklammert bzw. gar nicht erst gestellt! So wird nicht nur Amun, sondern auch Osiris durch Aton entthront (E. Hornung)! Diese Einseitigkeit Echnatons - so viele Dinge, die den Ägyptern lieb und heilig waren, zu verdrängen und zu ignorieren - war es unter anderem, was ihn scheitern ließ!
0Nach Echnatons Tod wird die alleinige, ausschließliche Verehrung des Aton, die Ächtung der meisten anderen Gottheiten und das Leugnen der Jenseitswelt aufgegeben.
Das Neuägyptische allerdings bleibt die neue Schriftsprache!
Abends im Zimmer: Nachdenken über

Das Ammun-Opet Fest fällt mir heute auf. Alexander d.G. opfert so einem Amun mit riesigem Phallus ( Ithhyphallicher Amun. Amon Ra)) Westwand, grosse Kolonnade.

Diese Statuen, für 30 m hohe Wesen. Sind das die ehemaligen „Götter“-Astronauten?

29.4.

Totenbuch, S. 38  Gregoire kolpaktschi

Löste Hermes Trismegistos eine „welthistorische Aufgabe? Indem er in Heliopolis (Junu, On) eion Einweihungszentrum gründete, die Äg<pter zur Grenzüberschreitung brachte, Grenze zwischen Leben und Tod auflöste, aus der Begeisterung kommt, das Absiolute, so zwischen Horus/Osiris und SAeth Osiris wählt, also das ewige Totenreich. Heute? It es die gleiche Aufgabe heute? Ich denke da ans Totengespräh, an die ITK und unser Instrumente, das werdende neue Paradigma, und unsere Magie ist die Wissenschaft, mit der wir dort eindrtingen können. (Seltsam, dass auch Nietzsche von Zarathustra ausging, wie Hernmes T. auch.  Bei Nietzsche freilich: ist das Elend noch gröser, e trifft genau die Welt im Sinnlsoen, Gottes Tod, Masse, Vermassung, und die Hoffnung jener Übermensch, der an die Todesgrenze rührt:

Nach einer Interpretation steht der Mensch nach dem Tod Gottes, der Erkenntnis, dass alle bisherigen Werte unglaubwürdig geworden sind, vor einer sinnlosen Welt, dem Hereinbrechen des Nihilismus. Die größte Gefahr sei nun das Aufkommen des „letzten Menschen“, einer antriebslosen, glücklichen Herde, die nichts mehr erreichen will. Dagegen stünde der Übermensch, der ein neuer Sinn sein könne. Denken wir an di „Zukunftsräume“, das neue körperlose Paradiugma Poppers.
Hernmes T.  hatte so etwas erreicht? In Ägypten` gege das amoralische hedonistische Volk? Sie von der Erdanziehung
Freizumachen? Gegen Zeit und Raum? Das Unendliche, das Mögliche, wie es als Kern in der Quantenphysik erkannt ist=?
Mit den Götternleben, zu ihnen zurückzufinden, wäre dieses: Di Welt ist Geist, die nicht als Geist erscheint, und dass es keine Grenze gibt zwischen Leben und Tod.
Ethik war gezeichnet durch die „kosmische Synarchie“,  Ethik, die Gesetzmässigkei dessen, was IST jenseits des Sichtbaren. Das erinnert an das, was Kant letztlich lehrt. (Aber auch Kepüler schon gefunden hatte!) Osiris als Symbol: Die Welt ist Absenz. Nur das Totnreich ist ewig, gilt, die Sinnenwelt ist Schein. Nur die Geasetze sind ewig. Die Ägyptwr durch HermesT wurden durch das Todesmyteriusm dahin geführt. Bei uns gilt das ebenfalls und immer noch (durch Nahtoderlebnsisse, dfuirch ITK, jetzt aber mit unseren Instrumenten leichter, schneller, für jeden greifbar!). (Wiedferkehr der gleichen Wahrheit? Die UJr-Wahrheit!) Pleroma (der gesitige Kosmos allein gilt!)

HT: Erstarrung des Scheins der Wekt, Niedergang des Sichtbaren, vom Tode ergriffen, wie eine Mumie. Heute auch. Die Ersatrrung im Globalisierten mmer mehr gefangen. Die Buntheit nivelliert, alle Unterschiede langsam ausgelöscht.
Mattscheiobenwelt. Keine Natur mehr. Nur noch Künstlichkeit.

10. Mai. Edfu und Kom Ombo. Asuan am Abend. Schöne Nilfahrt. Nahm viekl auf. Ereignisreich. Doch in Edfu hatte ich beide Geräte vergessen. Daher muss ich bilder „stehlen
Auf der Fahrt von Assuan nach Luxor ist ein Stopp in Edfu selbstverständlich. Wie auch Dendera ist Edfu erst in ptolemäischer Zeit entstanden. Nach Karnak besitzt die Tempelanlage den zweitgrößten Pylon (64 m breit, 36 m hoch) - auf dem die üblichen Szenen zu sehen sind: Der Pharao schwingt die große Keule und brät damit seinen Feinden, die er (hier jedoch nur symbolisch) am Schopf ergriffen hat, eins über.
Und ich seh mich vor allem vor dem Horus stehen, ihn berührend, alle lassen sich da fotografieren:

Frau Brunner-Traut bezeichnet ihn als Musterbeispiel des ptolemäischen Tempelbaus überhaupt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, daß bei ihm verhältnismäßig wenig Reliefs in christlicher Zeit zerstört wurden (sie wurden dann als christliche Kulträume genutzt).
das stimmt nicht gantz, mih aht vor allem an der mfassungsmauer sehr geägreg, wie barbarisch die Christen mit den alten Göttern da umgegangen sind, die Gesichter versucht haben zu zerstören, vor allem, die Namen zu löschen:

Der Tempel ist klassisch aufgebaut: Pylon, großer Säulenhof, gedeckte Säulenhalle, kleinere Säulenhalle und dann noch zwei Vorhallen, bevor man zum Allerheiligsten kommt.
Vor dem ersten Pylon stehen links und rechts zwei Falken aus Granit, die man leicht findet, wenn man nach den Menschentrauben Ausschau hält, die sich in ihrer Nähe stets bilden - beliebte Gruppenfotomotive. Sie stehen für Gott Horus, der in Edfu verehrt wird (er erscheint in den Darstellungen auch meist falkenköpfig). Der große Säulenhof (siehe Panoramabild ) ist mit 32 Säulen umgeben. Die Innenseite der Pylonen ist ebenfalls mit klassischen Motiven dekoriert und zeigen den König auf dem Gang zum Tempel.
Am nächsten Morgen früh auf. Flug über

Im Flugtzeug filme ich noch alle, sie winken mir zu, wir wissen, dass wir uns nie mehr wiedersehen werden. Paula und Francesco, die beiden Ärzte. Titi und Christina aus  Regio Emilia. Die lange Lulatschin Barbara. Fiorenza und Mutter aus Trento. Die blonde Ältere und ihr Alter aus Padova, Venetien.…

O Herr gib jedem seinen eignen Tod

O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

Rainer Maria Rilke, 15.4.1903, Viareggio














ANHANG




Joachim Wittstock
Im Oberland von Camaiore

Motto: In der Baron von Brukenthal’schen Bibliothek Hermannstadt nahm ich ein Buch aus der Zeit des Bibliotheksgründers zur Hand, das mich auf unsere Italienreise einzustimmen versprach: Herrn Doktors Johann Targioni Tozzetti's Reisen durch verschiedene Gegenden des Großherzogthums Toskana, in einem Auszuge von J. C. Jagemann.
"Zweyter Theil" (Leipzig 1787) enthält auf S. 211 die verheißungsvollen Sätze:
„... linker Hand öffneten sich zwischen den Bergen die fruchtbarsten und schönsten Thäler, worunter Valle di Camajore die blühendste Provinz der Republik Lucca ist. Es ist in der Gestalt eines Theaters mit den schönsten Olivenwäldern umzingelt, und mit Saatfeldern, Weingärten und Obstbäumen bedeckt, und mit solchem Fleiß angebauet, als es nur immer möglich ist. In der Mitte des Thals liegt der volkreiche und sehr nahrhafte Flecken Camajore...“

Freitag, 2. April
Nachdem Linde und Dieter abgefahren waren – wunschgemäß etwas vor neun Uhr – saßen wir eine Weile in dem Parterreraum, wo der große (durch eine Platte verlängerte) Tisch vom Frühstücksgeschirr noch nicht befreit war.
Die Pendeluhr habe ich im Rücken, ihr Sekundenticken ersetzt für eine Weile das zuvor noch lebhafte, schon von dem bevorstehenden Aufbruch gekennzeichnete Gespräch.
Wie man wohl die Uhr aufzieht? Das will Inge wissen, die auf diese Frage am Vorabend von Linde bereits erfahren hat: mit Hilfe der Gewichte. Wir treten vor den vermutlich rund hundert Jahre alten Mechanismus, und es will uns nicht recht gelingen, die unsäglich langsam, in stetem Pochen, emporgewanderten Gewichte hinabzuziehen, damit sie dann ihren streng geregelten Aufstieg erneut beginnen.
So mag es uns auch mit anderen Werken und Apparaten ergehen, die uns von den soeben verreisten Gastgebern zur Nutzung und Wartung übergeben worden sind.
Wieder auf unseren Plätzen, machen wir einander auf das Vogelgezwitscher aufmerksam, das vom gelegentlichen Hundegebell kaum beeinträchtigt wird.
„Es ist für sie offenbar beruhigend zu wissen, dass jemand im Haus ist“, sage ich. Wir hatten uns in den vergangenen Tagen und Wochen manchmal gefragt, was uns diese Einladung einbrachte, was denn den Ausschlag gegeben haben mochte, zumal Linde und Dieter mehrmals betont hatten, es seien nicht Dienste auf dem Grundstück, die sie von uns erwarteten, also nicht etwa das zu leisten, was die im Frühling wohl herangezogenen Saisonarbeiter im Hügelland üblicherweise ver-richten.(?)
Nur Handgriffe – ja, solche werden, ohne dass wir darüber viel gesprochen hätten, uns abverlangt, Selbstverständlichkeiten wie: den Kater Roméo mit Milch und Kraftnahrung in Form brauner Kügelchen zu füttern, den Rasenmäher zu betätigen und Ähnliches mehr.
Inge stimmt meiner Bemerkung zu, worauf ich fortfahre, den plausiblen Beweggrund weiter zu untermauern. „Wir sollen das Haus beleben, sollen Teil an seiner Beseelung haben und es dadurch auch erhalten und schützen. Ein Haus, in dem Menschen sind, ist etwas ganz anderes als ein verlassenes Anwesen, besonders hier im Bergland-Weiler, wo manches Gebäude auch Zeiten des Verfalls gekannt hat, der Seelenlosigkeit schlechthin.“
Uns war gesagt worden, dass auch der Bau, in dem wir uns befinden, vor dreißig Jahren ganz anders ausgesehen habe – der eine Teil war kaum mehr benutzbar, weil er im Lauf von zweihundert Jahren ziemlich verwittert und verelendet war.
„Sie hängen nämlich sehr an diesem Haus“, füge ich hinzu. Am ersten Abend hatten sie uns durch die Räume geführt, und es wurde immer wieder auch davon gesprochen, wie aus dem einstigen Zustand der Verwahrlosung mühevoll das jetzige Stadium solider Erneuerung erreicht worden war, durch vielfaches Anpacken bei den erforderlichen Arbeiten, wobei Tünche und Farbe den Wänden und Balkendecken zum heutigen Aussehen verhalfen.
Nun sehen wir noch deutlicher, wie sehr Linde Recht hatte zu sagen: „Dies Haus ist unser Leben.“
Während die beiden sich als Stipendiaten der Stadt München in der Villa Waldberta am Starnberger See aufhalten, ist also unsere Aufgabe: Kräfte der Wahrnehmung und des Handlungsvermögens so einzusetzen, dass diese Lebensstätte nicht nur in den ganz praktischen Gegebenheiten, sondern auch als wohnlicher Ort erhalten bleibt – und Wohnlichkeit ist ein vorwiegend seelisches Moment.
Die Pendeluhr gibt im Erdgeschoss den Rhythmus an, sie pulst ordnungsgemäß, gar mit beharrlicher Insistenz ihr Prinzip in den Raum, und zwar so gewissenhaft, dass wir schon nach Stunden erkennen, wie sie in Gang zu halten ist. Die Gewichte haben sich nach und nach tiefer hinabgelassen, und so wissen wir: Sie müssen nicht hinuntergezogen, sondern im Gegenteil an der Kette wieder gehoben werden, um ihren Zeitmesser-Dienst verrichten zu können. (!)

Sonnabend, 3. April
Auch heute verweilen wir nach dem Frühstück etwas im Parterre des Hauses. Es ist dreigeteilt.
Zunächst gibt es das Mittelstück mit der Pendeluhr, die in meinem Rücken ihren Takt und, extra vernehmlich, die Stunden schlägt. Vor mir habe ich den Treppenaufgang, der die aus grob behauenen Stämmen gebildete Zimmerdecke durchbricht und unwillkürlich den Blick hochgleiten lässt. Wieder und wieder betrachte ich die von weiß getünchten Wänden durch schlichte Beize, durch braunen Anstrich zu deutlichem Kontrast abgehobene klobige Deckenstruktur (Kastanienholz, ließen wir uns sagen, sei da verwendet worden).
Das Mobiliar wiederum ist feineren Zuschnitts, der zierliche Eckschrank, der in die Mauer eingelassene Wandschrank und eine Kommode aus Großelterntagen – allesamt sind sie für Glasgeschirr und Porzellangut bestimmt.
Von mir aus rechts liegt, durch die an zwei Stellen eröffnete Wand erreichbar, jenes Zimmer, dessen niedere Sitzgelegenheiten, dessen Sofa zum gemütlichen Aufenthalt einladen, es ist eine Stätte des Gesprächs und der Geselligkeit. Die eine Wand dort wurde, bis zur Zimmerdecke, mit einem Regal versehen, in dem sich Buch an Buch reiht – deutsche Literatur, Weltliteratur –, das Wandgestell ist außerdem mit Schallplatten und Kleinplatten (ungern bezeichne ich sie als CDs) bestückt und vom Fernseher belegt.
Ein Kamin zieht drüben die Aufmerksamkeit auf sich. Er wird am Abend mitunter in Betrieb genommen, weniger um zu heizen, als dem Geknister der verbrennenden Scheite, dem Geprassel des Astgespriegels zu lauschen. Korb, Blasebalg, Schürhaken, Kohlen, Zange, Aschenhaufen erinnern mich an Kindheitstage, an Notwendigkeiten zwingender Art, auch an die Herbheiten der Holzfeuerung.
An der Bücherstellage hängt eine Marionette, ein prachtvoll ausgerüsteter Ritter, gepanzert, geschient, behelmt und mit Schild bewehrt. Die Figur gehört wohl zum Puppenspiel, das, just vor meinen Augen, zwei weibliche Personen verweilen lässt, Damen im langen Gewand, mit beweglichen Köpfen. Ich nehme sie auf und stelle fest, wie sehr sie schon durch die Veränderung von Hals und Haupt den Eindruck von Leben erwecken.
Und dann der dritte Raum zur ebenen Erde, die Küche. Auch sie ist mit stattlichem Kamin versehen, der aber nicht verwendet wird; der zum Kochen und Anwärmen der Speisen bestimmte Herd neuzeitlichen Stils steht daneben. Eine Kredenz ist da, weiterhin eine Vorrichtung zum Aufbewahren von Tellern (aus Zinn, Fayence, aus gebranntem Ton), zudem gibt es Abstellgelegenheiten für Krüge und andere Behälter. Die geräumigen Tische ländlicher Provenienz dienen dem täglichen Bedarf oder täuschen, bei seltenem Gebrauch des Ererbten, eine tagtägliche Nutzung bloß vor.

Sonntag, 4. April
Obwohl ich nicht beabsichtige, die einzelnen Stationen unserer Reise möglichst ausführlich zu verzeichnen, also ein regelrechtes Tagebuch zu führen, seien doch einige Momente notiert, als Anhaltspunkte im Zeitverlauf.
Am 1. April wurden wir von Linde und Dieter zum Meer gefahren (meist sitzt Linde am Lenkrad), an die von Camaiore nächstgelegene Küste – jene des Ligurischen Meeres (und nicht des Tyrrhenischen Meeres, wie ich dachte, das erstreckt sich weiter südlich, zwischen Korsika, Sardinien, Sizilien und dem italienischen Festland. Ligurien ist allerdings nördlicher, es umfasst den Golf von Genua mit einem breiten Küstenstreifen). Vom Lido di Camaiore ging es dann, in Strandnähe, nach Viareggio.
Hier machten wir im Bootshafen Halt, wo Linde und Dieter uns ihr kleines Schiff zeigten („Frasquita“ genannt, in Hamburg registriert). An dem „Strand der Barbaren“ (Costa dei Barbari), naturbelassen, unbewirtschaftet, gingen wir eine längere Strecke über den Ufersand, für uns Besucher aus der Ferne in diesem Jahr der erste sinnenhaft-unmittelbare Eindruck vom Meer.
Auf der Rückfahrt, noch im Badeort Viareggio, lenkte Dieter unsere Aufmerksamkeit auf den Turm, in dem Nicolao Granucci Jahre hindurch als Strafgefangener sein Leben fristete, ein Wesend-Verwesender aus Renaissance-Zeiten, in Dieters Roman Der Verweser zur Gegenwärtigkeit einer literarischen Gestalt erweckt. Während dieses Ausflugs an die Küste notierte ich nichts, da ich vom Vorsatz erfüllt war, die soeben berührten Stätten noch aufzusuchen.
Der Nachmittag brachte uns – Linde samt Hunderl Felix, Inge und mich – nach Buchignano, einem Nachbarweiler Aglianos, durch Waldpartie und Olivenhang bequem erreichbar.
Tags darauf, nachdem unsere Gastgeber abgereist waren, machten Inge und ich uns auf, Camaiore zu Fuß zu erreichen. Das Vorhaben war als ein Auskundschaften des Wegs (der kurvenreichen Zufahrtsstraße) gedacht, geplant war zudem eine kurze Besichtigung der auf weiter Fläche ausgebreiteten Ortschaft, auch wollten wir Lebensmittel einkaufen.
Flugs vergingen die Stunden, indes wir auf abschüssiger Bahn durch den Wald gingen, dann die erste kompaktere Siedlung (Pieve genannt, bedeutet Pfarrkirche) querten und schließlich die mittelalterlichen Burgcharakter aufweisende Innenstadt Camaiores auf uns wirken ließen.
Während des Rückmarschs kreuzte Christel zufällig unsere Bahn. Sie, die gerade nach Hause fuhr, nahm uns in ihrem Wagen auf und brachte uns von der Kirche in Pieve (einem respektabel alten Bau, ab dem 8. Jahrhundert datierbar, auch spätere Phasen lassen sich an der romanischen Kirche identifizieren) hinauf zu jener Stelle, wo – vor dem Bergnest Agliano – Fahrzeuge im steilen Gelände wenden können.
[...]

Montag, 5. April
Zur Bushaltestelle in Camaiore und von dort gegen Abend wieder ins „Daheim“ schaffte uns Christel, entgegenkommend wie immer. Heute war Lucca im Programm, einst Stadtrepublik, zeitweilig Hauptort eines Herzogtums.
Lucca überraschte uns durch die Vielfalt alter Bauten. Der erste Eindruck war der des Staunens und ein wenig auch der Benommenheit. Ein neuerliches Hinfahren wird wohl zur Klärung der Eindrücke dienen.
Am 20. April–- der Zeitensprung dahin sei mir erlaubt – erfüllte sich tatsächlich die Wochen vorher gehegte Hoffnung. Der zweite Besuch dieser anziehenden Stadt trug sehr dazu bei, eine bessere Übersicht zu gewinnen. Das konnte schon deshalb geschehen, weil wir den Stadtwall von seinem westlichsten Punkt (in Nähe der Piazzale Giuseppe Verdi) bis zu einem im Süden gelegenen Abschnitt abgingen, vor allem aber, da wir den Turm (Torre) Guinigi bestiegen, der den Palazzo einer einst einflussreichen Kaufmannsfamilie überragt und beste Aussicht auf die gesamte Siedlung und das hügelige Umland sowie auf die in größerer Ferne liegenden Gebirge – auf die Apuanischen Alpen – gestattet. (Zumal wenn man von einem so prachtvollen Wetter begünstigt ist, wie wir es hatten, nach den vergangenen Regentagen ein kaum glaublicher Wandel zum Vorbildlichen.)
[...]

Nun fahre ich in der Beschreibung des Hauses, in dem wir wohnen, fort. Im ersten Stock sind die beiden Arbeitszimmer eingerichtet, gleich neben der Stiege jenes von Dieter, einige Schritte weiter, zu Nummer eins gegenüber liegend, das von Linde. Das Übersetzungs-„Labor“ betrete ich, der gemächliche Interieur-Abbilder, zuerst.
Eine Vielzahl Bücher hat Linde übersetzt, sie, die ihre Übertragungen anfangs mit Hadulinde Birk unterzeichnete (den Band Die Kreuzzüge. Traum und Wirklichkeit eines Jahrhunderts, 1967) und später mit dem auf Linde Birk verkürzten Namen signierte.
Band auf Band sind in einem Regal aneinandergefügt, lapidar mit dem Übersetzungssignum versehen, ansonsten verlautet kaum je ein Wort über diese fleißige Mitarbeiterin bedeutender Verlage (Hoffmann und Campe, Rowohlt, S. Fischer, Diogenes und andern). Lediglich in einem Nachschlagewerk ist sie präsent, in Übersetzerinnen und Übersetzer. Verzeichnis 1999/2000 (herausgegeben von der Bundessparte Übersetzer im Verband deutscher Schriftsteller in der IG Medien).
Prosa repräsentativer Autorinnen und Autoren, Literarisches der lesbaren, zum Lesen einladenden Sorte, Kriminalromane eingeschlossen (von Georges Simenon vor allem), holte sie aus dem Französischen und Italienischen ins Deutsche. Sie übersetzte zudem den Textteil von Kunstalben sowie Sachbücher verschiedener Fachrichtungen (Psychologie, Soziologie, Philosophie).
Sehe ich mich in dem Zimmer um, das, wie auch die übrigen Räume des Hauses, stilvoll und einfach eingerichtet ist, wird erkennbar, wie sehr Linde vom Wunsch nach Übersicht erfüllt wird, Tand und Ballast ist der Kampf angesagt. Eine facettenreiche Geistigkeit – dieser Eindruck wird von der reichhaltigen Bibliothek hervorgerufen. Lexika und Richtungweisendes in mannigfachen Bereichen sind da vereint. Das für den Vermittlungsdienst des Übersetzers unerlässliche Dokumentationsmaterial und anderes mehr steht ihr, steht Dieter zur Verfügung.[...]

Mittwoch, 7. April
Das Zweirad glitt am Vormittag hinab, mit mir als Fahrgast, versteht sich. Die Bremsen vorne und hinten hatten vielfach zu tun, durfte ich doch der Fahrt nur kleine Partien Freilauf gönnen. Etliche Male musste ich hell auflachen im menschenleeren Gelände, da ich mir vorhielt, wie seltsam es doch sei, dass ich in den abschüssigen Toskaner Bergen mich so flott mit dem Bizikel fortbewege (ähnlich lautet auch die italienische Bezeichnung, Bicicletta).
Der Kauf eines Verschlusses fürs Fahrrad, bei der Post die Übernahme eingeschriebener Briefe für Linde und Dieter versetzten mich jeweils an die Grenzen meiner minimalen Sprachkenntnisse, nicht aber ans Ende der Kommunikation. Ob Verkäuferin, Mechaniker in der Velo-Werkstatt, ob Postangestellte des Auskunftsdienstes oder leitender Postbeamte, der mir die Briefe aushändigte – alle hatten Verständnis für die Notlage meiner Redeweise und waren geneigt, auf mein von einzelnen Wörtern und vor allem durch Gesten umrissenes Begehren aufmerksam einzugehen.
Und dann wieder die freundliche Fürsorge der d’Inzéos – heute war es Herr Piero, der sich plötzlich auf der Trasse befand und mich, samt Minirad und Einkaufslast, mit seinem Auto den verbliebenen Teil des Anstiegs hinaufbeförderte.
[...]
Von Dieters Schreibatelier möchte ich jetzt (und wohl auch an den kommenden Tagen) ein Bild skizzieren. Dabei werde ich, wie mir scheinen will, weniger über die Ausstattung des Raums als über ihn als Autor berichten.
Das Arbeitszimmer wird, ebenso wie nebenan jenes von Linde, in seinen Abläufen und Zielen durch die in Regalen angeordneten Druckerzeugnisse gekennzeichnet.
Die Übersicht zu gewinnen, fällt mir hier nicht leicht. Zwar ist das zeitliche Prinzip im Großen befolgt, und doch wird, durch die Fülle publizistischer Beiträge, durch Präsenzen in Anthologien und anderen Sammelwerken, eher das Mäandrische seiner schriftstellerischen Tätigkeit betont. Das Hervorkehren einer Dimension oder auch das Aufzeigen von zwei, drei Richtungen bedeutete deshalb eine unzulässige Reduktion.
Man kann freilich eine Gliederung erzielen (unwillkürlich verfalle ich in den Aufsatzstil und fahre jetzt in diesem fort), wenn man sein Schaffen Themen und Schreibgattungen zuweist. Als Muster lässt sich die Systematik verwenden, die in Lexika genutzt wurde, zum Beispiel in dem bio-bibliografischen Abriss, den das Autorenlexikon 2003/2004 des PEN-Zentrums Deutschland bietet.
Vermutlich aufgrund von Angaben des Autors werden hier folgende Schaffensbereiche angeführt: Dieter Schlesak ist „Lyriker, Essayist, Romancier, Publizist und Übersetzer, Diplomgermanist, Lehrer und Literaturredakteur“. Außer Versen und Prosa verfasste er „Essays über Literatur, Grenzphänomene und Religion. Hörspiele und andere Arbeiten für das Radio“. Zudem entfaltete er eine „Übersetzer- und Herausgebertätigkeit“.
Zunächst erwecken Dieters schriftstellerische Anfänge in den sechziger und seine Arbeit in den siebziger Jahren mein Interesse, jene Perioden also, da er noch in Bukarest lebte (bis Spätherbst 1969) beziehungsweise da er – nach seiner Übersiedlung – im Westen Fuß zu fassen suchte (in Köln und Stuttgart, ab 1973 in Camaiore, Provinz Lucca).
Eigene Erinnerungen an jene frühen Zeitabschnitte erwachen zu neuem Leben. 1959 war Dieter als Redakteur der in Bukarest erscheinenden Publikation Neue Literatur angestellt worden. In dieser Eigenschaft kam er etwa 1960 nach Klausenburg, um eventuelle Mitarbeit zu besprechen und um für Absatz der Zeitschrift zu werben.
Er traf mit Leuten der „Germanistik“ zusammen, die von seiner einstigen Studienkollegin Eve-Marie Sill (Assistentin am Klausenburger Deutsch-Katheder) mobilisiert worden waren. Am Abend saßen jene, die sich auch sonst am literarischen Gespräch beteiligten, im Gasthaus „Continental“ zusammen, bei einem Glas Bier oder sonstigem Getränk. Mit Dieter wurde damals auch ich bekannt gemacht, ein noch grüner Student, dessen mangelnde Reife sich unter anderem darin äußerte, nicht zu erkennen, wie unreif er war.
Einige Jahre vergingen, bis ich Dieter wieder sah, in der Redaktion der Neuen Literatur – es wird wohl 1967 gewesen sein. Die Schriftleitung der auf Repräsentanz rumänischer Kulturpolitik ausgerichteten Zeitschrift (Vermittlung rumänischer Literatur in einer für den Weltverkehr wichtigen Sprache) war in einem ansehnlichen Gebäude auf dem Ana-Ipătescu-Boulevard eingerichtet. Hier betreute Dieter Mitarbeiten in den Sparten Lyrik, Übersetzung, Kritik und verfasste selbst in den drei Bereichen Beiträge, die zur literarischen Erneuerung beitrugen.
Lebhaft ist mir auch sein Vortrag über österreichische Prosadichtung im Gedächtnis, den er, vom Hermannstädter deutschen Literaturkreis und vom staatlichen „Komitee für Kultur und Kunst“ dazu eingeladen, Juni 1967 im Festsaal des einstigen Ursulinerinnen-Klosters von Hermannstadt hielt, im Pädagogischen Lyzeum unserer Zeit.
Dieter führte in die Problematik neuerer Erzählkunst aus Österreich ein, die Schauspielerin Hilde Fischer-Untermanns las Textproben (beispielsweise aus Robert Musils Mann ohne Eigenschaften).
Ein erst später in aller Deutlichkeit erkennbarer Impuls, die Veranstaltung abzuhalten, lag in dem Umstand, dass der Referent Kenntnis über Kenntnis zum Thema absorbiert hatte, um eine massive Anthologie, Proza austriacă modernă, für den Druck vorzubereiten, das heißt, die Texte auszuwählen sowie die Zusammenstellung mit Vorwort und Einführungen zu den einzelnen Autoren zu versehen. Die beiden Bände sind dann 1968 in der auflagestarken „Biblioteca pentru toţi“ (Bibliothek für alle) erschienen.
Sein lyrischer Debütband Grenzstreifen war ebenfalls 1968 veröffentlicht worden, im Bukarester Literaturverlag. Der Autor empfand den Eisernen Vorhang in seiner ganzen existenziellen und geistigen Bedrohlichkeit und trachtete deshalb danach, die Eiserne Grenze zu überwinden.
Sein Weggang führte zum Abbruch persönlicher Beziehungen. Nur gelegentlich langten Nachrichten über seinen Verbleib bei uns an, über sein Schreiben und die Veröffentlichungen.
[...]

Karfreitag, 9. April
Den am Abend des Karfreitags erleuchteten Ort Camaiore wollte Christel uns ebenfalls vorführen. Die an den Hausfassaden befestigten Lichter versehen eine alle drei Jahre stattfindende Prozession mit charakteristischem Glanz.
Wie recht tat sie, uns dafür zu animieren. Der Umzug ist tief im Gemeinschaftsleben der Stadt verwurzelt. Die meisten Bewohner tun mit, und sei es auch nur, indem sie an Fenstersimsen und -läden oder an eigens für diesen Zweck zugeschnittenen Holzleisten kleine Becher anbringen, die zur Hälfte mit Wasser gefüllt sind, auf das eine Schicht Öl gegossen wird. Entzündete Dochte sorgen dafür, dass die brennbare Flüssigkeit nur allmählich aufgebraucht wird.
Die Unzahl der Lichter – sie gehen in viele Tausende – nimmt dem Raum, in dem der Leidensweg Christi, die Processione di Gesù Morto, sich abspielt, jegliche festere Kontur. Dunkelheit und Geflacker lassen das Geschehen als irreal erscheinen, aus der historischen Zeit und auch aus der Gegenwart gehoben.
Das mag auch der geheime Sinn der Veranstaltung sein – durch die traditionelle und suggestive Ölbeleuchtung (la tradizionale e suggestiva luminara ad olio) den am Umgang teilnehmenden Personen und den zahllosen Zuschauern die Passion Christi in ihrer Zeitlosigkeit und Allgegenwart zu offenbaren.
[...]

Ostersonnabend, 10. April
Mithilfe der beiden Fahrräder erreichten Inge und ich Camaiore. Der Rückweg, von einem Lebensmittel-Großladen aus, dauerte rund anderthalb Stunden, weil beim Aufstieg nur kurze Strecken im Sattel, der Rest bloß schiebend bewältigt werden können und weil wir uns zu keinerlei Eile angespornt fühlten.

Ostersonntag, 11. April
Planungen, die nicht mit Italien, sondern mit dem Danach in Hermannstadt zu tun haben, lassen mich immer wieder zu den Georg-Trakl-Bänden greifen, die ich von zu Hause mitgebracht habe. Darunter befindet sich der Erstdruck der Gedichte (1913). Hier lese ich die österlichen Verse:
„Es wohnt in Brot und Wein ein sanftes Schweigen / Und jene sind versammelt zwölf an Zahl. / Nachts schrein im Schlaf sie unter Ölbaumzweigen. / Sankt Thomas taucht die Hand ins Wundenmal.“ (Menschheit.)
Auf den Ostersonntag nicht weniger passend sind auch die Worte: „Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich / Gottes goldene Augen.“ (Psalm. Karl Kraus zugeeignet.)
[...]

Ostermontag, 12. April
Am heutigen Regentag setze ich die Anmerkungen über den rumäniendeutschen Autor Dieter Schlesak fort – um 1970 war er es noch, bald aber nicht mehr.
Zugehörigkeit zum Spektrum des Rumänisch-Deutschen bezeugen die von ihm und Wolf Peter Schnetz herausgegebenen Anthologien Fische und Vögel. Junge rumänische Lyrik und Grenzgänge. Deutsche Dichtung aus Rumänien, als ähnlich ausgestattete Regensburger Hefte 1 und 2 in eine Reihe gebracht und „anlässlich der Regensburger Kulturtage 1970“ veröffentlicht.
Gehört hatte ich von den beiden Bänden, darüber auch einiges gelesen, nun nahm ich sie zum ersten Mal in die Hand. Beide Betreuer lieferten Vorworte zu den jeweiligen Ausgaben, die damalige Autoren-Konstellation und deren Anliegen erfassend.
Ein Sympathie-Verhältnis zum südöstlichen Schreibgrund wird erkennbar. Die Zusammenstellungen bewahren auch heute ihre Gültigkeit, als Bezugspunkt für ähnliche Initiativen, als dokumentarische Quelle, gar als Sammelort des lebendigen, gleichsam nie alternden Worts.
Noch ganz auf den Kontrast zwischen der östlichen und der westlichen Seinsweise, Alltagsmentalität und gesellschaftlich-politischen Doktrin ist das Buch Visa. Ost-West-Lektionen aufgebaut. Lektionen auch der provokatorischen Art werden erteilt, getränkt von Kritik an den herrschenden Ideologien.
Tadelnde Einwendungen wurden so wenig konformistisch vorgetragen, dass der Autor, der sich so unverblümt äußerte, riskierte, aus dem Gesprächsraum hinauskomplimentiert zu werden (und einmal, in der „Österreichischen Gesellschaft für Literatur“, Wien, „wegen allzu kritischer Worte dem Westen gegenüber, quasi vor die Tür gesetzt wurde“. Visa, Frankfurt am Main 1970, S. 33).
Mehr als nur gelegentliche Reminiszenzen an das Gelände seiner Herkunft bietet auch der Band Geschäfte mit Odysseus. Zwischen Tourismus und engagiertem Reisen (1972). Eine südöstlich-karpatenländische Klammer umschließt Anfang und Ende des Buches.
Es beginnt mit Schilderungen des Schlesak wohlbekannten Bereichs, des ihm fremd gewordenen, zunehmend weniger heimischen Herkunftgebiets Siebenbürgen sowie mit Anmerkungen über die frappante Gegenwärtigkeit Bukarests. Nach Aufenthalten in der Schweiz, in Griechenland, Israel, Portugal und Spanien werden im Ausklang „7 Stufen des Reisebewusstseins“ umrissen. Die erste von ihnen wird in Rumänien angesetzt (im Kapitel Mamaia, die Illusion der weiten Welt. Zoo der Freiheit).

Dienstag, 13. April
Ein Höhepunkt unseres bisherigen Besuchsprogramms war zweifellos der Ausflug nach Florenz.[...]
Mit Schwägerin Erika und Schwager Uwe wiederholten wir die Reise nach Florenz am 23. April unter ähnlichen Gegebenheiten (Anfahrt mit Auto nach Viareggio, von dort dann per Bus nach Florenz, Rückkehr in einem Abendzug). Wir waren darauf bedacht, dieselbe Route wie vor Tagen abzugehen, um auf diese Weise uns der Eindrücke zu vergewissern, die Firenze uns bereits beschert hatte, bestrebt, sie nach Kräften auch zu vertiefen.
Originell wollten wir dabei nicht sein, wir waren vielmehr auf die allertraditionellste touristische Konvention bedacht, im Gleichschritt mit zahllosen anderen Erdenbürgern, um elementare Kenntnisse bemüht. Dabei schafften wir es wohl, bei der Reiseführer-Unterscheidung: * „sehr interessantes Objekt“ und ** „einzigartige Sehenswürdigkeit“ uns jeweils in den Zwei-Sterne-Bereich zu schlagen.
[...]
Christel erachtete es als unzureichend, in Florenz gewesen zu sein und dabei nicht auch die prachtvolle Aussicht von der Piazzale Michelangelo genossen zu haben. Sie nahm uns (am 29. April) nach Prato mit, wo sie zu tun hatte, führte uns aber vorher ins relativ nahe gelegene Florenz, in jenen südlich des Arno liegenden Stadtteil, den sie besonders ins Herz geschlossen hat.
Wir fuhren auf der – wie sie sagte – „schönsten Straße“ der Ortschaft (auf der Viale Michelangelo) zu der hoch gelegenen Terrasse und hatten in der Tat einen unvergleichlichen Ausblick auf die Stadt.
Dann bot uns Christel noch etwas, das ihr seit je Bedürfnis ist: Mit ihren Besuchern im Kloster San Miniato al Monte einzukehren.
Die Basilika (vor allem aus dem 11.– 13. Jahrhundert, über eine Monumentaltreppe zu erreichen) fanden wir leider verschlossen, was Christel und wir (im Nachhinein) als Einbuße an wertvollen Eindrücken empfanden. Sie wusste uns großzügig zu entschädigen, indem sie uns nach Wochen einen Bildband über die Klosteranlage zusandte.
In der Basilika befindet sich im Übrigen auch ein in neueren Zeiten aufgerichtetes Kruzifix, von Carlo Mattioli 1989 gestaltet und 1990 aufgestellt. Altes Holz mit andeutungsweise aufgemaltem Christus, das Dieter Schlesak zu einem Poem anregte (Auf ein Kreuz geschrieben).
[...]

Freitag, 16. April
Der Rhythmus von Talbesuchen und Bergaufenthalten wird auch vom Wetter bestimmt. Zur Zeit regnet, ja stürmt es, und so gestatten wir es uns, im Haus zu verweilen, ohne auch nur einen geringen Ansporn zu verspüren, toskanische Unvergleichlichkeiten zu erkunden.
Die Vielzahl der Bücher macht solchen Zimmeraufenthalt anziehend. Zudem kann ich es mir erlauben, die einzelnen Publikationen Dieters zur Hand zu nehmen und mich in Ruhe in sie zu vertiefen.
Waren die ersten Veröffentlichungen nach seiner Aussiedlung gedanklich-thematisch noch recht deutlich auf Rumänien eingestellt, meist unter dem Vorsatz, sich von dem Ursprungsland wegen allerlei Unzumutbarem zu lösen, wurden in den folgenden Jahren die Akzente anders gesetzt.
Die Bindungen an die „alte Heimat“ verloren zusehends von der Unmittelbarkeit gegenwärtigen Austauschs, sie gründeten auf Vergangenem. Der Autor sah sich abgedrängt und ausgeschlossen, war Opfer der unterbundenen Kommunikation. Seelische Verluste, die aus solcher Lage erwuchsen, fielen nun mehr ins Gewicht, sodass die Gewinne eines Lebens im Westen – von Anfang an nicht allzu hoch eingeschätzt – in ihrer Bedeutung noch mehr schrumpften. Auch der Fortgang der Zeit, die Zunahme der Jahre rückten das Erbe der Jugend und erster Berufstätigkeit in weitere Ferne.
Zahlreich sind Schlesaks Äußerungen über das Einschneidende, das Endgültige von Abschied und Trennung, in Vers und Prosa fand er Ausdruck für die Unabänderlichkeiten des Emigranten-Daseins, dessen Bitternis drängte sich ihm oft auf und ließ ihn eindringlich nach den Ursachen und auch nach den Motivationen der schmerzhaft empfundenen Heimsuchungen, der erlittenen Umbrüche fragen.
Seine beiden Bücher der achtziger Jahre bezeugen dies, zunächst der Gedichtband Weiße Gegend – Fühlt die Gewalt in diesem Traum (1981) und dann der Roman Vaterlandstage und die Kunst des Verschwindens (1986), ein Panorama wechselvoller Erfahrungen gesellschaftlicher und individueller Art, ein Breitbild des Verhaltens unter den Bedingungen von Gefolgschaft und Zwang, von Gewalt, Ver-blendung, Desillusionierung. (Victor Scoradeţ erarbeitete eine rumänische Fassung des Romans, die 1995 in Bukarest erschien.)

Sonnabend, 17. April
Meine Trakl-Lektüre bietet mir eine Textstelle an, die etwas vom Emigranten-Schicksal Schlesaks erkennen lässt. Ohne an Selbstäußerungen des „Deutsch-Italieners“ zu appellieren, ohne Kommentare anderer heranzuziehen und damit aus dem Hiersein des einst rumäniendeutschen Autors eine Sache vernunftbestimmter Auseinandersetzung zu machen, führe ich einen Passus aus Trakls Gedicht Abendland an, den dritten Teil, der dem Blick von der Höhe toskanischer Einsiedelei einen ganz bestimmten Sinn gibt:
„Ihr großen Städte / steinern aufgebaut / in der Ebene! / So sprachlos folgt / der Heimatlose / mit dunkler Stirne dem Wind, / kahlen Bäumen am Hügel.“
Zu weiterer Aussage holt der österreichische Dichter erneut Atem. Auch die dem Zitat folgenden Verse seien hergesetzt, weil der Niedergang jener wahrhaft abend-ländischen Gemeinschaft davon in gewissem Maß mitbezeichnet wird, welcher der Siebenbürger Schlesak entstammt:
„Ihr weithin dämmernden Ströme! / Gewaltig ängstet / schaurige Abendröte / im Sturmgewölk. / Ihr sterbenden Völker! / Bleiche Woge / zerschellend am Strande der Nacht, / fallende Sterne.“
Wir hielten bei dem Roman Vaterlandstage. Entgegen eventueller Erwartungen, ihn nun nach jenen zahlreichen Belegstellen zu befragen, die das Emigranten-Dasein des Autors und der Hauptgestalt T. beleuchten, in dem beziehungsreich entworfenen Konnex von Veranlassungen und Implikationen einstigen und jetzigen Handelns, lesen wir ihn als Zeugnis einer Existenz, die in ländlicher Einsamkeit abläuft und einen deutlichen Abstand sowohl zu rumänischen wie auch zu (bundes-)deutschen Gegebenheiten einhält.
Zur Deutung der Stätte, in der wir uns befinden, dienen manche Partien, zum Verständnis des Zusammenlebens zwischen Linde und Dieter, wenngleich wir dem Roman nicht das Recht nehmen wollen, die Ausgangsbasis fantasievoll aus- und umzugestalten. Wir wissen ja und versichern uns dessen: Romangestalten können aus Identitätsgründen Personen aus dem realen Leben nie im Verhältnis eins zu eins entsprechen. Und doch scheuen wir uns nicht, so manches aus Dieters Roman als reportagenhaft abgebildete Wirklichkeit einzuschätzen.
Auf den Blättern des Romans finden sich tatsächlich sprechende Partien über Zustände und Vorgänge in einem Weiler von C. (Camaiore).
T. und Jann haben schon ein Dutzend von Jahren da verbracht und dabei „den partnerschaftlichen Einsamkeitsstress in unserer Doppelhalluzination wie durch ein Wunder überlebt“ (S. 227). Immer wieder haben sie, nach Aufenthalten in Deutschland oder nach sonstigen Unterbrechungen, den „Einsamkeitsmarathon“ (S. 229) ihres hiesigen Seins aufgenommen.
Meist merken Jann und T. nicht, „dass uns immer weniger Zeit bleibt“ (S. 230). Manchmal aber wird T. bewusst, er sitze „in einer raffinierten Lebensvernichtungsmaschine, ein Tag ist wie der andere, so vergeht alles wie kaum berührt: rasch“; sein Tun bedeutet offenbar nichts anderes, als „einem Phantom“ nachzurennen, „das gealtert ist; ein Greis der Hoffnung“ (S. 283). 30
Im Buch stehen jedoch auch die tröstlichen Worte (S. 383): „Jann, wie eine Befreiung; beruhigend der sichere Boden der Gegenwart...“

Sonntag, 18. April
Gestern radelte ich nach Camaiore hinab, an einem trüben Tag, der sich nachmittags aufhellte, was Inge veranlasste, sich gärtnerisch zu betätigen. In der Nacht begann es wieder zu regnen, und wir erwachten heute bei feuchtem und nebligem Wetter.
Solches hält an, sodass wir im Haus bleiben, bei „stiller Beschäftigung“.
In höherem Maß als zahlreiche andere Autoren berührten Dieter die Vorgänge der 1989/90 eingetretenen Wende in Deutschland, in Rumänien und allgemein im europäischen Osten. Sein durch den Umbruch hervorgerufener Erregungszustand, seine an die revolutionären Wandlungen gebundenen Erwartungen, die hier und dort auch erlebten Enttäuschungen fanden in mehreren Büchern ihren Niederschlag.
Den Anfang machte der auf die Ereignisse in Rumänien eingestellte Essay Wenn die Dinge aus dem Namen fallen (1991; erschien 1997 auch in Italien, übersetzt von Mario Pezella, und 1998 in Rumänien, in der Übertragung von Victor Scoradeţ).
Dieter Schlesak wollte darin das Geschehen deuten, für das es zunächst keine Kategorien der Bewertung gab. Er hatte zahlreiche Gespräche geführt, mit Bekannten aus früherer Zeit, mit anderen Gewährspersonen, er hatte die ihm erreichbaren Zeugnisse über das kaum erfassbare Geschehen des Dezember 89 und der folgenden Monate gelesen.
Hoffnungen schienen sich zu erfüllen, ja wurden in greifbare Wirklichkeit umgesetzt, mitunter aber nicht befriedigt, da sich zeigte, dass die angestrebten Wandlungen keineswegs in jener Geradlinigkeit durchgeführt wurden, die den Transformationsprozessen in manchen Bereichen von Mittel- und Westeuropa eigen waren. Kehrtwendungen, Rückschläge, stillschweigender oder offen bekundeter Boykott, mangelnde Bereitschaft, einstige Positionen aufzugeben, Übergriffe – all das fehlte nicht und zwang westliche Beurteiler, eine reservierte Haltung einzunehmen, oder stieß sie regelrecht ab.
Von solcher Zu- und Abwendung, von der Billigung des Geschehens und einer ratlosen Begegnung mit fragwürdigen Vorgangsweisen, mit abzulehnenden Bekundungen von Macht und Einfluss ist die eindringliche Schilderung des Umschwungs und des Folgegeschehens geprägt.
Der Autor des Essays über die rumänischen Ereignisse fügte den zeithistorischen Befunden vom enthusiastisch aufgenommenen Wechsel, von den mitunter höchst widersprüchlichen Vorgangsweisen in der Übergangszeit weitere Analysen hinzu. Zeugnisse deutlicher Zuwendung angesichts erfreulicher Fortschritte und der entschiedenen Abkehr von fragwürdiger Gesellschaftspraxis finden sich überreich in den Tagebuch-Notaten des Bandes Stehendes Ich in laufender Zeit (1994), in den “Heimatlegenden“ des Buches So nah, so fremd (1995) und in den „Ost-West-Passagen“ des vielfach facettierten Fahrtberichts Eine transsylvanische Reise (2004).
An den Büchern der Nach-Wende-Zeit, nach Abbau des Eisernen Vorhangs, ist deutlich abzulesen, was sich bereits in Veröffentlichungen der achtziger Jahre abzuzeichnen begann: Die Einstellung des Autors zu dem einst fluchtartig Verlassenen, zu Rumänien und seinen Bewohnern, wurde positiver, die innere Distanz nahm ab.
Doch wäre es eine unstatthafte Vereinfachung, wollte man den mitteilsamen, produktiven Schriftsteller D. S. auf die Kontraste von Zugehörigkeit und Fremdsein, auf Heimat und Heimatverlust festlegen.
Seine Lyrik und die Reflexionen zum Gedicht zeigen eine Vielseitigkeit der Thematik, des Ausdrucks an, die hinausgeht über eine bei anderen Autoren mitunter anzutreffende Konzentration und Beschränkung auf wenige Leitgedanken. Deutlich wird die Multiplizität der Motive beim Durchgehen der Gedichtbände: Aufbäumen (1990), Landsehn (1997), Tunneleffekt (2000), Lippe Lust. Poesia Erotica (2000), Los. Reisegedichte (2002). Ein Querschnitt durch das lyrische Werk (Poeme, 2000, übertragen von Andrei Zanca) veranschaulicht auch dem rumänischen Lesepublikum diese Komplexität.
[...]

Mittwoch, 21. April
Rasen schneiden, als Geruchsassoziation ein Parkgelände, jedoch nicht Trakl’scher Melancholie, sondern heiterer, frischer, freilich auch stimmungsärmer.
(Hier im Bergland ist nicht zu erfahren und nachzuerleben, was Trakl seinem Gedicht Im Park einschrieb: „Ihr auch trauert, ihr sanften Götter...“ „... neige auch du die Stirne / Vor der Ahnen verfallenem Marmor“.)
[...]

Dienstag, 27. April
[...] Das im höchsten Maß Toskanische seiner Bücher ist Dieter Schlesaks Roman Der Verweser, eine für Sittengeschichte, für die Entwicklung von Denkweisen, für Seelenkunde, für gedankliche Zusammenfassung mit den Mitteln der Literatur aufschlussreiche Komposition.
Zum Autor und Kulturbürger Italiens (mit transsylvanischen und rumänischen Antezedenzien und bundesdeutschem Pass) war er schon in den achtziger und ersten neunziger Jahren geworden, durch seine Meditationen über Wandgemälde in Rom, durch Betrachtungen, die in der aufwändigen Buchausgabe Der neue Michelangelo. Wiedergeburt der wahren Farben in der Sixtinischen Kapelle (drei Bände, 1989 – 1991) veröffentlicht wurden.
Über die Meditationen verzeichnet Dieters Tagebuch, er habe sich eingehend in der Vatikanischen Bibliothek dokumentiert und sei mit dem Chefrestaurator und weiteren Fachleuten in Verbindung gewesen. Vier Jahre hindurch habe er an dem Projekt gearbeitet – „und war natürlich nicht fertig geworden“.
Während solcher Beschäftigung, die von einer umfassenden Restaurierung veranlasst worden war, ist ihm und anderen deutlich geworden, in den Fresken sei „ein geheimer Weltplan aus patristischen, orphischen und kabbalistischen Lehren entworfen worden, davon war ich überzeugt“. Die alt-neue, komplizierte Deutung lief darauf hinaus, die „Mitte der Sixtina“, also die „tiefe Metapher der ,Erbsünde’“, zu nutzen, um zu ergründen, „wie der Tod in die Welt kam“. (So nah, so fremd, S. 116–117.)

Mittwoch, 28. April
Ebenfalls „zu Hause“.
Der Reihe nach sehe ich im Neuen Michelangelo die Bilder an, die größere Ausschnitte der Wandmalerei wiedergeben oder sprechende Details. Auch dieses Schauen ist ein Privileg: Nur wenige Erdenbürger haben Gelegenheit, die teuren Bände zu studieren. Und haben die Chance, das, was sich den Touristen in einem Abstand von rund zwanzig Metern bietet, aus der Nähe zu betrachten sowie Er-läuterungen zu lesen und den Gehalt auch anhand der bald lyrisch, bald essayistisch gefassten Meditationen zu erschließen.
Schlesaks Texte zur Sixtina überraschen mich, durch die Assimilation eines reichen Wissens biblisch-mythologischer, kulturgeschichtlicher, kunsthistorischer Natur, durch die Umsetzung des Erschauten und Gelesenen in eine dem Wesen des Bildwerks nahe Deutung. Ohne die Beschwerlichkeiten der Dokumentation erkennen zu lassen, wird eine Vielzahl interpretatorischer Wege ersichtlich, eröffnet durch Andeutung, unaufdringliche Assoziation, durch schlüssige Aussage.
Mit besonderer Aufmerksamkeit lese ich jene seiner Betrachtungen, die er der „Mitte der Sixtina“ widmete, also wie er den vierten „Spannbogen des Deckengewölbes“ kommentierte, was er über „Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies“ schrieb (Bd. 1, S. 201–232).
Einige Stellen seien angeführt, zunächst aus der Deutung des „Sündenfalls“. „Die Welt war bisher Aura, reines Anschaun, Gottes-Ding; nun wird sie dicht gemacht; schwingendes Licht erfriert, die kosmische Musik ist eingesperrt im blinden Schmerz der Haut. Hochmut, der Fall; der freie Wille gibt die Höhe an.“ (S. 203.)
Und eine Partie über die „Vertreibung aus dem Paradies“: „Das Menschenpaar ist flüchtig, schicksalslos, und der gelebte Augenblick... nichts als ein Todesstoß; was ist, ist nie, ist nur gewesen, fügt sich zu keinem Lebensgrund.
Der Mann, die Frau sind draußen schwer geworden, sie wiegen ihre Körperlast der Erde zu.
Letzter Gedankengang, ein Schritt zurück, die Menschenkindheit im entsetzten Blick, und sie vergeht, der letzte Flug im Rücken, vor sich das Nirgendwo, der Tod, das Nichts. Als kämen sie erst wieder heim in den roten Flammen des Gerichts.“ (S. 228.)
Ich löse den Blick von den Farbreproduktionen und von den Worten: „Leben ist begrenzt im Tod. Doch Wissen ist unendlich, macht wie Gott. Und lässt das Ende sterben.“ (S. 217.) [...]

Sonntag, 2. Mai
Inge ist mit dem Packen unserer Sachen beschäftigt. Sie hat vor Tagen das Blumenbeet vor dem Haus gejätet und den Steg gesäubert, nun bin ich beim Eingang und auch sonstwo damit befasst, gegen die wuchernde Vegetation einzuschreiten.
Etwa um 18 Uhr treffen Linde und Dieter ein. Nach dem Abendessen sitzen wir noch bis Mitternacht zusammen, bei dem üblichen Hauswein. Wir sprechen über München, über die wahren und vermeintlichen Schnittstellen des literarischen Lebens und der künstlerischen Erfahrung.

Montag, 3. Mai
Linde (als Fahrerin) und Dieter bringen uns im Auto nach Lucca. Dichter Verkehr erschwert die Ankunft auf dem Bahnhof, doch treffen wir rechtzeitig ein und besteigen den Zug.
In Prato heißt es, den Zug wechseln. Irrtümlich verlassen wir ihn eine Station vor dem Hauptbahnhof. Ein Taxi im richtigen Augenblick, eine eilige Fahrt – mit Mühe gelingt es uns, den Anschlusszug zu erreichen.
Glück haben wir mit einem nachsichtigen Schaffner, der uns herankeuchen sieht mit unserem Gepäck und – durch ein Zeichen – die Bahn nicht abfahren lässt, bis wir nicht oben sind. Er hilft uns, die Koffer hochheben und weist uns Plätze in seinem Abteil an.
Das war menschenfreundlich, auf italienische Art.
Reiner Wochele
Literarischer Mönch
Ein Besuch bei Dieter Schlesak in der Toskana

Leute, das Lesezeichen kriegt diesmal Flügel, es flattert diesmal über Grenzen hinweg, äußere, innere, nimmt Kurs gen Süden, will sich ganz leicht machen in mediterranem Licht, hat aber auch Ballast an ord, der erdwärts zieht. Italienisch eingefärbt kommt’s heute daher und zugleich rumänisch grundiert und schicksalhaft beladen.
Was zusammenhängt mit einem existenziellen Grenzgänger, einem, der Reisen und Länderwechsel zur Lebensmetapher gemacht hat, mit allem Gewinn, mit aller Beschwernis. Ein verwurzelter Wurzelloser, der morgens beim Öffnen der Fenster seines alten italienischen Bauernhauses, in dem er mit Frau und Hund und Kater oben am Hang lebt, in der Ferne das Meer gleißen sieht und der gleichzeitig tief empfundene Heimatgefühle für Stuttgart hegt; Lebenszeit verbringt er hier und dort. Dieter Schlesak heißt er, in seinem Weiler nahe dem norditalienischen Städtchen Camaiore ist er „Signore Dieter, il tedesco“, unter Stuttgarter Schriftstellern eher ein Rumäne. „Ich bin ein ,Zwischenschaftler’“, sagt er.
„Zwischenschaftler“, was ist denn das für ein Erdenbürger? Vielleicht einer, der sich eingerichtet hat, am Platz zwischen allen Stühlen, zwischen allen Grenzen? Schöner Platz, das. Dort oben, halbhoch irgendwo, da muss er wohnen, der rumänisch-deutsche, stuttgarterisch-toskanische Dichter Schlesak. Auf Schmalstspursträßchen, ein Stück weit hinter Camaiore bergwärts, vom Kirchplätzchen in Pieve aus lotsen die Schlesaks zum Weiler Agliano hinauf. Wo man dann in satter toskanischer Idylle sitzt, die beiden alten, zum Dichteranwesen verschmolzenen umgebauten Bauernhäuser im Rücken, Tal und zwischengelagerten Hügel davor, in der Ferne rechts ein Zipfel Meer, links ein Zipfel Meer, ein Landschaftsbild voller Grenzbereiche. Und um Grenzen geht’s denn auch im Lebensbericht des Hausherrn Dieter Schlesak, während die Ehefrau Linde Birk-Schlesak, eine namhafte literarische Übersetzerin aus dem Französischen und Italienischen, Tee und Kuchen serviert.
Doch wie Dieter Schlesaks Lebensodyssee zusammenraffen aufs Wesentliche? Vielleicht so. Er wird 1934 in Schässburg als Angehöriger der siebenbürgischen deutschen Minderheit in Rumänien geboren, studiert nach Schulbesuch und zwei Jahren Dorfschullehrer Germanistik in Bukarest, arbeitet als Redakteur der Zeitschrift „Neue Literatur“, ist Schriftsteller, Herausgeber, Übersetzer. Nach vorherigen Kontakten zur deutschen Organisation Inter-Nationes, dem damaligen Besucherdienst des Auswärtigen Amtes in Bonn, erhält er 1968 eine Einladung zu einem Schriftstellertreffen in Luxemburg, lernt Grass, Bernhard, Handke kennen. Er wird nach Bonn geholt, bei Verlagen herumgereicht, lernt in Frankfurt beim S. Fischer Verlag seine heutige Frau kennen, nimmt aber Deutschland wahr als Kulturschock. „Diese Mattscheibenwelt, die allgemeine Hetze und Kälte stieß mich ab, alles wie hinter Glas.“ Das in Rumänien heiß ersehnte Deutschland wird ihm zum „Hassobjekt“. Nach sechs Monaten im Westen kehrt er nach Rumänien zurück, sieht dort alles mit „Westblick“, ist „geschockt vom Gestank, Fusel, der Armut, der Langsamkeit“, hat nun zwei Heimaten verloren. Dennoch, 1969 endgültige Ausreise nach Deutschland. Nach Frankfurt und Köln wird Stuttgart Station, wo die Schlesaks mittlerweile eine Zweitwohnung haben. 1973 entdecken sie bei einem Italienaufenthalt die beiden halb verfallenen Bauernhäuser, kaufen sie mit einem Kredit, „wir waren arm, wir hatten nix“, lassen sie umbauen, ziehen weg aus Deutschland, denn, wie Schlesak sagt, „in Italien war mein Heimweh nach Rumänien, waren meine Schuldgefühle dem verlassenen Land gegenüber, geringer“.
Es folgen Reisen durch Europa und Amerika. „Fernweh über den Globus gezogen / die Riesenfrucht möchte ich essen“, heißt es in einem Gedicht des Lyrikers, Essayisten, Übersetzers, Herausgebers und Romanciers, der bis heute dreißig Bücher veröffentlicht hat, darunter neun Lyrikbände und drei Romane. In dem Roman „Vaterlandstage und die Kunst des Verschwindens“ hat er in mitreißender assoziativer Prosa Biografisches verarbeitet, hat sich im 2002 erschienenen Roman "Der Verweser" mit einer alten Kriminalgeschichte aus dem nahen Lucca befasst, hat im Lyrikband „Tunneleffekt“ sein Grundthema des Grenzgangs lyrisch variiert.
„In Rumänien bin ich der Fremde, hier in Italien der Deutsche, und in Deutschland bin ich der Rumäne“, sagt er, eben ein „Zwischenschaftler“. Seine innere Emigration und Einsamkeit, diese Abweichung vom Normalen, begreift Schlesak für Schreiben und Leben mittlerweile als „ontologisch“, leitet daraus „eine Art literarisches Mönchtum“ ab. Und hat doch, im Äußeren, so gar nichts Mönchisches an sich, wie er da vor seinem Haus sitzt und mit leidenschaftlicher Stimme, in der gleichwohl ständig ein Ton der Melancholie mitschwingt, von Leben und Schreiben erzählt. Während dann Kater Romeo herbeischleicht, auf den Tisch springt, aus der Nähe hören will, was der toskanische Dichter aus dem fernen Rumänien zu sagen hat. Zum Beispiel dies, dass man ihm jüngst sein altes Geburtshaus in Rumänien zurückgegeben habe, das er mithilfe einer Stiftung zu einem deutsch-rumänischen Literatur- und Kulturzentrum machen wolle. „Ich kehre auf diesem Wege geistig nach Rumänien zurück.“ Und oben dann, in seinem Arbeitszimmer, von dem aus er an klaren Tagen bis Korsika blicken kann, da sagt er, er habe jetzt Hand an seine Kindheit gelegt. Und meint den Umstand, dass er herausgefunden hat, wie die deutsche Minderheit in Rumänien tief mit Nazideutschland verstrickt war und dass fast alle seine männlichen Verwandten in der SS gewesen sind und zu den Wachmannschaften deutscher Konzentrationslager gehört haben. Aus dem Freundeskreis seiner Eltern stammte der Auschwitz-Apotheker Victor Capesius, der das Zyklon B verwahrt hat. Schlesak hat diesen für ihn albtraumhaften historischen Hintergrund nach vielen Interviews mit Zeitzeugen jetzt zu einem bestürzenden, halb dokumentarischen Roman verarbeitet.
Dieser grenzgängerische Schriftsteller scheint bewundernswerte Kräfte zu haben, um geistige Schmerzen auszuhalten. Und ist doch dann, als man unten vorm Haus in landschaftlicher Abendidylle die Gläser zum Abschiedstrunk hebt, wieder ganz toskanisch heiter.


TAGEBUCH 1996

21.Sept. Gestern lange Nacht mit Jns. Wir nehmen auf, spielen ein. Nichts. Außer Klopfgeräusche und Sendungsgräusche, ohne Resultat. Zum VW sagt er nur, daß man merkt, wei die Sixtina eingeworkt habe. Dann, daß viel Geistigs da sei. Aber man merke eben, daß vieles "gdacht" sei. Zuviel Tod und Folter aber. Man hält es nicht durch. "Abstrakt"?

Dann heute früh Senkwoski-Anruf. Klagelied über Delavre, das er sich nie ans Wort hält, Prioritäten anders setzt, ihr Heft nicht fertigstellt. Da kann ich noch was erleben mit meinem Roman.

Heute habe ich meine Vorbehalte ihm gegenüber, und nehem ihm schwer die Erzählungn ab. Berichtet von einer Computer Durtchgabebei Homes einer Griechin Constantina G. Miscvh Zeitebnen durcheinander. Spricht vom Weltuntergang. Ameroikanische Atomwaffen. Sie so gestorben sei. 1953.  Kephalonia-Insel.  Nachschlagen bei K. daß da 1953 das schwrst Erdbeen war. Die Nachforschungen bim Erdbebenam in Freiburg ergab, daß tatsächlich Ithaka, K. und noch eien Insl 53 fast zerstört worden waren. 1000 Tote.  Frau G. also damals gestorben. In der Mainzer Zeitung nachgelesen,. Da wird in der Augustausgabe das erdbeben becshrieben. Ein amerikanischr hubschrauiberpilot sagte, s sei wie beim Abwurf einer Atombombe gewesen, landschaft verwüstet, Insel ausgelöscht.
Delavre schreibmedial: daß 2007 tatsächlich auf den Inseln Atomwaffe einegstzt. Türkisch-griechischer Krieg. Amerikaner, um die Besetzung dr nseln durch Türken zu verhindern.

Von einem weitern Verrücktheit: Tlefondurchsage bei Wrner Schiebelr, einem Berliner, Homes. Maschinenstimme. Dialog: ein Außerirdischr, ob si bereit wären mit dem Ufo mitzukommen. Aiufgabe: jeder den anderen anrufen. Dialog bei Schiebeler, wo die Sdmantik merkwürdig, Indiz, daß es kein Witzbold war: Sch. sgte, er glaube es nicht, er solle etwas bringen, was Hand und Fuß hat. Der nahm es wörtlich: sagte: Kontakt mit W.Sch. gefährlich. Und Sch: er wolle die Finger davon lassen. Worauf di Maschine:  Kontakt nicht gefährlich.
Semantik und Grammatik stimmen oft nicht.

Spürechen darüber, ob es nicht möglich sei, daß jtzt, so i früher Ektoplasma-Münder etc. zum Kommunizieren egschaffen wurden, jetzt eben Apparate  eingesetzt werden!?

Lädt mich ein, nach Mainz zu kommen. Auch seine Frau. Will mir die Daten für dn Kongress in Turin (Figli di Luce) schicken. Ob ich zur Buchmesse komme. Sag nein. Aber Ende Oktober. Werd dann nahc Mainz kommen.


26. September 96.
Concatos "Angelo" gelesen. Wichtig die Rilke-Seiten. Daß hier vor allem Umgang mit dem Tod ist. 10 Elegie. Aber alle anderen auch.


27./28 Abends faxt mir Delavre den Konstantina Gilaidos-Text durch. Ihc kann nicht daran glauben. Das kann keine Griechin sien. Und warm schreibzt sie deutsch? FDL?

Nachts sehr wirre Träume, kann sie nicht erinnern. Morgens sechs Uhr zehn steh ich au. Vollmobd. Lauf nach P. Denke andauernd an Hans F. Henne, Hansem. Hanz. Gehört zu meiner Kindheit. Daß es ihn nicht mehr gebn soll. Jtzt auf sein Begräbnis "wartet". Denke an seine Brief, an das Mahnen, daß wir mnicht mehr viel Zeit haben, uns sehen müsssen.

Konzentriere mih. Laß die Gdanken laufen: "Gilaido spricht hier besojders gilt was du gesagt hast Kriegsschiffe täuschen Inwelt ist in (Saibrook) Hartwich schnll ein. Fabelwese phantastisch...."


29. Sept. 96.  Wohlgefühl wenn jede Geste entspannt geschieht, und im Insein. Auch mit dem Todesgedanken gekoppelt, also Kurz das Gastsein. Getsren gesegelt, nahchher ruhig, auch beim Autofahren sanft, langsam. Vgl. auch diesen Text: 20. Februar. Auch heute morgen starke Wahrnehmung der Umge­bung; ein Hahn schon ganz früh wie zu Hause morgens um fünf, und dann der erste Sonnenstreif, der auf die weiße Seite und auf den Tisch hier fiel, die Ahnung des Meeres in der Ferne, und die Vögel, aus denen es her­aussingt, die Kreaturen, auch die Blumen, unbewußt in der Welt,  die Klang ist, ohne, daß es unser Auge begreift; in diesem Alter der Welt ist es gut, sich darum zu bemühen, möglichst unmittelbar nahe die Umgebung aufzunehmen, es ist eine Art Glück; der Morgen scheint so taufrisch jung zu sein, wie das Barfußgehen  im Gras als Kind, Nähe als Distanz; "Einfühlung" ist wie eine glückliche Fügung des Augenblicks, das Vibrieren mit dieser umgebenden Duft- und Klang-Aura, schrei­bend, im Wort wird es wieder frisch, wie gewaschen, was die Sinne blaß ver­säumen, Aufmerksamkeit als "Gebet der Seele". Es scheint der wichtigste Widerstand des Einzelnen in dieser Spätzeit zu sein, in der Nähe Ferne, ja, Fernweh zu fühlen;  das Rätsel da zu sein: Distanz durch verwunderte Sensibilität, und scheues Auftreten angesichts des unfaßbaren Ab­grundes bei jedem Schritt, Respekt, anstatt des heute üblichen Zynismus bei all den Ent-Täu­schungen. Erleuchtung der Langsamkeit. Kein bloßes Story-Auf­nehmen der Bücher, kein Überfliegen oder Über­springen dessen, was im Augenblick  da ist. ZEIT als Leben der Seele "treffender Bedachtsamkeit": "Nie, nie schnell werden" (Peter Handke ). Das Verhalten, nicht das Denken, das Erleben jenseits des Begriffes und des "Sinnes", nicht das Nur-Vorstellen, Zeit-Verlieren wäre zu üben: Reisen, Abtasten der Städte und Landschaf­ten, Abstände in der wirklichen Zeit, anstatt nur Erinnern, Pausen; Zart­heit, Zärtlichkeit, schon mit den ein­fachsten Dingen des Alltags durch die, wenn wir es merken, etwas Un­denkbares durchscheint; so auch  die Leute behandeln, nicht blind, son­dern immer ganz bei der "Sache" zu sein, merkwürdig, dann ist auch im Detail alles im "Lot", also recht, vielleicht sogar gerecht. Und Kräfte strömen, nichts wird abgeblockt. Alles kommt auf jenen zu, der darauf "eingestellt ist"; freilich: je größer die Stadt, die einengende Menschma­schine Betrieb, die Massenbewegung auf der Stra­ße im Gewusel des Kaufhauses etc., umso mehr Kraft ist nötig, die zeh­rende Auralosigkeit der Plastikwelt zu überwinden, "frei" zu bleiben - und langsam.  Wenn Pausen eingelegt werden, läßt man sie kommen, die Din­ge auf sich zu­kommen. Freilich: Einsamkeit, Alleinsein ist das All­heil­mittel nur für schwächere Naturen. Allein ist es leicht,  Streß zu ver­mei­den, alles zum Leben, zum Augenblick der wahren Empfindung zu bringen.

Und ich hab auch fleißig Tagebuch geschrieben. Mehr und mehr reizt mich diese Direktheit und Nähe. Heiß schreiben. Und sicherlich wird mein nächster Roman, möglichereise mit den Personen des "Geistersehers" , wie ich den "Verweser " umgetauft hab,  den Stoker-Roman, als eine Art Negativfilm, den ich auf meine Art entwickle, ausnützen und bewußt plagieren. Er spielt ja in meiner schmerzlich erinnerten Heimat, dieser Abgrund ist da, das heilt nie, und ich brech wohl im Dezember zu einer längeren Lesereise dorthin auf. Auch um den Dra00cula-Stoff zu recherchieren. Sehe fast jeden Abend mit Linde einen D.-Film. und schreibe -vorläufig Sendungen und Essay darüber. Den Stoff haben die Okzidentalen uns gestohlen.
Templin: Dr. D.
Hannah: Mina
Lucy: Rut
Luca: Irrenarzt
Michum : Prof. Helsing.

Ich wäre schon zufrieden, wenn ich mich trenen könte, allein und in Freiheitb zu leben, ohne das tägliche Geseiere, die Erniedrigungen, das andauernde streitente Gecshrei.




2. AUGUST  ZUM TK-TAGEBUCH, APHORISMEN UND DENKBILDER DAZU..
Ähnlih wie R. Schrott collagieren: Lyrik, Tagebuch, Herausgeberschaft, Essay, Vor- und Nachwort etc. Schnitte herstellen! Auch Reisetagebuch vor allem! Tagebuch übehaupt und Perspektiven, mehrer Prsonen Und Plagiat ganz wichtig!
Das wäre zu denken, was uns den Tod erleichtert, ja, von uns aus wegsieht, ab sieht und zum glüclichen Denken wird: wo "es" in uns ganz so erregend denkt, als gäbe es keinen Tod, kein Unglück, keine Krankheit, nur durch uns durchgeht, das hieße, der Platz, wo wir nicht (mehr) sind, der Ort und die Toplogie, wenn wir den Tod hinter uns haben, die Grenze überschritten,  die Mauer,  an der wir  als Person und Ich stehen, uns täglich als zum Tode Verurteilte empfinden, dann ist das, was alles bestimmt, auch uns, nämlich wie jener Einschnitt den Berg bestimmt, der Zwischenraum von einer Speiche zur andern, die das Rad erst möglich macht: nämlich die Leere, jenes Nicht, das nicht mehr "verschmutzt" und infiziert ist von Materie, Sichtbarkeit, Faßbarkeit, unseren keinlichen Hoffnungen und Ängsten, Erwartungen und dem allgemeinen Wahn, als gäbe es außer der gesitigen Korrespondenz mit jenem, der uns und das Denken möglich macht, also einer riesigen Absenz, noch rgendetwas, das sichtbar um uns, unser kleines Leben,unser Körper gar, die Erde, bestehen kann.

Sich jenem "Zwischenraum" zu öffnen, wo wir nihct mehr sind, ist ein Zustand, der alle unsere Zweifel und Ungewissheiten hinte sich läßt, die uns so erledigen, niederziehen, das Nichtsein zur Hölle macvhen, obwohl es nichts als eine Abstraktion unerer Alpträume, wie eine Höllenstrafe täglich den Tod, die Zeit denkt, und uns das Leben raubt, indem es uns zu Sträflingen der Zeit macht. So daß ich sogar jetzt, während ich mich diesem Zustand nähere, meine, daß diese Meditation, deren Hilfsmittel, Hilfsmittel und gar nichts anderes, die Sparche ist, gar meine Zeit raubt. Zeit - wofür?

Ja, jenes Denken bis zum angeblichen Nichtssein  ist eine verrückte und verdammte Umkehrung der Wahrheit, so etwas wie ein Erbe der Institution Erbsünde, nämlich der Blindheit, jenem sich vor dem Unsichtbaren Versteckeen hinter einem Baum, der jener der Erkenntnis sein könnte, zumindest jener des Lebens. Nichtssein - dessen "Leere" der große Schrecken ist, dabei müßte schon die Tatsache,daß es nicht "gedacht" werden, nur so wohltuend als Heilung empfunden werden kann, uns warnen. Heilung, nämlich in der Erfahrung, daß wir uns durch jene projizierte Angst vor dem Tode selbst ein Bein stellen, auch im verückten Lauf nach einem gefangenen Glauben im Wort, im Bild, in Kirchenräumen. Er aber ist imstande die Welt, die un das Auge trübt zu waschen. Er ist ein Wort, auch groß geschrieben, dahinter aber steht jeness, das Glück bringt, nämlich wenn wir uns den Kopf nicht mehr an der Mauer oder dem Balken oder dem Brett vor dem Kopf wund schlagen, sondern ihn mal ruhen lassen, weil unsere Welt , die uns so leiden läßt in seiner Knochenschale eingesperrt ist.

Es gehört viel Phantasie ud Unabhängigkeit dazu, ein Kind seinmiterwachsenem Verstand und erwachsenem Wissen vo der Qual des Bewußtseins, einer, der jeden Augenblick so beginnen kann, als gäbe es den gelebten ASugenblick , den wir damals kannten, auch im Zustand des Älterwerdens, mirt dem Abnehmen des Licts, der farben, der Gerühe, der landschaften und Menschen noch. Doch gerade dieses Abnehmen und das Näherkommen jenes angeblichen Nichtseins, das nur mit dem Abnehmen einen Prozeß begonnen hat, der wirklich, nicht nur im denkenden Zustand zu jener heilsamen Leere, ja, zum Glück der Körperlosigkeit in der grenzüberschreitenden Zustand des großen Ernstes führt, den wir annehmem müssen, auhc wenn damit wieder der Zwefel zuschlägt, da es der Punkt ist, wo jener große ERrnts auhc das Schreiben und Denken so übertrifft, daß wir zögern, da es absurd, nicht nur paradox ist, zu glauben, daß unsere größte Sorge ausgerechnet das größte Glück anvisiert, wir also wirklich wahnsinnig sein müssen. Oder wie Tiere gefangen.
Andereseits ist dieser große Ernst wirklich täglich so präsent und unvorstellbar, freilich auch uns quälend und peitschend, weil er das, was wir täglöich tun so stäört, ihm so widerspricht, auch dem, was wir von unseren Nächsten erwarten, umgehend mmit ihnen, Sorge und Angst um sie haben, daß sich ein Abgrund zwischen beiden Welten auftut, sie passen nicht zusammen, und so sind wir geneigt, nur die besser bekannte als existierend anzunehmen, und so sind wir ieder im zauberkreis und beim Nichtsein gelandet.

Schon, daß wir es überhaupt wissen, zeichnet uns, aber auch den Zustand jenseits der Mauer aus; Tiere kennen ihn nicht. Und alle großen Weisheiten sprechen von diesem Nichts,  von der Leere als Grundlage der Welt, die sie sogar Gott gleichsetzen, Hegel setzt den Tod "Gott" gleich. Und warum dies Gefühl der Befreiung, ja, des Glücks, als falle dabei alles ab, wenn wir uns in diesen unnenbaren Zustand der Ruhe in die Leere jenseits von uns und unserer Egoismen begeben.
Cioran spricht sogar davon, daß sich etwas in uns verwandelt, die Beziehungen zur Welt völlig verändern, wenn wir uns ihm aussetzen, und sei es nur in der Schlaflosigkeit, auch wenn wir unsere bisherigen KLeinheiten dabei bewahren, wir nicht bessere Mneschen geworden sind; und er rätin unseren Zornanfällen - ich wprde sagen jenen, der für jenen höheren Zustand des Loslassens, des Losseins von sich selbst und den eigenen Tagesbindungen, ansprechen, asl ein Du in uns, eine Art Schutz Engel, weil unsere shlimmsten Antrieb in der Berührung mit ihm sich auflösen, harmlos werden, es sei denn, wir sind so verbistert und kleingemacht, daß jeder Zugang vrsperrt ist, der enge Kreeis der Emotion wie eine Zeangsacke ist, in der wir hilflos un der Niedrigkeit asugeliefert, zappeln und schäumen.
Es sind die Momente, die Spuren hinterlassen, die Psyche um Stufen und Grade zurückwerfen, sie zur Unreife verdammen, sodaß nachher die Seelenarbeit umso größer ist, die Hindernisse, de zu überwinden sind, wachsen, und damit der Zweifel, der oft die Bewußtseinsmauer noch überttrifft.

"Abdankungslehre" - Verzicht auf Ressentiments und Rache zum eigenen Wachstumsvorteil, jeder ist, wenn er so weit ist, kein Heiliger, aber sich selbst kein Hindernis, Glück zu empinden, das wichtigste Ziel, um schon auf der Erde frei zu sein. Nein, es ist nicht nur ein "geschriebenes Glück", wie ich früher dachte, es IST.
Und Glück ist nicht von dieser Welt. Jede Begierde aber führt uns zu ihr zurück. Sogar im Erotischen ist die nicht vollzogene Begierde intensiver, glücksnäher als die vollzogene, es sei denn, es wird mit dem anderen zur gemeinsamen Phantasie verschmolzen wie im Tantra, und der Körper dient nur, ei die Sparche dem Gedanken dient. Daher st sogar Onanie mit viel Phantasie und mit Abwesenden vollzogen dem Himmel näher als der brutale fleischliche Akt, wo es nur distanzloses Anenanderkleben gibt, keinen Zwischenraum,keien Entfernung und Ferne, und das Glück der widerscheinenden Abwesenheit, die sich auch in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten oder im guten Gepräch, sogar in einer Aktion äußernb kann. Sei es auch nur bei Radtouren oder in einer Revolution wie 89 als Millionen Einzelner gecshehen, die einsam zusammenfanden. Es ist keine schlechte Trance, den allgemeinen Zeitstillstand zu erleben, also nicht mehr von HIER, dem bisher Gewohnten zu sein!

Im Negativen, ja, da gibt es Zusamnmenfinden. Und es ist schn wahr, wei Pascal sagt, daß das Wissen von Gott, ohne Knentnis unseres Elends den Dünkel zeuge, daß aber das Wissen unseres Elends, ohne Knentnis von Gott nur zur verzweiflung fürt. Jesus sedi die Mitte,da wir beiihm beides finden! Er hatte ja auh gesagt: Wer sich aufgibt in seinem Namen...
Ob es Jesus je "wirklich"  gegeben hat, er ist für mich der Name einer psychischen Kraft in uns allen, mit der sich arbeiten läßt: es ist jener leere Ort der Befreiung, wenn das Ihc, wnen Sprahce und Denken versagen, Kreuz ist nicht nur Marter, sondern Zweichen der Menschenmöglichkeit, die freilich ohne Qual und Sterben jniht asukommt: nach Theilard de Chardin ist es das vertikale Zeichen, das wichtiger ist als die unendlich Horizontale der leeren unermesslichen Sternenräume, der Ort de dichtesten Ortes des Alls, des Mneschenkopfes, der as All in seinem Bewußtsein, ja, mit Formeln "fassen" kann, um daran verrückt zu werden! Im Körper sprengt die Ebenbildlichkeit jede Ewigkeit, der er angehört, doch die Ewigkeit sprengt auch jeden Körper, und wehe wir wreden uns bewußt, daß wirin ihm eingesperrt sind, es ist ein grtauenhaftes Gefühl, das zum Wahnsinn führen kann.


Und dieses allghemeine Menschenelend muß uns angehn; wen es icht beklemmt, wer sich mit darin sieht, der kann sich auch von der eigennQuakl nicht wirklich befreien. "Man muß sich von etwas befreien". Und das ist füür alle Menschen gültig; am schlimmsten sichtbar in Zuständen, wie jetzt in der Folter, Krieg, Vergewaltigung von Frauen, Ernmorung von Kindern. Immer geh es um den Körper und den Tod! Und immer ist es auc unser örper, der dort malträtiert wird. Wird sind in der Zeit dabei, jetzt, hier. Denn alle bilden geeminsam einen Körper, die heuteleben, nicht aber eine Seele, oder einen gemeinsamen Geist. Darin liegt der Abgrund. Der Körper wird von jenen, die nur ihn sehen, asl wäre es ihr Hindernis zum Leben, oder ihrerGruppe, beseitigt. Ihre Sicherheit ist das Zurückfallen ins Tierdasein, als gäbe es den Tod nicht, als gäbe es die Konsequenzen des Nachdenkens über de Tod, sein Bwußtsein nicht.
Und es ist schon wahr, daßerstz das Bewußtsein vom Tod asl Grenzwissen, also vom Nichtsein hier, der Leere im Sinn, daß sei alles erst möglich mahct, das Grauen, den Abgrund jens Leidens erst recht in seiner Unsinnigkeit bewußt macht, jene Maßlosikeit der Qual, gerade wiel ie nichtig ist, und so riesengroß escheint, daß wir unfähig sind, ihre Gewalt nicht zu sehen.
Wie aber kann man dem Entsetzlichen "mit Wacheit begegnen"? Es steigert die Verzweiflung, ja, es ist eine Probe dafür, daß wir uns Illusionen machen, wnen wir meinen,es gäbe eine Erlösung durch den Tod. Der Schmerz betäubt, zieht niedr, macht körperlich, der Lieb frißt alles ander auf, reduziert die Welt auf seine Kionturen, züngelnde Nerven, Brennen im Schuß, im Peitschenieb, als seies nicht nur außen, sondern habe auch das Innen, ja, das Nachher erreicht und lösche auch dieses  aus.

Dabei ist schon die Erfahrung des Doppelgängers, im Schlaf macht sie, zumindest als Kind, fast jeder, die Erfahrung des Fluges, also des Zweiten Körpers, der unseren Tod überlebt, schon eines jeden Erfahrung vom Entkommen können, ja müssen.
Jungsche Psychologen nenen sie "Schatten". Und die Erfahrungendes Meisters nennen sie "romantisch", das "Doppel" geben sie einen diabosche Komponente, ja vereinfachen sie zu einer psychologischen Metapher. Alles nur gedacht, nicht wirklich. Überall findet man sie verfestigt, diese Spezialität unserer Zivilisation, daß nur sei wirkich sein soll, die Grenze des Todes ist ihre Grenze, dort verfestigt sich dieSkepsis als Theorie und läuft  sich als "Wissenschaft", die alles weiß, tot. Daher bekämpfen sie eine Krankeit, bezeichnen sie sogar, die dieses Denken, zu dem sei selbst gehören, erzeugt. a,jenes Doppel, das gebn sie zu, ist das "Fremde", das freilich vom Bewußtsein in die zivilisatoriche Enge heimgeführt werden soll, um so die allgemeien Krankheit noch zu steigern, anstatt es zu heilen, nämlich dem Un-Hemil.ichen, das den Abgrund zwischen  jener Fremde und uns bezeichnet.

Der Schatten also in uns Das Doppel, das der Tod in uns erinnert, aber als Überleben, denn  Es stirbt nicht, sondern überfliegt ihn  im Augenblic desSterbens wird es frei Dieses dunkle Geheimnis aber passt nicht zun us heute. So wird es von meinen Freunden auch noch mit der  Spaltung selbst belstet, als habe es das, was in unserenm Bewußtsein nichts von ihm wissen will, auch noch zu tragen.
Und dann reden sie auch vom Licht, und meinen den Verstand, die Tageshelle, die der erzeugt, aber wie bei der Erbsünde auch, das Gute und Böse, positiv und nbegativ, ja und Nein,, aber auch den Tod, während der Schatten oder der Doppel, nichts davon kennt, ungespalten st und eins mit dem immerwährennden Lben, also auch die Ziet nicht beachten muß.
Es ist in ihm die wissende Todesnähe, ja, der Tod im Leben als postivstes Hereinreichen des Andern, als Erfahrung des schon gelebten Erfahrung des Todes durch das Doppel, also die alte Anamnesis.
So bin ich im Vorteil, weil ich alles , was ich weiß und enke, auf etwas Wirkliches zurückführen kann, das sie zu negieren versuchen.

Und andauernd immer neu anfangen, was ich gestern gelesen und mit Bleistift stark unterstrichen habe, um es mir zu merken, es aufzuheben, es mir anzueignen, ist de, Vergessen verfallen, wei alles, wei ich selbst, Nichts dauert so, dauert an.  Darin liegt Vergeblichkeit des Tun, nur die Substanz, aus dem die vielen Iche und auch Tage hervorkriechen, bleibt. Stimmung erzeugt die Halluzination dessen, was ich eben sehe, ja, erkenne. Woher die aber kommt, das weiß nur jener, den ich in mir nicht kenne, weiß Niemand.


Auch Drawerts Leere-Lehre!


3.August  Es ist erstaunlich, wie wenig die direkte Auseinandersetzung mit der herrschenden Medienkultur und der Showwut, Mode und Talkshow bei der einzig wichtigen Frage, der Begegnung mit dem Tod, bringen kann, genau so wie Aktualität und Zeitungen  jedePoesie im Denken zerstört, jeden Abgrund überdeckt, abtaucht an die fade Oberfläche, die unser Leben bestimmt, und vorantreibt in eine Wüste.

Von den Jungen, Pop und Techno habe ich nur eines gelernt, daß Freiheit, sogar in diesem Medium, das Kostbarste st, nur gehn, ja tanzen und berauschen sie sihc, ohne es zu wissen, gehn ohne Umwege in jenes Nichts, das eine Frucht von Seelenarbeit ist.
Denn sie verfallen der infantilen Täuscvhung einer Phatnasmagorie des Lusttempels Ware und Konsum, ein Besäufnis, wo jedes  Selbst und auch das Überich ausgecshaltet sind, also noch bevor ein Ich, ein Subjekt unter Opfern geformt da ist, das es zu verlieren gilt, um glücklich zu sein. Ist es das primitive Glück, das der Naturvölker. Nein, es gecshieht auf einer Kusntebene, die ohne ihr Bewußtsein keine zweite oder dritte Naivität möglich macht, jen, um wirklich autopoietisch, also sich selbst wissend mit aller Last der Herkunft an ihren Rändern kreist, die bald aufbrechen werden, und jetzt schon den Blick freigeben in eine Zone, die wir noch nicht verstehen können, doch die unser Schicksal ist und sein wird!

Verführerisch ist es, ja, und ich habe dieses Popgefühl als junger Weltwechselr gern mitgemahct, mich "gehen lassen", wie mich das Levantinische im "Bad im Chaos" zu einer enormen Freiheit des Zeithabens und des Allesdpürfens, vor allem im Erotischen. und dem Verstellendürfen auf Manolesco art oder Felix Krull art  "anmachte".
Und auch Gedichte in dieser Art geschrieben: (heraussuchen)

Es ist wahr, was Benjamin sagte,  daß diese Show-Gesellschaft das Recht auf Glück nicht  und nur das Recht auf dessen Ausdruck zugesteht, den wir dann als Schein "genießen", denn das Glück selbst wäre jene Freiheit der Berührung, das heißt also das Ablegen jeglichen Interesses an dem, was sie  wesentlih ausmacht, und das wäre ihr Ende; sie aber lebt von der Simulation dieses Glücks, ein Scheinbild, das das Leben stiehlt, ihne es irgendwie zu bereichern, weil es nicht Nahrung, sondern Täuschung ist, was sei bietet, um weiter bestehen zu können! nämlich mit dem Gedanken einer wirklich inneren Befreiung von all jenen inneren Zwänge, die sie ausmacht, und die zum Unglück führen muß, so daß enzig Betäubung, also Simulation jenes ausgebliebenen Glücks "Leben" ermöglich.
Es ist nicht asudrückbar, nur im Negativ vielleicht, was übrigbleibt, wenn wir uns all dieser Zwänge entledigen, fallls es gelingt, ist ein wirkliches, starkes Glücksgefühl, eine große Erregung da, da alle Kräfte aus anderen Bereichen, die sonst gesperrt sind, strömen lassen, uns durchströmen, als wären wir verliebt, und alles wird wirklich.Denn der Wissende hat recht, wenn er sagt, daß sogar Überzeugungen oder jeder Glaube falsch sein müss, einengt, Freiheit raubt, sich spontan, ohne Vorurteil dem Augenblick , also dem, was gecshieht, zu stellen, um wirklih zu leben. Alles, was fertig gedahct ist, hindert uns im offenen Augenbliock das zu erwartenb, was einzigartigund nicht vom Mneschen gemacht einfällt, sher wohl aber uns herstellt, wenn wir bereit sind mitzuschwingen mit ganzem Herzen.Was einengt, Denken, Sprache, Wissen - aber sind unwirklich, und wir können, ja, müssen es nach dem Geschehen erinnernd hinzutun, damit es wirklich wird.
Überzeugungen aber, mit denen wir täglich leben, die unsere Verdammnis sein können, müsse zerstört wreden, damit wir uns im Unerhöretn bewegen können, das wie ein Schock sein kann, oder bessder gleichzietig mit ihm ist. Es ist jenes, das nicht benennbar ist, Ort der Begegnung in Freiheit, das nur die Mystik kennt, im Yoga das Ziel der Loslösung und des Samadhi ist. Bei den Hebräerin ist Gott das Nichts, dort, wo wir nicht sind, und doch teilhaben können, wenn wir uns und alles, was wir haben ganz aufgegeben haben, nichts mehr aneignen wollen, nicht einmal "Wissen", "Bücher" Augenblicke, gar Menschen und ihr Leben in Besitz nehmen, indem wir unser Zeit, unsere Wünsche,unser Denken ihnen aufzwingen, ihnen so auh unsere Freiheit rauben! . Uns aufzugeben ist Genuß, kann ich heraushören. Leere aber ist nur ein Wort.
In dieser quälenden Nacht, wo Kleinmütigkeit, wo das Signal "verorenebs Leben" aufkam, die Unfähigkeit mit Menschen umzugehen,die Nichtachtug, die Nachtanerkennung usw. Ja, Haß und Veractung sich für meine Umgebug einsetllen wollte, da gelang es mir im Halbschlaf durch al dies "durchzubrrechen", mih "abzulegen", und ich weiß, "es wurde" mir dabei geholfen, wobei ich nicht weiß, wie ich das bezeichnen oder analysieren soll. Es kann sein, daß mein "Schatten" oder mein Doppel im Halbschlaf mein fahriges, flackerndes Sorgendenken aussetzte, mein Mantra mithalf, das wie eine Mauer davor sein kkann, und stark wurde, zum Flug ansetzte.

Die Frage aber bleibt: wem oder was sich dann widmen, und was tun, wenn alles, was zu diesem Appetit des Tages-Daseins, dieser faschen (durchaus historisch geprägten) Lust, auch Lust des Denkens, Scheibens und Wissens führt, nichts ist? Dem Nichts? Aber was ist das? Dem Zwischenraum also, dem Schock, dem, was im Vakuum möglich ist? Was aber ist in diesem Vakuum, in dem wir "fliegen" können,  möglich?
Die Antwort ist zu einfach, um gleich gegeben zu wreden,  doch die Folgen, sind ungeheuer: sein Leben zu ändern, was ast unm,öglich ist! Und vor allem zu spät.
Wir müßten zuerst zu klären versuchen, was in diesem  Zwischenraum, dervfür uns, solange wir so leben, wie wir leben: uns nicht aufgeben, nur punktuell erreichbar ist, wenn trotz aller Filter und Idiotensicherungen etwas durchbricht!

Und doch ist die Zeit darfür da, kommt uns entgegen. Jenes "Vakuum" kennt auch die Physik als Vakuumenergie sogar.

(Mario Pezzelle  und seinem Buch "Narcisismo e societa dello spettacolo" zu verdanken)

Wie etwas in unserem Bewußtsein wird, und so mithilft, daß Natur anders überwunden wird, als nur in der Technik, ja im Gegensatz zur Tecnik, also in der Kunst: sie hinüberkommt, reifer wird, wir mit ihr, das kann ein Gedicht versuchen. Beim heutigen Ausflug zum "Altissimo", dem Michelangelo-Berg vielleicht, wo der Berg weiß, wenn wir ihm mit den Augen folgen, weiß hat es in sich. Betrachtet ihn wie ein Bild, erinnert: Michelangelo und der Steinbruch Cerbaiola sind vom Berg hier in dir noch weit entfernt, viele Tode nämlich weit entfernt, denn fünfhundert Jahre sind vergangen, und ich betrachte den Stein, ganz nah unter meinem Fuß, der zum Berg gehört, beiden gehören im Augenblick dazu, auch wenn ich jetzt gehe, aufwärts "steige", manchmal klettere, schweißtriefend, wiel sich der Körper wehrt, da hinauf zu wollen! Und so betrahcte ich beide, um sei real werden zu lassen: ein Punkt in der Zeit.
Und der Blick reicht nicht: Aus. Macht mich am Berg fest. Und rinnt hiab wie Wasser, denn so erst wird der Berg jetzt in meinen Augen real. Im Tode ist mein Auge ohne ihn/ weggenommen ist dann die Welt ganz, weil wir hinter den Berg gekommen sind.
Und ich denke an dasd furctbare Unglück das von hier kam: drei Kanäle zum Fluß Vezza ein lokalerJahrhundertwwolkenbruch, eine Sintflut, die das ganze Tal überfluitete, löschte mehrere Dörfer aus. Menschen , Kinder ertranken. Die Einwohner leben nun im Abschied, lebnen im Nichts, ihre geografische Heimat ist buchstäblich aisglöscht wordenwie im Krieg, im Bombardement. EXile. Der Mnesch ist Seine Eile zum Ende zu kommen am nächsten, das Nächste,das ihn schlägt, und kommt aus dem gebrochenen Immer, und dich auch hier über das Auge ein. Den Augentrug. Wunders dich nicht, lehrt dich, wunbder dich. Die Freunde sterben und erwarten uns, sei kommen immer näher.

Wenn du den Berg vor dir, die weiße Wand, wenn du die wilde Schlucht - wie mit dem Auge einst Michelangelo von Azzano aufwärts überspringst, unzählge Furchen und oben weiß, das abgebaute Kastell, den weißen Marmor überspringst, so wirst du ihn ebenso erwachen lassen wie er, weil du David im Nachher kennst: er steht noch immer. David, der die Gewalt der Masse zerschlägt. Kann Kunst, kann das Bewußtsein die drei Reiche hier erlösen wie in Musik, die in dir schwingt, so daß du frei wirst, frei: im Baß das Mineral, im Tenor die Pflanzen und Bäume, iim ASlt die Tiere, jetzt diie Bremse und der Vogel über dir, im opran ist Solo Mensch Oder macht Bewußtsein Feige aus un allen? Und dies ist sinnlos, was du denkst und schreibst, wie Sprache ohne Praxis, unfruchtbar kreist sie nur in dir, dein Glück ist Nichts, macht dich in Trennung, lebt sie dich, du stirbst allein.
Meinst du daß ... weiter Technik nicht, nein, nicht diese Elösung der Natur, sondern jene, die man meinenn könnte, daß im Gedicht ein kleinmer Krokus auf einem Tisch in uns seine Augen aufschlägt, ei ein Kind um sichh shaut oder wie Dornröschen...

Erstaunlich, daß an dieser Grenze, wo sie sehr dünn, aucdünn geworden ist, auch nach Jünger,"ich hoffe noch immer, daß höhere Kräfte eingreifen" schon nach Häöledrln, nach Niertzsche, näher nach Hiedegger, ganz so ähnlich wie bei den Mayas, die Götter, die uns einmal verlassen haben, oder sind es die Totenund Entitäten, die, wnen sie wiederkehren werden, uns beherrschen, wie  wir einst die altamerikanischen Kulturen, die auch dahcten, in Cortez  seien die Götter wiedergekehrt!

Die Ruhe der Resignation  und die Lehre des Scheiterns ja, der "Schreibhemmungen" als Reie, zeigt sich im Zeichen von kleinen Alltagserlebnissen, sie können einschneidend  sein, soggar der Verlust des bisher in diesem Jahr Gecshriebenen. Zeichen, ihm zu folgen, den Schmerz darüber als Lehre (Leere?) zu akzeptieren.
Ein Brief an M.S.

4, August. Es kommt einee Zeit, wo plötzlich alle Freunde verschwinden, keine Brife mehr beantwortet werden, die Vereinsamung beginnt es ist ein Zeichen der großeen Vorbereitung auf den endgültigen Abschied. Sich da hinein zu lassen, das Scheiter zu akzeptieren, gibt eine große Freiheit, jene Behexung, der vom vergänglichen Körper asugeht; alles, was wir denken, wollen, fühlen, wird solange von diesem aus Elementen, also zusammengesetzten Ding in Anspruch genommen, bis uns das Scheitern auf dieser Ebene endlich schmerzlich klar geworden ist. Schon Buddha sagte, wir sollten unaufhörlich an unserem Heil arbeiten,  unser Ich  als Spiegelsoch eine zufällige ZUsammensetzug von Elementen zu sehen, as wuir nicht akzeptiern können.

Doch die Frage, ob die Befreiung tatsählich das Nichtsein, das Ausgelöschtsein wäre, dann ist es nur das Ausgelöschtsein dieserArt, wie wir es kennen, und an dem wir so hängen, dahinter tut sich jetzt eine große Grenze auf, und zur Nicht-Wirklichkeit unserer jetzigen Existenz, dieses Provisorat, dieses Elend, das keine Dauer hat, ud alle Anstrengungen, Dauer zu erscleichen, sei es durch Kunst, Schreiben, sei es durch Macht und Kriege,  oder ducrh bombastische Friedhöfe bis hin zu den Pyramiden, ist letztlich nur lächerlich, vielelicht aber auch zum Erbarmen in seiner Vergeblichkeit.
Dieser verrückte Glauben asn Sichtbare, dass, dies weiß heute auch die neue ysik nur Täuschung ist. Auf dieser Höhe sollte wir in unserem Bewußtsein sein, denn dies Höhe übrigen ist uralt. Wir sind seine Komplizen, und es knechtet usn, ja, läßt uns spuren, und ich weiß e, daß ih zwar im Tiefsten Inern daran glaube, ja, mir gewiß bin, und doh hänge ich und handele so, daß ich mich von nichts leicht trennen kann, es ist wie eine Krankheit, diese Abschiedsfähigket, allein das Älterwerden  lehr et mich lagsam mit der Abnahme der Sinne und der Wahrnehmung, nimmt mir sogar mein ehemlaiges Heimweh.


GRAU kommt
ganz nah/ an meinem Haar entlang der Tod.
Aus einer Ferne,/ die ich so nicht kannte.
Nun ist er fülbar da/ und weirft schon Schattenringe.
Und kehrt mir meine Ziet,/ die ich hier lebte um.

Er kommt von vorn,/ aus dem, was bisher gar niht war,
schon auf mich zu,/ und doch/ scheint es als sei es längst vergangen.

Jetzt stehst du vor mir,/ dein Gesicht ist baß.
Du hast dich abgewandt,/ dein Mund scheint blau.
Und das V ertraute kann nicht singen.

Schau, -  alles was noch einmal kommen wird, / ist für mich
so,
als ob es längst verhging.

Auf dieser blassenGrenze,/ die jetzt deutlich wird,
steht einer,/ der mich in die Lehre nimmt.
Der den Verstand ver-rückt, die Worte - / weit hinter sich zurückläßt,
jetzt, -/ bevor der Aufsteg in das Eis beginnt.

Und doch bin ich denb ärgsten Enttäuschungen weiter ausgesetzt, ja, es schlägt alles um, das, was mich streng ins Lernen nimmt, nämlich der Verlust, das Verschwinden auh der Bgeierden, vor allem der schlimmsten Qual, nämlich diese auernde Suche nach Sex, nach Leuten, nach Anerkennung dann.
Und diese Sorge, dß Denken und Schreiben ebenso, also das Aossziationsvermögen, das Blitzen im Hirn abnimmt.
Anfangs ist auch Denken nicht nur Lust, sondern Sprungbrett, es knüpft ja n uns an das Eine an, in Einfällen hat es sogar Anteiol daran Und es befreit anfangs. Zereißt unsere Fesseln durch Distanz, die wir gewinnen können.Die Täuschung zu durchschauen. Doch e nimmt dan den Thron des abgeschafften Königs Realtät ein. Und steihlt nicht "das KLeben", sondern verhindert ein sich dem wirklichen transzendenten Einfall zu überlassen und das Lernen an der Grenze ernst zu nehmen, ja, überhaupt wahrzunehmen. Es ist eine Art höere Entwicklungsfaulheit mit dem Alibi im Zentrum dieser Entwicklung zu sein. Ein Fieber "unter Fiktionen, ein Übersbewchäftigtsein inmitten des Nichtwissens. Derkjenige, der weiß" - wobei ein anderes, ein Herzenwissen, eine ordre du coeur, das eigentlich nur Musik auszudrücken imstande ist oder  mystische und Todes-Poesie - dejenige , der weiß als, " hat sich von allen Fabeln getrennt, die die Begierde und das Denken schaffen, er hat sich aus dem Stromkreis ausgeschaltet,er willigt nicht mehr in den Trug ein. Denken nimmt teil an der  unerschöpflichen Illusion, die zeugt und sich verzehrt, die giert, sich zu verewigen und sich zu zerstören: denken, das heißt mit dem Delirium inWettbewerbtreten." (Cioran).

Nict nur Cioran, alle denkenden  Mystiker wußten von der "Pause", dem Schock, dem plötzlichen Zwischenraum in der Zeit, den Sekunden. Es ist viellicht auhc die uns Schreibenden einzig verbliebene Zugang, eine Art waches Irresein, das zu jen er rätselhaften Teilname am Übergangszustand schon bei Lebzeiten ermöglicht.


Denn auch das Denken ist eine Begirde, die sich mit sich selbert speist, Illusion bleibt, solange es nicht "angebunden" ist,das heuißt, und etwas anders schafft es nicht: Zwischenschaft ist: angebunden noch hier und mit allenSchwereresten des Materiellen noch behaftet, an das, was kommen wird, das heißt, sich an diesm verändert. Normales, logisches, zweiwertiges "Wissen" ist sowieso ein Phantasma, einegsperrt im Kopf, das die Täuschung Realität in Besitz nehmen will, und so ist das Ungeheerliche wahr gewporden: wir leben in einer riesigen gemeiensamen Halluzination, die uns und die Natur "beherrscht" und zugrnderichtet.

Doch es soll nicht das Altern und das Alter gelobt werden, sondern der Vorgeschmack des Todes, besser, des Übergangs in jen andere freieren, körperlosen Bereich, nicht das Nichtsdas Stillstehen, also das Verschwinden jeder Entwicklung, sondern dieser Entwiclung hier, die oft nur eine eitle Vorspiegelung ist, solange sie nicht an das Fortleben, das heßt, an jenen Kern gebunden ist, rücksichtslos also jeder Ertwartung hier, jeder aufgedrängten Meinung von Erfolg, jeder gesellschaftlichen Forderung folgt, denn es gibt heute keine mehr, wie früher etwa, wo der Prozeß, die seelische Reife als Vorsuetzung eines Prozesses nach dem Übergang war. Es ibt nur noch Nischen, Einzelne, denen man sich anschließen kann, wie früher in der Diktatur. Und es ist kein großer Unterschied, nur: die Diktatur der Sachen, des Interessenschwindels ist so allgemein, dringt inalle Poren ei, versuchet, infiziert jeden.

Auch in der Kunst ist nur noch jene zu alkzeptieren, wo es diesn großen Lehrmester gibt. Und die Diktatur zwang diie Wirklichkeit  wie in kener andern Geslscvchaftsform so transparent dazu, daß die Realität als Mache und Täuschung klar wurde, der Tod als Widerstand jedem klar war:

Gedicht.



Und der heutige  historische End-und Zwischenraum, in dem wir uns buchstäblich als in eine hoffnungsvolle (?) Leere ausgesetzt wiederfinden, hat den langsam an seinen eigenen Rändern explodierenden Innenraum so zum platzen gebrahct, das bei einbigen diese gemeinsame Bombe, das aufhbet, was wiur Außen nenen, Millionen Innenraume haben ja, die enfacher zu sprengende Diktatur zum Platzen gebrahct, zum Verschwinden dann.
Dieses Denken im Vakuum  eines aufgeflogenen Galubesn an die prache und das Denken finden wir bei den talentiertesten Ostdeutschen besonders klar ausgedrückt: " ... jedoch die Texte/ meinen uns nicht mehr und leer,/ denn uns ist gegeben, einen falschen Namen/ zu tragen und falsc gerufen zu werden/ und am giftigen Grund der Beennung/ sichdas Herz zu zerstören,/ und vielelicht war das Feld/ wildernder Rosen/ im Umkreis der Sehnsucht/ eine Lahe blut, und vielelicvht/ hat am Ende der Worte/ uns in Wahrhjeit niemals/ jemad erwartet ...., und leer/ gehen wir hin."

Haben die Dikatur mit ihren Bewußtsein- und Lebensschlägen ener überhöhten und mit Worte unf Gewhren umstellten falschen Realität, so enorm viel zur Realitätsentlarvung ganz allgemein beigetragen. Ent-Täuschung direkt auf dem Boden der Geschichte. Einbruch nun von unten als vorbereitende Aufgabe, um das oben auf dem leeren Plätzen Europas, wo nun nichts mehr geht, zu erkennen?

Brief an Kurt Drawert: (verloren, verlangen)




Ich erinnere mich an Benjamin Fondane.


Ist es nicht so, daß aus dem Ostenzu viel aufgespart und zu unverbraucht für dieses "Sinn-Losigkeit", dieses alles sio wei es ist, und schokartig, nicht erst langsam, das Bewußtsein rreicht, daß es wie eine "Reinigung" ist, was Leeere auch historischn nun im Westen, die Leere, das Nihts über-hand genommen, nicht mehr wei bei Hegel ein Übergang war. Daß´also keine Distanz, keine Wand mehr da ist, auf die etwas geworfen wrden kann, alles wird so un-erkenn- und unereflekteirbar. Schattenlosigkeit eben wie bei Schlemihl. Nicht nur keien Sprache um den Verlust von Sprache ermöglicht, sondern auch kein Bewußtsein mehr, daß den Verlust der Transzendenz zeigt. "Das in Umlauf gebrahcte Falschgeld ist zur Währung geworden." (Drawert).

Dieses deckt nur  etwas zu, was längt entlarvt ist, daß heißt es existiert etwas über seine Zeit hinaus, das, was ein sollte, ist längst da, denn der V4rbrennungsprozeß dessen, was wir Leben nennen, hat nur noch ein Partikelgestöber hinterlassen, und eigentlih müßte es jeder merken, und mit Simulationen, auf dem Bildschirm funktioneierden Täuschungsmanövern liegt es überlagert es, verhindert es, was zzu sein hätte, denn wnen die letzten noch vorhandenen Ereignispartikel, die sich nur noh elektronisch zeigen, verfielfältigen und aufspalten, wie die Millionen Hirne auch, aus ihrer sich verflüchtigenden Umlaufbahn wieder auf die Ebene der Gecshichte zurückgeholt würden, eei Drawert sich vorstellt, müßte nicht nur, wie im Osten schon, ein Schock eintreten, wegen dieser Erstarrung der gesellscxhaftlichen Zirkulationwegen ihrer Nichtigkeit und Nichtvorhandenseins, sondern es würde sich in diesem Vakuum das zeigen, was zurzeit mit solcher macht negiert und weggedrängt wird, weil ja sonst der Kaiser tatsächlich nackt zu sehen  wäre. Es würde sich aber freilich viel mehr in diesem historischen Schicksal zeigen, das, was zur Zeit nur ephemer und als Randerscheinung belä#chelt und ausgelacht wird.


Diese Leere als das Ausgebliebene, also als Ersatznetz und Kommunikation, Geräte, die da stehen und warten, nicht benützt werden im sozialen Netz, Radio, ja, Telefon, das da steht, nicht benützt wird, wartet als  ausgeblieben, nicht mehr stattfindendeKommunikation, ist genau der Abnschluß an die andere Ebene, die historischbei unsebenfalls ausgeblieben, ja, für die meisten, die im Gewesenen gefangen sind, undenkbar ist, weil dieses Ersatznetz nichts als eine alte Kommunikation vortäuschen,dabei auf ganz anderer Ebene, jene der Zeitlosikeit, da wo Zeit nicht meghr ist, existieren, denn genau hier, in dieses Warten hinein, "kommen" die Stimmen aus jener andern Wirklichkeit, die auch unsere sein wird, nachdem  das gecshieht, was die Täschungsmanöver verhindern: der Übergang, aber in einen nichtxistiernden tOD; DER DIE Unwirklichkeit hier aufhebt, an der hsitorisch im menschlichen Tierreich, das mit sich selbst ne übereinstimmen kann, herumlaboriert.


Auch sonst ist noch viel "Positives" in den Anzeichen einer Umwälzung zu sehen, die wie Stillstand, ja,wie Wahn asusehen, falls man sie mit dem alten Blick sieht. Es ist nicht Oportunismus, enn man dieses Uglück bejaht, das die meisten trifft, die "Affirmation des Verderbebns" im Hin  blick auf eine andere Art von befreiung ist keine Taktik. Und auh die Fähigkeiten, sich slebst abzuschaffen, auch das eigen Denken, als Begierdefunktion und eigentliche INszanen, an denen die nichtmehrexistierende Gesellschaft mit ihren Mitteln schmarotzt, um doch weiter wie ein Parasit am Baum hochzukriechen. Denn den Baum im Einzelnen, sogar einen grünben, gibt es: dieses Selbst, das anderswohin gehört, dem Schmarotzer längst voraus ist hochschießt.

Wichtig allein, und den rofessionellen Nihiolsmus überwinend, de den Herren so nützlich ist, bleibt die alte und altbekkannte menschliche INnenstruktur. Um diees vor allem gehen muß und um deren mediale Begabung

Schon Kant ist ganz auf diese Innenstruktur , das Subjekt ausgerichtet,  und Moral ist ihm ohne Transzendenz niht möglich. Dabei ist er der "Vater der Aufklärung". Aber was ist das "die Aufklärung"? Wie viele Begriffe geistiger Strömungen, so auch der der Renaissance etwa, sind daraus durch Schule und Universität Legenden entstanden, indem ales abgeschnitten und unter den isch gekehrt wurde, was einem flachen opportunistischen Spießer-Verstand nicht "genehm" war.
Aufklärung, deren "Vater" Kant genannt wird, ist innere Revolte, Selbstdenken. Die Radikalität des jungen Kant  wird (auch heute noch) mißdeutet!  Philosphie war für Kant die  Wissenschaft von den Grenzen der Vernunft, doch das Übersinnliche wird nicht geleugnet, nur der Zugang dazu mit unseren theoretischen Denk-Mitteln für unmöglich gehalten. Weil sowohl Vorstellungen von "drüben", als  auch "begleitende Ideen" fehlen, um das postmortale Leben überhaupt denken zu können... Swedenborg dagegen geht vom Glauben aus, einen "vom Herren erleuchteten Verstand" zu besitzen.  Kritik tut er als "Vernünfteln" ab.
Kant, dem Handwerkersohn war jede Frömmelei zuwider, und er konnte spöttisch und auch drastisch werden; er  mochte  im  Denken das Solide und im Leben das Handfeste. Und er war ein Weltmann, begierig auch nach Welt und Geselligkeit, er schwebte nicht über den Wolken, saß in keinem Elfenbeinturm. Kaufleute, Offiziere, Juristen waren seine Freunde, kaum Kollegen. Kriminalrat Jensch stopfte seine Pfeifen, die Frau Professor Pörschkes besorg­te das Trocknen der  Schotenerbsen und Schwertbohnen, der Engländer Motherbey, Schwager von Kants bestem Freund, dem Kaufmann Green, schaffte Käse und Kabeljau herbei, der Kaufmann Jacobi den Rheinwein, Regierungsrat Vigilantius erledigte die Gehaltsquittungen. Kant hatte ein gutes Gespür für Leute und Realitäten, ließ sich in seinem täglichen berühmt gewordenen Mittagstisch  von seinen Gästen aus allen Bereichen der Wirklichkeit berichten. Es wurde nie theoretisiert!
 Wie bei Sweden­borg ist die praktische irdische und sinnlich-körperliche Existenz auch für die Seele absolut notwendig,  um Erfahrungen machen zu können. Nicht nur  um die Persönlichkeit auszu­for­men, ihr  Stoff und Kontur zu geben, sondern, "sich alle ... Fähigkeiten erst durch den Körper entwickelt haben":
" ... und daß sie alle Kenntnisse, die sie von der Welt hat, erst durch den Körpr erlangt, und sich also durch den Körper zu der künftigen Fortdauer hat vorbereiten müssen."
Hier übernimmt  Kant die Auffassung Swedenborgs, bei dem "das Leben, welches sich der Mensch in der Welt verschafft hat," ihm nach dem Tode "folgt". Ja, daß  der Sinn des körperlichen Lebens sehr ernst zu nehmen sei, da er dem Bau eines "geistigen Leibes" dient, und so alles, was hier erworben wurde, samt liebgewordenen  Gewohnheiten, aber auch alle Vergehen mitgnommen werden müssen! Freilich mit dem Ziel, hier Erfahrung für ein unendliches Wachstum zu erwerben, um nach  dem Tode die notwendigen Verbin­dung zwischen Seele und Körper zu lösen, endlich frei zu sein, ihr "wahres Leben" im Unermesslichen führen kann.
"Also ist der Tod nicht die absolute Aufhebung desLebens, sondern eine Befreiung der Hindernisse eines vollständigen Lebens." (F. 160)

AUTOR:"Die" Aufklärung, gar Kant,  ist nicht, wie Adorno es noch sieht,, nur  "Entzauberung der Welt", Sturz der Einbildung durch Wissen, "Triumph des Tatsachen­sinns", ein Wissen, dessen Wesen Technik sei, das nicht auf das "Glück der Einsicht, sondern auf Methode, Ausnutzung der Arbeit anderer" ziele. Das Gegenteil ist bei Kant richtig. Kant hat sebst gesagt, er habe das Denken nur eingeschränkt, um Platz für Transzendenz zu schaf­fen..
 ER hatte Swedenborg als ein Art "Reibungsfläche" benützt, um sein eigene   "kritische Philosophie" aufzubauen, die ihn dann berühmt machte. In der Streitschrift "Träume eines Geistersehers" noch  unformuliert, doch erkennbar, erscheinen schon die drei Grundfragen der kantschen Philosophie: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Und was dürfen wir hoffen? Diese drei Fragen lassen sich nicht  auf einen Nenner bringen, doch ihr Ziel war Brückenbau, um Diesseits und Jenseits zu verbinden.

KANT:  Wir müssen den Kreis, zu dem wir hier bestimmt sind, vollenden, und abwarten, wie es in Ansehung der künftigen Welt sein wird. Aber Gott und die andere Welt sind das einzige Ziel aller unserer philosophischen Untersuchungen. Und eben die Unwissenheit macht es, daß ich mich nicht unterstehe, so gänzlich die Wahrheit so mancher Geistererzählung abzuleugnen.

AUTOR: Gegen Swedenborg ist Kant ungerecht und böswillig, als wüte er gegen sich selbst!. Und es ist erstaunlich, daß der handschriftliche Urtext der "Träume eines Geistersehers" voller Freudscher Verschreiber ist, und zwar immer an jenen Stellen, wo sich Kant offensichtlich mit sich selbst im innern Streit befindet, bewußt oder unbewußt die Unwahrheit schreibt.
Die Kieler Dissertation von Gottlieb Florschütz, die unter dem Titel "Swedenborgs  verborgene Wirkung auf Kant"  1992 erschienen ist, weist zum erstenmal ausführlich nach, daß Swedenborg  vieles von Kants Philosophie vorweggenommen hat, ja, daß Kant ohne Sweden­borg kaum denkbar ist.
Kein Wunder, daß sich der "Vater der Aufklärung" nie vom "Geiserseher" befreien konnte und Haß-Liebe empfand!  Doch  die Einflüsse des "Sehers" sind auch auf die deutsche Klasssik und Romantik unübersehbar, und sie werden von der Forschung unterschlagen.

AUTOR: Zur Zeit der Kant-Swedenborg-Kontroverse (1765/66) wurde das Weltbild der Auf­klärung erarbeitet und Denken zugunsten einer im Praktischen abgesicherten Erfahrungswelt eingeschränkt.  Doch Kant wendet sich schon anderthalb Jahrzehnte später, nämlich ab 1783 in den "Vor­lesungen über Metaphysik", vor allem aber 1790 in den  "Vorlesungen über die ratio­nale Psychologie" dem verdrängten Übersinnlichen wieder zu.  In dieser dritten Periode seines Lebens steht das "Ding an sich" im Mittelpunkt, dieses ominöse und berümte "Ding an sich" ist theoretisch und den Sinnen unzugänglich, es ist aber nach Kant die unbezweifelbar der Er­scheinung zugrunde liegende tiefere Wirklichkeit, die Sinne und Verstand bewegt, ihnen  erst den "Stoff" liefert, damit überhaupt Welt entstehe! In dieser Zeit rehabilitiert Kant Swe­denborg wieder, nennt ihn sogar "erhaben", übernimmt dessen Grundgedanken vom geistigen, ja "jenseitigen" Grund der Welt.

10. August. 7-9. Im B310. Und im Notizheft.

Wieder Streß bei Wittwer, mußte also meinen Namen buchstbieren, keiner kannte mich. Und kann bald keine Buchhandlng mehr betreten, es wird m ir übel dabei.
Wieso, ich plädiere doch für den Niemand?

Sollte ich in diesem Inkognito nicht froh sein? Und die Einsamkeit genießen. Da so dieser intime Punkt wachsen kann, zu dem man beten kann auf ganz besonder Weise un nach dem Versfhwinden eines benennbaren "gottes" und vorstellbaren planenden Glaubens. Alos daß wir gar nichts "machen" oder uns angehört, die Affen, die sich auf diesr Ebene bewegen, sich aufplustern nur lächerlich sind.
Nur meine ich, daß es diese totale Isolioerung vom Andern nicht gibt, daß alles, was uns wirklich, nämlih auf seiner Eben betrübt und erfreut icht lächerlich ist und eitel, daß freilich diesr ganze Btrieb und das Laute nicht dazu gehört!
Also wäre auch der Rummel in der Buchhandlkung zu verschmerzen. Dicke Stöße von Dutzendware, Ramsch unbekannter Möchtegerne; doch von Cioran nur ein einziges dünnes Büchlein. Und zwei Projekte abgeblasen.

Müßte Bogumile werden, am ähnlichsten mit dem Buddhismus, sogar mit Tantra.

20. August   Das Lesen und "Arbeiten" unterdrcken die eigentlichen Gedanken dazu. Zum Tagebuch und zu den Aphorismen gehört freischwebendes Denken. Bei Dracula etwa gehört diese Aura des Gräßlichen nd Unheimlichen, das nicht aussagbar ist, aber nachts in meinen Zmmer in Agliano bei Einspielversuchen da ist: Angst. Zittern. Das, was auch in der Diktatur aufbricht, enger, tätlicher: eher Furcht.
Eigentlich war das Draculöse eher bei den andern, ich stand daneben: die Frauen vor allem, angsichts des Todes. Doch habe ich diese Residuen des Schreckns in Siebenbürgen in meinen "Geschäften mit Odyseus" beschrieben. Zitate.

Bei den Totenstimmen in Gemeinschaft entsteht diese gesellige Atmosphäre (sogar mit Wein), so daß jenes Ticken der Angst(Uhr) nicht da ist. S sagte eine Stimme in Köln, bei meiner Frage nach Lieselotte: "Ihr denkt zu trauern".
12. 8. im Notizheft: Abschreiben, Zitieren.
(Auch Einspielabend in Agliano!)
Eher bestimmte Bücher bringen mich "rein" Oder heute diese Nahcricht von Werner K. über einen Haftkollegen: Aurel Baghiu (der vier Bände üer "Printre Gratii) geschrieben hat) - eine Uhr ganz aus Knochen gebau (keine Mneschenknochen), die auch lief. Aber im Gespräch funkt es kaum noch. Wichtige Dinge fielen nicht ein.

Meine Umgebung töten wollen? Wel sei flsch , das was mein tag ist, bevörder, sonst alles verhindern, was zum wirkliche Sein gehörte. Meinen Kosmos negieren. Diese Wut hat ganz persönliche Züge angenommen, bisher war sie noch allgemein.

Doch was bleiben soll, darf höchstens Ohnmacht sein, und der Versuch dagegen anzukämpfen, gar gegen "Trübsinn", der bekanntlich alles Gute verhindert, auch jeden möglichen menschlichen wirkenden aufbauenden Einfluß. Tauler hat recht, wenn er "vom rechten Gebrauch des tages" dies nennt. Und eher sollte die Begsietrung, auch stark unterdrückt, und selten presigegeben, etwa für jene Überwelt, die sich in den Stimmen über unser Unbewußtes äußert, wenn wir offen sind. Coran sagt sogar: "Jede Form der Ohnmacht  und des Scheiterns hat in der metaphysischen Ordnung einen positiven Aspekt." (93). Aber nur, weil wir etwas anderes, jenen ohnmächtigen Hintergrund kennen, dr mit unserer Ohnmacht und Schwäche eins ist, im ANDERSWO eben. Entweder er oder die Mahct der Wirklichkeit, die alles verdrängt, was wahr ist. Nicht umsont nannten die Hberäer jenen Großen, Unnenbaren: Nichts.

In Ernst S. Brief, der heute ankam, zeigt sich wieder, nur der Umgang damit ist im Sinn, verlkürzt und vergeudet Lbenszeit nicht. Diese chorientierung ener neuen Gruppe, von den Luxemburgern Harsch gelenkt, die im Bereich der Transkommunikation die "Wetorganisation" sein will, eine Art Übersekte mit betrügerischen Stimmen, getürkte Totenstimmen, ist das Gegenteil, und verhindert jenen Zustand, der zu diesen Szimmen gehören muß, danmit sei wirken können, absolute Offenheit und Ehrlichkeit: Ethos, so Jürgenson in einem Ausdruck bei Homes  vom 11.7., wo er diese neue INIT als schädlich einstuft, da sie versuchen will alle übrigen zu leiten, zu beherrschen, das Bewußtsein einzuengen!

DIES IST DER BÖSE Geist, der alle freien Bewegungen, ja alle Religionen und spirituellen Ansätze oder Revolutionen terrarorisiert und vernichtet hat! So auch diese, nun wirklich über die Grenzen hiansugehende Möglichkeit? Sekte, Partei, Oragnisation? zu irdischer Machtbereicherung? Si haben schon in einem nötigendn Brief angekündigt, falls der Text veröfentlicht wird,  Gegendarstellungen etc. zu lancieren! Zu klagen? Am wichtigsten ist, was auch Ernst schreibt: unser sbjektives Zeitempfinden, ja unsere rundstimmung gehen mit dem "Atem der Gecshichte" nie synchron. Was können und dürfen wir überhaupt, "Rufer in der Wüste", Helfer, wnen es verlanbgt wird, in dieser Verzweiflung, die 2000 Jahre Christentum angerichtet hat mit dem schizophrenen, hierrchisch gegliederten und zur Macht verkommenen Bilderbuchglauben. Wichtig ist nichts anderes als "Öffnungsversuche" in der großen ratlosigkeit, Berührungen, die immer nur ganz sujktiv vollziehbar ist, am schwierigsten bei boierten Inteligenzlern und Aleswissern mit dem dicken Ring von rationlen Vorurteilen um die eigenen Erlebnis. und erfahrungsmöglichkeit: se machen das "Wektbild" "theoretisch".
Ganz im Sinn von C. schreibt Ernst S., als wären es böse Dämiurgen: Die jenseitigen Bosse sitzen auf ihren vergoldeten okusen und halten sich lachend ´die Bäuche. Ich schließe mcih an." "Wsa bleibt ist meine Ohnmacht."


Todesfäl sind Herausforderungen das Eis des Kopfes u brechen. Auf die Betroffenen zugehen, sagt Ernst, ist eINMISCHUNG; AUCH KÖNNEN DIE BESTEN Stimmen, hre abgründigen Emotionen nicht "abkühlen", sl wären die enorm eit entfernt und sehr ausßen nichts als Information, die nicht ankommt. Als Lyriker und Aphirist müßte ich es besser wissen, wir sehr wir dem Eigenen ausgeliefert sind. Und daß diese Trauerarbeit von innn her geleistet werden muß, Burkhard Heim, der wichtigste THeoretiker , sagt sogar, daß sei als belastende Störungen der Erlebnisverarbeitung bis ans Lebensende oder darüber hinaus wirksam bleiben können!

Vielleicht bleibt immer noch deie langsame Chance: Ost und West zusamen. Über die fernöstlichen Computerstaaten? Ernst schrieb von einem neuen Experiment, wo ihre Freundin Karin Schnittger, einen Film in der Hand hielt, der war dann belichtet, ein schwer lesbarer deutscher Text: Ein alter Stamm mit tausend Ästen neigt sich von Oten her gen Westen." (Später kam er noch einmal durch.




Bei Cioran viel zu lernen über das "Zurück-ziehen", das eigentliche Ziehen, der Sog, der Zug des Fortgehens, der mit dem ganzen Abschied korrespondiert, endlich zum Wegweiser, der Phantasie kommt, denn auch meine Energie wird zur Geistesgegenwart, ja be-gesiert sich und belebt sich außerhalb der enggeführten Illusion Zeit, eben in einer Welt, wo die Bedingungen der Tat selbst abgeschafft sind. Dann erst tue ich wirklich, was geschieht, mit mir egscjhicht, sonst wäre es ja Schlappheit, Sichgehenlassen, Anpassung. Und könnte ich das nur, die Gelassenheit üben, mich um die Leute, um "sie" nicht mehr kümmrn, denn "sei" sagen mir nichts, buchstäblich schauen sie an mir ja auh vorbei. Warum sei nicht auch mit Verachtung trafen, sie übersehen, wegschauen. Es so halten, wei Pyrrho, der weitersprach, auch wenn sein Gesprächspartner fortging; er sprach ja immer mit sich selbst, der andere war nur Mittler, regte an. Auch ich träume  mit der "Ungeduld der Angecshlagenen" von dieser "Disziplin der Verachtung". Und fort mit diesr Rücksicht, Freunde, diese Anstrengung. "Her mit den Gleichgültigen oder Feinden, daß ich Atem schöpfen kann!" Meine Schwäche, allen "nachzuzknödeln", wei das so schön bei uns hieß. Warum? Aus Angst, aus Unsicherheit, gar aus verborgenenem Hunger nach Verbindlichkeit, Angst, einsam zu sein? Doch das widersprich meiner rfahrung. Am wichtigsten it das Alleingelassensein, am erfülltesten!  




Endgültige Datei. 22.12.10, Ostern 12


Dieter Schlesak


                          REISEFIEBER
      Atlantik, Mittelmeer und eine Liebe auf Reisen.
                                       Ein Autoren-Reisebuch
 
Italien: Toskana, Umbrien, Rom, Sizilien; Frankreiuch: Normandie, Bretagne, Cộte d´Azure, Korsika (zu Wasser und zu Land);  Spanien: Katalonien ; Griechenland, Kreta; Israel; eine Kreuzfahrt: Mittelmeerküste,  Nordafrika, Die tlantischen Inseln).

Einführung

(Fernweh. Reisen als Erkenntnis. Reisen als schöne Kunst der Flucht und Ankunft im Anderswo! Reisen als Symbol: Ulysses, der schönste Name).






DIE TOSKANA



       RÄTSEL DES WACHSEINS
       EIN NAME, DER NUN FÜRS LEBEN GILT:  CAMAIORE         

1

Und sitzt also nun täglich da, versitzt dein Leben, blickst hinaus auf Kastanienwälder und siehst, wie die Zeit sich ordnet zwischen Rebstöcken, Reihen der Weinreben des inzwischen toten Dorfsarztes; Bergwind raschelt zuweilen in den Blättern, Säuseln im Baum, dazwischen Blinken der Lichter unten am Meer. Hier – die Schreibstube. Irgendwo drin sein. Wie viele Seiten heute, Freund?

Für uns ist es nicht - so weit das Auge reicht- Ferienland. Und das blaue Meer, Gottes freie Natur? Erinnerst du dich, L., an den Ausflug nach Casa Bianca? Im romanischen Kirchlein von Lucese das: „Deo benedici,/ E sovra il tuo bel colle,/ Eterna sia la dolce Primavera…”: Gott segne uns/ Über deinem schönen Hügel,/ Ewig sei der Frühling und ewige Blumen…
Toskanische Zungenbrecher die Mauer entlang, die sich für mich sicher nie öffnet. Und doch lebe ich hier seit vielen Jahren. Warum?
Man könnte meinen, wegen der Landschaft?

Froh gehen wir durch menschenleeres Land. Wie vor der Erschaffung der Welt, Wind streicht über unendliche Kastanienwälder, und die Quellen rauschen. In der Ferne die Bergzüge. Ruinen von Bergdörfern wie aus Tausendundeine Nacht, und der Berg Prana nebelumwölkt. Wir legen uns in einem Gehöft unter eine regennassen Heuschober. Wilde Krokusse ringsum, das Haus sorgfältig verschlossen, als wollten die Bewohner bald wiederkehren.

In Borgo a Mozzano sagte der Lehrer Bianchi, die rote Region habe neue Gesetze erlassen, die Comunità Montana müsse die verlassenen Gehöfte wieder bewohnbar machen, der Exodus, die Armut, die verwilderten Äcker zeigten die Dramen, die innern Verletzungen seien geblieben, geblieben auch die schreckliche Entvölkerung. Ein Teil der Leute ist ins Ausland gegangen, nach Deutschland und Frankreich, nach Argentinien, ein Teil lebt im Flusstal, bevölkert sei ja das Land nur im Sommer, wenn die Leute aus Viareggio, aus Pisa, aus Florenz, aus London und Frankfurt in die Sommerfrische ziehen.

Krokusse ringsum, zarte Jenseitsblumen, Verlassenheitsatmosphäre. Durchscheinend das Violett, ein Wunder, weißt du noch, L., durch die zerbrochenen blinden Glasscheiben der verrauchte altertümliche Bauernkamin, genau wie der erste Blick in unser Haus hier, weißt du noch: ein umgekippter Stuhl, und in der leeren Flasche war der Wein verdunstet.

Der alte Bauer Vince stand auf der Leiter und schnitt den Feigenbaum; unten am Meer sah man das Blinken der Lichtreihe von der Via Aurelia her. Wir wagten kaum, ihn zu fragen: Bis nach Siena hinunter haben wir mit Häuserblick die Gegend abgesucht. Hier sind wir geblieben.
Doch ein Stich war’s dann, als wir Naiven hier reiften und es erfuhren. Weißt du noch, Bianchi, ein Schock fast, dass, so brutal gesagt, Poesie hier einfach und billig geworden sei, Reichere (ha: wir) dürften sich’s leisten, die verlassene Schönheit geht an den Mittelstand, quer durch die europäische Sozioökologie. Die Entwicklung neuer Verkehrsmittel, Kommunikation, das wirkt wie ein selbstgemachtes Schicksal. Von wem gemacht?
Der Weg zur Stadt war zu weit mit dem Maultier oder zu Fuß. Der Städter, der Ausländer kam per Boeing und per Auto, kaufte die verlassenen Gehöfte auf, das Land wurde enteignet vom Wahnsinn der Plastikkultur und der diversen ‚Wirtschaftswunder’. Weiß Gott, wie weit die es bringen würden, alles Alte erschien eine Zeitlang wie faul und weit und mühsam und verkommen, die Natur nichts mehr wert. Bis dann der Hunger umschlug, die kunststoffgestopften Mäuler begannen zu kotzen.

Vor Jahren ist Vince, dem unser Haus ein Leben lang gehört hatte, gestorben.
Wir sind die letzten in Vinces Trauerzug gewesen. Der kleine Friedhof in Pieve. So schön klar ist das Gras der Berge seit langem nicht zu sehen gewesen.
Ich machte eine weite Handbewegung, ein besseres Panorama – hinter den Augenlidern – hätte er sich nicht wünschen können. Das typische Motorengeheul der Sägemaschinen, nichts hat sich verändert. Und den Minzegeruch wird er nicht mehr riechen und nicht mehr hören können?
Immer an diesem Graben entlang. Immer hat er an solch einem Graben gelebt: Grasmähen für die Tiere, Wiese, der Graben daneben, hinter dem Haus. Sense. Gratwanderung. Scharf schneidet das ein.
Wie viel Uhr ist es. L. versteht nicht. Sie steht da ganz vorn am Grab, wird eben von der schwarz verschleierten Tochter des Toten umarmt; L. streichelt sie schwesterlich.
Langsam den Sarg hinab lassen. ‚Welches Haus ist das dauerhafteste? Das des Grabmachers, es dauert bis zum Jüngsten Tag!’
Sie schieben den Sarg seitlich unter die Betondecke und lassen ihn dann an Seilen hinab, Gepolter, drei lehmige Erdklumpen nachwerfen, ein paar Blumen. Fades Blumenwasser, auch Blumen verwesen, doch ohne eklige Maden, kein sich auflösender Kadaver. So war’s gut, so, als sträube sich der Körper, er will seine Form nicht hergeben.
Es bleibt mir in der Nase ein süßlicher Geruch, sage ich. Leichenhalle zu Hause in Schäßburg, Kränze, Schwarz… schwarz.
L. Schweigt, sieht zurück.
Komm, gehen wir, ich habe Angst vor dem Weinen seiner Tochter. Wir gehen durch das Gewirr der Grabsteine. Ruhe in Frieden. Ich lese die Goldbuchstaben im Marmor, ein Foto, ein junger Mann.

Auch der Ziegenstall oben neben der torre ist zu einer niedlichen Dependance der Touristensiedlung ausgebaut worden, das neue Geschäft eines Londoner Friseurs mit verschleiertem Blick.
Mit dem Alten stirbt eine Zeit, sagte ich zu L. bei einem Regenspaziergang.
Aber das, was ich jetzt sehe, ist wirklicher, dort, fahl im Sonnenlicht die Glühlampen an den Grabsteinen. Unbeschreibbare Gefühle aushalten, den Schmerz der gebückt gehenden Tochter, der Fischersfrau, mit ihrem Mädchen an der Hand.
Der gute Alte, der so verschmitzt lächeln konnte, kaum einmetersechzig groß, hat sein Leben gelebt, wenn auch auf kleinstem Fuß, hat Kinder in die Welt gesetzt, die Tochter, der Sohn ist in Argentinien, Enkel. Sein Weib, die Assuntina mit ihrer herzlichen, aber kaum verständlichen Nuschelrede, zeigte bei jedem unserer Besuche in ihrer steinkalten und verrauchten Wohnung verblichene Fotos aus den fünfziger Jahren, der Sohn wirkte darauf groß und füllig, braungebrannt. Der ‚neue’ Brief vom Sohn schon ein paar Jahre alt. Seit zwanzig Jahren haben sie ihn nicht mehr gesehen, irgendwie ist er schon in die Ferne entrückt, Erinnerung. Die Reise nach Europa ist zu teuer. Und sie nach Argentinien?! Ja, ich war als junger Mann auch dort, sagte Vince dann und sog nachdenklich an seiner Pfeife, aber jetzt… Das klang so, als spräche er von einem Ausflug auf den Mond.

Unser Angebot, den ausgewanderten Sohn einmal in Buenos Aires von unserem Haus aus anzurufen – ich dachte dabei blödsinnigerweise an so etwas wie eine winzige Wiedergutmachtung, der Argentinier sollte aus seinem ehemaligen Elternhaus angerufen werden , lehnten sie freundlich dankend aber bestimmt ab. Assuntina ein wenig jammernd, ‚il mio cuore’ sagte sie, ich kann mich nicht bewegen, mein Atem geht schwer. Sie hat Kreislaufbeschwerden, dick geschwollene Beine, Wassersucht. So war sie nun auch bei dem Begräbnis nicht dabei. Mit langen Reisen hatte sie sich abgefunden: Dass du dich nicht unterstehst, im Grab zu rauchen, hieß es oft im Scherz, und ich dachte an etruskische Grabinnenräume Er wird die lange Reise eben ohne mich antreten müssen. Sie schob die Ablehnung unseres Angebotes , in Argentinien anzurufen, auf den Körper, gemeint war aber die Angst vor der Aufregung, dem Schock, diese Stimme aus der Ferne zu hören, so einfach: drei Minuten lang und dann aus für immer. Das Telefon zur Vorspiegelung falscher Tatsachen lehnten sie ab. Getrennt ist getrennt, basta. Damit hat man sich abgefunden. Unvorstellbar so ein Abschied und doch ganz und gar normal. Jeder hat sein Schicksal, sagte Vince, bestimmt, das muss man annehmen.

Einiges davon war ihm ins Gesicht geschrieben, Falten, Fältchen, gegerbt, Rinnen, fast schon anonym und wie eine Haut, die eben so geworden ist, wie sie ist, wie ein fremder rätselhaft pergamentner Gegenstand, der uns gar nicht gehört. Und genau so erzählte er auch, immer ein wenig lustig und aufgekratzt, seine Geschichtchen aus dem ersten, dem zweiten Weltkrieg, seine Auswanderungen nach Spanien, Argentinien, sein Aufenthalt als Kriegsgefangener in der Nähe von Wien, wo er ‚cartofele’ hat anbauen und essen müssen. K.und k.Zeit war das und gekämpft hat er am Isonzo, nein, als Koch war er mitgestapft („Ich war klein, da musste ich mich nicht bücken, wenn die Kugeln um mich herum pfiffen.“) Er hat dann nach dem Krieg als Maurer gearbeitet, später, als er ins Rentenalter kam, auf seinem Acker, bis ins zweiundachtzigste Lebensjahr („Ich sterbe, wenn ich aufhöre, ihr werdet es sehen“).
Verkauft hatte er uns Haus und Acker, um das Geld nach Buenos Aires zu schicken.
Dazwischen der Krieg.

                                           2
Der Himmel ist blau. In der Ferne das Meer, ein Strich. In allen Dingen diese Unmöglichkeit, es stimmt nicht, daß Dinge hier auf der Erde ganz sein können, wenn wir es nicht sind,  das ist eine Lüge. Sie sind nicht mehr heil. In jedem Baum inzwischen, jedem Grashalm diese Unglaubwürdigkeit, an der wir mittragen, weil wir in jeder Sekunde dazu beitragen, daß etwas nicht stimmt -  wir zu ohnmächtig sind, etwas daran zu ändern, und doch meinen, es ändern zu können. Unnötige Schuld.
Ich schreibe, die Zeilen wie hereingeholt aus dem Land, den Furchen, die der Bauer auf dem Kartoffelacker gezogen hat: Das wäre gut, doch maßlos untoskanisch: es ist leider nicht zu ändern, die Schrift ist mein Beruf; ich gehe damit weit zurück, und kann diesem Land entsprechen:
„Es ist ein uraltes Land. Je höher du die Hügel hochsteigst“, sagte L., die mir den Tee brachte und auf dem Bildschirm die Zeilen gesehen hatte: „Je höher du hinaufsteigst, umso verwischter sind die alten Furchen und Steinmauern, unbebaut fallen sie wieder ins Nichts zurück, -  hast du es nicht bei unserem letzten Bergausflug gesehen?“„Danke“, sagte er, „ich schreibe trotzdem weiter. Und warte, und du wirst dich noch wundern. Nun gut: Wir haben es nicht gesehen, doch früher war das Land hier bebaut“.  Und Sie sah zum Fenster hinaus: Die Zeilen dort draußen sagten ihr mehr. Bis hoch hinauf, der Bauer hat es beschrieben: bis auf achthundert Meter Höhe war das Land außerordentlich feinschichtig gewoben, wie ein Gedankennetz, bei Fiesole sieht man es noch heute: Linien, Flächen, Trapeze, dann die Reihen der Weinstöcke, die längst, als wären sie unerlaubt, gewesen und vergangen sind; dazwischen Diagonalen, Horizontalen, Grammatik des alten Landes, verdichtet  als Rast, als Punkt der Milde, wo alles noch einmal geträumt wird, die Casa, umgeben von Olivenbäumen, Zypressen, Feigenbäumen, Obstbäumen, und  wirkt aus der Vogelschau merkwürdig, abstrakt und doch organisch, als wäre es das geformte Unbewußte, Muster des Schreibens; Zeilen, Formen, dem Land abgerungen, und doch etwas zur Sprache gebracht.  Es ist uns noch geblieben, in engster Umgebung.
„Tempi passati“, sagte Sie, „du meinst es doch auch: Alles ist noch da und doch wie längst vergangen; ich mag  deine Nostalgie, mißversteh mich nicht, sie ist ja auch meine: bei all den neuen häßlichen Villette der Neureichen  Alles wird  jetzt >neu< gemacht, pompös und reich, glitzernd und protzig. Schau dir nur an, was für Häuser die jungen Leute unserer Umgebung in die Landschaft gestellt haben, die Kinder unserer früheren Bauern. Alles so gelackt, daß sich die Kastanien schämen, einer hat sogar eine elektronische Anlage an der Garage - mit Fernbedienung. Oder die schöne alte Apotheke an der Ecke,  die ist nun ein kleiner kitschiger Marmorsalon, und nicht wiederzuerkennen. Das geht rapide. Die Tante-Emma-Läden sind nun kleine Minimärkte, und alles ähnelt immer mehr Bigmac und den Ketten der scheußlichen bunten Pop-und-Plastik-Kultur des McDonald (in Griechenland, in Spanien, in Portugal ist es nicht anders!). Aus ist es mit der SCHRIFT des Landes;  und schau dir die neuen Moden an, dieses Gestylte, diese Hahnenkämme und das Computerfreakhafte mit Juppyeinschlag.“
„Aber die Landkirchen hier haben einen offenen Dachstuhl, er paßt zum alten Land, das wie eine Ruine daliegt, die Landkirchen mit offenem Dachstuhl schauen fast schon wie Vergessene ins Land.
Ich empfinde es so: sie schmerzt, diese strenge geometrische Klarheit, die kein Abbild des Organischen, kein Spiegel des himmlischen Jerusalem ist wie bei den Deutschen und Franzosen in ihrer Gotik, nein, einmal  war es hier der Gleichgewichtszustand  zwischen Himmel und Erde, es ist ein besonderes Lebensgefühl, hast du es nicht bemerkt?“
„Es sagt mir besonders zu, ich habe es gern: bei den alten Bauern ist es noch spürbar, von denen jetzt die letzten aussterben: diese herzliche Distanz; diese maledetti  toscani  hatten früher, als es sie wirklich noch gab, erkannt, wie kraftzehrend  und unökonomisch  die Extreme sind, Schönheit aber drückt in aller Einfachheit letztlich  das Praktische aus...“


                                                                3

Ich sah unten im Tal wie ein großes doppeltes S  den milchigen Fluss. Der Wagen fuhr sehr schnell  auf der Autostrada della Cisa in Richtung Versilia. Es war noch ziemlich warm. Etwa neun Stunden von Stuttgart bis ins Magratal; es war neunzehn Uhr, doch die Sonne schien noch sehr hell und blendete. Helle vom Meer auf die alte Kaiserstraße.
Castelvecchio war längst nicht mehr zu sehen, wir hatten es hinter uns gelassen;  eine an den Bergen hängende Fata Morgana, Phantom Vergangenheit, sagte ich laut. Doch Jann musste einen Laster überholen, und bei 150  ist alles wie   ausgelöscht, eine einzige falsche Bewegung, und du bist tot.  Die  Landschaft  ist immer noch schön, wie stehengeblieben, wenn man aussteigt. Und wir fahren hinauf in die Berge. Weinstöcke, Wiesen. Jann hat genau wie ich eine Sehnsucht nach der  Sanftheit des alten Gartens. Doch jene Sehnsucht ist kaum noch zu erfüllen. Im Fahren  ist die Wirklichkeit schneller und immer schon vorbei. Jetzt die FORTEZZA DI FIRMAFEDE, vorbei. Wie ein Mensch, alt und gewesen. Weiß der Käse im Mund, und Oliven schwarz, so stellt sich der Fremde Italien vor: ein Gauner-Paradies. Eine Schnitte weißer Käse, die fetta. Und die Schlösser der Lunigiana, nachzulesen die Sehnsucht in unserem neuen Führer, dem folgt ein zu Hause Unbefriedigter, wenn er kann, jederzeit. Alles bricht unter der Last der Vergangenheit zusammen, jetzt mehr, denn je, denkst du, wie oft ist es früher schon und immer wieder gedacht worden; am Turm dort die Straße der Gerüche, sonst nur Namen: Niccolo V. und Castruccio Castracane, der Condottiere aus Lucca (Machiavelli schrieb eine Biographie); und merk dir, du heißt  DS. Du sollst die Zeitung kaufen, du sollst die Tagesschau sehen, sagt Jann; ich winke ab; ich möchte  wissen, ob der Tod endgültig ist; ich habe große Lust, mich viel weiter zu entfernen, als es mit unseren schnellen Verkehrsmitteln möglich ist. Bei Lichtgeschwindigkeit steht die Zeit still, Chiliast, sie geht zurück in die Vergangenheit, jeder von uns lebt in jedem Augenblick schon in jenem Bereich, und muß es in jedem Augenblick auch sofort schon wieder vergessen, um hier leben zu können.
     
Nacht. Ich sah zum offenen Fenster hinaus in den Garten.  Draußen schwarz der Schatten des Daches, vom Mondlicht wie abgeschnitten und auf das Gras geworfen, schwarze Flecken, und ich, projiziert mit Fensterschatten unter dem Pinienbaum. Alles wie früher, mit diesen schwarzen Schatten der Melancholie, so langsam, summend auch die Zeit, in Deutschland habe ich nirgends die Stimmung eines Raumes, eines Zimmers, Hauses, die Nähe der Menschen so stark gefühlt, kaum die Nähe meiner Mutter oder meines Sohnes. Woran mag das nur liegen?

Die Halluzination zu zweit ist schwer durchzustehen. Der Kollege Muschg hat Recht, der Krieg geht durch die Paare.




Und jetzt sind wir wieder hier in unserem Haus. Nach zehn Stunden Autofahrt von Stuttgart, über die Schweiz, Tessin, Mailand, den Apennin  waren wir "zu Hause" in unserer Fremde angekommen; das Grün und Weiß auf den Feldern, die blaue Luftkugel des Südens über mir, Kirschen blühn, Knospen platzen, überall dicker Samengeruch in der Luft; Weiße, weißer Fleck, das Unbetretene, das nicht besetzt werden darf; alles nur ein Zeichen. Auf den Feldern Feuer und Rauchgeruch.Draußen vor dem Fenster ein Ave Maria und  Vogelgezwitscher; wie einst im Mai. Gefühle zeigen  noch einen Weg. Im Auge viel Grün: italienische Kastanien; und die Zeilen  hier wie die Reihen der Reben.
Schon viele Jahre leben wir hier  in unserem  Haus in Agliano/Camaiore, unweit von Lucca und Pisa. Es ist ein  altes Haus, und es sieht aus, als hebe es sich wie ein Buchstabe aus dem umgebenden Land, ein einfacher geometrischer Körper, und wirkt fast antik; „cultura uterina“, sagt L., „umgebendes Sicherheitsgefühl“.

       Sant´ Anna

Am Nachmittag waren wir mit dem Auto etwas höher, in die Berge, hinauf nach Sant´ Anna gefahren.
„Fein“, sagte Mutter, „da hat man eine schöne Aussicht.“
Gegen vier Uhr fuhren wir los. Über eine kurvenreiche Bergstraße kamen wir nach Sant´ Anna.
Wir gingen bis zum leeren Platz, der sich vor uns öffnete, ein Ort, wo niemand mehr wohnt; nur noch die Kirche steht verlassen da. Viele Blumen auf dem Vorplatz, und der Frühlingssturm heulte von den Höhen.
Ich meinte, das Geknatter der Gewehre zu hören und das Schreien der Frauen, das Weinen der Kinder.
L. erzählte, was hier im Krieg geschehen war.
Und Mutter ging nachdenklich und schweigend über diesen leeren Platz.
„Ich dachte, es gibt in Europa kein Land, wo diese Schandmale  nicht anzutreffen sind.“
Mutter aber sagte vorwurfsvoll: „Weshalb habt ihr mich an diesen Ort gebracht... grässlich...! Das können deutsche Menschen nicht getan haben!“
Es war ein schöner Tag, das Meer wie ein Farbklavier in der Ferne, der Horizont war nicht schwebend, sondern scharf begrenzt, man sah die Inseln des toskanischen Archipels.
Immergrüne Pflanzen rochen besonders stark nach dem Gewitter der letzten Nacht.
Inzwischen waren wir in der kleinen Bar von Sant´ Anna. angekommen; es ist das einzige bewohnte Haus hier, wir saßen auf einer Terrasse, Weinlaub, grün, über und neben uns der Sonntag. Mutter  leckte genüsslich rundum ein eigelbes Vanilleeis, als ginge sie all dieses nichts an; ganz versunken und fast gierig: Als gelte es, sich noch zu beeilen oder etwas schnell zu vergessen. L. und ich     aßen etwas Brot und tranken Rotwein. Ich sagte: „Roter Kaffee, nicht kalter.“ Und Mutter  probierte den 'Kaffee', nippte und lachte verschmitzt: „Ist ja Wein!“ Scherze – um zu vergessen? Dazu gehört ein Lachen, als lebe man dabei schneller. Und Wortverbindungen fielen ihr ein: „Wein und Brot gegen den Tod.“
Vielleicht Stimmen der Opfer hören, die es ganz gewiss gab, und die keine Ruhe fanden. Ungerächt. Das von der SS ausgelöschte Bergdorf. Ein Überlebender, ein Einbeiniger in der Bar erzählte, auf Italienisch, so ist es noch möglich... reihte ein Wort an das andere; erzählte von der strage: „Jeden 12. August kommt der Verteidigungsminister herauf zum großen beleuchteten Eisenkreuz. Salutschüsse werden von Ehrenkompagnien aller Waffengattungen abgegeben, junger Soldat, halte nie das Gewehr in Menschenhöhe, Salut in den Himmel, abgegeben. Ihre Väter, die Partisanen... starben hier die Söhne nicht vor den Vätern? frage ich dich.“
 Oben also. Ein Volksfest. Der Einbeinige trank ein Glas Grappa. Es war das dritte Glas. Er sagte, „die an die Wand geschlagenen Köpfe der Säuglinge, neonati…“ ein Bersten sei es gewesen, er höre es immer noch, ein Klang, ein Zerspringen von...von... von – „Wir wissen es nicht. Die Toten. …“  Dann sieh, wie der Herr plötzlich stottert, wenn es um nackte Tatsachen geht. „Nein... Nein... dort am Kirchplatz, sein Gesicht verzerrt. Kommandostimme, klare Bergluft. Salven. Stimmen Schreie; die Tellermütze hochgeschoben, der Totenkopf bewegt sich. Eine Frau hob ihren Säugling hoch. Vor ihnen der Pfarrer. Hob das Kruzifix hoch. Das Maschinengewehr. Die Kirchenwand. Das Blut floss durch die Tür, der Altar war viel zu weit. Nur die Stimmen sind immer noch zu hören in der Wand. Klopfen. Nachts Rufe. Niemand will hier wohnen. Nur die Kirche ist wieder aufgebaut worden. Kein Haus.“ In der Bar der Einbeinige. Ein Überlebender.


ZWEIMAL DEUTSCH IN
SANT´ANNA DI STAZZEMA
                     Für Stefano Busellato
Oben
Nahe am Himmel
Blau  die Blume
In der Ferne Das Meer -
Dort die  Freiheit
mit dem Himmel berührt
Wie der Tod  damals
Und dunkel der Himmel
verdeckt und geöffnet
Bach Schubert Beethoven  
Lösen  auf die Schwere
des Sterbens  hier
Sie klingen wie „Gott“.
 „Du siehst die Schuld
Die mir den Fluch verkündet“
Damals geschrieen geweint.
Gebetet:
O Dio Dio. O mio Dio
In deutsche Schüsse
Geweint.
Sie hallen noch immer.
Du singst. Die Kirche tönt.
Will sie enthüllen
Will sie verbergen?
Wir mit dem Rücken zum Altar
Christus wo warst du?
Umhüllt ist der Klang / bei
Offener Tür
Unschuldig grün  die Wiese
Im Auge jetzt
Wo Blut in die Gewehre floss
Das Schreien.
Es knattert knattert  mitleidslos
Die Welt
starb damals hier
Im Dröhnen der Berge.
Löst nun die Orgel
und deine Stimme
Mit deutschem
Gesang
Die deutschen Befehle:
FEUER! Gebrüllt
Zur Kirchentür
Mit  den drei
Maschinengewehren.
Und du singst dazwischen
Brahms die Bibel
 (Prediger, 4, 1-3)
Dass sie verstummen müssen
Die Klage:  „… sie
hatten keinen Tröster;
und die ihnen Unrecht taten
waren zu mächtig.
Da lobt ich die Toten,
die schon gestorben waren
mehr als die Lebendigen,
die noch das Leben hatten;
und der noch nicht ist,
ist besser als alle beide,
und des Böen nicht inne wird,
das unter der Sonne geschieht.“
„O Gott der Langmut und Geduld“
Sant´Anna die Stazzema.

„Ach Gott, mein Gott
Wie lange soll ich sorgen.“
Hältst du mich fest
In dieser blutenden Kirche
Die alles sah?
Bach Schubert Mahler
Beethoven Brahms
Die Toten sind hier
Und sie warten.

Sant´Anna di Stazzema,
28. Juni 2009
Wikipedia

Im Sommer 1944 waren die deutschen Streitkräfte in Italien, wie an fast allen Fronten, auf dem Rückzug. Der Frontverlauf war mittlerweile bis in die Toskana vorgerückt. Da die deutsche Besatzungsmacht junge Italiener zwangsrekrutierte und viele kampfunfähige Zivilisten zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie verpflichtet wurden, führte dies bei Teilen der italienischen Bevölkerung zu einer Antipathie gegen den ehemaligen Verbündeten. Mehr und mehr schlossen sich dem bewaffneten Widerstand, der Resistenza an, um als Partisanen gegen die Besatzung vorzugehen. Die bewaldeten Berge der Toskana boten den Irregulären Schutz und ideale Bedingungen, um deutsche Nachschublinien zu stören.
Das deutsche Oberkommando reagierte auf diese Entwicklung mit äußerster Härte. Angeblich hatten Offiziere keine Strafe wegen „zu harten Vorgehens“ zu erwarten. Da Partisanen selbst nur schwer aufzuspüren waren, reagierte man mit Hinrichtungen von gefangenen Freischärlern und Geiselerschießungen von Zivilisten, um potentielle Unterstützer in den toskanischen Bergdörfern, welche die Partisanen mit Nahrungsmitteln und Informationen versorgten, abzuschrecken.
Hergang des Massakers
Am 12. August 1944, kurz nach 6 Uhr, umzingelten vier Kompanien der 16. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS” der Waffen-SS das Dorf. Sant’Anna hatte etwa 400 Einwohner und beherbergte mehrere hundert Flüchtlinge. Offiziell sollte die SS gegen Partisanen vorgehen, doch zu den etwa 560 Opfern zählen überwiegend Frauen und 116 Kinder. Sie wurden in Gehöften und auf dem Kirchplatz zusammengetrieben. Die SS warf Handgranaten in die Menge, erschoss wahllos Männer, Frauen und Kinder und brannte die Häuser nieder. Nach nur gut drei Stunden war das Dorf ausgerottet. Das jüngste Opfer war 20 Tage alt.


Nachkriegszeit und juristische Aufarbeitung [Bearbeiten]
Sant’Anna di Stazzema wurde zum Teil wieder aufgebaut. Das Massaker wurde nach dem Krieg wie viele deutsche Kriegsverbrechen totgeschwiegen, da Westeuropa eine politische Einheit gegen die Sowjetunion bilden sollte. Die Akten über den Vorfall lagerten bis 1994 in einem versiegelten, mit der Tür zur Wand gestellten Schrank im Palazzo Cesi, dem Sitz der Militärstaatsanwaltschaft in Rom, der auch unter der Bezeichnung „Schrank der Schande“ bekannt war. [1] [2] So blieben die Täter fast 60 Jahre unbehelligt. Erst im April 2004 eröffnete dasMilitärgericht von La Spezia einen Prozess gegen mehrere noch in Deutschland lebende Täter, die jedoch in ihrer Heimat als hochbetagte Rentner kein Strafverfahren oder gar den Strafvollzug fürchten müssen. Am 22. Juni 2005 endete dieser Prozess mit der Verurteilung von 10 früheren SS-Angehörigen zu lebenslanger Haft sowie Entschädigungszahlungen in Höhe von ca. 100 Millionen Euro. Alfred Mathias Concina, Karl Gropler, Georg Rauch, Horst Richter, Gerhard Sommer, Alfred Schöneberg und Ludwig Heinrich Sonntag legten Revision gegen das Urteil ein, welches jedoch 2006 von einem Militärgericht in Rom bestätigt wurde. [3]
Karl Gropler - verurteilt nach italienischem Recht
Georg Rauch - verurteilt nach italienischem Recht
Gerhard Sommer - verurteilt nach italienischem Recht
Alfred Schönenberg - verurteilt nach italienischem Recht (inzw. verstorben [3])
Ludwig Heinrich Sonntag - verurteilt nach italienischem Recht (inzw. verstorben [3])
Alfred Mathias Concina - verurteilt nach italienischem Recht
Horst Richter - verurteilt nach italienischem Recht (inzwischen verstorben)
Werner Bruss - rechtskräftig[4] verurteilt nach italienischem Recht
Heinrich Schendel - rechtskräftig[4] verurteilt nach italienischem Recht
Ludwig Goering - rechtskräftig[4] verurteilt nach italienischem Recht
In Deutschland hat dieses Urteil allerdings keine praktische Bedeutung, so dass keiner der Angeklagten bisher eine Strafe verbüßen musste. Dazu wäre eine Verurteilung vor einem deutschen Gericht notwendig, die allerdings aufgrund der deutschen Rechtslage als unwahrscheinlich gilt.[5]
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt zwar seit 2002 gegen neun der in Italien Verurteilten, bis heute wurde jedoch mangels Beweisen in keinem der Fälle eine Anklage erhoben. Fünf weitere Personen, die nicht in dem Prozess in La Spezia angeklagt waren, blieben von Ermittlungen ausgenommen. Der aktuelle Stand der Ermittlungen ist unklar, da die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Einsicht in die Ermittlungsakten verweigert. Die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, die den Verband der Opfer von Sant'Anna in Deutschland gerichtlich vertritt, stellte 2005 bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, welcher mit der Begründung einer zu vermeidenden Gefährdung der Ermittlungen durch die Opfer abgelehnt wurde. [6] Gegen die drei rechtskräftig Verurteilten wurde im Juni 2007 ein Europäischer Haftbefehl gestellt. Dieser dürfte jedoch wirkungslos bleiben, da Deutsche zum Zwecke der Strafvollstreckung nicht gegen ihren Willen ausgeliefert werden dürfen.[4]
Kritiker werfen der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor, die Ermittlungen eher aus symbolischen Gründen zu führen und in Wirklichkeit nur den natürlichen Tod der heute noch lebenden Täter abzuwarten. Dadurch versuche die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens mangels Beweisen oder einen Freispruch zu vermeiden, was beides als Niederlage für die Justiz gelten würde.
Die Staatsanwaltschaft erklärte hierzu: „Die Ermittlungen dauern noch an, ein Ende ist nicht abzusehen. ... Wir wollen den Sachverhalt vollständig aufklären. Und es ergeben sich immer wieder neue Hinweise.“ Neue Zeugen hätten sich gefunden, weitere würden gesucht, jedoch könnten oder wollten sich vielleicht die Zeugen häufig nicht mehr erinnern. [7] 2007 erklärte eine Sprecherin im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau: „Nach dem deutschen Rechtssystem müssen wir jedem einzelnen eine Tatbeteiligung nachweisen, und wir brauchen Mordmerkmale wie Grausamkeit und niedere Beweggründe, weil nur Mord nicht verjährt.“[4]
Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Verurteilung in Italien kritisiert. Sie sei ein „Schnellschuss aus der Hüfte“, bei dem sich die italienische Justiz zehn Angehörige der Einheit „herausgepickt“ und pauschal verurteilt habe.[4]
Am 60. Jahrestag des Massakers besuchte mit dem deutschen Innenminister Otto Schily erstmals ein deutscher Politiker eine Gedenkfeier im Ort.[8] Enio Mancini, der das Massaker als Junge miterlebte und nicht von den Deutschen erschossen wurde, hat an der Stelle des ehemaligen Dorfes eine Gedenkstätte und ein Museum aufgebaut, in dem Fotos, persönliche Habe, und Anderes zu besichtigen sind.
Bilder [Bearbeiten]


Häuser des Ortes
Hinweisschild der Friedensparkverwaltung
Die letzte erhaltene Ruine
Kirche von Sant’Anna mit Kriegerdenkmal des Ersten Weltkrieges   

Tafel auf dem Kreuzweg zum Mahnmal
Mahnmal
Skulptur Mutter und Kind im Mahnmal
Mahnmal, Opfertafel
Web-Portal von Sant’Anna di Stazzema
elenco delle vittime (italienisch) – Liste der Opfer
Aktuell (16.01.2007) laufende Sendung zum Thema im Deutschlandfunk
Die größten Massaker in Italien - Eine Übersicht
Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944 - Materialiensammlung 1 für eine bundesweite Kampagne zur Anklageerhebung in Deutschland Mai 2006, (Pdf 880 KB)
RBB – Kontraste: In Italien verurteilter Kriegsverbrecher als Nachbar – Dorfbewohner verteidigen ehemaligen SS-Mann (RealVideo & Mitschrift), 3. August 2006
Einzelnachweise [Bearbeiten]
↑ Heike Demmel: Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema - Schleppende Ermittlungen in Deutschland www.resistenza.de
↑ Wolfgang Most: Der Schrank im Palazzo Cesi - Späte Prozesswelle gegen ehemalige deutsche Soldaten in Italien. www.resistenza.de
↑ a b c Lars Reissmann: Verurteilung wegen des SS-Massakers von Sant’Anna di Stazzema bestätigt. Lokalberichte Hamburg, 17. Jahrgang, Nr. 24, 23. November 2006, S. 8, (Pdf 553 KB)
↑ a b c d e f Frankfurter Rundschau: Haftbefehle gegen Ex-SS-Männer beantragt, 26. Juni 2007
↑ http://www.broschuere.resistenza.de/material/broschuere_santanna_web.pdf Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944. Materialiensammlung 1 für eine bundesweite Kampagne zur Anklageerhebung in Deutschland S. 26
↑ Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944 - Materialiensammlung 1 für eine bundesweite Kampagne zur Anklageerhebung in DeutschlandMai 2006, S. 19-20, (Pdf 880 KB)
↑ Franz Schmider: Ein Massaker und eine Mauer des Schweigens. In: Badische Zeitung vom 6. Mai 2006, S. 3
↑ Otto Schily: Ansprache auf der Gedenkfeier zum



Im Frühjahr 2002 haben wir, selbst Musiker, eine Benefizinitiative ins Lebengerufen, derenZiel es ist, mit Hilfe von Konzerten von Musikerfreunden in Deutschland und Italien Spenden zu sammeln für den Neubau einer Orgel für die Kirche von Sant`Anna di Staz
 Nach vielen Jahren intensiver Kontakte in der Toskana hatten wir 1997 bei einem Besuch des Museo Storico della Resistenza von Sant`Anna den Gründer und Leiter des Museums, Enio Mancini, kennen gelernt, der selbst als Siebenjähriger das Massaker überlebt hatte. Bei unseren wiederholten Besuchen in Sant` Anna entstand schließlich die Idee zur Benefizinitiative als Zeichen für Frieden und Versöhnung.

Inzwischen wird die Initiative durch zahlreiche Musiker, darunter Mitglieder der Essener Philharmoniker und der Düsseldorfer Sinfoniker, von Organisten und Chören sowie von Professoren der Musikhochschulen Essen und Düsseldorf unterstützt.

Die Initiative wird außerdem aktiv unterstützt von der Comune di Stazzema und der Provincia di Lucca.
Nach ersten Konzerten in Essen in Anwesenheit einer Delegation aus Italien haben bereits zahlreiche weitere Konzerte stattgefunden, darunter auch ein gemeinsames Konzert von italienischen und deutschen Jugendlichen in der Kirche von Sant`Anna.

Im Dezember 2001 wurde Sant`Anna durch Beschluss des italienischen ParlamentesNationaler Friedenspark. Dort werden nunmehr Veranstaltungen zum Thema Friedenskultur durchgeführt, eine zukunftweisende Arbeit insbesondere mit Jugendlichen, bei der Musik als sprach-unabhängiges und grenzüberschreitendes Medium einen besonderen Platz einnehmen wird. Der Orgel wird hierbei eine herausragende symbolische Bedeutung zukommen.







                                            3
Der Wendehals. Und sonnenheiß die Feige.
Blaue Himmelskugel -
es sollte durch  zerfetztes Flimmern,
durch Rauchhöllen und Detonationen,
den Engeln und Vögeln hier,
den noch sichtbaren kaputten Seelen,
endlich ein Eingang gezeigt werden;
sie fliegen so ruhelos umher,
als wären wir Schwalben.

Manchmal kommt mir die Himmelskugel vor
wie meine weiche Hirnschale,
die aufplatzen könnte
in dieser Sekunde.


Und sogar Machiavellis praktische Staatskunst, diese Taktik zwischen Zufall, der fortuna, und dem freilich schillernden und vieldeutigen inneren Ordnungsbegriff virtù gehört dazu. Es war einmal, ja, einmal wie ein Märchen,  und vielleicht gehört ihre Sehnsucht immer noch in jene alte Landschaft, deren Ruinen jedoch Löcher haben, als könnten sie durchsehen, jetzt nach vorn; jenes unangemaßte, ja, unbewußte Wissen vom Rätsel des Wachseins, die Klugheit jener Geistesgegenwart, die Skepsis nicht ausschließt, scheint in diese Landschaft zu gehören..
Farbtöne und Fernsicht, Fernblick nach innen möglich, und möglich für uns, die Späten, wahnsinnsfrei; hörst du die Kultur dort am Abhang wimmern? Der Kastanienwald am Hang ist nicht  mehr blatt-los, die Olivenbäume tragen schon in der Odyssee jahraus, jahrein ihr Grün. Öl.  Im Tal liegt die kleine Stadt Camaiore. Nebel. Hier verlief früher die Frankenstraße. Friedrich II. läßt grüßen, die Kirche der Abtei war ein Hospital für Pilger. Auf der Höhe Höfe. Kaiser und Päpste, mal nah, Dante. Genuesische Wachtürme. Sarazenen. In Luni landete der schwarze Christus von Lucca. Und jetzt: der Augenblick irre. Und stellt mich doch immer noch her. Alles ist ruhig. Und wie längst vergangen. Genau. Und als ich vor meinem Haus im Garten stand, empfand ich den Riß: Ein feines  Glasklingen im Ohr. Die Krankheit  liegt tief, diese Krankheit, wie die meisten heutigen Krankheiten, ihre Erreger könnten wir nicht sehen, hören oder fühlen. Kein gewöhnliches Unglück, nein: Eine Art Dimensionsgrenze sei erreicht, daher auch der Übergang und Hinübergang.
Ein Freund meint, es gehe bis in die Atome,  Atom,  das Unteilbare teilbar, zerfällt, unser Schicksal: Atom. Und die Zellen, ja, die Liebe sei auch angegriffen, aus mit dem Hohelied Sex. Die Widerstandskraft unseres Blutes sei gebrochen. Immunschwäche gehe um, wir können den Körper nicht mehr schützen, er ist längst im Aus. Der Arme... du sagtest, und eine junge Geliebte sagte, ihre Atome fielen auseinander, ihr fehle der Kitt.

4


Ich erinnerte mich an diese Zustände im vergangenen Sommer, und als hinge alles, was hier wie überall in der Welt geschehen war, mit diesen Zuständen und mit der Auflösung der Wirklichkeit zusammen:
"Ja, ich hatte furchtbare Angst, daß es wiederkommt, das stimmt. Und dann kam es ausgerechnet im schönsten Sommer wieder, Urlaub, nennt man es: ich sehe es vor mir, als wäre es gestern gewesen: Das alte Seeräubernest mit der steilen engen und vielfarbigen Häuserfront am kleinen Hafen, hier lagen wir nachts mit dem Boot. Und so habe ich es in Erinnerung: Es ist alles so friedlich. Schön. Aber die Gegend ist voller Grauen, auf Schritt und Tritt Grauen: Am Tag waren wir in San Terenzo gewesen, Shelley hat hier gewohnt, mit Mary Shelley, seiner Frau, die Frankenstein geschrieben hat; Shelley ist von hier nach Livorno gesegelt und vor Viareggio im Sturm mit seinem Boot untergegangen.

Alpi Apuane. Die „Linia gotica“ und  die Partisanen

Zuerst fahren wir, als müßten wir die Gründe und Hintergründe dieser Zustände und aller Auflösung aufsuchen: nach Bardino, wo Reders Deutsche zwanzig Männer erschossen hatten. In San Terenzo die PzAA 16., sie wütete in Valla das Dorf war verwüstet worden, an der Mauer Kinder, erschrockene große Augen, Frauen mit schreienden Säuglingen im Arm, stehen starr vor Schreck da, einige ringen die Hände, bitten, flehen, doch brutal mit dem Gewehrkolben werden zwei jungen Müttern die Köpfe eingeschlagen, daß sie in ihrem Blut liegen bleiben, die Säuglinge daneben, eine andere Mutter hebt das schreiende blutverschmierte Kleine auf, nimmt es zum eigenen, hält zwei im Arm, arme Körperchen, noch nicht zum Bewußtsein erwacht, Gottseidank? Und jetzt stehen sie alle da, stumm, nur der Wind ist zu hören und aus der Ferne Schafsglocken. Einige Vögel zwitschern in den Bäumen. Dann das regelmäßige und gnadenlose Knattern, das Mähen der Maschinengewehre und MPs, die Wände in Valla geben es wieder, wenn man die Augen schließt, ich habe es gehört, auch in Bardino, wo dreiundfünfzig Menschen oben an den Bäumen hingen, sich langsam mit dem Wind drehten, die Gesichter verzerrt, ich habe es gehört auch oben am Ende eines engen Tales unter dem schroffen Gipfel des Pizzo d´ Ucello: Vinca, das zu Fivizano gehört, und muß es in deutscher Sprache sagen, schäme mich für jedes Und, jedes Oder, jedes Komma, und dann kommen wir vorbei. Und wir kamen auch an dem Viehgatter vorbei, wo die 29 Frauen und Säuglinge gefunden worden waren, mit aufgeschlitzten Leibern, bestialisch zugerichtet, zum Teil noch im Tode vergewaltigt. Das jüngste Kind war gerade zwei Tage alt, im Bauch einer Mutter ein Ungeborenes, das vor der Geburt sterben mußte. Und am 26. August 1944, dem dritten Tag des Gemetzels von Vinca, notieren die Ic und Ia der 14. Armee stolz in ihren Tgesmeldungen, natürlich in deutscher Sprache: „Bandenunternehmen im Raum 143/50-51-52-64 abgeschlossen. Bisher 1480 Bandenangehörige, Bandenhelfer und Bandenverdächtige erfaßt. 332 Banditen im Kampf niedergemacht. 600 Einzelgehöfte und Bandenunterkünfte sowie 17 Ortschaften im Raum Monte Sagro, dabei Hauptlager Vinca, vernichtet.“
Als wir unseren Wein in der Certosa von Farneta holten, erzählten uns die Padres vom Massaker in ihrem Kloster. Wenn wir zu Michelangelos Steinbrüchen fuhren, kamen wir zum Dorf Bérgiola Foscalina, wo die Dörfler in der Schule bei lebendigem Leib mit Flammenwerfern verbrannt wurden. Von Fucécchio, von Pontremoli, vom Cisa ganz zu schweigen....

Portovenere
In der Nacht dann Portovenere, ich lag halbnackt in der Kabine neben L., da hatte ich wieder die Zwangsvorstellung, nicht aus meinem Körper herauszukönnen, in ihm eingesperrt zu sein, wie jeder Baum, wie die Erschossenen an der Mauer, die Gehenkten, aber auch wie wir alle, wie L., wie unser kleiner schwarzer Hund; es ist jedesmal entsetzlich, als stehe eine Hinrichtung bevor. Ein Bekannter aus Pistoia leidet darunter, daß er im Körper festsitzt, und hat mich schon vor Jahren auf diesen tödlichen Gedanken gebracht; seither werde ich ihn nicht mehr los. Was ist schlimmer, diese Fleischzelle oder der Tod: - als Befreiung? Doch niemals hinab, eingezwängt ins Erdloch. Nein frei, frei zu Asche und Rauch verstreut in die Luft, ins Gras zwischen die Bäume, die weiter in die Ferne und aufs Meer sehen, im Chlorophyl belichtet. Die Angst lebendig begraben zu werden oder in einem engen Schacht, einer Betonkammer oder einem Rohr, einem Brunnenschacht zu ersticken, hat mit dieser alten verdrängten Körperangst zu tun. Wir könnten nicht leben, würden wir dieses Bewußtsein, im Fleisch unentrinnbar eingemauert zu sein, nicht dauernd vergessen. Ich holte den kleinen Hund in die Koje, preßte sein zottiges Fell an meine glatte Haut, als ließe sich diese aufreißen und als könnte ich so verschmelzen mit etwas das draußen ist; ich ließ den Gedanken in mir kreisen, daß doch alles aus den gleichen Elektronen besteht, der Körper nur ein Sieb ist, die feste kompakte Körpergestalt nur eine Täuschung, ein Phantom; doch auch diese Übung beruhigte mich nicht, es war ja gerade der Gedanke, das Bewußtsein bis hin zur Übelkeit und zum Schwindel, die mir zusetzten. Es war ein Bewußtsein, das freilich erst einsetzt, wenn sich die gewohnte Vorstellung auflöst, daß ein Körper ein Körper, ein Hund ein Hund, eine Frau eine Frau ist, wenn Namen nicht mehr schützen, alles  überreal ist, namenlos Haut und Knochen. Ein vergessenes Wissen, daß wir ins Fleisch gefallen sind, anderswohin gehören, und daß solche Angstzustände uns näher ans Erwachen bringen. 

(In uns flüstern die Phantome
alle Toten die vergingen
wir sind jetzt die armen Söhne
ihre Zeit, die sie nicht lebten
Ihn vor allen Dingen.)




Lichtfenster mit schwarzen Buchstaben-Leitern

Vom verwitterten Turm aus Pieve schlägt eine Uhr, mein Herz schlägt schneller, das Uhrwerk rasselt, wieder eine volle Stunde, es klingt
durch die graue, Gottseidank noch saubere Mauer an mein Ohr. Ich sitze in meinem Zimmer, täglich, der Blick geht ganz nach innen, hinein in ein Lichtfenster mit schwarzen Buchstaben-Leitern oder Flugschmetterlingen, dem Bildschirmfenster, es sind Buchstabenreihen, mit denen ich abhebe, und hebe nach innen ab, oder der Blick geht  von Zeit zu Zeit nach außen, dann ist vor mir das Meer, der Horizont, da schlägt sich das Auge an: Himmel- und Wasser-Berührung, die Kontur scharf, vor allem am Abend bei untergehender Sonne, südwestlich Korsika, nordwestlich Ventimiglia, der Golf von Genua, nah aber Pedona mit einem Fernsehrelais, ein Bergrücken, wie ein liegendes Tier, kein  Fenster gegenüber, keine Häuserzeile, die den Blick hemmt, nur ferne Dorfkonturen wie eine Fata Morgana, die am Berg hängt, als wäre alles aus der Zeit geschnitten,  als schreibe man nicht 2008, sondern 1581. Wolkentiere kommen von Westen wie Himmelsinseln durch die Olivenzweige. Alles ist unendlich klar und offen. Kein Straßenlärm, wie früher in der Frankfurter Leerbachstraße: ein rotes Auto, ein einzelner Junge, eine Frau mit Hund, ein Lieferwagen,  doch Leichenwagen gab es keine, schwarz ausgeschlagene, wie in meiner Kindheit in Transsylvanien mit Popen,  die Weihrauchfässer schwenkten, in Frankfurt distinguierte Herren, die, plötzlich an die Vergänglichkeit ihres Körpers erinnert, stumm den Hut lüfteten und stehen blieben. Hier geht meist L. durch das Haus, die Treppe hinab, die ich wie in Gedanken hinabgehe, Pause; als strömte da alles wieder ein, füllt sie alle Vasen verschwenderisch mit Rosen, Tulpen, Kamelien, im Winter auch Rosmarin, sogar Orangen oder Zitronen; und sie raucht, so spürt sie am besten die Pause, ein Genuß: sie  steht sinnend an der Tür, stellt Gläser bereit für den Abendtrunk.

     Ein Déjà-Vu in Lucca
Wenn ich dann an Lucca denke, unsere Provinzhauptstadt hier, ist es wie ein Leitmotiv der Erinnerung, auch wie eine subtile Erklärung, warum wir denn hier wohnen: Ich sehe immer wieder die gleiche luccheser Szene vor mir, ausgelöst wird sie, wenn ich Pferdehufe auf Pflaster und Stein schlagen höre oder das Rattern eines Zuges vernehme, wie im Herbst 1968 bei einer Zugfahrt nach Florenz. Da lag ich im Abteil, hatte die Augen geschlossen, es muß bei Montecatini gewesen sein; das Ratatata war ein Ritt; und auch als ich die Augen öffnete, überlagerte ein Reiter das Augenbild; ich sah doppelt, sah einen Film über die Außenwelt hinziehen; ein Mann stieg da am Ende einer Straße von seinem Pferd; am Ende der Straße war eine schöne Villa in einem Park mit alten Bäumen; der Mann band vor einem großen Haus mit grünen Läden das Pferd an einen Pflock, er ging durch die Haustür in den Flur; auf der Kommode lag ein kleiner schwarzer Kater... Huf des Pferdes noch hochgehoben, ihn zu prüfen; die geöffnete Tür des Flurs, im Zimmer ein heller Raum... ein Gartenfenster und eine üppige Frau im halb geöffneten Morgenrock... sie darunter nackt, auf der Fensterbank rote und mauvefarbene Geranien, dahinter ein kostbarer Schrank im Halbdunkel des Raumes, ein runder Spiegel, an der Wand ein altersgeschwärztes Bild mit einem Weißbärtigen, der drei Finger zum Schwur oder zum Todeszeichen erhoben hatte.
Diesen Traum habe ich immer wieder geträumt, schon bevor ich in Lucca gewesen war, denn erst Weihnachten 1968 hatte ich Lucca zum erstenmal besucht, und dabei dieses Haus wirklich und daher voller Schrecken gesehen und wiedererkannt. - Ich war damals, Weihnachten 1968, durch die Via dei Fossi gegangen, da kam mir die Straße, da kam mir das Haus bekannt vor, und es war genau jenes Haus mit den grünen Fensterläden aus dem Traum, wo ich die Frau gesehen hatte, die Tür stand einen Spalt offen, ich ging hinein, ich erkannte alles wieder: Ein kleiner Vorraum, sogar eine Kommode gab es, rechts die kleine Treppe, eine Tür, links eine andere, eine steile Treppe, ich ging hinauf, als käme ich nach Hause...
  So war es auch mit dem Bild, ich sah es an der Wand hinter der bräunlichvergilbten Stehlampe, es stellte einen Bärtigen dar, das Haar silbrig, die grünlichen Augen prüfend, die Hand erhoben, warnende Geste mit den drei Fingern, offenbar ein Zeichen, das Todeszeichen... ich kannte es, ich erschrak. Szenen, die mir dazu aus dem Unbewußten hochstiegen, wie im Nebel Bilder formten, Traumfetzen und Fragmente, herausgewürgt voller Übelkeit, materielle Fragmente einer furchtbaren Vorstellung; Schwindel erfaßte mich, meist wird ein Anfall ausgelöst durch Blickkontakt, das Gesicht eines Unbekannten vor mir, blitzartig die Wahrnehmung: den kennst du, wo hast du den schon gesehen? Irgendwo erlebt und gut gekannt; doch ein Loch im Gedächtnis quält, dafür wühlende Emotionen, krankhaft, schmerzhaft. In der luccheser Via dei Fossi war das wieder so, Übelkeit und Schwindel und dann diese Traumfetzen.
Die Via dei Fossi liegt in der Nähe der Kirche San Francesco, wo an jenem Weihnachtstag 1968 der Leipziger Thomanerchor ein Konzert gab. Ich ging ans Ende der Straße, doch da war keine Villa, wie ich sie im Traum gesehen hatte, sondern eine Durchgangsstraße, Autoverkehr brauste vorbei. Eine Ampel. Rechts eine Villa, doch nicht die meine. Der Park, ja den gab es noch. Doch die hohen Bäume waren verschwunden. Der Verstand versagt - wie bei Todesfällen, konnte ich sagen: ich weiß, daß es dort ´ganz bestimmt´ eine Villa gegeben hatte? Woher wußte ich es denn?
Ich erinnere mich noch genau: Als wir in Lucca ankamen, es war meine erste Begegnung mit dieser Stadt, schien sie mir fremd;  wir sahen zuerst den Dom San Martino, den Schwarzen Christus, lasen die Reiseführerkommentare, Heine dazu, gingen dann zum Palazzo Guinigi (der abgesprungene Verputz erinnerte mich an Wien), auf dem hohen Turm war eine Steineiche, über den Büschen im Garten eine Palme - da hatte  ich andauernd jenes merkwürdige Gefühl einer Wiederbegegnung, und ich fürchtete jene Übelkeit, jenen Schwindel,  wenn Szenen, Bilder, Gesichter aus dem Unbewußten wie aus vergessenen Alpträumen hochstiegen.

Dann kam mir eines Tages der Zufall, diese Konstellation des Ungewußten, zu Hilfe: Jahre später, vom 27. Juni bis zum 29. September gab es im Rathaus der Stadt die erste Ausstellung über die luccheser Palazzi des 16. Jahrhunderts, und ich konnte dort mit Mario Berengo, Mailänder Professor und ´esperto assoluto´ fürs 16. lucchesische Jahrhundert, ausführlich sprechen. Berengo bestätigte mir: ein gewisser Nicolao Granucci, nicht unbekannt in der Stadtgeschichte, habe tatsächlich in der Via dei Fossi gewohnt, und auf dem alten Stadtplan Berengos ist auch die Villa am Ende der Straße eingezeichnet, an die ich mich erinnern konnte, Mario Berengo, Historiker und Archivar... ist es nicht merkwürdig, ausgerechnet jetzt fand diese Ausstellung über die luccheser Palazzi des l6.Jahrhunderts statt, und Berengo bestätigte mir, daß jenes Haus dem "Todesdoktor" Rusticci gehört, daß der es Nicolao Granucci vererbt hatte, und dann: daß Granucci in der Kirche San Donino von Marlia begraben liege. Gesicherte Fakten, von denen ich jetzt hörte. Granucci - sei allerdings ein Pseudonym für Massimiliano Arnolfini gewesen.
    Im Dezember 1968 hatte ich dann in der Biblioteca Governativa von Lucca ein Buch entdeckt; es war ein alter Schmöker des verkannten Romanciers und Zauberkünstlers aus dem sechzehnten Jahrhundert: Nicolao Granucci; und dieser Granucci hatte so manche Ähnlichkeiten mit mir selbst, vor allem hatte er die gleiche Sucht zur Abwesenheit; als hätten wir die Vaterländer und Zeiten getauscht: Er war damals in meiner Heimat Transsylvanien im Exil gewesen, und ich lebte heute als Emigrant hier in seiner Gegend, der Lucchersia.


                                             
                  Die Bäder von Lucca

Wir waren in diesen Tagen nach Bagni di Lucca gefahren, im Hauptbad von Villa wollten wir die heißen Quellen besuchen und tüchtig alle Gifte ausschwitzen. In den langen Gängen dieses Bades summte die Leere, Schritte hallten laut in langen weißen Korridoren, offene Türen, nackte Frauen- und Männerkörper in weiße Leintücher gehüllt, schimmernde weiche Frauenhaut, Haare wie Inseln und Flecken, das Dreieck ein Auge. Große, kleine, dünne und unförmige Körper, die froren, Nacktheit, die sich verstecken wollte. Scham. Ein scharfer Geruch nach Schwefel erfüllte die hallenden Räume, zu hören, zu sehen war der Tag in diesem berühmten Badeort: Villa, Bagni di Lucca; die Stimmen, die klangen gedämpft, aus allen Türen ein Flüstern; nur die Ursache der Heilwirkung war nirgends mit bloßem Auge zu erkennen: Das heilende Wasser strahlte radioaktiv.
Nach dem Besuch beim Arzt nahm die alte Bademeisterin mich und L. in Empfang, sie wies uns eine Kabine an und reichte jedem ein weißes Leintuch; immer diese weißen Leintücher, dachte ich, als Kinder spielten wir dieses Gespensterspiel mit ihnen, trugen in der Hand einen Kürbis, Kerze flackernd im Innern, als wär´s ein Kapellchen, das Mondsgesicht, gelb, hatte Augenschlitze, Mund, Nase, alles nur Schlitze, und sonst war er hohl, ein schweres rundes Ding, gerippt, eben die Wurzel, an einer Stange, hochgehalten, als wäre es ein Galgen, etwas geneigt, der Erde zu.
Ich hatte mich ausgezogen, und nackt, ging ich mit vorsichtigen Schritten in die Schwitzgrotte, saß nackt auf der Steinbank, vor mir zwei leere Höhlenaugen, sah das heiße Wasser in zwei Becken, es dampfte in leichten gekräuselten Säulen. Der Körper löste sich auf, ein Schneemann, der zerrinnt. In Strömen rann mir der Schweiß vom Körper. Regelmäßiges Tropfen von Wasser, und die Angst packte mich jetzt in der Schwitzgrotte: bist im Körper, in der Haut gefangen. Auch der Fels, sieh, ist in diesem Kalkstein gefangen, kleine Poren, da, auch Schwefelflecken, gelb...
Ich hörte die alte Bademeisterin mit brüchiger Stimme rufen, die Stimme kam von ganz weit her, ich stand langsam auf, spürte Schwindel, dann schwankte ich, mein Körper hinterließ eine Schweißspur, ich hatte das Leintuch um den Körper geschlungen, und ging mit tappenden Schritten, noch ganz benommen, barfuß über die nassen Holzlatten, darunter hart der heiße Stein; kam in den weißen Ruheraum, lag dann im Lehm, Lehmpackungen, radioaktiver Lehm. Anfangs ein wohliges Gefühl, Schlammpackung, mit der hier Heine versucht hatte, seine Syphilis zu kurieren, was mißlang. Wie auch Montaignes Kur hier mißlang, Montaigne war einige Jahrhunderte früher hier gewesen als Heine, und Montaigne starb unter Qualen an Blasensteinen.
 Die Temperatur 41 Grad auch damals, als verginge keine Zeit, als wären wir hier näher dem Innern der Erde, Schlammpackung wie hohes Fieber; Summen, sonst kein Laut; ich schwitzte wie als Kind im "Wickel"; vor mir das Fenster, von Dampf beschlagen; Dampfwolken, Wolken, Wasser; im Dampf ist das Fenster zart und weich; Wasser in den Augen, Tränen auf undurchdringlichem Glas. Draußen ein Strauch. Chlorophyll. Das Grüne lockt. Und hier meine Haut. Weich. Wie wir vergehen, hier in diesem Körper. Je müder ich bin, dachte ich in meiner Lehmpackung, umso stärker und näher sind die Toten, an die ich denke, sie brechen die Wand auf, die uns trennt, zurück geht's tief ins Vergangene ... 
Der Bademeister kam, und ich war froh, einen Menschen zu sehen, denn das Einsamkeitssummen war inzwischen unerträglich stark geworden.

                  Montaigne in Bagni

 Montaigne, wie er ausgesehen haben mag, wie  damals wohl ihre Kuren waren ... ihn auf einen Feder Strich zitieren?  Montaigne... Ja, man schrieb ja auch damals, genau wie heute ein Datum. Oder man sagte, welch schöner Tag, che bella giornata. Montaignes Ankunft hier in Bagni di Lucca ... das war, ja, das war  am 8. Mai 1581... Die Vergangenheit stirbt nie. Sie ist nicht einmal vergangen. Es war also Mai, als Michel de Montaigne, Landedelmann aus der Weingegend von Bordeaux, hierher in die Lucchesia kam, er war in einer von Pferden getragenen Sänfte  in Villa, dem Hauptort der Bäder von Lucca, angekommen, mehrere Diener ritten voraus. Der Herr Montaigne war ausgestiegen, neben der schaukelnden Sänfte hergegangen. Neugierige Frauen sahen aus den Fenstern; wie immer, die Vorhänge zurückgeschoben, so sahen sie hinab, sahen ihn, ohne daß er sie sah: Gemessen ging er, blieb stehen, sah sich  um. Auf dem Hauptplatz vor der Thermalquelle ließ er die Diener mit den Pferden warten und ging allein in eines der Gästehäuser. Er beherrschte das Italienische, beherrschte sogar das "passato remoto". In zehn Häuser ging er, begutachtete vor allem die Klos; er war Pragmatiker; und er war krank. Er hatte schreckliche Schmerzen gehabt, krank auf den Tod mit seinen Blasensteinen, infernalisch  beim Urinieren.
Nahm Quartier bei Paulino Cherubini, Capitano della Compagnia delle Ordinanze, eine angesehene Persönlichkeit; der Capitano hatte viel zu sagen, man befand sich schließlich im gefährlichen Grenzgebiet zum Todfeind Florenz.
Michel hatte Angst vor Stummheit im Schmerz bei den Koliken. Und wenn ich hier sterbe? dachte er: Ach was, laß uns bei den Freunden lieben und lachen, doch sterben und verwelken bei den Unbekannten, bei den Fremden im Ausland. Hier bin ich. Und ein Fremder. Doch kauf ich mich jetzt ein. Wenn man  zahlen kann, findet sich schon jemand, der uns den Kopf richtet und die Füße einreibt. Wenn ich zu wählen hätte, würde ich lieber zu Pferde als im Bett sterben. Lieber außerhalb des Hauses und weit weg von den Meinen; der Tod mitten unter Anverwandten ist wie ein Herzzerreißen der Dinge.
War er hierher gekommen, um zu sterben? Das nicht. Doch er  rechnete schon lange damit, und war dabei ruhig und gelassen. Er sah die Leute mit einer Schärfe von der Seite an, daß die meinen mußten, es sei Mißtrauen, gar Hohn;  sein Blick aber war nur prüfend; freilich, etwas zu lang.  Doch er nahm die Welt so in sich auf, wie sie auf ihn zukam, im gleichen Rhythmus. Und hier oben, wo die Weinberge bis zum Himmel hochsteigen, wie winkend hinein in die Bläue, also steil wie ein Gedanke, war die Zeit in der Natur  sichtbar  geworden, dachte er erstaunt. Auch dieses Haus des Capitano scheint ganz in der Natur aufzugehen, es atmet Ruhe. Und wie sagt Plotin noch: Zeit ist das Leben der Seele; hier hat jeder und jedes Ding Zeit.
Er mietete also  eine Wohnung bei Cherubini; er nahm einen großen Eßraum, drei Zimmer und eine Kammer für seine Diener. Im ganzen waren da acht Betten, zwei mit Baldachin. Für den Tisch gab es Salz und Servietten jeden Tag; das weiße Tischtuch wurde alle drei Tage gewechselt. Küchengeräte aus Eisen gehörten zum Inventar - so hielt er es nachher in seinem Tagebuch fest; Und alles für 11 Scudi, einige Soldi mehr als zehneinhalb Pistolen, dies war der Mietpreis für 15 Tage. Töpfe, Geschirr, Teller, alles aus Steingut,  die    kaufte er, ebenso Becher und Besteck. Fleisch gab es soviel man wollte, Kalbfleisch und Ziegenfleisch, doch sonst überhaupt nichts. Poco o nulla. Und den Einkauf  besorgte die Hausfrau. Etwa zwanzig Pistolen pro Kopf.
Kochen lassen konnte man in jedem Haus. Den Wein aber, sauer bei der Höhe, ließ er sich lieber aus Lucca und Pescia besorgen.
Er war allein,  um nachdenken zu können, aber auch weil er fast gierig aß. Jetzt ausgehungert von der Reisestrapaze. Doch freute er sich dabei über den wunderbaren Rundblick und das Rauschen der Lima im Tal. Nach dem Essen versuchte er den Tag zu beschreiben; doch wie immer hatte er an seiner Schrift wenig Vergnügen. Meine Hand, dachte er verärgert, ist so ungeschickt,  daß alles wie hingekrakelt aussieht. Gekrakel, Michel. Hast nachher Mühe, es wieder zu entziffern. Als hätte ich zwei linke Hände. Schon beim Schneiden der Feder kam er in heftige Erregung, weil das Spitzen wieder nicht gelang. Er warf das Schreibzeug zu Boden, doch es flatterte nur langsam in entgegengesetzter Richtung seiner Wut, die schneller war, und schlug auch nicht auf, er hätte es lieber knallen gehört.
Er überlas die Notizen vom Vortag aus Rom. Unleserliches überflog er... Hochamt, kleine Kapelle... Priesterornat... ein spiritato, trübsinnig der Besessene, er schauderte vor Kälte. Gebete... Beschwörungsformeln. Der Teufel sollte rausfahrn aus dem Leib. Doch der spuckte dem Priester ins Gesicht. Die Hostiendecke hatte der dann vor Schreck fallen lassen. In der    rechten Hand aber hielt er krampfhaft die Kerze.
Montaigne hatte hier furchtbar gelitten mit seinen Blasensteinen, starb bald darauf, das Bad hier hatte ihm nichts genützt, obwohl er jeden Morgen zum Bad ging, genau wie es in den Handschriften beschrieben wird: diszipliniert aus Kurgründen. Dort traf er meist den Bologneser Obersten Francesco Gambarini, im Ruhestand seit zwei Jahren; weißhaariger kann man nicht sein; und dann diese schöne Tochter. Sie wohnen vier Meilen von hier entfernt in Borgo a Mozzano. Als er im Dienst war, hatte er 16 Scudi Sold  im Monat. Aber er kommt aus einer reichen Familie, Gentiluomo, Passion fürs Kriegshandwerk. Hier befehligt er 200 Soldaten, alle aus dem Dorf, ebenso der Capitano und die Sergeanten, die genießen Immunität wie Diplomaten, dürfen nicht verhaftet werden.  Der Oberst muß von auswärts sein.
Vor zwei Jahren hatte Montaigne mal zugesehen bei einem kleinen Manöver. Sie kämpfen gut, verstehen was vom Soldatenhandwerk. Alle Achtung.
Montaigne und Gambarini grüßten sich.
Das Fräulein machte keinen Hofknicks, sondern eine Verbeugung wie Männer. So ist das üblich hier. Sie muß wohl sehr krank sein, sieht fast durchsichtig zart aus, das Gesicht wie man sagt: wächsern, Puppe. Montaigne war ihnen gut bekannt, war  in Borgo a Mozzano gewesen, sie haben eine schöne Wohnung, sogar mit Glasfenstern, eine Seltenheit hier, wo die Häuser  sonst nur Holzfenster haben, dachte er,. während der Colonello eifrig auf ihn einredete, dabei zuckte dessen Hand wie ein  Nervenblitz durch die Luft, als greife er nach etwas Unsichtbarem.
Dann kam auch Montaigne in den nassen Raum. Ein Nebenraum diente zum Auskleiden. Nackt standen die Männer unter der Brause; mehrere Röhren verteilten das heiße Wasser auf den Körper, vor allem    aber traf ein starker Strahl den Kopf, massierte und erwärmte ihn. Der Bologneser wirkte neben den beiden kleinen Gestalten wie ein Hüne, trotz seiner nervös zuckenden Hand strahlte er  Kraft aus. Die Intimität des Nackten empfand Gambarini als peinlich, er bewegte sich, als wären alle Blicke auf ihn  gerichtet und hielten ihn fest. Der Raum ist ja groß genug, dachte Montaigne, er ist fast halb so groß wie mein Salon bei Cherubini. Was ist das Anregendste hier bei der Kur? Doch nur die Gesellschaft.  Und während ihm das warme Wasser wohltuend den Kopf massierte, überlegte er, daß es wichtig sei, Heiterkeit an diese Orte mitzubringen, wo die Zeit sich dehnt und Langeweile aufkommen kann, genügend Heiterkeit, um die geselligen Vergnügungen  zu genießen, die Spaziergänge und Ausflüge. Ob in Frankreich, Banièrs, Plombièrs, in Deutschland Baden-Baden oder hier Villa, - alle diese Zerstreuungen nehmen ihn hinlänglich in Anspruch; für Melancholie, seinen Todfeind, ist kein Raum. Gesichter sehen, diese Reize, ein Liebes- Abenteuer zu erhoffen, das macht die eintönige Zeit im Badeort prickelnder. Und doch, zur Witwe Sercambi wird  er heute abend nicht gehen. Ich weiß, überlegt er, der Colonello kommt in diesem Nekromantischen Erzählkreis wieder mit seinen Geistergeschichten. Die schaurigste kenn ich,  die hat er mir schon in  seinem Haus erzählt. Beginnt mit einem Spruch: "Und nach drei Tagen/ wacht die Schöne wieder auf,/ öffnet, öffnet, lieber Vater mein,/ öffnet und zaudert nicht./ Drei Tage lag ich wie tot/ Zu retten meine Ehr." Auf dem Gesicht des großen und hageren Colonello liegt ein besonders weicher Zug, Unglück  zeichnet. Und seine Tochter, die schöne Emilia, etwa 25 Jahre alt, hat ein Wachsgesicht, ist zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe.

Am nächsten Morgen traf der Colonello seinen würdigen und verehrten Freund  Montaigne im Bad Bernabó, etwa drei Meilen Fußweg von Villa entfernt. Das Bad  hatte vor vielen Jahren ein Leprakranker entdeckt, so hieß es. Und  die Leute erzählen andauernd Gerüchte über dieses Bad; gestern sei ein reicher Gentiluomo aus Cremona hier gesehen worden, der wollte seine  Zwergwüchsigkeit heilen; auch von einer Himmelserscheinung redeten die Leute,  man habe eine Marienerscheinung in einer Grotte beobachten können.
Montaigne begutachtete das Bad. Die Quelle war nur von einem Dach bedeckt, ringsum Steinsitze, als wäre das Wasser, das da in einer Eisenrinne floß, heilig. "Sieh, die Rinne ist von unten schon stark verrostet", sagte Montaigne: "Die Kraft des Wassers ist enorm." Als wäre es ein Selbstgespräch, Montaigne beachtete Gambarini kaum;  dies Wasser, von dem er zu trinken begann, ein großes Wasserglas an den Lippen, war dem Körper näher, war also wirklicher für den Körperfanatiker als der Mann, der neben ihm stand. "Dieses Wasser ist etwas wärmer als das in Villa", sagte er. "Riecht´s nicht stärker nach Schwefel? Sieh, die Stelle, wo es in die Rinne fällt", und er tastete mit dem Zeigefinger die glitschige Stelle ab: "weiß, wie Asche."
Im Tal rauschte die Lima.
Montaigne  trank, goutierte, als wär´s der  köstlichste Wein. Denn er fühlte sich heute morgen nicht wohl. Er ging hinter die nächste Steineiche und pisste auf die rissige Rinde, ein Zug Ameisen ertrank im zischenden Strahl. Wenn die schreien könnten. Jetzt bin ich für sie der Herrgott. Die Farbe ist normal, gestern fast schwarz der Urin, dachte er, verzog schmerzhaft das fleischig runde Gesicht, winzige Steinbildungen traten aus. Das abgelassene Wasser war rot.
Ich hätte gern den Zwerg gesehen, dachte er: der aber kommt ausgerechnet heute nicht. Wir sind allein.
"Ob der Zwerg gestreckt werden kann", sagte er in die Stille und erschrak.
"Einige unerklärliche Heilungen sind nachgewiesen."
"Und die Erscheinungen?"
"Du meinst die der Maria von gestern?" (Er hat es also auch erfahren!) "Es ist der Mensch, der glaubt und betet", hörte er den andern sagen: "Es gibt eine Erregung der Sinne, und die Seele der Leute kann von einer religiösen Leidenschaft zum Glühen gebracht werden, die dann solche Wirkungen auslöst. Ich für meinen Teil, trachte auch nach nichts anderem, als etwas  hoffen und  wünschen zu können; es ist erbarmungswürdig, zum Wünschen zu matt und zu müde zu sein."

Er atmete schwer. Hatte zuletzt lauter und heftiger gesprochen, als müsse er etwas abwehren. Blieb stehn und schwieg. Sein kleiner Schatten zwischen den Bäumen, der stand nun im Staub der Straße. Ein Reiter kam im Galopp vorbei. Sie wichen ihm aus. Montaigne  hatte eine laute und eindringliche Stimme. Er wandte sich ab, sah in den Fluß. Es war ihm aufgefallen, daß ihn das Sprechen anstrengte und ebenso schadete wie irgendeine Ausschweifung. Aber er wollte sich nicht mäßigen. Die Lautstärke und der Tonfall der Stimme, dachte er, enthalten ja bereits etwas von Sinn und Bedeutung meiner Meinung. Est quaedam vox ad auditum accomodatat...
 Es ist viel versteckter Gram und eine große Beherrschung in dem starken Mann: "Und die Organe, die früher am tätigsten und die kräftigsten waren", sagt er, "die werden vertrocknen. Natur spritzte früher in die Zeit, so daß die Kinder eins nach dem andern kamen, in der Vollkraft meiner Jahre nahmen sie den ersten Platz ein, diese Organe werden nun am elendesten sein, sie entziehen uns Saft und Kraft und Lust am Leben: wer keiner Frau mehr nachschaut, der ist schon tot."
Sie gingen in Richtung Kapelle. Da sagte Montaigne: Niemals habe er einen Bauern aus seiner Nachbarschaft darüber nachdenken sehen, in welcher Haltung er die letzten Stunden seines Lebens bestehen würde; "er findet sich besser mit dem Tode ab, als der gelehrte Aristoteles. Wir quälen uns immer nur selbst, wenn wir der Natur vorgreifen. Nur gelehrte Pedanten lassen sich, auch wenn sie vollständig gesund sind, durch den Tod den Appetit verderben. Und was uns die Wissenschaften als höchsten Gewinn versprechen,  hat die Natur für sich, sie führt uns, ihre Schüler,  ganz ohne Zwang."
Er hat keine gute Meinung von den Frauen, keine von der großen Liebe. Montaigne hat nie eine große Liebe gehabt, dazu ist er zu nüchtern. Er läßt sich nie aus der Ruhe bringen in seiner  Selbstgerechtigkeit, der edle Egoist.
Man merkte es Montaigne an, daß ihm jetzt das Sprechen schwerfiel, er hatte Schmerzen; und es war ihm doch wichtig, den Schmerz in den Griff zu bekommen, indem er es sagte: "Ich bin im Kampf mit dieser Krankheit, aber dennoch ist es möglich, sich aufrecht zu halten, wenn man sich von der Todesfurcht befreit."
Er nahm Grausamkeiten hin, der berühmte Mann. Und war rücksichtslos offen. Und er schonte auch sich selbst nicht, wie der ein wenig schwerfällig, von Schmerzen Geplagte, von Zeit zu Zeit die Hand an die Seite legte, stehenblieb,  über sich selbst sprach, als spreche er über ein Experiment: er zum Beispiel, er selbst sei schamhaft-frech, sagte er, keusch-sinnlich, schwatzhaft-schweigsam, geistvoll-stumpf, und jetzt eben sehr müde. "Das alles bin ich und seh ich in mir, je nachdem wie ich mich drehe. Und eben sind´s die Nieren und die Blase vor allem. Man sieht´s ja an den Ärzten, was  für eine Scheinwissenschaft  die Wissenschaft der Doctoren ist. Da lese ich gerade ein Buch von Donati über dies Wasser von Villa "De aquis lucensibus, quae vulgo Vilenses appellantur", eben in Lucca erschienen, der schlägt vor, di pranzar poco e cenar molto, also wenig zu Mittag und  viel zu Abend zu essen, sein College Franciotti aber sagt in seinem "Tractatus" genau das Gegenteil. Die medizinische Kunst, ja, ist keine, die wissen nichts und widersprechen sich dauernd. Denn es  hilft da kein Buch, nur Erfahrung und Beobachtung; Nicolao, Sie irren, wenn Sie unbedingt ein festes und starkes Gefüge in uns Menschen sehen wollen."
Da er sich an Donati gehalten, "mi provoco il vomito anche in seguito." Und er habe große Bauchschmerzen gehabt, und damit dann stundenlang den Klorand gedrückt, oft scheißen müssen. Und drückte sich meist so offen und drastisch aus; wie sein Kollege Rabelais. Montaigne hatte auch jetzt große Schmerzen, eine einsetzende Kolik, der Blasengrieß. Daß nun das Steinleiden ein Glied befällt, mit dem wir am meisten gesündigt haben, scheint folgerichtig, dachte der Colonello: die Mitte, wo der Schmerz im Harnkanal brennt.
Sie waren inzwischen in Richtung Villa die Serpentinen hochgestiegen. Wie zärtlich dies Grün der Landschaft ist! Auch die eigene Natur bändigt man nur, wie ihre Schmerzen mit Sanftmut. Montaigne krümmte sich am Straßenrand. Schweißtropfen auf der hohen Stirn, unter den Krämpfen zuckte der ganze Körper wie bei der Fallsucht; unter den dünnen, wie mit Tusche gezogenen Brauen die halbgeschlossenen Lider, darunter quollen dicke Tränen hervor; er  übergab sich mehrmals. Grüne Galle und Erbrochenes lag im Staub der Straße wie eingepökelt. Andere fluchen wie Kutscher. Das verstärkt das innere Zerren. Wir müssen die Gesetze unseres Daseins sanftmütig ertragen,  dachte der Geplagte. Aber du stirbst ja nicht, weil du krank bist, du stirbst, weil du lebst. Wenigstens einmal im Monat berührt dich der Tod mit eiskalter Hand. Redete sich gut zu. Diese Anfälle passen zu meinem raschen und sprunghaften Temperament. Und jetzt ist´s ja wieder gut, ich nehme an, daß mich das heftige Erbrechen bei den Anfällen reinigt. Und daß die Natur in diesen Steinen alles Überflüssige und Schlechte sammelt. Der Anfall ist wie eine Medicin. Und stört nur dann, wenn es mir an Mut fehlt. Bei einem besonders schweren Anfall habe ich einmal zehn Stunden im Sattel ausgehalten. Man muß einfach die Schmerzen fortdenkend ertragen; eine andere Verhaltensregel gibt es nicht. Spielt, eßt, lauft, redet euch heiser, schlaft mit einer Frau, würde ich sagen, wenn ihr es könnt. Lacht auf. Und der Schmerz  hält eher wach.
Er schritt  schnell aus, seine kleine Gestalt lief durch den Staub. Er wollte den Colonello erreichen, da dessen übertrieben großes Barett mit dem Federbusch schon  gegen den Horizont wie ein Scherenschnitt zu erkennen war.
Sie waren inzwischen oben angekommen.
"Na, mein Freund, Ihr seht ja von weitem wie ein schwarzer Paradiesvogel aus", sagte Montaigne laut lachend.
Die Patienten mit Steinleiden hatten wie unter der Folter geschrien. Aber Montaigne hatte sich   vollkommen in der Hand. Und witzelte weiter. Er machte eine Pause, stützte sich auf einen Fels, indem er die beiden Hände nach hinten, die Handrücken ans Kreuz, die Handflächen an den Berg legte, als könne er so den Stein von seinem Körper fernhalten: "Die Attacken befallen mich so oft, daß ich gar nicht mehr weiß, was Gesundheit ist. Aber kein Schmerz kann so bitter und durchdringend sein, daß ein beherrschter Mensch darüber in Raserei und Verzweiflung geraten müßte."
Wenn man leben könnte, dachte der Colonello, so wie der Ruhige da, der die Dinge an sich herankommen ließ; der auch ohne alle Umstände  bekannte, daß er gerne auf alle tastenden Versuche verzichten würde, klare Entscheidungen zu fällen, denn seine Seele könne keinen festen Standort haben, und so bleibe er stets im Stadium des Lernens und Probens. Und jetzt sei er in großer Verlegenheit, sagte er: auf dem Wege über Rom habe er Briefe von einem gewissen Herrn M. Tausin erhalten, "die am 2. August in Bordeaux geschrieben worden sind". Seine Stimme klang, als habe er eine Todesnachricht erhalten: "Man teilt mir mit", sagte er, "daß ich  einstimmig zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt worden bin, und man fordert mich auf, dieses Amt aus Vaterlandsliebe anzunehmen. Das Schlimme aber ist, daß mir auch der König ein Schreiben hat zukommen lassen, und mich dringend bittet, nicht Nein zu sagen." Aber ich werde „Nein“ sagen.
Montaigne starb zwei Jahre später, im Jahre 1583.


                            Pisa. Turm und Tod


„Pisa orientierte sich bereits seit der Antike am Meer. Damals lag die Stadt noch an einem großen Lagunensee, der sich bis nach Livorno erstreckte. Kaiser Augustus ließ einen Flottenstützpunkt im Süden der Lagune errichten, den pontus pesanus. Die Stadt selbst gründete sich aus einer römischen Militärkolonie. Sie lag im Mündungsgebiet der beiden Ströme Arno und Serchio.
Pisa (lateinisch:Pisae) ist etruskisch für Mund. Die freie Entfaltung Pisas war durch den Zerfall des römischen Reiches begünstigt. Die übrigen tyrrhenischen Küstenstädte waren durch die Sarazeneneinfälle und Sumpffieber in ihrer Entwicklung immer wieder zurück geworfen. Pisa hingegen hatte die nötige Zeit um eine Flotte aufzubauen, um so Schiffe für die Kreuzzüge bereitzustellen. So vertrieben sie die Muselmanen aus Palermo im Jahre 1063. Ferner nahmen sie Sardinien und Reggio di Calabria im Jahre 1015, Karthago, Bona und die lysarischen Inseln in den Jahren 1030 bis 1035 in ihren Besitz. Letztlich konnten sie sich Handelsstützpunkte an der syrischen und kleinasiatischen Küste sichern. Aus dieser neu gewonnenen Machtposition heraus konnte Pisa zu einer internationalen und autonomen Stadt werden.
Zu dieser Zeit zählte Pisa zu den vier stärksten Seemächten der Apenninen-Halbinsel, neben Amalfi, Genua und Venedig.
In den folgenden Machtkämpfen zwischen Kaiser und Papst und dem zufolge auch zwischen Ghibellinen und Guelfen mußte Pisa eine klare Position einnehmen. Die Stadt stellte sich auf die Seite des Kaisers und der Ghibellinen. Zum stärksten Rivalen für Pisa wurde die Guelfen-Stadt Genua, die zu einer aufstrebenden See- macht wurde. Durch den Untergang der Staufer verschlechterte sich die Lage für die Ghibellinen-Städte.
Aufgrund dieser Ereignisse konnte Pisa seine Machtstellung als Seerepublik nicht behaupten.“ (Wikipedia)
Immer wenn wir mit unserem Segelboot am Meloria-Turm bei Livorno vorbeisegeln, das Wasser ist hier nur zwischen 3-6 m tief, man sieht die Felsen, muss ich an den Untergang Pisas denken.
Diese alte Seemacht unterlag in der Seeschlacht am Felsriff Meloria gegen Genua am 6.August 1284. So lang her also ihr Ende. Diese vernichtende Niederlage der pisanischen Seeflotte, bei der über 20.000 Pisaner ums Leben kamen, dies war der Ausgangspunkt für den Machtverlust Pisas. Von dieser Niederlage konnte sich die Stadt nie wieder ganz erholen und verlor ihre Seemachtstellung für immer.
Hier der Schiefe Turm, aber auch Dom und Baptisterium sind in jener grossen Zeit erbaut worden.
Die Piazza dei Cavalieri (zu deutsch Platz der Ritter) ist berühmt für ihre repräsentativen Bauten. Sie liegt in der Altstadt Pisas und bezeichnete früher den weltlichen Hauptplatz der Stadt Pisa. Die einflussreiche Familie Medici demonstrierte auf diesem Platz ihre Macht, doch das ist nicht die einzige Bedeutung des Platzes für die Geschichte dieser Stadt. Pisa verlor die Eigenständigkeit 1406 auf jenem Platz mit der Übergabe der Schlüssel der Stadt an Vertreter der größten Konkurrentin Florenz.
Der Palazzo dei Cavalieri wurde um 1560 von dem Architekten Giorgio Vasari erbaut, der den Auftrag von der florentinischen Familie Medici bekam. Die Piazza sollte neu und besser gestaltet werden. Der Palast erhielt eine kurvige, von Wappen geschmückte Fassade und eine von Statuen geschmückte Treppe. Der ehemalige Ältestenpalast, auch Palazzo della Carovana genannt, beherbergt heute eine Eliteuniversität, die eine Nachfahrin der von Napoleon gegründeten Scuola Normale Superiore ist.
Die, ebenfalls von Giorgio Vasari um 1567 erbaute, Kirche Santo Stefano dei Cavalieri ist für ihr imposantes Inneres bekannt. Arabische Schätze, ein Barockaltar und eine antike bemalte Holzdecke veredeln diese Kirche und erinnern an das große Ansehen der Piazza dei Cavalieri. Der tüchtige Architekt Vasari errichtete ebenfalls den bekannten Uhrenpalast Palazzo dell'Orologio. Er bezeichnete den Übergang von der Torre delle Sette Vie, einem Stadtgefängnis und der Torre della Fame, dem Hungerturm, der seinen Namen dem elend verhungerten Stadthauptmann Graf Ugolino della Gherardesca verdankt. Er wurde 1288 des Verrats angeklagt und mit seinen Kindern in diesen Turm gesperrt. Hinweise auf diesen Grafen finden sich in Dantes ,,Inferno". Letztendlich ist die Piazza dei Cavalieri einer der schönsten europäischen Plätze aus der Renaissance.
In der Stephanskirche beindruckt die Steinigung. Dieses Grauen. Und gleich vis a vs der Hungerturm. Ugolino della Gherardesca, ca. 1220 in Pisa; † März 1289 ebd.), also auf dem Höhepunkt von Pisas Seemacht. Ugolino war toskanischer Adliger sardischer Herkunft, Flottenbefehlshaber und als Oberhaupt der mächtigen Familie della Gherardesca einer der führenden Politiker der Stadtrepublik Pisa. Sein politischen Konkurrenten, des Erzbischofs Ruggieri,  brachte ihn ins Gefängnis, er wurde er schließlich zusammen mit zwei Söhnen und zwei Enkeln eingekerkert und dem Hungertod überlassen. In Dantes „Göttlicher Komödie“:
Doch obwohl Pisa eigentlich immer kaiserlich also ghibellinisch war, verbündete er sich mit den Guelfen. Schwankte hin und her. IN der entscheidenden Schlacht Meloria trug er zur Niederlage Pisas gegen Genua bei, indem er seine Schiffe zurückhielt. Dann weigerte er sich als Podesta Frieden mit Genua zu schliessen, da er Angst vor den heimkehrenden Ghibellinen hatte. begann er mit den von den Guelfen beherrschten Städten gegen das ghibellinische Pisa zu konspirieren. Schließlich griff er mit der Unterstützung Karls I. von Anjou seine Heimatstadt an und zwang sie zu einem erniedrigenden Friedensschluss, der seine Rehabilitierung und die der anderen exilierten Guelfen einschloss.
Als Verräter wurde er gerichtet. Auch Dante stuft ihn unter die Verräter ein
Ugolino wurde gefangengenommen und zusammen mit seinen Söhnen Gaddo und Uguccione und seinen Enkeln Nino (genannt il Brigata) und Anselmuccio in die „Muda“ geworfen, einen Turm, der der Familie Gualdini gehörte. Auf Anordnung des Erzbischofs, der sich in der Zwischenzeit selbst zum Podestà ausgerufen hatte, wurden die Schlüssel zum Gefängnis im März 1289 in den Arno geworfen und die Gefangenen dem Hungertod überlassen.
Ihre Leichen wurden im Kreuzgang der Kirche San Francesco begraben. Im Jahre 1902 wurden die Überreste exhumiert und in die Grabkapelle der Familie della Gherardesca überführt.
Obwohl schon Giovanni Villani und andere Schriftsteller die Geschichte Ugolinos erwähnen, beruht ihre Bekanntheit gänzlich auf Dantes Göttlicher Komödie, in der Ugolino und Ruggieri in das Eis des zweiten Rings (Antenora) des neunten und tiefsten Höllenkreises verbannt sind (Canto XXXII, 124-140 und XXXIII, 1-90).
Ugolino erscheint im Inferno als verdammte Seele, aber auch als rächender Dämon: Aus dem Eis des neunten Höllenkreises ragt nur sein Kopf heraus, der aus Rache ewig an dem Schädel des Erzbischofs Ruggieri nagt.
In Dantes ‘‘Göttlicher Komödie‘‘ wird die Szene wie folgt geschildert: (Karl Streckfuss)
„Du höre jetzt: Ich war Graf Ugolin, / Erzbischof Roger er, den ich zerbissen. / Nun horch, warum ich solch ein Nachbar bin. / Dass er die Freiheit tückisch mir entrissen, / Als er durch Arglist mein Vertrau’n betört, / Und mich getötet hat, das wirst du wissen. / [...] / Ein enges Loch in des Verlieses Mauer, / Durch mich benannt vom Hunger, wo gewiss / Man manchen noch verschließt zu bittrer Trauer, / [...] / Als ich erwacht’ im ersten Morgenrot, / Da jammerten, halb schlafend noch, die Meinen, / Die bei mir waren, und verlangten Brot. / [...] / Schon wachten sie, die Stunde naht’ heran, / Wo man uns sonst die Speise bracht’, und jeden / Weht’ ob des Traumes Unglücksahndung an. / Verriegeln hört’ ich unter mir den öden, / Grau’nvollen Turm – und ins Gesicht sah ich / Den Kindern allen, ohn’ ein Wort zu reden. / Ich weinte nicht. So starrt’ ich innerlich, / Sie weinten, und mein Anselmuccio fragte: / Du blickst so, – Vater! Ach, was hast du? Sprich! / Doch weint’ ich nicht, und diesen Tag lang sagte / Ich nichts und nichts die Nacht, bis abermal / Des Morgens Licht der Welt im Osten tagte. / Als in mein jammervoll Verlies sein Strahl / Ein wenig fiel, da schien es mir, ich fände / Auf vier Gesichtern mein’s und meine Qual. / Ich biss vor Jammer mich in beide Hände, / Und jene, wähnend, dass ich es aus Gier / Nach Speise tat’, erhoben sich behende / Und schrien: Iss uns, und minder leiden wir! / Wie wir von dir die arme Hüll’ erhalten, / Oh, so entkleid’ uns, Vater, auch von ihr. / Da sucht’ ich ihrethalb mich still zu halten; / Stumm blieben wir den Tag, den andern noch. / Und du, o Erde, konntest dich nicht spalten? / Als wir den vierten Tag erreicht, da kroch / Mein Gaddo zu mir hin mit leisem Flehen: / Was hilfst du nicht? Mein Vater, hilf mir doch! / Dort starb er – und so hab’ ich sie gesehen, / Wie du mich siehst, am fünften, sechsten Tag, / Jetzt den, jetzt den hinsinken und vergehen. / Schon blind, tappt’ ich dahin, wo jeder lag, / Rief sie drei Tage, seit ihr Blick gebrochen, / Bis Hunger tat, was Kummer nicht vermag.“ (Inf. XXXIII, 13-18; 37-39;43-75)[1]
31.Juli 92. Ich stehe in Pisa auf der Piazza dei Cavalieri vor der Scuola Normale, im Rücken der Hungerturm des Grafen Ugolino, Hungertod, damals fast "privat"; kein Grauen mehr, wir sind "abgehärtet", die alte Bestialität, an die die Militärkirche Santo Stefano mit Galeeren (hier nun schon als "Kultur"  erinnert), ist wie ein grausames Märchen; in Bosnien  werden Kinder lebend ins Feuer der  wiedererstandenen Öfen  geworfen.
Mittagessen im Restaurant "La Grotta" mit Mario Pezzella, Hochschullehrer  an der Scuola Normale. Unser Gespräch dreht sich um die neuen Terroranschläge. Die Mafia und - die Schulkinder sind aktiv. Einem Afrikaner wurde unter einer römischen Brücke von Halbwüchsigen die Haut abgezogen. Pezzella erzählt, dass bei seinen Studenten die  Ausdrucksfähigkeit, ja die Worte für Dinge fehlen, die sie fühlen. Wortmarken werden hin- und her geschoben. In Deutschland heißt das: Super. Total gut. Oder: Scheiße. Spracharmut aus Mangel an Gemeinschaftsformen des Zusammenlebens. Es ist nirgends so schlimm, wie in den Familien, wo oft die einzige Verbindung zwischen den Eltern und Jugendlichen das Spickbrett in der Küche ist. Was außen geschieht, wird gekonnt formuliert, aber für "Zustände", Erregungen, persönliche Wahrnehmungen gibt es keine Sprache mehr.Rasch auftauchende und wieder verschwindende Reflexe,Gefühle, Weltfetzen, die sich nicht binden. Daher kann heute auch niemand mehr erzählen, wie noch unsere Eltern und Großeltern.
Wir sprechen darüber, dass heute nichts mehr "wirklich" ist, alles nur Vorführung, Theater, die Welt ein Gespensterwerk.  So dringen Film, Elektronenmikroskop, Teilchenbeschleuniger, Formeln der Quantenphysik viel exakter in Bereiche ein, wo früher nur die topoi der SCHRIFT, die Änigmen des verhüllten Offenbarens von göttlich Abgründigem berührten, damit auch Fülle. Heute stellt die arme Künstlichkeit  auch die Alltagswelt her: Verkehr, im Wohnzimmer elektronische Haustiere,  im Büro der Computer, dann der Fernsehabend. Im Körper neue Genvorgänge, in der Liebe Aids. "Draußen" AKW, Raketenkriege, Satelliten.  Aber in der Familie, in der Politik, im sozialen Leben, in der Wirtschaft, und im  Wissenschaftsbetrieb wird immer noch so gehandelt und geredet, als lebten wir noch in der Körperwelt des vorigen Jahrhunderts.


Der schiefe Turm

"Dieser Turm ist die Seele der Stadt", sagt der Historiker Rodolfo Bernardini. Einst habe er für die Seemacht Pisa einen imperialen Traum verkörpert.
Doch die Neigung wurde so gefährlich, dass der Turm  in den neunziger Jahren gesperrt werden musste.
Mit Metallringen um den Turm, tonnenschweren Gegengewichten aus Blei und schließlich Bodenabsenkungen an der Nordseite erzielten die Experten erste Erfolge, die gefährliche Neigung zu begradigen. Das Monument richtete sich zunächst um 4,1 Zentimeter auf. Jetzt soll über 41 Bohrkanäle an der Nordseite weiteres Erdreich abgetragen werden.
Allerdings neigt sich der berühmteste Turm Italiens, seit es ihn gibt. Schon 1174, ein Jahr nach Baubeginn, sackte er unter dem Gewicht des ersten Stockwerks ab. Um die Schräglage zu korrigieren, bauten die Architekten den Turm damals senkrecht weiter. Er ist daher in sich krumm.


Heute also in Pisa, als ich da am Palazzo Lanfranchi vorbeiging, musste ich wieder an Shelley denken. Und daran, dass seine Segelfahrt von Lerici nach Livorno, von dort nach Pisa, seine letzte gewesen war. Ich wusste, es war auch der letzte Brief an Mary, seine Frau. In diesem Brief schrieb Shelley von Pisa aus an Mary, er könne sich nicht freimachen, Williams käme allein mit dem Boot nach Lerici zurück. Doch am 7. Juli machte er sich dann doch frei. Und das war fatal. Wo saß er als er dieses schrieb, in der Villa? Im Palazzo Lanfranchi? Und wenn wir jetzt  zum Campo Santo gehe, ist es so, als sähe ich am besten mit seinen Augen. Denn nichts, Nichts hat sich verändert seither hier auf der Pizza dei Miracoli, auch nicht der Schiefe Turm, es sei denn, dass die Architekten es tatsächlich geschafft hatten, mit einer Unterschürfung an der Nordseite, die 4,5 Meter der Schieflage um 44cm zu verringern. Ging also Shelley an jenem 7. Juli 1821, wie er schrieb, zum Campo Santo am Dom, sah wie wir jetzt die Sarkophage, etruskische und römische an, und vor allem jene Urne, die der griechischen seines toten Freundes Keats ähnelte. Und wie jetzt war da ja auch Pan zu sehn, der lüsterne Erdgott der Mittagsstunde, wenn alles sirrte und flimmerte, heiße Luft, wie eine Grenze des Lichts, das sich in Wohlgefallen aufzulösen schien ... Einsame Gedanken, die sich dem Begriff auch heute entziehen, Grenzen des Himmels; nackt bleibt dabei und öde das Hirn. Hier war das Meer einmal Eins mit der Urne, die Form, Firmament, das sich in den Wellen spiegelte, dies ist das Element, das er mag, das dazwischen liegt. Er, ein unbekanntes Wesen, das hier erkennbar wird in der langsamsten Zeit, zögert dort am Dom in der Mittagsglut, dass es fast stehen bleibt, als wüsste er schon, ahnte er seinen nahen Tod im Meer. .
Von hier schrieb er also an Mary einen Brief, den er aber nie  abgeschickt hat; denn er schrieb ihn an Niemanden; und er wußte schon, dass noch nichts ist, bevor wir es nicht schreibend wirklich gesehen haben, denn Vorgänge werden erst zur Geschichte und erkennbar im sekundären Akt der Wahrnehmung. Und die Augenblicke lassen sich in den Ablauf der Gedanken nicht einbringen, entweder du lebst oder du schreibst. Eines aber, so sagte er oft, ist möglich: das Boot, als wäre es das Gefäß der individuellen Gedanken, in der Steuermannskunst aber bist du eins mit den Elementen, See und Wind, die Bewegung des Steuers steht im Zusammenhang mit den elementaren Bewegungen des Gefühls. Es sei die alte Steuermannskunst, von der schon Platon gesprochen hatte, höchste Form der Selbstbewegung. (Ich sehe einen Wagen gleich dem Boot/ Das sichelschmal des Mondes Vater trägt.) Waren sie deshalb erst   nachmittags aus Livorno abgesegelt, um nachts anzukommen. Die Pausen sind dann äolisch gefüllt mit Zwischentönen. Und so war es auch am 8. Juli: Berge und Wälder waren am Ufer zu sehen, durch jenen luftigen Schleier erschienen sie wie im Spiegel eines Zauberers. Wolken sind seine Räder, blau und golden, wie jene, die die Geister des Gewitters auf des erleuchteten Meeres Fläche türmten: Such as the genii of the thunderstorm, schrieb er: Wenn Sonne in sie fährt; sie rollen und bewegen sich, als wäre ein Wind in ihnen; darin sitzt ein geflügeltes Kind, das Antlitz wie die Weiße allerhellsten Schnees, die Federn wie sonnige Frost-Kristalle. Es ist wie das Unbetretene, die Reinheit, die sonst nur besudelt wird, herabgezogen in den Dreck von dem Mob und den Reichen. Im Gewitter aber geschieht die Transformation, der Grund wird erkennbar. Der Vorschein wird durchstoßen, und durch den Körper fließen Licht  und Musik - wie durch leeren Raum:    Zehntausend Kreise wie Atome ineinander in sich selbst verschlungen, Sphäre in Sphäre; jeden ZWISCHENRAUM bevölkern unvorstellbare Gestalten, durchsichtig füreinander, wie sie Geister in dunklen Tiefen träumen; und sie wirbeln auf tausend unsichtbaren Achsen kreisend in tausenderlei Bewegung durcheinander; mit Gewalt mörderischer Schnelligkeit gemessen, langsam kraftvoll, drehen sie sich entzündend mit vielfach gemischten Tönen, wilde Musik und verständliche Worte ...   im Innern der Kreise ist einer, der sprüht, der spricht im Traum des rasenden innern Lichts von einer fernen Liebe, die erscheint, wenn alles, was nur Vorschein war, uns täuscht, gelöscht ist und verschwunden im Weiß der Schnelligkeit, du absinkst erst im Hirn bewusstlos, dann im Schlaf der Erde eine Lücke findest, um hinüber zu der Wirklichkeit des Potentiellen zu kommen, in einen Raum, wo du das bist, was kurz im Blitzen deines Gedankens glückt als "fading coal"; der Körper    aber trennt, grenzt nie an die Berührung der Imagination. Man spürt sie in dem weißen Kind des Sturmes, der Bogen seiner Bahn ist die Stirn, dort blitzen blaue Feuer, die den Abgrund füllen. Und dann der Gott, der rief: Seid nicht! Und sie so nicht mehr waren, wie meine Worte.


Was wusste er von Galileo Galilei und seinen Fallgesetzen, Galilei, der ja diesen Gedanken so nah war. Und von dem die Legende überliefert ist, er habe diese Gesetze auch vom Turm aus überprüft, nämlich, dass alle Gegenstände, egal ob Stein oder Feder alle gleich schnell fallen, der Fall also keineswegs mit dem äußeren Gewicht, mit dem An- und Augenschein zu tun hat. Er selbst beschreibt sein Experiment mit einem zur schiefen Ebene geneigten Brett, einer Rinne, in der eine Metallkugel abwärts rollte, da es noch keine genauen Uhren gab, maß er die Zeit der Beschleunigung mit seinem Puls oder mit einer Wasseruhr.  Wichtig war, dass er vom Augenschein und vom praktischen Experiment abstrahieren konnte, er sich VORSTELLTE, dass ohne jeden Widerstand, also im Vakuum ein Körper in Bewegung nicht mehr aufzuhalten war. (Und ich hör die Stimme meines Physiklehrers Roth, der „Physi“ hieß, schnarrend: Ein Körper, der in Bewegung ist, der will in Bewegung bleiben. Ein Körper der in Ruhe ist, der will in Ruhe bleiben.“ Das Trägheitsgesetz. Das aber ist unmöglich in unserem irdischen Erfahrungsraum. Für ihn konnte Galilei die irdischen Abweichungen berechnen, Analyse der Kräfte der Reibung, des Auftriebs, etc.. mathematisch berechnen. Dazu diente ihm, wie Kepler, sein Zeitgenosse, ein wunderbares geistiges Argument, dass es zwei Bücher Gottes gebe, die Bibel, das Buch der Erlösung, und das Buch der Natur, das in der Sprache der Mathematik und Geometrie geschrieben sei. Das Experiment diente ihm nur zum Erzeugen von Phänomenen, die man normalerweise nicht sieht. Kepler hat das in seiner „Welt-Harmonik“ noch schärfer und schöner durchdacht. Gott habe die Welt geschaffen gemäß seinen Schöpfungsgedanken, Zahl und Figur für uns, Proportionen also. (Die übrigens in der hebräischen Bibel ebenfalls eine große Rolle spielen, denn jeder Buchstabe ist gleichzeitig auch Zahl. Und eine Art qualitative Mathematik. Die ungeheuer und enorm sinnreich ist im Hebräischen. In der Übersetzung geht das alles verloren! So etwa im Wort „Gott“ Jahweh.  Ohne Vokale geschrieen JHWH=  J(10)H(5) W(6) H(5), das potenzierte Eine (10) wird durch die Trennung zwei mal 5 (W bedeutet „und“  oder Mensch)  Erbsünde: durch Mann und Weib gespalten.
Und nach Kepler vollzieht der Mensch als Ebenbild Gottes durch Mathematik die Schöpfung, also die Gedanken Gottes nach, die in ihm wirken!. Das ist freilich von Platons  „Mimesis“ abgeleitet: des alten Begriffes "Mimesis", was keineswegs Realitätsspiegelung heißt, sondern Sichineinssetzen mit der "Ebenbildlichkeit", die "Apriorität des Individuellen"  zu entdecken (Omoisis to theo,  bei Platon: Angleichung an das Göttliche im Menschen. Dazu gehört, den Schein, das sogenannte "Wirkliche", die Hülle zu zerbrechen, zu entlarven; in der Moderne mit sprachlichen Mitteln; meta-phérein -Metapher-  heißt ja hinüber-tragen, anderswohin tragen.)  Und da wären wir wieder bei Shelley. Doch auch zum Geheimnisvollsten, nämlich der Schwerkarft, aber auch der geistigen Schwerkraft des Herzens, die Zeit und Raum und auch jede nur angelernte vernünftelnde Logik aufhebt. Wir spüten diese Umkehrungn sogar körperlich wenn wir im Turm selbst sind, beim hinauf gehen meinen hinab zu gehen du umgekehrt, alles wird ach im Gleichgewichtssinn schon auf den Kopf gestellt, jenen andern Kopf der Schöpfungsgedanken nämlich.


IN PISA  maß Galilei die Unzeit
ich seh hinauf Blau jener Fall
die Wolken ziehen weiter
der Turm fällt um.
Von unten gehst du hoch
warum/ du meinst hinab
zu gehen im Kopf
die Sprachen fallen
aus.
Kein Stil in einem Zentrum mehr
die Galerien gestaut
die Zeit/ im Bild siehst du dich klein
als wärst du nicht mehr drin
wie auch/ sowohl im Vers gefügt
als läs ich ihn verkehrt
im Gras dort auf der Wiese
Angst, so kehr ihn um
im Kopf schaff ich ein wenig Platz
da steht der Turm und trägt das Blau
den Himmel schon
im Substantiv davon.


Aber wir sprachen natürlich auch über Newton, der  ja in seiner Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (1686) das Gesetz der Schwerkraft ableitet. Er vereinte damit die Forschungen Galileo Galileis zur Beschleunigung und Johannes Keplers zu den Planetenbewegungen (Keplerschen Gesetze) zu einer einheitlichen Theorie der Gravitation und legte die Grundsteine der klassischen Mechanik, indem er die drei Grundgesetze der Bewegung formulierte
Dabei ist besonders wichtig di Gravitations-Naturkonstante G.


Doch auch hier gibt es eine Legende: Im Jahre 1666 Sir Isaac Newton unter einem Apfelbaum geschlafen haben Er hatte zuvor darüber nachgedacht, was den Mond wohl in seiner Bahn hält. Plötzlich fiel ihm ein Apfel auf den Kopf, und da begriff er: Die gleiche Kraft, die den Apfel zur Erde fallen lässt, hält auch den Mond in seiner Bahn. Das ist die sogenannte Erdanziehungskraft. ER hatte schon 1666 seine Formeln aufgeschrieben.
Und ich las dann Gedicht, erzählt ihr auch, dass sich seine Formeln  zuerst als falsch erwiesen, erst 10 Jahre später, als neue Fernrohre eine genauere Bestimmung der Distanz Erde Mond möglich machten, waren sie genau richtig.  Sein Intuition, apriorisch und außerhalb der Erfahrung. Jenes ebenbildliche Schöpfungswissen, von dem Kepler und Platon und Kepler gesprochen hatten, gaben ihm die richtige Formel ein. Heidegger hat dieses in seinem Kantbuch „Di Frage nach dem Ding“ zitiert, um seine apriorische Erkenntnistheorie zu unterbauen.

Wenn man in Märchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis

WO ICH HINABSCHAU - mein Gewicht
einst wars der Apfel/ fiel
in das Gesetz; und ohne Namen kommst du
nicht davon/ am Campo Santo hockt das Eine
mit Falken und mit Tauben: du bist im Bild
der Flügel in der Farbe rauscht
der Engel blättert ab als wäre alles aus-
gestanden/ Augäpfel lesen  weiß verkehrt
die Seite ist schon umgeschlagen.
MANCHMAL noch um-
gelegt der alte Turm
Kopfgewächse aus Silben
und Worten kehren
eine Welt um
mit List.


Ja, es war Zeit zum Campo Santo zu gehen, der ja gleich nebenan lag, dieses lang gestreckte Gebäude. „Campo Santo Monumentale“, und es beeindruckt freilich auch heute noch, dass der Überlieferung nach, alle lesen das heute: 1203 Der Erzbischof Ubaldo de´Lanfranchi von der Kreuzfahrt damals in der Hohen Zeit der Seemacht Pisa  Erde in Säcken aus dem Garten Gethsemane im Heiligen Land mitgebracht habe. Und der Campo Santo, der freilich erst  siebzig Jahre später,1278 von Giovanni di Simone gebaut wurde.  erst 1358 wurde er fertig gestellt, soll diese Erde enthalten.


Wir sehen da vor uns einen lang gestreckten Kreuzgang mit Rundbogenarkaden, er umschließt rechteckig einen grünen Innenhof. Rasen, Zypressen, also Leben symbolisierend, ein starker Kontrast zur Todesatmosphäre auch der Fresken, vor allem zum „Triumph des Todes“, vor dem wir dann lange stehen… Es war ja ein ganz normaler Friedhof in jener alten Seemacht-Zeit, und spätantike Sarkophage umgeben uns, sie standen zuerst draußen vor dem Dom auf der Piazza die Miracoli.
Auffällt, dass wie Wüstenkarten sonderbar nackt geformt unterbrechen die Fresken aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Auch diese Wüsten sind ein Kriegsverbrechen. Alierte Bomber warfen ihre tödliche Last am 27. Juli 44 ausgerechnet auf diesen Kunstplatz, der zum Kulturerbe der Menschheit gehört. Das Bleidach schmolz und das flüssige Blei rann über die Freken, zerstörte sie. Schon bald wurde mit der Restaurierung begonnen. Einmalig die Methode, die Fresken wurden behutsam losgelöst und auf speziell entwickelte Eternitplatten mit Holzrahmen aufgezogen. Und Glück im Unglück: beim Loslösen kamen   rote Vorzeichnungen („sinopia“) von hohem künstlerischem Wert  zum Vorschein, sozusagen sichtbar gewordene Inspiration der Künstler, Ideen dem Kopf entsprungen und festgehalten als Urentwurf für die Fresken, die oft dann von Schülern oder Mitarbeitern ausgeführt wurden.


Das Fresko muss im Zusammenhang mit der großen Pest 1350 und den mittelalterlichen Totentänzen gesehen werden:  Und ich denke dabei auch an die Totentänze von Florenz (Santa Croce), und Basel (Predigerkirche).Und ich muss dabei auch an die heute Transkommunikation denken, als wäre sie ein Wideraufleben er alten „Totengespräche“ und Totentänze. Die Legende von den drei Lebenden und den drei Toten der Dialog von Lebenden und Toten, wobei die Toten die Lebenden warnen! Damals hieß es „gottgefällig“ zu leben, um der Strafe des Jüngsten Gerichts zu entgehen. Was ja im tiefsten Grunde richtig ist, wenn wir auf die neuern Forschungen des Nahtodes im klinischen Bereich und der Tonbandstimmenforschung eingehen. Aber auch sonst alter parapsychologischer Dokumente, die zum Teil in Emil Matthisens dreibändigem Werk „Das persönliche Überleben des Todes“ festgehalten sind: und wo das Leben als Vorbereitung, um die besseren Schwingungsebenen durch Reife zu erreichen, weil nach dem Tode Schwingungsgemeinschaften hierarchisch geordnet, diesen Zustand spiegeln. In der Literatur seit Dante gibt es viele Intuitionen dazu. Am schönsten vielleicht bei Novalis und Rilke:

Zitat


Aber auch das memento mori, der  großn Pest 1347-53, der Verweis auf die Vergänglichkeit des Lebens, auf die Nichtigkeiten  materieller und ideeller irdischer Güter., die wir auch in den „Trionfi“ von Petrarca finden, wo die Liebe zu Laura den Tod überwindet: Der Tod ist Nichts als Übergang, die eigentliche Angst auf dem Totenbett ist im Gegensatz zu uns, nicht das Sterben, sondern die Angst dem Danach nicht gewachsen zu sein.  Dem Gericht also. „Den Gerechten aber – und wegen ihrer Keuschheit gehört Laura zu ihnen – ist der frühe Tod deshalb recht. Rasche Verwesung bedeutet schnelle Trennung des Fleischs von den Knochen, ist Erleichterung der Seele, die vom Körper nur beschwert ist.“ Und bei Boccacio kommt der Glaubensverlust durch das Grauen im „Decamerone“ am stärksten zum Vorschein: Florenz, Santa Maria Novella, ist der Zufluchtsort von junge Männer und Frauen ungestört miteinander reden können. Draußen auf dem Lande suchen die zehn nur den angenehmen Ort, den „locus amoenus“ Liebes-Idylle angesichts des Grauens. Ihre Geschichten aber sind voller Lieb, mehr Erotik, ja Pornographie. Überwindung des Todes und ihrer Welt, die von der Epidemie erschüttert wird. Dieser Schwarze Tod mit Schreienden, dem Verwesungsgestank, dem Grauen beim Schwarzen Tod, ließ sich wie etwa heute Kriege, KZ schwer wiedergeben, besser in Sprache.
Buffalmacco: Die drei Lebenden und die drei Toten, Pisa, Camposanto. „Nachdem man lange zweifelte, wer für die Fresken in Pisa verantwortlich war, hat sich heute eine Meinung durchgesetzt, die sie auf überraschende Weise mit dem Dekameron des Boccaccio verbindet: Kein anderer als der in den Novellen zitierte florentinische Maler Buffalmacco wird in Anspruch genommen. Boccaccio schildert ihn als gescheiten, oft hinterhältigen Schalk, der seine dummen Mitbürger auf den Arm nimmt. Geschichten von ihm erzählt man sich schon in jenen Wochen, da die Pest wütet, also 1348; sein Werk ist Geschichte wie das des Giotto di Bondone (1267-1337). Mithin entstanden die Grundlagen für die Todesmeditation, auf die der Schwarze Tod in Italien stößt, nicht durch das reale Ereignis angeregt, sondern als Ausdrucksformen der direkt vorausgehenden Generation.“ (Eberhard König, FU, Berlin)
Hinzu kommen Antike und arabische Legenden im ikonographischen Programm des Mittelalters, etwa die Legende von der Freundschaftsprobe und  von Barlaam und Josaphat.
[...] Doch zum „Triumph des Todes“ in der Nordhalle! (Buffalmacco?) 1360, also 7 Jahre nach der Pest.  Es konnte fast ganz gerettet werden. Die Vorzeichnung , mit drei Hauptszenen sehr sinnreich: Unten links: Reiter und drei Damen weichen erschrocken vor  drei offenen Särgen zurück. Oben: Szenen aus dem Eremitenleben:  in der Mitte: die Unglücklichen rufen nach dem Tode;  unten rechts: zeigt den Tod, wie er’s ich auf jene stürzt, die das Leben lieben und weiter leben wollen. Wichtig, die Szene des Konzertes.
Es ist durch die vielen Jahre, auch weil die Fresken ja im Freien standen, die Farbe wie zerbröselt, und die Konturen unscharf. Aber es ist genau zu erkennen, dass es sich um einen Kampf der Engel und Dämonen im Zwischenreich handelt, um die Armen Seelen, die dieses Zwischenreich durchqueren müssen. Auch das ist n er Parapsychologie bekannt, in den Nahtoderlebnissen von Patienten geschildert worden. Und dazu , was heute genau so gilt, das unverantwortliche Erdenleben der meisten, auch meines freilich. Diese Trägheit, dieses In den Tag hinein leben mit banalem Zeug. So hier, wie im Memento mori  berittene Damen und Herren, die zur Jagd reiten, um sich zu vergnügen, plötzlich auf drei offene Särge mit Toten stoßen, die ihre eigenen sein könnten, und Entsetzen zeigen. Der Mönch Macarios an der Treppe zum Einsiedler, versucht sie zu warnen. Ähnlich in der rechten Ecke, wo  zehn junge Leute, wie im Decamerone übrigens, zusammen sitzen, idyllisch sich vergnügen, Laute und Wein, Tanz und Liebe, und genau darüber die Maske des Todes und Szenen von Armen Seelen, die von Dämonen in die Hölle geführt werden, nicht sehen.  Es ist der „Tag des Zornes“. Aus den Mündern der Verstorbenen kommen die Armen Seelen, als Kinder dargestellt. Alles ist umgeben auch von Totenvögeln und Fledermäusen. Nur der Eremit in der oberen rechten Ecke, scheint unberührt von allem.

Tod also zentral. Ich fand ein Gedicht von mir:

GRAU kommt
ganz nah/ an meinem Haar entlang der Tod.
Aus einer Ferne,/ die ich so nicht kannte.
Nun ist er fühlbar da/ und wirft schon Schattenringe.
Und kehrt mir meine Zeit,/ die ich hier lebte um.

Er kommt von vorn,/ aus dem, was bisher gar nicht war,
schon auf mich zu,/ und doch/ scheint es als sei es längst vergangen.

Jetzt stehst du vor mir,/ dein Gesicht ist blass.
Du hast dich abgewandt,/ dein Mund scheint blau.
Und das V ertraute kann nicht singen.

Schau, -  alles was noch einmal kommen wird, / ist für mich
so,
als ob es längst verging.

Auf dieser blassen Grenze,/ die jetzt deutlich wird,
steht einer,/ der mich in die Lehre nimmt.
Der den Verstand ver-rückt, die Worte - / weit hinter sich zurücklässt,
jetzt, -/ bevor der Aufstieg in das Eis beginnt.

Klammer dazu:


Das "Totengespräch", wie es Celan oder  auch Heiner Müller sahen - erscheint so als zeitgemäßes literarisches, vielleicht heute als wichtigstes Genre.  Es ist eine Wiederkehr des verdrängten Todes, die Kommunikation mit dem Undenkbaren, dem "exzentrischen" Bereich der Toten. Kommunikation über jene ganz anderen  Medien, als die von uns gewohnten. Aber auch, und das ist das frappierend Neue: über unsere; in diese Grenzsphäre hineinreichende Geräte ( Tonband, Fernsehen, Computer); sie ermöglichen das Undenkbare, die äußerst schwierige  Kommunikation mit einem anderen "Zeitfeld", nämlich  mit den sogenannten "Toten", die sich dagegen wehren, nur als verwesende Materie angesehen zu werden. Es klingt, wie Science-fiction: die Toten  bezeugen, dass es den Tod nicht gibt. Sie zeigen aber ebenfalls, dass wir uns kein Bild von jener  fremden Sphäre machen dürfen -  und es auch nicht können.  Das Geheimnis, das Verborgene muß gewahrt werden, es schützt sich aber schon durch seine sprachentzogene Unerklärlichkeit selbst vor dem zweckrationalen Zugriff dieser Zivilisation. Der  skeptische Physiker  Prof. H. S. meint, dass es bei diesen merkwürdigen "Durchsagen" schwierig sei, zu unterscheiden, welche dieser Entitäten "echt -autonom" und welche "hausgemachte Projektionen" sind, wobei es auch hier, wie beim Cyberspace, zu Wirklichkeit gewordene Virtualitäten sein könnten, dass es um höchst unheimlich "realisierbare Wahrscheinlichkeiten" von "Toten" geht:  "Aber das Ganze zeigt sich zu komplex und zu kompliziert, als dass wir unsere Vorstellungen berechtigterweise übertragen dürften". Bild- und Sprachverbot?   Aber diese Art zu denken ist tabuisiert, mit Vergessen geschlagen. Muss der Verdrängung des Unvorstellbaren mit absurden INVERSIONEN geantwortet werden, mit Para- und Hypotaxen? ( Wahrheit sei,  heißt es bei Celan, wenn das "größte der Schlachtschiffe an der Stirn eines Ertrunkenen zerschellt!") Und der Zweifel ist quälend, ob es nicht nur Annäherungen am Blindenstock der Feder sind!
Die Geschichte ist zum Gespensterreich geworden - und wir, die Nachgeborenen, sind im späten Nachher ihre Phantome. Die Metapher ist ein vielleicht antiquiertes Sprungbrett, dahin zu kommen, wo wir uns jetzt schon befinden, hinüberzukommen in den historischen Nullbereich, wo womöglich eine Tür wartet.
  Rudolf Otto meint, es gäbe "synthetische wesentliche Prädikate" mit denen das, was er dann das "Numinose" nannte, das Schrecken (tremendum) einjagt, doch noch umschrieben werden könnte; diese "Prädikate" könnten nur verstanden werden, "wenn sie einem Gegenstand als ihrem Träger beigelegt  werden, der selber in ihnen noch nicht mit erkannt ist, auch nicht in ihnen erkannt werden kann, sondern der auf andere Weise erkannt werden muß."
 Erstaunlich ist, dass heute einiges bisher nur Gedachte oder in der Literatur, vor allem in der Science-fiction, Vorweggenommene aufs Unheimliche und Paradoxeste real zu werden scheint; dass auch die jahrtausendealte Tradition wieder einströmt,  wie im Traum stößt bei dieser Öffnung dem Subjekt das Gewesene zu, es wird wie frische Erlebnisse aufgenommen, und so Verdrängung schmerzlich aufgehoben, es entsteht nämlich "das umgekehrte Verhältnis zwischen realem Erlebnis und Erinnerung" (Freud),  nachdem  das Brett vor dem Kopf, diese Wand der Ideologien gefallen ist,  Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit sich auf das Schönste - und auf das Gefährlichste treffen, seither bedeuten auch einige der alten , "abgelegten", ja, sogar verfemte Gefühle und Bücher wieder etwas;  erstaunlich ist  auch: vieles bisher Abgelehnte, Verdrängte, Diskriminierte und sauber mit der Vernunft der Bilder und Begriffe "Eingeordnete"  kehrt wieder;  oft eine Wiederkehr, die  Grauen auslöst; denn eine Zeit des Subjekts scheint noch nicht ganz "real", jedoch in seiner furchtbaren Unreife und Irrationalität täglich schon erkennbar, gefährlich aufgebrochen auch in primitiven Gemütern: Wiederkehr des Verdrängten bis hin  zu den "Instinkten", bis hin zum blutigen Bürgerkrieg.

          

Dom (Kathedrale) und  Baptisterium.


Der Dom zeigt wieder die Macht der Seerepublik Pisa, die 1063 sogar Palermo erobert hatte, erbeutete Schätze machten diesen Dom in seiner Großartigkeit möglich. Baumeister war der berühmte Buscheto.  Noch im 14. Jhdt. wurde gebaut, da wars  Giovanni Pisano. Doch Baugeschichten und Jahreszahlen, Baudetails etc. von denen die Führer strotzen, besagen an sich gar nichts. Sie können erst mit dem Erlebnis des Dominnern uns etwas sagen. Schon die Piazza die Miracoli selbst, verwandelt Ästhetik und Schönheit in eine verzaubernde Stimmung, die tiefer geht als nur Landschaft gehen kann. Eine Einstimmung, die freilich nur wirken kann, wenn wir uns vom chronokratischen Zeitgefühl loslösen, uns Zeit gönnen, ja Plotins Spruch, Zeit sei das Leben der Seele, ganz ernst nehmen, alles wie bei der Meditation abschalten, vor allem die Touristenverunreinigung ringsum, und Gesichter in der Menge suchen, die diese Gestimmtheit, einen gewissen erwartungsvoll-staunendenfeierlichen Ernst ausstrahlen. Und nicht das Abhakgefühl der meisten, die nur da sind, weil man dies „gesehen haben muss“.

Der Dom ist  romanisch-pisanisch sehr stilprägend gewesen.
Baptisterium, Dom und Baptisterium, diese Dreiheit ist aufeinander so abgestimmt, und endet an der Marmormauer des Campo Santo als memento mori dieses  aufblitzenden Augenblicks, dass  man  dies Jetzt, ist man bereit, voll erlebt, falls man Turm und Campo Santo schon in sich aufgenommen hat, und niemals sollte man die Reihenfolge umkehren, und zuerst Dom und Babtisterium besuchen! Bewusst wird man sich dieses Moments nur wenn man den Campo Santo und das Turmgefühl kennt, und so der Augenblick Ewigkeit widerspiegelt., man es sich vorsagen sollte. Weil die Wirkung des lebendigen Grüns inmitten zum harten Marmor, sogar das Wort Gras so bedeutungsvoll wird, man es in sich umkehren sollte, denn es ist aller Zukunft, der Tod, Carraramarmor aber hat Ewigkeit in sich,  diese Formen des Heiligen gibt es seit 800 Jahren.

Und dann kommt man zu den Bronzetüren des Meisters Bonanno Pisano. Leben Jesu?  Byzaninischer Einfluss ist unverkennbar.
Die Kuppel ellipsenförmig und hat schonen gotischen  Note. Durch die Spitzbögen und Dekorationen.


Romanische Basilikabauten oder hochstrebende Gotik! Das Grunderlebnis ist wichtig. Und  das Erlebnis dann in der Kathedrale selbst: Ähnlich wie im Florentiner Dom, zuerst der  Architektureindruck der Schönheit und Stille, eine Andachtstimmung , wenn man es zulässt, durch sie ist Ästhetisch , die fünf Schiffe und die reich verzierte Kassettendecke, der Blick zur Schlussapsis wie eine große Erwartung, die Größe wird durch grauschwarze Bandverzierung der Mauern und Säulen die Bögen der Seitenschiffe gleichsam ins Vertraute und Geheimnisvolle wie in einen eigenen Innen-Raum reduziert. Doch dann wirkt schon die Apsis von vorne, so dass der romanisch-orientalische Aspekt  vom  Gefühl des Emporstrebens ersetzt wird, fließend die Übergänge im Gefühl. Vielleicht wirkten auch die Emporen, die marmorweiß sind und die auf  die Seitenschiffe und das Querhaus hinausgehen; sie sind durch starke zweiteilige Rundbogenfenster gegliedert. Aber eben schon in der Höhe verstärken sie die Perspektive zu jenem Punkt der Apsis, wie der Einfall des Unerklärlichen, des Einen in spirituellem Magnetismus zu geschehen scheint. Es ist nicht nur die Apsis, sondern die hohen Bogengänge, teilweise mit Spitzbögen im Mittelschiff, dann aber besonders über der Apsis, wenn wir diese erreichen, das Gotische, die Ellipsenform der Kuppel, die sich über dem Presbyterium auf hochstrebenden Spitzbögen erhebt, die uns zu jenem magischen Innenpunkt, der unsichtbar bleibt, hinführt..  Dort aber gibt es DEN Punkt des einfallenden inneren „Strahls“, fast magnetisch, ziehend, ähnlich wie ich es auch in Florenz am gleichen Punkt unter der hohen, hinaufstrebenden Kuppel vor dem Altar  empfunden hatte! Der ganze Raum ringsum, löste sich auf.
Der Eindruck wird verstärkt durch die weltberühmte  rein gotische Kanzel neben dem ersten Pilaster der Kuppel …  gut gewählt diesen Ort des WORTES.

Frei schwebend zum Leichten in aller Schwere HIER
Blau: pythagoräisch das große Quadrat
dieser Erde, Schwerkraft Gottes, des Herzens HIER
Doppeltes Dreieck, sein Auge.

Und gold wie die Gotik
himmelnd und leicht
das Geheimnis des Urlichts
Entelechien ein Blitz
aus dem Auge des Herrn


Und nicht zufällig sind ja hier in der Kuppel Fresken von Rimaldini über Mariae Himmelfahrt, und die Zwickel tragen die Gestalten der Evanghelisti, die ja auch himmelten. Himmelfahrt also, zumindest mit der Seele, diesen Einruck hatte ich. Und ich muss an das erstaunliche Erlebnis des André Frossard, der solch eine Vision in einer kleinen Kirche des Quartier Latin hatte, und einen Besteller darüber schrieb: „Gott existiert“, denken und kann mich darin gut einfühlen!.


Und andere Erinnerungen kommen: Kölner Dom, Straßburger Münster, Dom von Florenz, Ulm?  Oder Paris – Notre Dame de Paris, eigentlich hier das stärkste Domerlebnis. Es war auch der erste Dom in meinem Leben, den ich in meinem Leben 1968 nach der Flucht sah. Und dann war es das „Gebirge“ des Kölner Doms, eine Legende für mich, schon als Kind zu Weihnachten hatte ich seine Glocken gehört. Und viel gelesen. So wusste ich, dass die Baupläne von Albertus Magnus stammten, dem, doctor universalis, der sich selbst "Bruder Albert von Lauingen" nannte, den die Geschichte nur als Dominikanermönch und Ordens-Prior, als Bischof und päpstlichen Nuntius, als Universitätslehrer und Rektor der Hochschule Köln, als Naturforscher und Philosoph kannte, wurde 1193 in Lauingen geboren und starb am 15. November 1280 in Köln. Seine Schüler waren u. a. Thomas von Aquin und Meister Eckart.
Und auch die Geschichte dieser Baupläne ist etwas Wunderbares, und heute  bestätigt dieses meine Grundauffassung, dass Kunst, wie auch Wissenschaft, man denke an Galilei und Newton (Vgl dazu S.  ) apriorisch ist, Intuition, Einfall aus der andern Sphäre.
Eine Legende berichtet, dass Albertus Magnus den Plan zum Bau des Kölner Doms entworfen haben soll. Eines Nachts seien ihm im Gebet vier Männer erschienen: Ein Greis, ein älterer Mann, ein Mann in den besten Jahren und ein Jüngling. In der Hand hielten sie Zirkel, Winkelmaß, Maßstab und Waage. Es sei dann die Jungfrau Maria eingetreten, nach deren Angaben die vier Männer den Bauriss des Domes auf die Wand gezeichnet hätten. Später sei nach diesem Plan der Kölner Dom gebaut worden.


Dieses Ganz Andere als Einfall, die der einflussreiche Rudolf Otto in seinem Buch „Das Heilige“ mit dem „Numinosen“, einem Zustand, einer besonderen in Worten nicht ausdrückbaren Gestimmtheit in Beziehung setzt, und  dieses „Erwecktwerden“ zu etwas sonst zutiefst und intim, fast schamhaft Verborgenem, das plötzlich alles in eine wunderbare Geborgenheit verwandelte, hab ich am stärksten im Florentiner Dom, dann im Straßburger Münster gespürt. Calvin nennt es „divini numinis intelligentia.


Dieser Eindruck des leuchtenden innern Punktes unter der Kuppel vermittelt freilich über dese  Formen der genialen Architektur, wird in Pisa besonders verstärkt durch die wunderbare Kanzel. Des Giovanni Pisano, viel später erbaut 1302 bis 1311.


Man kann hier das ganze mittelalterlich Weltbild daran studieren, der Mittelstütztpfeiler enthält Figuren des Triviums und Quadriviums: Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Astronomie, Arithmetik, Geometrie, Musik. Und auf einem Piedestal die Figuren der drei Theologischen Tugenden. Zwei Außenstützen werden von Löwen, die Pferde reissen, getragen. Symbol für den Sieg des Christentums über die Heiden. Eine andere Stütze wird von Figuren der vier Kardinaltugenden getragen, auf ihren Schultern die Kirche als Frau, sie säugt zwei Kinder, das alte und Neue Testament. Die Auß0ensäulen tragen einen schmalen Architrav. Sybillen und Propheten. Darüber  neun Reliefplatten getrennt durch Propheten und Heiligenfiguren. Darüber wieder ein reichverziertes Gesamtsims, das ein adlergeschmücktes Lesepult trägt. Die neun Reliefplatten erzählen biblische Geschichten. Verkündigung, Geburt des Täufers, Geburt Jesu, Die Heiligen drei Könige. Flucht nach Ägypten. Kindermord. Judaskuss und Gefangennahme. Kreuzigung. Die Auserwählten. Die Verdammten. Die Szenen voller Ungestüm und Leidenschaft.


Und nun der berühmte Bronzeleuchter. Galileis  Messingkronleuchter mit den vielen Waagschalen. Eine Legende besagt, Galilei habe die Pendelbewegung des Leuchters beobachtet und daraus das Gesetz über den Isochronismus aufgestellt. so das Pendelgesetz gefunden. Es besagt, dass ein an einem Punkt aufgehängtes, frei schwingendes Pendel für eine Schwingung, also für die Bewegung vom höchsten Punkt der einen Seite bis zu dem höchsten Punkt der anderen Seite, unabhängig von der Schwingungsweite immer die (fast) gleiche Zeit benötigt. Die Schwingungsdauer ist abhängig von der Pendellänge und der Erdanziehungskraft. Diese Pendeleigenschaft der zeitgleichen Schwingungsdauer nannte schon Galilei "Isochronismus". Mit dieser Eigenschaft war das Pendel der ideale Gangregler für ortsfeste Uhren. Also unser ganze Zeitmessung ist davon abhängig.

            BEKANNTE NAMEN






              Rilke

O Herr gib jedem seinen eignen Tod

O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

Rainer Maria Rilke, 15.4.1903, Viareggio
[täglich

Drittes Buch
Das Buch von der Armut und vom Tode
(1903)

Vielleicht, daß ich durch schwere Berge gehe
in harten Adern, wie ein Erz allein;
und bin so tief, daß ich kein Ende sehe
und keine Ferne: alles wurde Nähe,
und alle Nähe wurde Stein.

Ich bin ja noch kein Wissender im Wehe, –
so macht mich dieses große Dunkel klein;
bist du es aber: mach dich schwer, brich ein:
daß deine ganze Hand an mir geschehe
und ich an dir mit meinem ganzen Schrein.




Du Berg, der blieb, da die Gebirge kamen, –
Hang ohne Hütten, Gipfel ohne Namen,
ewiger Schnee, in dem die Sterne lahmen,
und Träger jener Tale der Zyklamen,
aus denen aller Duft der Erde geht;
du, aller Berge Mund und Minaret
(von dem noch nie der Abendruf erschallte):

Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte
wie ein noch ungefundenes Metall?
Ehrfürchtig füll ich deine Felsenfalte,
und deine Härte fühl ich überall.

Oder ist das die Angst, in der ich bin?
die tiefe Angst der übergroßen Städte,
in die du mich gestellt hast bis ans Kinn?


O daß dir einer recht geredet hätte
von ihres Wesens Wahn und Abersinn.
Du stündest auf, du Sturm aus Anbeginn,
und triebest sie wie Hülsen vor dir hin ...

Und willst du jetzt von mir: so rede recht, –
so bin ich nicht mehr Herr in meinem Munde,
der nichts als zugehn will wie eine Wunde;
und meine Hände halten sich wie Hunde
an meinen Seiten, jedem Ruf zu schlecht.

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