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Freitag, 21. Oktober 2011

LICHT.BLICK. Wider das Vergessen (Neuer Gedichtband. Im End-stehen). Mit Stimmen und Kommentaren

LICHT. BLICKE

Gesammelte Gedichte und eine Poetik wider das Vergessen
Mit einem Anhang: Analyse und Stimmen der Kritik

SO EINGEFÜHRT



Stimmt es, dass der Geist,
wenn er wach ist
gegenwärtig, Nichts ausweglos
Gewissheit nur
als Glück gespendet:


Sich einlassen können
in dieses Glitzern, Jetzt.
Die lang vertane Zeit
gewinnt.

Das nützliche Lesen - es
Spiegelt/ Welt.

Zeitungs Lesen,
wär längst schon gewesen:

Die andere Hirnspur ist DA.

Und du siehst Metaphern Engel
hinter dem Papier deiner Augen.

Andere Verbindungen, andere Wege.
Kain Augenkünste.

Aber der Blick jetzt ins Meer
ganz nahe am Rande der Reling,
gibt gegen die Zeit die
Gewissheit.












VERGEHEN UND HEIMLEUCHTEN
Nichts, Nichts ist vergangen






Und dann Diktate von ihm: nach dem Hören und Sehen,
als du im Leben/ noch dabei warst/ war es noch möglich
und doch ist alles/ schon längst vergangen:

Es rast was einfach da ist, das das Herzgewächs zerstört
tut weh, Nichts mehr ist dein, erinnert sich.
Der schwarze Kopf
ist schwer als Kopfgewächs/ die Fontanelle quillt
dort ist der Spalt dort tritt er ein, es rast der Stral wie früher
Friedrich

Doch sonst löst er die Tafel Schwarz du siehst hinein
ins Nichts/ bist frei du weißt, der Sinai … das Licht.

Zerbrochen ist wie Glas das Herz
das einmal Wüste war, jetzt brennt es Lichter
Lohn der Angst, dass es Vergessen gibt,
das dich befreit.

Dein Bild gelöscht, gelebter Tod
erinnerungslos.





IM RÜCKSPIEGEL.
Für L.

Der Zaun vor dem Tod, ein alter Gartenzaun,
steht nicht mehr, sieh ihn hinter uns: wie eingesunken,
im Spiegel steht, was war, nach vorn
der Blick, Gefahr.

Frau Welt ist nicht mehr vierzig,
die Fahrerin, liest du
zurück hier Relief-
Pfeiler als Sinn, das Gras
der Regen und das Nebelleben
verging, und was uns blieb:
ohnmächtig rückwärtslesen,
Lebenslese, Dichter, du Esel.

Was bleibt, Herr Palindrom.
Mitte des Lebens? Wie war das früher:
Du fuhrst, ich griff dir
unter den Rock, viel Zeit vor uns,
das Land zurück, wir jauchzten noch.
Und fuhren - Überall Europa,
der Ozean, Amerika, wie vor
der Zeit: Entdeckung. Mit Hoffnung
vergingen die Jahre.

Jetzt sieh dich vor, und vorn
den eingesunkenen Zaun, die Greisin,
noch fasst du nur, verstaucht, den Arm,
vielleicht wie bisher beide Hände
verschränkt, ein Kreuz, ineinander gehakt
die Finger vor dem Nabel.
(Und "kreuze die Hände, bevor du
schlafen wirst.")

Kein Weib vor dir im Rückspiegel
hütet Kinder, und stellst dir vor
die Heimfahrt, dort am Zaun im Dorf
die Gänseherde, nackt Zigeunerkinder,
und du als Kind im Staub der Straße -
der dunkle Spiegel: wo du selber warst,
dunkelt der Wein und kühlt
das gute Zimmer hinter den Spiegeln.
Da kannten wir uns noch nicht.

Gestern der Stoß, du lagst auf dem Boden.
Aus. Und unvergessen,
was wir uns angetan, das Leben, der Tod.
Und hinter uns ein Weinen.






Und erinnerte mich nun/ an - Mörike
wenn du bist
wenn du so
bist wären wir länger an
deinem Rand an Ränder halftern
Pferde der Kindheit sausen einen
Sand Weg entlang/ traf
einen Freund der schlief mich
zu Tode gekommen um länger
zu leben/ lass es lass es sein/ locket
nie mit Liebes Gaben
zitiere nie feierlich
was war.
Nichts Nichts ist vergangen

Käme er länger an
es wäre entschlossener was war
hab Heimat empfangen die Wut
abgestoßen
nur sie ist vergangen


Wann Brodsky
...diktierst du mir einen Vers:
was nicht geschrieben war von dir
kommt langsam voran/ im Himmel
Distichon
und Palindrom - ich stell mich auf dich ein

Mein Freund lass mich besinnen
ich schlafe Ja
wenn ich erwache/ ist der Tod vorbei:
du glaubtest nicht?
ich glaubte nicht
daran?


UNGARETTI
(Paraphrase)

Vom Heute abgelöst ist Nie
Vergangenheit Tage Und
die kommenden Jahre Jahrhunderte
lang der Augenblick
Überraschung: da zu sein

Dass dieses Leben
nachläuft/ das Geschenk
meist eine Qual
und Wirbel/ Wandel des Umsonst
die Tiefe ein Geschick
hat uns die Folge (diese Pein)
hinab in die Reise grab dich ein wo ich
Zeit erfinde sie neu ein gebe doch
Flüchtling wir alle

Alles was ist
Und alles was noch sein wird
Ist längst vorbei


Ein Nie in uns ein Immer
die Umkehr
isst
ein Phantom.






WENN WIR SIE SUCHEN JETZT
bunte Kalauer, Kalabreser, Jacken,
Frühjahrs Moden groß gepunktet:
im Spiegel des Schaufensters am Meer,
rotes Auto auf weißer Bluse, die Palme
fächert ins Puppengesicht lichthell
Afrika

Erinnerung vergessen

Du aber trägst sie ausgezogen
auf nackter Haut kam sie
so nahe wieder, dass ich dich heftiger
liebte wie die Köpfe von Schneeglöckchen
oder die Eicheln und blauen
Spitzbuben, die Beeren zu Hause

Unsere Blauen Flecken.

3/91


UMDICHTUNG AUS DEM NICHTS IN RILKES STIL
(Fragment)
Und eigentlich das Alte
zu empfinden mit dem heutigen
nach außen Hingewandten:
ist es sicher kein Gemüt

Lermontov ist älter als die Griechen
und doch weiß er Nichts: so einsam
tret ich auf den Weg den leeren
der durch Nebel leise schimmernd bricht.
Seh die Leere still mit Gott verkehren
und wie jeder Stern mit Sternenräumen spricht.

Und da wären wieder Danaiden und das Wasser
das durch Siebe fließt. Wenn die Ehe leicht daneben
Schwer ist immer Gott der Abstieg. Aber schau
du mühst dich ab mit deinen leeren Krügen
und plötzlich, Liebe, ist doch Kindsein Mädchen Frau
ausreichend um Ihm endlos zu genügen.

Er ist du weiß das unsichtbare Wasser und bilde du nur rein
die Schale/ aus zwei ungebeten hingehaltenen Händen
kniest du innerlich dazu/ in neuer freier Armut
wird er sich verschwenden und deiner größten Fassung
gegenüber sein.






EIN ICH NAMEN LOS


Es gibt wirklich Leute
die leben dazwischen
In keinem Land Nirgends
Und Nichts in Sicht
und doch auf der Erde

Gibt es eine Erde
für alle gibt es zwei
oder drei Mal
die Erde mit den Malen

Anderswo
Und nie dort
Wo ich bin
Für euch nur Mensch
Zu sein
Ganz am Rande


2

Die scharfe Brille stach
meine Augen stach euch
ihr schlugt
auf mich ein

da legte ich sie endlich ab
es nützte nicht viel
da durfte ich erstrecht
nirgends zu Hause sein

Und ich wurde
zu Stein.

ALLES NUR NACHSCHREIBEN und doch
klingen, wie das Licht in mir,
wenn es gewusst ist und leben will.
Meines nicht nur/ heute am Tag
Schwermut dir und dass
ich verzag, wie ich euch glaube:
furchtbar nicht hier zu sein,
registrieren die Welt und
nicht leben.

Weit entfernt vom Rechten, das
kein Rest nur von Sein ist,
sondern zusammen. Kommt.

Beschreiben möchte ich hier mein Fenster,
wie ein Auge, in das ich gesperrt bin,
möcht ich den Berg, der in meinem Blick
kommen wird, als wäre es ein Heiland/ ganz
geworden, weil ohne den Namen,
aufgeworfen aus lauter Gefühlen der
inneren Wesen, an dieser Stelle, wo
ich stehe mit nackten Sohlen
auf leeren Kastanien Blättern.
Und dann darunter kommen wird, getrennt
noch, ausströmend, was ich für ihn hier
am Wort "Berg" habe, und an dir,
dem Namen, der nur draußen bleibt,
erkennen: so erschüttert, als wär es
die letzte Schuld.

*

IST es nicht so, ist es nicht
ist es so, wie es nicht ist, es ist
leer, wiederholt und ich hoffe doch auf
Wiederkehr, immer wieder versagt, wahr wahr,
vergess ich, was ich sag und weiß: freue dich
eine Weile, o freue dich, dieser Zeile zu glauben,
mehr nicht, nur was erfunden ist, hinaus
gestellt, o Phantasie, mein Gott,
das ists, sonst nichts.

DER IN DIR erlaubt, er allein zu leben,
du aber, alt, entlässt ihn, den
Glauben, dann aber, dann ist alles vorbei,
dann, bist du allein, verzagt diese Hülse
aus Fleisch, Haut über die Ohren, ja,
über den Kopf, Überhaupt nichts mehr, gezogen
auf eine Flasche.

VERZWEIFELT allein, das passt. Passt du,
mein Alter, was aber, was suchst du noch
hier. Im Licht, das dir geschenkt, ganz
umsonst gegeben, unwürdig ja, bist du
im Licht, dass dich die Sonne bescheint, dass
er dich noch hält und besorgt, was, wenn
nur deinen armseligen Leib, nein der
allein, ist verlassen und stirbt bald,
allein ein Wunder Werk, dass er noch ist.




LEBENS LAUF

1
Ewig unfertig Ja/ Nein, Gesprochenes Ich nur hier im Satz.
Als wär mein Name aufgerufen/ in der Klasse und Ich ihr Waisen Kind, die Welt nur hier zu Hause: Raus schrie der an der Schwarzen Tafel wüst; für solche, vor die Tür gesetzte gibts nur Scham. Mit allen schönen Dingen verschwand der Klassenraum, es gibt für mich nur ihre Namen.

2
Nichts schließt sich zusammen, und Tagwerke
nah, am Morgen schnarchen, Dämmern, der Tag wie er über die Kommode kommt, Lichtschein, Hähnekrähn, alles übersprungen. leibt nur Mitgehn mit ihm.








MEERE




Der nach innen genommene Blick
führt ins Futur, weg aus dem, was eben vergeht:

Damals wars Napoleon hier in Madonna del Monte, hier
bei Marciana, mit der schönen Gräfin Maria Walewska:

Jetzt, hörst du die Sommerzikaden: da Schein und nie
anders war als Jetzt im veränderten Blick Winkel,

Wir, unsere Erde am 20 . August 1814. Oh, schnell
vergeht alles, und der Korse winkt mir jetzt unsichtbar
an einer Stein Eiche finster zu: ein

Gescheiterter, der sich auf die Erde beschränken wollte: zu
bescheiden in seiner Wut, Flüsse von Blut, die wir
immer noch auszubaden haben:

Was falsch gedacht ist, Macht
in alle Länder getragen: Wahnsinn Revolution,
sich hier in diesem Augenblick,

Als wär es wahr: schon einzurichten:
die Zukunft machbar schon
nach einem dummen Bild.

Kant dreht sich eben
In seinem von ihnen
geschändeten Grab um

Heissa Königsberg



STRAND

Welcher Strand an dem
Denken wäre
aufgelöst zu Tränen.

Im erinnerten Hof. Such dir deinen Hof aus, reit hier im Worthof, nein: Kein Pferd, ein Hologramm, das blieb.

Die Bleibe also für die Nacht?
Herz, so gereimt ein wenig und
zurückgedacht.

Na endlich aus dem Gedanken geschüttelt. Oh,
wie arm ist mir am Abend. Hämmer auf dem Polster,
Steigbügel im Ohr.

Papiere, mit denen wir verschwanden.
Was hier am Strand ist, nicht mehr hier.
Treibholz nature und tote kleine Tiere, Rauschen dazu,
fast ewig; grau. Und auch vier Hunde mit der roten
Zunge flammenähnlich; Pfingsten.

Kein Kreuz mehr, nur die Welle,
das Meer touristisch feingemacht. Geist sprüht
im Whiskyglas. Das Weiße Rauschen und dazwischen wir.

Im Sand die nackte Puppe Gestern,
verwest. Ohne Hand und Fuß, und ohne Hirn,
sie weiß doch nichts, und ihr Gedächtnis
ist schön stumm.

LIEBE


Unmögliches Geschehen, das doch geschah die Nacht
das Fenster offen, das Schloss geöffnet, und die Leute draußen
hörten zu, wir lachten über jenes Becken, es tönte rund
das Fenster klirrt der Stoß erschütterte die Wand zerbrach
du fasst dich nachher nicht den Schoß den Leib
der aus der Mauer drang. Das Hirn befeuchtete der Nacken
der an einem Haar die Lippen wie im Seiltanz
Zeile war und ohne Netz in dem wir uns gefangen wähnten

als dieser Schrei begann.

Das Op-Tuch. Zitate aus einer Krankheit, darauf sie lag,
das wirkliche Objekt, heilt es das Liegen wie die alte Couch,
heilt es die Resektion, das Tuch, wie Gras in Schwarz gefasst. Ist drin.

Der Spalt, der Schnitt, das Herz, du ziehst das Tuch schon
über den Kopf, an jener Stelle, wo die Öffnung ist. Das Leben aber.

Das Leben ist. Dies Messer, ist der Eingriff. Ist OP?
Du trägts auch meine Wunde an der andern Stelle.

Die schwächste Körperstelle? Das Herz. Ist rot. Das Grün ist da zum Rand,
ist peripher, um es zu sehn, das Auge wäre blind, säh es nur diese Stelle, diesen Riss. Den Spalt. Der Atem ginge schneller. Rot und Schwarz. Sind Haut und Haar. Der Kopf zerbirst
Wassergeschmack, zieht dich hinab, die Schraube ists, die Welle.

Das Tuch. Das Braut- das Leichentuch.
Das Tuch ist vom Altar, Grenzstein, der schwerer noch hinab
zieht als wäre es und tickt und schnürt den Brust Korb ab,
die Erde ist nicht flach.

Grün unter einer Kugel ist der Spiel-, ist Schreib-
Tisch Gras und Weide. Kugel Erde. Wehe du kehrst es um.


Der "Poeta otiosus", wie sie Jeffers in seiner Poetik beschreibt,
ist aber weiter vertretbar. Dieses Zurücktreten. Diese Pause
mit dem Denken, die Fessel des Hirns ruhen lassen, zurücktreten
ins Gedächtnis der zerklüfteten roten Steine, den Meeresgrund.
Wo Elektronen wie in mir warten. Eine Art Wächteramt.
_
Und die jahrzehntelange Unruhe, diese alte Hoffnung im
Unmittelbaren: sie darf nicht verloren gehen, sie ist daran
gebunden. Die Frauen, der schwarzbehaarte Eingang oder Ausgang in
die Welt. Die Lust nimmt mit L. zu. Doch die andern Frauen, ihre
Art, die andern Erfahrungen dürfen nicht ausgelassen werden. Was
früher Sklavendienst war, muss jetzt bewusst angestrebt werden.
Die Lust auf eine nackte Frau, auf das Erregende beim Zerstören
der Scham, das Aneinanderliegen, dies Streichen über das schwarze
Dreieck nimmt ab.

1991/94




MARIENBAD, EIN LETZTER TAG
Unsterblich die Geliebte, such ich SIE,
da sie mir fehlte, Immer, seit ich lebe,
nur wusste ich noch nicht, dass ich ererbte,
in diesem Alter, Welt, hier Niemand sei.
Nur zu verschwinden wissen,
so stärker sein; der Faden ist gerissen.

*

Mein Gott, die großen Worte waren offen,
damals mit dir, die Qual zu lösen
des langen Hierseins: Wiedersehen hoffend,
der Alte reiste fort, die Herrgottsfrühe
umgab ihn böhmisch. Die Jahre, sie verwesen.
Erst jetzt das Paradies verlassen müssen,
Der Kuckuck holt uns, den die Engel küssen.

Es ist ja Morgen, Nacht der Schläfe grau
vorbei, der Traum war schön: ein Himmelstor dabei,
und alle Frauen,
die mich leben ließen, sind schwarz
im Augendreieck, winkend grüßen:
von oben, wo die Kinder glauben,
ganz nieder hängt das junge Blut erlöst
Zurück, zurück der Spindel Spur vergäße
Abend malend Trauben fließen in ihre Gefäße:

Ich such dich hier, da bist du draußen
Die Augen aber schließend, ists ein Wiederfinden,
Als wärst du aufgelöst, schmilzt du im Außen,
doch in der Nähe musst du mir verschwinden.
So bleibe ich dir fern, dann wirst du glücklich sein.
Der Kern der Außenwelt, ein Herz aus Draht, aus Glas und Stein.

Schon gingst du jetzt mit ihr an mir vorbei,
wie ist es möglich, Jetzt dies Einerlei,
verlorener, unglückseliger Augenblick.
In deine Augen hab ich nicht gesehen.
Bin ich denn blind? Ist es schon immer
vorbei und niemals wirklich mir geschehen?

Da kamst du noch zurück, ich dachte Später
war es die Zeit Combray, und früher dies Geschenk
Marienbad, die Alte dieser Väter, sie wurde über neunzig,
ich aber fand nur einen Gasthof: eingedenk
"Zur Traube", und suche weiter, was nicht lebbar ist,
einzig das Luftbild und ins Herz zurück, wo du noch bist.

Da lässt sich auch nach vielen vielen Jahren
dies Leben weit hinaus erhalten, du musst dich löschen
können: mit ihr, so bist du gut gefahren, wo
du nur bist, sei alles immer kindlich, so bist du
alles wieder: unüberwindlich?

Ein Lachen ists, als wir dann weiterfahren:
Aber die Autofahrt der gleiche weg
wie der vor tausend Jahren nicht mit der kutsche
nein im Glaskasten gefangen leben oder liebe nicht den lebenden begeistert alles schon geleistet wenn es seine Zeile findet endlich in der scheide liegt. Dieses Loch des ahnungsvollen Nichts lässt mich nun wissen: nur sich völlig aufzugeben Niemand sein und in der Höhle leben lässt mich überleben. Und sie weiter können, so sie grüßen. Das böhmische Land ist weit, bin ich nicht selbst ein böhmisches Dorf im innern Streit.

Dies gelbe Blatt im Park ist zu idyllisch, der Abfall
leuchtet gelb wie das Gesicht des Toten UND
es flattert steht im Wind, kurz dieser Augenblick,
lautloser Hall
der Abschied ist längst da, von Tag zu Tag
schmeckt bitter sehr im Mund
der Tod der die Sekunden fahl macht, kein zurück,
es ist der fade Schlag, der Nichts erlebt,
kein Frauenblick auf dieser Promenade -
und dieses Glas hebt, Sand und Glaubersalz
und in den Knochen den Greis, papierene Gnade
dieser letzte Satz.

Die Seele wird gekränkt von einer Sucht nach Stil,
die dich nicht will, und kalt die Kunst,
wie man sie westlich meint zu müssen.
Wir können uns nur ohne uns noch wissen,
in Gegenwart des allgeliebten fernen Wesens,
das jetzt hier wortgleich niederkommt, wir
lesens, gebrochen nur enträtselt sich
das Ungenannte, was war ließ mich sogleich
verschwinden. Wer sagt mir noch: so Stund, um Stunde
wird dir das Leben freundlich angeboten, so nimm es
hier, was einmal war ließ nur geringe Spuren und was noch
kommen wird, zu wissen war uns immer schon verboten.

Was bleibt ist nur ein Wort:
der Tod der eisig hochkriecht und dich prägt.
Und das Skelett ist unter deiner warmen Haut
längst da, hinaus auf diese Wiese: Gras mit gelben Blättern;
es strahlt und summend sägt und schaut, die Umkehr dieser Ort
in dir und ist ein Klettern da hinab die kleine Spanne Zeit.
Ist bald soweit.


Kein Selbst kein Ich und was ich scheinen möchte, dauert,
von deinem Kommen wird es weggeschauert,
wär es sein Strahlen, das die Groß Geliebte zeigt, und auch mein Winter
nur die Spanne Zeit? Wo ist dann dieses Reinen Unbekannte,
mich in die Arme nimmt, wenn ich ihn nicht mehr habe,
das Negativ, sieh, dieses Röntgenbild, das uns erschreckt,
hat sich in uns sein Ziel gesteckt, das Nichtmehrsein
und alle seine Kinder verstärkt mich hier der Ungenannte,
der Satz aber drängt immer weiter ins Bekannte:
dem Augenblick ins Auge sehn, ihn dauern lassen,
dies hieße doch das Ungereimte hassen.
So mach ichs doppelt, sechs genügt mir nicht,
wir haben jetzt seit kurzem Blitz und Licht.

Und kein Verschieben? Ihm schnell begegnen,
wohlwollend geistesgegenwärtig und lebendig,
im Handeln und zur Freude, gibt`s da Einen
mit der Gunst des Augenblicks im Kleinen?

dass jeder fühlt, wenn er jetzt wirklich lebt
auf dieser Seite, sie durchscheint in ihrem
Rätsel Heute, gereimt im Alltagschaos hier gereinigt:
mich schreckt der Wink von dir mich zu entfernen,
mit dir du altes Land des Elends und des Hoffens,
was hilft es mir nun Abschied lernen. Leichter werden
Flug und Trug?

Treibts mich umher, dies alte Sehnen,
das aus der Todesangst gekommen war?
Und helfen gar wie früher Tränen?
Ich bin vereist,
und sterbe dauernd um ein Haar.




Kein Du mehr, sieh
Betten getrennt
im Dunkeln

Und jeder in
einer anderen Sekunde
lebend getrennt

den Abgrund zwischen uns
eiskalt das Linnen
die Decken
Federn/ Ziegel

drückt auf die Brust


Wahre Momente steigen nie
fallen ab ordne im Blick
Um Gebung vorwüstlicher Raum
Komplice

Versuch zu steigen der
Andere in dir fistelt
schweig Alter
Hauruck versuch
den Moment zu steigern: wahres
Wort: Unpoesie übersetz
und leb sie


Necrosen Lexica
weck auf fang ein
Netze
leb auf Freund
denn alles ist wortlos
elend




TOD


Nach kurzem Schlaf erwachen wir zur Ruh -
Und mit dem Tod ists aus: Tod, dann stirbst du.

John Donne, Sonett an den Tod







DER TOD. ALTES SÄCHSISCHES VOLKSLIED
ins Deutsche gebracht

Wie kam der Tod? Er brach mich nieder,
zerbrach mir alle meine Glieder;
wie kam der Tod und hob mich auf?

Sie trugen mich aus Vaters Haus,
wo verscharren sie mich? - in der kalten Erde, da lag der Leib schneeweiß und gelb.

Als die Glocken ihren Schall verloren,
vergaß ich die Freude. Mit Fleiß und blaß.

Ihr Engelchen, bringt mir den Wein vor die Tür!
Scheiden will ich aus der Welt,
fahren will ich zu den Freien.


Und es fällt mir Arghezi ein, sein Versteckspiel:
Meine Lieben, einmal werd ich's spielen,
Dieses Spiel, das seltsam ist.
Ich weiß nicht wann es sein wird, Vater,
Doch es wird ganz sicher einmal sein.
Einmal vielleicht, wenn es dämmert.

Es ist ein schlaues Spiel der Alten
mit den Kindern, wie ihr, mit Mädchen wie du,
ein Spiel der Knechte und ein Spiel der Herren,
ein Spiel der Vögel, der Blumen und Hunde,
und jeder spielt es gut.

Wir werden uns ganz sicher immer lieben,
bei Tisch werden wir versammelt sein,
und unter dem Sternenzelt des Herrn.
Doch eines Tages wird das Bein schwer,
die Hand ungelenk, das Auge trüb,
und die Zunge verquollen.

Das Spiel beginnt langsam wie ein Hauch.
Ich werde lachen und werde schweigen,
ich werde mich auf die Erde legen.
Ich werde dort schweigen,
vielleicht gleich dort neben dem Baum.

Dies ist das Spiel der Heilgen Schriften.
Dies hat auch unser Herr Jesus einmal gespielt,
und andere voller Hitze, Kälte und Zittern
fanden aus frommem Schaudern zu seinen Regeln.

Nehmt es euch nicht allzusehr zu Herzen,
wenn man mich aus euren Armen reißt,
und mich Männer zu begraben scheinen,
es ist ein Spiel, das man das "Sterben" heißt.


Weißt du noch: Ungaretti:
Du hast wie Ich Personen
in Trauer und Heiterkeit
gesucht die singen
können hinter dem Gesicht
mit ihrem Leben

Ganz alt bis zur Antike

Von einem der Selbst Mord beging
weil Selbst allein
kein Land hat und kein Namen
der geändert wie Marcel
ein Boden ist wie hier

Den Kaffee nippend oder Wodka
und ein altes Lid
dort nie wie hier
der Spalt zur Welt
das Herz sprach anders
mit/ ein Lied
doch hier singt Niemand
Nur stumm Geleit
wenn wir uns alle
hinaus begleiten
aus dem ältesten Hotel
kaum mehr der Name
und die Gasse,
5 rue de Carmes,
das war einmal, der Friedhof
von Ivry, der aufgelöste
bunte Jahrmarkt
ist die Erde

Und keiner weiß
noch dass er lebte.

Seht auch Lazarus ist auferstanden,
seid nicht zu bekümmert, wartet doch,
so als wäre nichts geschehen,
nichts neues und seltsames war zu sehen,
werds erinnern, denn als Kinder spielten wir es noch.
Alle werden einmal auferstehen und wiederkommen,
eines Tags nach Hause zu dem Kind,
und zur Frau, die weint und spinnt,
zu dem Vieh und zu den Blumen,
wie gute Wirte, die am Leben sind.

Ihr wachst dann weiter, alles bleibt beim Alten,
gesund und flink, und niemals krank,
wie wir es schon seit vielen Jahren halten.
Vorläufig, ihr meine Kleinen, wirds passieren,
fehlt euch Vater einen Monat lang.

Und später immer mehr verspäten,
verschiebt von einmal auf das andere Mal,
und Vater wird dann keine Kraft mehr haben,
zu Fuß zu schaffen, diesen langen Weg der Zeit,
aus jener andern Welt.

Ihr seid dann groß geworden,
habt euch eingerichtet,
seid vielleicht Gelehrte,
Mutter hat zu stricken angefangen,
Vater kehrt nicht mehr zurück.

Meine Kinder, meine lieben Kleinen,
dieses ist das Spiel,
man spielts zu zweit, zu dritt,
und manche müssen weinen,
hols der Teufel, dieses Spiel,
denn keiner kehrt zurück.





Und zu Freunden wurde ich dann Jetzt geführt, Ich
von dem ich nichts weiß, außer der Teilung, den schmerzenden Körper unten/ und darüber hinweg fliegend, ein neuer Körper,
der mich trägt. Mit ihm, wie ein Fluggerät, zu ihnen:
die etwas weiter entfernt sind und wohnen.
Wir waren rasch an Ort und Stelle. Auch als Verkehrsmittel nämlich muss man sich keine seltsam geformten Autos oder Flugzeuge, interplanetare
Raketen, Ufos und dergleichen vorstellen. Sie übermittelte mir nur die Vorstellung eines "Landhauses"... und nachdem ich dann
völlig überflüssigerweise die dreiflüglige Glastür des aufgestoßen hatte, alte Vorstellungen von "Tür" hinkten nach, waren wir da,
übermittelt hatte sie mir ein höheres dreiflügliges Gebäude aus Kristall, daneben stand "das Haus"; komisch, ganz traditionell, ein altes ausgebautes Bauernhaus mit Blick aufs Meer,
und darüber schob sich ein anderes Bild, eine Straße, ein Kanal,
ein Bürgerhaus mit grünen Fensterläden, sogar ein Pferd,
ein Reiter war da zu sehen, doch dann verschwand dieses Bild
die Halluzination, und es blieb das zweistöckige Bauernhaus
mit Garten, Weinstöcken ... mein Gott, dachte ich..
Ich rieb mir die Augen, und hörte schon Deine Stimme:
Das sind wirklich gewordene Eindrücke, Erinnerungen.
Und schon standen wir in einem Vorzimmer mit
ganz gewöhnlicher Einrichtung, weiße Garderobe
mit Spiegel, ein einzelner Überzieher hing an einem
Haken, und es war zuerst unser Haus in Transsylvanien
Kindheit, intensiv, die sich mit meinen Gedanken ganz plötzlich
verwandelte, denen folgte, aber auch als Nachhall da blieb...
Und in Spiegelschrift sah ich im Vorzimmer deutlich mit Seife
oder rot mit Lippenstift oder gar Blut geschrieben:






DA WÄR GRASGRÜN
dann der Gegenlöns
vielleicht auch "Marine",
das Seestück und märkisch
die brabbelnde Erde.

Wer hält die Zeit auf
diese Toten nie/ erst
nach ihnen sind sie
aus dem Stand gefallen: Er - zählbar geworden.

Die schillernde Wunde -
ein Tor.

Aber gab es so etwas wie eine Rettung nach altem Maß der Erde, fiktiv wie früher - die Literatur, gegen die ich viel einzuwenden habe, loszusagen von ihr, wäre an der Zeit über Gebühr, um das, was sie nur sagen und träumen konnte: wirklich zu leben, es wäre so eine Probe: nach dem Tode: das eigentliche Leben, weil sie die Oberfläche durchbricht, eigentlich schon "dahinterkommt", so eine Grenze fühlbar wird, zwischen dem, was wir sehen können und dem, was wir erhoffen, ja, im Eindruck sprachlos ahnen, doch in uns liegen bleibt wie Fotonegative, die erst vom Bewusstsein entwickelt werden müssen, um uns zu bleiben, sonst gehen sie verloren; es ist also mit den Sinnen, der Wahrnehmung aufgenommene Nuance, wie sie in Gedichten mitgeteilt werden kann durch ihre Mittel der sich selbst durchdringenden Grenzlinien und Differenzen des Vergleiches, so dieses Gefühl der Hitze in dieser Bucht, der flimmernden Luft, der Agaven:
Cinque terre

Alltagswissen, diesen ganzen flachen Umgang setzen, so dass wir anstatt Sekunden der wahren Empfindung der Dichte und Undurchdringlichkeit

zu leben, diese täglich bis zum Tode versäumen, jeden Moment uns selbst und jenem Zwischenraum, der schon an jenes Tor in die andere Zone reicht, entfremden, konventionelle

Missmutes und des Hasses, meilenweit
vom uns umgebenden Reichtum entfernt.









ARGHEZI. Aus
den Geheimnissen.
Die Zunge spricht sich, weiß sich nicht.
Geheimnis Und, wie plastische Form sie
gewinnt. Je nach Richtung Und Welt, Vers
in der Sonne, sich grämt vor Klarheit,
härteres Sein. Warum der Gedanke in sich
verborgen, denn nicht schweigen kann.

Sein Text: Făptura ei de aer nicht über-
setzen kann, du Sonnen Kern ein Blumen-
Licht.


JETZT im AUGENBLICK

HIERSEIN. EIN BLEIBEN DORT, WO ICH NIE WAR




WIE DIE UHR schlägt eine Kuckucksuhr im Ohr
die Stundturmuhr Figuren einmal früher und
langher als du damals auf die Armbanduhr sahst,
wie spät ists, zwölfuhrzehn

Tonbanduhr im Tal Campanile ist wieder heute
im Esszimmer die Uhr ist schon viel näher
täglich kaum unterscheidbar
vorgestern gestern und heute Morgen
wieder/ sie wird einmal geschlagen haben
und geschlagen haben werden sie

Nach einer Stunde werdet ihr euch wiedersehn
doch wie ein Gesamtton rund noch
erst Jetzt zerschlägt sie wieder das Runde
einem Schlag nach dem andern das Runde wie`s
sich nähert schlägt und schlägt erst jetzt

läuft voraus,
rasend der Zeiger rund, mein Gesicht ist das Ziffernblatt
wie ein Propeller dreht sich der Zeiger
erst jetzt wars doch heute gewesen eben noch war
doch gestern war heute Vormittag Abend
und diese letzte Nacht schon längst gewesen
weil wir
gewesen sein werden.

18. August 94.

UMKEHR DER SCHRIFT
Für Jürgen Egyptien
(Ernst Meister-Vortrag 1991)

Die untergehende Sonne.
Ein so spätes Endlich.
Der Königssitz, der Wald
Vor lauter Bäumen:
Im Tief Punkt brennt ER.

Die Heide. Doch. Wir wissen
Es verblutet. Immer noch.
In unsichtbaren Bergen
Wälzt es sich zu Tal
Schön düster unverklärt.

Die Knochen und die Gräben
Angefüllt. Mit uns.
NICHTS als die Wunde hält.
Nie Abend mehr und Morgen.

Zwei alte Bäume dort vor lauter
Bäumen. Sind längst verdorrt.
Doch beide in der Wunde: Fallen
unversehrt. Im JETZT schon
sind sie kaum getrennt.

Das Gras wird
Nie mehr dunkel.
Verkehrt geschrieben.
Schneidet es die Welt.




ERKENNUNGSZEICHEN


1
Wo ist mein Schlaf der war
und nie mehr ist wie Wachen
nicht mehr ist tut dem Gedanken weh
bewegt das Wort

Das war der Königsboden einst
im Niemandsland war Meeresboden
seit ich mich weiß
und bin nicht mehr so frei gefangen

Der Golf kein Name:
bleibt dir unerkannt so
will ich flüchten
zurück zum Land

der Königsweg:
Papier

Entzogen ihm und unerkannt
bin ich bist du: ich lebte
als ich nicht wusste dass die Zeit
in uns schon längst geschlagen hat

Jetzt darf ich nichts als jener der ich bin
ich war und nicht mehr sein kann
dies grüne Wasser sonnennetze
gehören unerbittlich sich
nicht mir.


2

Vom Königsboden kam er an: der Meeresboden
von drüber hin zu gehn der Königsweg darüber Zeit
im Flug was war wie eine Grenze
das Niemandsland und dann wars doch
Hotel Eden

Und schritten aus und kamen an
Godot/ die Suche war Paris
langjährige Liebe
Zeile/ erreichte uns als dich und mich:
zuerst wars nur gedacht und ein Gedicht
und dann wars doch ein ganzes Leben.


Der Augen Schlitz er zeugt da wieder
Himmel/ liege ich oben, also
über mir rückwärts der Boden
kein Königsboden, auf dem Trocknen
kein Königsweg ein Schwanken
mein Meer, und das Boot kielunten im Gras
kieloben würde ich zeugen
was allein mir gleicht

und nennen es Liebe eine Bewegung
Ungeborenes zugleich.



HUME ZU BESUCH
Aber auch er
kommt gebückt,
und sein Gedanke durch die Tür,
wenn wieder die Sonne aufgeht,
wärmt den Stein
wie gestern schon
und ist längst geschehen.

Nichts reimt sich mehr,
wenn es ist,
noch wie gestern,

gebrochen
die heile Hand jederzeit
im Wasser.
AB GESEHN VON PASTIORS PETRARCA
1350, KURZ NACH DER PEST

Sie starb an Beulen, Schwarze EiterHaut.
Er weinte nicht, und schrieb sie auf.
Er hatte ihre Pest schon hinter sich,
Er hatte sich schon hinter sich,
da redete er mit ihr, da kam sie vor,
da war er müde der Gedanken Gänge, wo
sie rief, er über arbeitet die Nächte
und den Tod, den letzten Brief. Da hatte er
genug vom Schreiben, ordnen wollte er
sein Leben, das geschriebene Glück.
Zitate der Zitate, der Herr der Welt
die Sprache.

Nicht müde werden, ihr zu fehlen,
abwesend bin ich müder als ihr: denkt
dort, wenn ich ordnen könnte, mich
verschwinden lassen aus diesem Sog,
das TotenScheinen, dein Gesicht, will
fort, der Herr der Welt bedrängt mich arg,
will aus dem Namen, der den Kopf
mir unentwegt beengt, doch was der Sprache
fehlt, gehört zu ihr, das Fehlen, Du, und
ICH entferne mich aus dem Kontext, dies
mein Gedicht das Fahrzeug JETZT euch
zu erreichen, bin müde, müder dieses
Herren, und du bist doch nur in ihm noch
zu haben, doch hält er mich gefangen:

Druck Seiten schwarze kleine Augen,
nicht du, da liegt der Fehler, nicht des
Fehlens, das antreibt wie das Herz.
So schrei ich nachts den Namen und
deinen an die leere Wand, schief hängt
daran dein Bild und Seines, das Loch
zu dir ein Fehler, und schuld und nichtschuld
an dem Winkel ist die Müdigkeit der Welt,
die Kunst.

GESCHICHTE

1
BERGSON/ wie gehts wir suchen dich
ich suche weiter Hume
Rousseau der Uhren-Sohn
das Schaukelpferd und Elbas Napoleon
Exile reichen aus bis Waterloo
und Helena der äußere Krieg aber ist
seit heute aus

2
Humes Heimkehr war bis Helena Begriff
Rousseaus Besuch/ Uhrmachersohn
verspätet im Exil Napoleons Exile reichen
Aus und Umkehr wäre machbar
nicht nur zur Mitternacht so spät
Nie ist Es spät:
die Umkehr wäre machbar hier
Swann wartet noch und ohne Uhr
auf den Godot

Godot/ wartet ganz neu mit einem Chip
auf Swann









HIER WARST DU OFT die Berge
jetzt Radar oben auf der Spitze hier
anstatt ein Kreuz hier war ein sturm
wie eine gute zeit und nass zerstoben schwarz
das große Ganze kein Buch half mir
und keine Zeile kam mir elbanisch vor
das Dorf kennt noch die Fischer
die bucht mit krähen, ja,

was Schönheit ist weiß keiner mehr -
sie schmerzt, wenn sie wie früher wird,
wächst oben aus dem Bergdorf in Konturen
der berge Köpfe und brüste aus stein
da sind deine Augen, freilich
nur sieh, Ja - daheim.
KINDERGANG BEIM ÄLTERWERDEN
ja damals auf den Händen gehn du kommst
auf den Händen zu mir ja damals ja damals
auf dem Kopf zu stehn kopfstand zu können
und lehnst bis du lernst kopfüber an der wand
und so an der Wand nach oben zu sehn
der Himmel die Schwalben unter mir
der Abgrund schien blau

jetzt unter ihm stehn
aufrecht hinüber kein weg
kraftlos zurück ins vertraute
zu gehn.


GANZ KLEIN
wieder anfangen, Morgenfrühe
Sommer Frische. Glaub mir eins,
zähl nicht: Und du bist frei.

Jeder Tag hat
seinen Anfang,
sein Ende bereits,
und erinnert es nicht.
So bleib nicht,
geh...

ABBITTE AN MEIN GLAS AUF EINEM EINFACHEN TISCH
AN EINEM GEWÖHNLICHEN TAG

Wenn ich mich verlieren könnte, aufgegeben
wie ein Brief, nie
angekommen, unterwegs,
verloren. Lass mich an dir fühlen
und zu zeigen, rühren diese armen Worte
dass noch etwas an uns ist.

So ergänzt erinnern wir
die Engel, die den Alten noch
in bläulichen Gedanken haben,
lass mich sehn, wie du die Augen siehst,
lass mich dich im Schein umarmen,
lass uns endlich unser Leben wagen, so
als wär es nicht vorbei, was ist.

2
Wie leicht wär, wenn ich
vor dir, nur Anschauender wäre,
wie er, ganz ohne Ende,
das Ende ist vorbei,
und hebst du die Hände, leg ich Nichts
hinein, was ich dann lange nachher
wie er seit Jahrzehnten schon
doch für immer verlieren werde.

Dieses lerne von ihm,
dem nichts als Geschriebenen, kaum
Leben, nur ein Hauch von Lüge,
wenn er heraustrat aus dem Reim,
und auch bei dir ein Vergehen,
nimm es auf, leb Nie,
es ist der reinste Raum.
Und so kehrst du um,
aus dem angeblich Geretteten
heim.
PARK PLATZ. PSALM

Durchs Autofenster ein Berg schräg
im Blick heruntergekurbelt mit Automatik:
diese Welt im Auge der
Parkplatz am Supermercato
Esselunga.

Hier kommst du nie
hinter den Berg.

Kriege erst entwickelten den Film,
die Technik. So fahren wir
friedlich auf blutenden
Hirnstraßen / Toten-Stimmen
durch die Wand.

Den alten Lehm begraben die Grube
im Bellen und Sein Gesicht
erstickte dass keiner schrie
Erde im Mund
atemlos Atem.


Und dort Bläue heute der Berg
du steigst und sie
stiegen hinab
ein Flugzeug am Himmel, mein Herr,
du kommst aus gegrabener Zeit.

Und jetzt, sieh, sie kommen
beladen, Esselunga, da, die Beladenen,
Tüten und Taschen voll beladen, sieh, sie kommen,
sie feiern mit Eiern und Brot, Gemüse und Fleisch,
tiefgekühlt kommen sie zum letzten Abendmahl, sie
fahren den Bergen zu, dort fahren sie
diese Berge von Leichen.


HEIMFAHRT. AM CISA. PASS LOS

Mehr nicht, als diesen Augenblick
aufbaun, als ginge es ums Leben. Das geht.
Mehr nicht. Als diese Morgenwiese
lachhaft naiv die Augen sehen lassen mit
Freudentränen. Mehr nicht
als leben, jetzt.

So warte ich, die Sonne
scheint noch immer, und bricht
die Strahlen, das Herz, den Satz
entzwei. Ich möchte leben,
nicht mehr schreiben können, als wär es
kein Ersatz für diese Fahrt,
die in den Sternen steht


VEREWIGT

Heute, dieser Gasthof. Die Künstlerkolonie war
als Festlokal eingerichtet worden. Und alles
muß verzehrt werden, sagte die Gastgeberin,
am 1.Mai.

Kurz vorher sah ich noch
die Glyziniendolden hinter dem Haus hab ich mir
ans Fenster gebogen, und den Acker
mit dem Geruch abgeschritten.

Zeit also, Gnade uns, schon sah ich
nur noch der Gastgeberin bei der Kindstaufe
auf die MilchKnospen. Die Knospen und Blätter
am Weinstock waren früher da, die Kartoffeln,
die Obstbäume blühn. O Mitschurin. Ob sie noch
da sind, wenn ich ihnen den Rücken kehre.

Quanten lassen auch das Unwahrscheinliche, jeden
irren Zustand wie HEUTE zu. Nichts ist ewig, sagte
ein Gast, Physiker aus Rom, nur unsere allgemeine Wahnzeit.

Mich sollte ich aussparen, um nicht zu stören,
weil nicht vorhanden.

Man aß an einer langen Tafeln, die mich an den Sinai erinnerten, alles braun und sehr weiß, auch das reiche Ehepaar Grand aus Neuseeland. Alles verzehrt soll werden, Kaiser, König, Bettelmann, sagte früher meine Mutter, Nichts, GROSS, übrig bleiben, erst so spät.

Reiche Beziehungen verwesen,
sagte der Physiker aus Rom, heiser flüsternd, damit es
Elisa nicht hört: so setzt sich die Dimensionsgrenze
frei. Setzt an, trinkt, setzt zur Rede an. Zum Sprung
Satz an. Gnade uns, wir engeln, leichter ist sie kaum möglich, die weißweiße Hoffnung. Sprengsätze jetzt, alles was je geschehen ist, Tod als Sprungbrett gegen die Liebe Not.

Heute also: wars schon wieder heute gewesen,
und die Nonna beim Abendmahl, ißt einen Unverweslichen: sie ist über 80. In der alten Pievekirche ist heute Kindstaufe für Elisa, die drei Wochen Alte, unser Nachbarskind;
dann ein "rinfresco"in der Künstlerkolonie
unserer androgynen Bild-Hauerin: wider das
Überflüssige, gestatten, ein Vergleich,
blödelte der Advokat: Sie arbeite so die Berühmten
Leute aus dem Nichts heraus.

Und im passato remoto erzählt sie vom Ton einer Strauß-
und dem Jetzt der zukünftigen Einsteinbüste. Sand oder
Klang heißt auf Hebräisch Chol, nicht Skol. Sie spricht
auch Spanisch.

Wars gestern oder vor ein Jahrzehnt gewesen? Ihr berühmterer Bruder, der hatte in Triest ein Kriegsmuseum; er lag darin in seinem eignen Sarg, nachts, und träumte vom Jenseits; alle Kriegstoten besuchten ihn, behauptete er, der Direktor, vor allem die Toten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Sie hatten ihm anvertraut, wie sie verewigt worden waren. Er versprach zu helfen. In dieser Lage wurde er ermordet: Er hatte Fotos von den Wänden eines Reissilos in seinem Museum als Kriegsdokumente aufbewahrt. Der Silo war in der Kriegszeit als KZ verwendet worden. Und die Häftlinge hatten auf den Wänden die Namen ihrer Peiniger und die ihrer Auftraggeber
in einem NEIN verewigen wollen.

Namen wie Leben etwa, von rückwärts gelesen: Nebel, materialisieren jene Herren besser im Nichts sogar als das Negativ der Fotos, sagte der Mann aus Rom, wie Licht wäre Erzählung, wenn sie den Schein durchbricht.

Auch als die Vorstellung, brutal gelöscht und aus war, die Gefangenen ohne Gründe im Gas, und nichts aussprechbar ist, blieben die Namen als eine Fiktion, ihre Träger unaufhörlich daran gebunden, auch die Welt aber nichts als Einbildung. Und sie wären gerächt, nun wirklich, so die Toten, die, bevor der Bruder, in dessen Vorstellung dies alles ablief, starb, auch hier mehr gewußt hätten, wäre er am Leben geblieben.
Nun aber grundlos alles im Nebel. Dieses aber denken nun wir. Am stärksten aber ist mir von jenem Tag die Erinnerung
am die Glyziniendolden geblieben.


EPILOG

WENN ES REIST, DAS AUGE, ist es
zu nah/ und die Dinge sind wie angekommen:
vertuscht dieses Haus (denk ruhig
an schwarz, denk an die Dunkelkammer!
Doch nicht an Japan die einst leichte Feder!)
Versucht die Moschee auf der Insel Schilf
oder Papyros: und darauf müsste ich schreiben,
Rohr wie zum Pfeil geschnellt, oder
geblasen Gift. Zenon zu sehn im Unsichtbaren.
Ach: Nein. Nicht die Blicke ins Sichere!
Diese Hexe mit dem Meter. Und hier
stampft einer, der längst schon gewesen war,
sich ins Sichtbare silbenlang tarnt:
der Hexameter.

*
Ach nein, wirf das Schimmergeflecht,
das Lichtgitter leicht über die Dinge,
die das Auge nun fängt zwischen
Tür und Angel. Langt sich ein Ding
Impromptu zur Musik der alten Schlange.
Zu dicht, mein Lieber Gott,
die schönere Sünde fällt
durch jeden Raster.
So brauchst du
diesen langsamen Berg nicht,
so fahr ich eben vorbei
im fliegenden Netz des Gedichts:

Die Landschaft wird reif nach Tagen und Jahren
aus dem Boden gelöst.
Zu nah der Geruch, an den Fingern klebend,
an sich selbst und gefangen in Einzelheit.
Erst nach Tagen und Jahren, dem Gefühl
entkommen, wird es hier frei.

Herz des Landes, die Syntax.
DAS NICHT ZU SEIN,
was hier unmöglich ist, im Gedicht
aufzustehn, durchstoßen diese Mauer,
die ich eben schreibe,
als Leichter, und Gedanken verstreut
in die Dinge, erlöst
holen sie auf, was sie in mir versäumten:
jetzt, das draußen vergeht,
hat in diesen Apfel gebissen, ich halte ihn
in der linken Hand, die Rechte weiß
was sie tut. Nicht. Sei traurig UND.
Das Kern Gehäuse trägt
still wie der schönste Schlaf
Vergessen/ hat es den Traum davon.



NEHMT IHR MICH AN wie ich das Auge
und wusste nichts von mir
gibts noch ein Wort das zu euch will
wie der Christ zu uns kam
wie wir und doch Sprache
von wem

Wenn ich schlafe heut Nacht
kommst du wieder die Qual
aufgelöster Gedanke Labyrinth wie wand
die uns trennt und fühlt sich
wie nah diese Prüfung und ich weiß nichts
von ihr und vom geheimnisvollen Stoff
dabei Nichts wie mater Materie und endet mit A.




ALTER



Am Abend dann wieder: Kaum aufgeschrieben, der Tag
ein böser Witz, der sich dehnt, was geschieht.
Es könnte Sonntag sein, Taufe, es hatte eben
in die Predigt geregnet, und es fällt auf
wie ein Ring ums Bewusstsein entsteht, die Sperre,
und die Trinität am Altar? Sie hat sich zur Null
bequemt, was Er ist, wird Alles-Eins. Die Muttergottes
auch sehr alt geworden, steht abgeblasst im Blau:
Ein Und dazwischen. Kaum Wirbel, kein Gedanke im
Auge. Am Kopf, blau eine ohnmächtige Blume,
die nickt/ nichts sagt.

Nach Fünfzig sind wir viel langsamer,
aufholen Versäumtes die Hirn Prozesse
sterben draußen, wir schneller
vertrieben aus letztem Leuchten,
dem Worthof, und von Sinnen. Atemlos.
Zeit, ja, wie am Krückstock
geht leer und ohne mich weiter.
Nur Sterben ist im Gedanken,
das Leben, nicht Er ist es
der vergeht.

Still steht alles im Rasen,
lässt mich dann liegen.

Sogar das was längst vergangen war
ist nicht mehr da,
und hält mich
gefangen.

Anstatt der Auferstehung -
das Alter. Kein Brot und Wein,
nur diese fetten Zeilen. Papier.
Kein Hof. Und keine Enkel. Die
Landschaft fremd. In mir der Streit.

Grün die Buchen, lichthell am
Rand. Das Unlebbare langt. Wie unwahr
träumt es sich im Satz und
fängt nichts mit Ihm an. Und bleibt.
Ich liege/ auf dem Buch,
dem Sinn, in diesem Gras tickt
Licht wie mein Gedanke, als
warte es, um sich in mir zu wissen, und
heimgeführt wie mich, dies wär der Punkt
die ausgebliebene Hochzeit
ist der Kreis.

MA NIENTE E PIÙ SICURO


Für
Luciano Fintoni,
In diesem letzten Herbst

1
Als wir noch beide im Licht standen, damals
in Parma, quella pianura dorata, eintauchten
in Mattiolis Bilder, von innen ein Wirbel, ein Licht
drang durch die Farben, je dunkler im Raum, umso heller
zündete / der Eine in uns, begeistert, als wäre der Malraum
der offne Himmel, begrenzt nur von Augen. JETZT
sind deine für immer geschlossen, du aber siehst
mich in ihm an, Weiß: propriu nel cielo
piú profondo e vuoto in unseren erinnerten Blicken,
du auf Weiß in deiner Schrift dort an der Tür,
rot blendet sein Gewicht, der Kopf im Tod geneigt,
jenes Kreuz, Composizione di notturne insonnie,
ist jeder Mensch, wie du, in dieser Nacht des Todes,
soltanto quel corpo torturato, trascinato, ferito,
abbandonata Carne, e dopo crocifissa, sospeso fino
al giorno del Giudizio: di nuovo, nella Luce...Notte,
o forse Nulla. Schriebst du, und das Schönste,
das du schriebst, noch hier, im Licht, das BIST du
Jetzt, es blendet, das Andere weltinnen, es zündet
der Eine in uns an.

Das alte Holz, das ist an uns genagelt,
Materie wacht im tiefsten Zweifel, dolori
portati con pazienza, verlassene Formen
und Substanzen, sole, a guarduare negli occhi
questa vecchia morte, Tod, der uns begleitet
von früh bis nachts, quando il giorno si fa greve
di stanchezza per gesti ripetuti
e voci troppo note.

2
Doch Jugend so grün wie die Oliven, silbern
wie deine Sonette, hier, wie sie lebten
als Landschaft; da gehst du, ich sehe es,
du last es vor, auf deinen Lippen stand
der Schmerz, unter einer Landschaft Mattiolis
violette Grenzen, dahinter ein Feld:
und alles war doch nur ein Zimmer
der Freundschaft bei Paola und Francesco:
Oh, come trova il corpo una ragione
e una bellezza nel suo quotidiano
indossare poi togliere la maglia
del capo, dove svela quel cespuglio
di riccioli arruffati bruni lucidi.
Und doch auf den Lippen damals, schwarz,
eine Wunde mit dem Vater, an einer Seite
brennend zu fühlen und offen bis heute.

Oder am Tisch mit ihm, tavolo fermo,
wir tranken Rotwein in Parma, aßen und lachten
und du sagtest, glänzend der Blick; wir hier
seien doch noch geblieben: Creature mute
della terra antica, cuore che batte
dalle lontananze. Berührt uns gemeinsam:
ein grünes Tal, Versilia, e sono
i seni colline remote, docili, ove giocammo
nell`infanzia del mondo, und das Tal,
es steht nun umgestülpt, noch da und ist schon
längst vergangen.


Nichts, Nichts ist
vergangen, solange wir hier sind,
beständig wie der Tod, der alles,
nur sich nicht mitnimmt.

Pieve, Versilia, 27./29. settembre 1991
Beim Tode Luciano Fintonis
Ein fremdes Tor
und Stiegen, kalt
und schmutzig münden in die Leere.
(Walter Myss)

STARK DER VERLUST nach einer Heimkehr
kaufst du das blaue Haus dort steht
der Tote weint den Tau jetzt zu Beton
zwei Autos überfahren ihn
mein Junge du stotterst

Die Wirklichkeit berührst du nie
nach innen kommst du an
der Bach ist grau die Brücken Nie
zerstört du tauchst nicht zweimal
in den selben Fluss

Hier trennt das zweite Mal,
brennt nicht, ist fahl
im Nirgendwo, das meine Heimat ist,
die Erde, die Vergessen macht
mit meinen Jahren
misst.

23.6.90



FRAGMENTE

Körpernah schreiben, um den Leser zu erreichen?
Hat die Masse gewonnen? Das, was man sieht, hört,
fühlt. Und schmeckt. Die Sinne Alles?

Es brodelt, wo, bitte
Scanner der Ewigkeit,
ha, der Tod, sieht da

aus unendlichen Skeletten
rast Revolution

Backspace.

*

ALLES ist Unsinn. Kurz schreiben fassen.
Bitte schön. Schön. Altwerden, Skepsis. Schreiben,
NEIN, Brüllen. Wozu. Gott, wie nah.

Kurz fassen. Lang Blödeln. Fassungslos da.

*
WOZU schreiben, Mensch? Hat er
noch eine SCHRIFT? Mit dem Alter nimmt Er
ab. Wer schreit da, gelähmt an Haupt und Haut.
Ameisenheere an der Wange, um die Stirn.
Eingesperrt warst du schon immer, JETZT merkst du
es. Blumengeruch. Fenster offen. Du merkst es
NIE. Vorbei zieht die Sekunde, wie immer.
Eins, zwei, drei - und du bist frei.








NEIN, - DAS WORT VERRENKT DIE WELT
So lass es und locke nicht mit Liebesgaben.
Sieh sie wieder, lenke ein. Wirst sie
nicht ewig haben.

Das war im Apennin, die Autofahrt, die Weite
Des Landes: Kämme und Schnee, Glasbläue zitternd
Zitternd die Sinne, ich fühlte ich kann
Und war der heutige Tag.
Da war ja nichts, bevor ich es sah
Nur Gedanken sonst unklar so
Knöchern und vag.


In jedem Stil, und auch Plagiat, so öffne
Was du noch vor dir hast,
Schwingend, du erfrorener Christ,
Der längst nicht mehr am Leben ist.

Die Stimmung hol als Widerstand
Aus deinem alten Keller mit den Äpfeln,
Riech daran und genieß was da noch sein kann,
FÜHLE, was SIE und der Kopf dir versperrte.
Den Klang.


MONOLOG EINES VERSPÄTETEN PHANTOMS
IST es nicht so, ist es nicht
ist es so, wie es nicht ist , es ist
leer, wiederholt und ich hoffe doch auf
Wiederkehr, immer wieder versagt, wahr wahr,
vergesse ich, was ich sag und weiß: freue dich
eine Weile, o freue dich, dieser Zeile zu glauben,
mehr nicht, nur was erfunden ist, hinaus
gestellt, o Phantasie, mein Gott,
das ists, sonst nichts.

DER IN DIR erlaubt, er allein zu leben,
du aber, alt, entlässt ihn, den
Glauben, dann aber, dann ist alles vorbei,
dann, bist du allein, verzagt diese Hülse
aus Fleisch, Haut über die Ohren, ja,
über den Kopf, Überhaupt nichts mehr

gezogen
auf eine Flasche.


VERZWEIFELT allein, das passt. Passt du,
mein Alter, was aber, was suchst du noch
hier. Im Licht, das dir geschenkt, ganz
umsonst gegeben, unwürdig ja, bist du
im Licht, dass dich die Sonne bescheint, dass
er dich noch hält und besorgt, was, wenn
nur deinen armseligen Leib... ? Nein der
allein, ist verlassen und stirbt bald,
allein ein Wunder Werk, dass er noch ist.

SO beruhige dich, Stress nur einfach so
wie ein Dasein, Ungeduld das Leben,
lässt schon nach, du spürst es, an den kleinen
Dingen mehr noch als. Hier nur drinnen etwas
Aufenthalt, etwas Sinn im Schein,
den du selbst erzeugst, ein wenig Rausch
Vergessen, etwas Wörterwein.
Und dann Aus.



DER BLINDE IST GANZ DA UND GEGEN JEDE ZEIT

Du siehst das offene Fenster dort
du siehst gespiegelt phantomatisch ein Geäst und
das zerstäubte Licht im Nebensinn der unbeschriebenen Blätter

Was es nicht gibt ist da wie eine Meise
und riechst zugleich was anders
hörst den Vogel
draußen und den kleinen alten Vogel
der summt in deinem Kopf

Du schließt die Augen
schmeckst nur deine Zunge

So schweig.
HALBWEGS BLEIBEN FRAGMENTE
Gefühle sind vergangen stehn auf
Musik eine Note ein Kopf der
sie sammelt

lass mich fließen so hab die
Knochen noch weißer
gelassen
froh im Verhängnis
des Wissens begangen

solls eine Trance sein oder schön oben
frag mich nicht weiter es war Edenkoben
renn nicht so blöd konzentrier dich im schlaf
so komm und verwirr dich/ dein Ich:
verschlaf es


NACH MAYRÖCKER. ALLTASGGEDICHTE
WIE TAGEBUCHNOTIZEN

Und wenn ich nun die Österreicherin lese
die nicht so einfach und doch erhellt schreibt
mit dem schönen Namen der Maifeste und bunte Röcke
trägt wenn sie sich auf macht,
May Röcker oder Marika Rökk der Kitsch fällt mir ein
mit der Donau
Kitsch ich ja schön gefühlig sagt die Münchner Malerin
der ein Z gehört und ein Kreuz aus einem Baumstamm
im Donaudelta wo die ertrunkenen Männer
aus der Tiefe rufen von den Toten von den lebenden Toten
und jene die einmal bei ihnen sein wird dann
lebt in ihr schon jetzt und scheibt uns auf
was sie am Tage erlebt und geht doch ein plötzliches
starkes Licht die Markt Zeile entlang und erhellt
flüsterst du mir zu: Tagebuchtage
du bist ja gar nicht gestorben
wenn du in mir flüstern kannst, Anemone
8/95



ALLES IST SO WIE ES IST

Längst wusste ich es, dass
ich flüchten will da-vor. Alles
ist drin bis zu dem letzten Tag,
Und ich der Bindestrich.

Hast Recht hier die Kontur, die Tür,
das Zittergestell
der Zellen, der Leib mit E und I
mit diesem A
von Anfang an ist
alles, ist der letzte Umkreis,
drin aufbewahrt ist das Gefäß
jetzt in der Luft
Und später in der Erde.

Und zwischen Und und Später
gehn wir aus
wie eine Kerze/ Und
dafür machen wir uns fein?
Und schreiben jetzt
um so fein raus zu sein: Aus
diesem Alles So-sein wie es ist.

ASSOZIERTHEATER FÜR JEDEN:
UNTODALEE SPATZIER GANG
Liegt/ auf der Hand. Für Leute ohne (inneres) Dach
Quod Li Bett allein

Frei wollen wir sein, frei, lieber Leser, Freiheit, die ich meine, kein Schlacht Feld, sondern dieses HIER. Riech am Wort, machs fett lebig, essen wir, lieben wir uns darin, ein Bett vor dem Tod, gegen das Sterben jeden Tag, ohne uns, kriech hier rein, kriech hier unter, nicht zu Kreuz. All-so hör, fang an, lass dich gehn, sehn, du bist schon, schön, wenn nicht, lass dich wenden, sei gut zu dir, frei, heil dich, assoziere mit mir, spiele, hab Lust, sei frei, komm, komm, lieben wir uns im Satz: Ins Offene, Freund! Kommen. Auf krummen Wegen, Grade, Lauf auf allen Meridianen, keine Nullgrade, keine Dienstgrade. Was fällt dir noch ein! Noten, notier deinen Reichtum mit mir, geh deiner Wege, du hast sie. Sei so frei! Lege dich, aufs Bett hier, die Couch, Kuschelwort, Kutsche Retour, große lange fahrende, heiße Worte, flüster sie, einsam NIE wie im Spalt, an dauernd hinüber, ein brennender Ritz, wo du durchkommst, schlüpf durch, Türen sind offen, Schlupf, Schlupfloch, Lüpfer vom Bild, erkennbar, neine, nein, nicht schlüpfrig, nie obszön, keine Nur-Schlüpfer Berührung auch anders, mit Haut und Haar wag den Kopfsprung nackt in den Satz, den du eben machtest, den Liebesakt, machst wider die Mache, die Masche, die dir den Hals zudrückt, du, mein Leben.
Für L.

Nur noch Splitter, ungeglaubt, und Musik
doch überall. Du aber bist taub. Fluchst, Fluch
Nebel. Drängt von unten, es ist Dezember, aus dem Tal weißweiß.
verkehrt das Leben, milichgrauweiß nebelt Leben. Nebel.
Gefangene, Wesen, Zeichen die Sand Uhr:
im Wort schreien und schluchzen die Vereisten,
außerhalb des Namens aber singen sie, Blumen,
atmen Blätter, die mich trennen.
Manchmal erschrecke ich, dann ist er da, ruft,
gestern sah ich die Muster auf einer Kerze,
ein Feuerzeug, zwei Becher, eine schon halb verwelkte Rose zu
deinem Zweiundfünfzigsten, und die Sachen angeordnet
wie eine Schrift, plötzlich brannte sie im Auge.
Und im Spiegel, dort im Bad, das nur du kennst,
und ich, wir, die wir uns nicht sehen, nicht kennen,
die Ungelebten, dem Tod entgegengehn, Tag für Tag ungefühlt,
dort mein Gesicht, gezeichnet von Gewalt, Furien,
und an den Händen, über den Augen wachsen
dicke schwarze Haare, die letzten.

12/90





PARAPHRASEN UM TOTE UND NOCH LEBENDE KOLLEGEN

Keine Parodie, auch um mich nicht, wie blöd wir
den andern alles überlassen, Satz wie
gebrochen halt Gebrochenes anstatt
Gott.

ARGHEZI. Aus
den Geheimnissen.
Die Zunge spricht sich, weiß sich nicht.
Geheimnis Und, wie plastische Form sie
gewinnt. Je nach Richtung Und Welt, Vers
in der Sonne, sich grämt vor Klarheit,
härteres Sein. Warum der Gedanke in sich
verborgen, denn nicht schweigen kann.

Sein Text: Făptura ei de aer nicht über-
setzen kann, du Sonnen Kern ein Blumen-
Licht.

DIESE NEUE ZEIT DES STILLSTANDES: Wird sich mit Leere
erfüllen. So
könnte es einen Sinn haben: jetzt, diese Zeit, sie aber
missbraucht die Freiheit: in äußerer. Sattheit, das Angenehme
dieser Welt, das nur gestohlen. Den Boden nicht entzünd,
den Körper vergessen zu dürfen.
_
Wohlstand verpflichtet uns: zur Andern Zeit.
Das verkehrt Geschichtserreichte, aber auch dieses hieße es
nützen! Ihr aber nützt es nur aus.
Jetzt wäre er, der Moment des Umbruchs reif, schon das Wetter,
nur noch Stürme, die das Genießen verhindern, zeigen es,
Umkehr auch ohne Ihn vielleicht, denn das Erreichte tötet.
Er aber, er ist längst hinüber, seit wir es wissen - ein Anderer!

Alles bewegt sich zurück ins Leere, nur der Entwurf steht noch.
Aus.

*

Jetzt ein Auto
vor dir, ein Kistenaufbau, in dir
erweckt, eine Frau jedes Atom
im Auge, Kisten grau vom Alter:
Früchte trugen sie, leer jetzt, wie
ein Augen Blick ohne Ankunft, vor einer
Alimentari weißgekleidet die kleine
Verkäuferin, unter dem Kittel
noch ein Büstenhalter, und schön
erlöst wäre sie Eden nackt,
weiß bleibt nur ein Engel
und fliegt der wütende Blick:

"Nein , nicht leben, - erfinden, eine Landschaft, meinen Tag... Sonst gehe ich ein: die Gräue dieser skeptischen Notstandsexistenz im Nirgendwo, wo nichts mehr im Wirklichen zu erhoffen ist. 25. 7. 84: "Angekommen hier, ich/ einer von den vielen, denen aber Zeit gestundet,/ sich freudig erregt am Krystall des Wassers,/ während Menschen geprügelt/ Freunde, Verwandte gehängt werden,/ und morgen wirst auch du tot sein./ eine Spanne Zeit ist da,/ darauf sitzen Vögel,/ der Kopf kaum frei davon/ feines Wassergeräusch/ die weite Masche des Wortes/ die Leben bedeutet und Tod,/ weil sie benennen können, was kommt/ fassen mich an wie eine Geisterhand/ von innen, als wäre dieses Bild/ das Kind im Land/ wie es spielt: Licht/ Ein bunter Luftballon:/ der Augenproduzent/ verborgen/ nackt. Menschenleiber,/ die ich in einem Bad in Haifa sah/ erschrak ich davor - / weiß sah ich sie übereinanderliegen wie vor vierzig Jahren/ Kain in Herzkammern Gottes./ Oder sollte vielleicht gezeigt/ werden: Rauch/ dass es für immer nun brennt,/ dass die Spanne Zeit bevölkert wird vom Grauen,/ dass langsam hinab sinkt der eigene Leib in die Grube mit Blumen/ nichts, Nichts wieder gut gemacht hier,/ all dieses erinnert/ und zusammengebracht: /Mein kleiner schwarzer Hund neben mir,/ der nicht reden kann/ lebt im Augen Blick ungestört,/ ewig."





( Post, revolutionär)

SCHREIBEN, ein Verstummen,
der Unsinn: Wortemachen;
Nichts als so den Tod vermummen,
ich hör es, euer höhnisches Lachen.

So habt ihr doch Recht bekommen,
reim sinnlos die alten Tage,
war früher doch schön versonnen
und bin nun vom alten Schlage.

Unlust die fahle Wange,
Nichts, Nichts als euer dummes Ge-Tue,
und täglich die alte Zange.

So lasst mich doch endlich in Ruhe,
mir bleibt Nichts als ein alter Gedanke
wie früher als sie uns bedrohten, die ewige Frühe,
der Tod.





POISIS

LYRIK ALS ZWISCHENSCHAFT
An meine Leser


Ja, ich bin in Transsylvanien geboren, in der Stadt Schässburg, flüchtete zur Ceauşescuzeit nach Deutschland, bin dann auch aus Deutschland geflüchtet, da ich die Illusion, als wäre alles in Ordnung, nicht ertragen konnte: Nun eben nach Italien oder ins Dazwischen, in mein poetisches Absurdistan, denn wie Sie wissen, hat Poesie, dies Handwerk, nach Paul Celan keinen Goldenen Boden, sondern überhaupt keinen Boden, bce poety jidy, sagte die russische Dichterin Marina Zwetajeta, alle Dichter sind heimatlose Juden, wohne also seither in meinem Zwischenland Italien, komme nun hierher nach Heidelberg, mit meinen italienischen Kollegen, aber wie es sich für mich gehört, freilich mit DEUTSCHEN Büchern, die in der Bundesrepublik erschienen sind, so einem neuen Roman in Dokumenten über die deutsche Schuld, denn die Transylvaniendeutschen haben mit Hitler mitgejubelt und waren schließlich SS-Leute in deutschen KZ, so „Capesius, der Auschwitzapotheker“, dies der Titel meines Romans; doch ich komme heute mit Gedichten zu ihnen, denn nur in denen habe ich ein wirkliches zu Hause. Dort Gottseidank auch allein. Lebe aber trotzdem wirklich, also in der Nähe von Lucca, Carrara, Viareggio, Florenz eigentlich schön, doch eingesperrt in der eigenen Haut und nirgends zu Hause, außer im Wort, dem deutschen freilich, das Gottseidank noch nicht vergangen ist, doch eine Vergangenheit hat, die ich nicht vergessen kann.

Da ich im Wort und ganz schön als Zwischenschaftler, also ZWISCHEN drei Ländern: Rumänien, Italien, Deutschland lebe, habe ich das Glück gehabt, dass meine Gedichte in die Sprachen meiner drei Länder übersetzt worden sind; ich also reich bin, dreimal leben darf! Und jetzt so spät mein erster Gedicht- Werkquerschnitt auf Italienisch erschienen ist, nicht auf Deutsch, auch das paradox.
Ein Lyrikband, deutsch und italienisch: Sette volte sete. Siebzigmal Durst. Grenzen Los. Hrsg. Von Stefano Busellato, ETS (der Univerlag Pisa), 2006.
Aus dem neuen deutsch-italienischen Band ein Gedicht über Deutschland:

WIE IM WAHNSINN STIMMEN
Mnemosynen / Musen sind nur Pseudonyme
Unter den Silben flüstern Halluzinationen.

Nah am Rand der deutschen Sprache tut es weh.

Dieser Raum wie blaugeschlagen
Spiegelt in uns selbst Diktate
Von den vielen Toten.

Halt den Spiegel rein.
Blink aus / Die Wut
Mit der du angefüllt.

Sie trübt.

Die Gedichte im neuen Band „Settanta volte sete“ (Der Band ist abrufbar bei Fixpoetry) sind synoptisch angeordnet, linke Seite das deutsche Original, rechte Seite vers- und zeilenweise der italienische Text. Wer will, kann auf schönste Weise italienisch lernen. Oder einer italienischen Geliebten imponieren.
Denn die Übersetzungen dieses Werkquerschnittes sind in langer Arbeit mit 13 Übersetzern entstanden. Ein Glücksfall, 13, vor allem junge Übersetzer, oft selbst Lyrik schreibende, die meisten von der Uni Pisa und Florenz, Heidelberg und Jena, hatten sich Gottseidank in diese Gedichte verliebt, und ganz ohne äußern, nur inneren Auftrag und Eigeninitiative, vor allem des jungen Pisaner Literaturfreundes und Herausgeber dieses Bandes Settanta Volte Sete Siebzig mal Durst, Stefano Busellato, den ich im Hause seines Pisaner Philosphieprofessors Tomaso Cavallo, selbst Lyriker und bedeutender Übersetzer aus dem Deutschen, kennen gelernt hatte. Stefano promoviert über Nietzsche und den italienischen Nietzscheherausgeber Giorgio Colli. Ebenso Donatella Morea, und dazu: Antonio Staude, der Enkel Collis, sein Vater der Astrophysiker Jacopo Staude und eine Reihe anderer Begeisterter, die sich eigenes in diesen Gedichten angesprochen und berührt fühlten. So kam es durch diese Übersetzungen bei der Zusammenarbeit zwischen Übersetzern und Autor zu wunderbaren Freundschaftsabenden, wo gemeinsame sprachinspiratorische deutschitalienische Gedichträume in unserem Haus in Camaiore, den toskanischen Hügeln, entstanden, eben bei der Deutungs- und Übertragungsarbeit lyrischer Varianten und Schwierigkeiten gültige Entsprechungen und Äquivalenzen in der vom Deutschen so sprach- und gedicht- melodisch und rhythmisch und historisch unterschiedenen Italienisch zu finden.

Aus diesen freundschaftlichen Begegnungen entstanden literarische Gemeinsamkeiten, ein kleiner Literaturkreis im Gedankenaustausch mit einer besonderen Poietik, die vieles mit dem Rito- und Mitomodernismus gemeinsam hat. Unser „Manifest“, das übrigens auch im schönen Vorwort von Stefano Busellato in Settanta volte sete anklingt, und auch in seinem eigenen Gedichtband bei ETS „Tutto è bene quel che finisce“ könnte so formuliert werden:
Poesie klingt aus der tiefsten Einsamkeit, und strebt dem All-Einen zu, fängt immer wieder von vorne an und hat doch schon das Ende in sich. Zyklisch und lebensgesetzlich also gibt es Tod und Leben, Anfang und Ende in EINEM, und in Einem fort, der Augenblick ist Ewigkeit, das Jetzt ist ein Immer im Wachsen durch uns, durch unsere „Entelechie“.
Scherzhaft nannten wir den Geist dieser kleinen italienisch-deutschen Freundes-Runde „acapismo“, von da capo abgeleitet. Jede Benennung, auch die poetische, müsste ein Neuanfang sein, im Wissen, dass wahr etwas erst sein kann, wenn es aus dem Namen fällt.
Und war gegen die banale und verlogene Sprachüberflutung durch Werbung, Medien und vergifteten Alltag im Geld-Schein vergifteten neoliberalen uns Zeit und Wesen raubenden Konsumwahnsinn gerichtet:

Das JETZT, jeder Augen-Blick kann die große Metamorphose bringen. In der nächsten Sekunde war noch niemand. Und ein „acapista“ weiß, dass die Welt Täuschung ist, Schleier der Maya, und dass unsere Begriffe nur zerschneiden! Poesie aber tiefer dringt, eben zu diesem hell leuchtenden Widerschein des Anfangs. Wie drückt man diesen im hinabtauchenden verschwiegenen Wort aus? Wie drückt man das Eine, also die Absenz im hier Fehlenden aus?

Was ist Präzision? In der Quantenlogik ist es die „Unschärfe!“ Das, was man nicht weiß muss als Nichtwissen ins Gesagte mit einbezogen werden, und dies ist weise und führt zum menschlichen Kern, zur komplexen Bescheidenheit des sich Öffnens, zur Annäherung an das strahlend Unzerschnittene, oder die LIEBE, das Feuer in uns! schön widergespiegelt auch im Gedicht.
Dieses „Manifest“ ist übrigens auch in der renommierten Zeitschrift Poeti e Poesia, Rivista Internationale Hrsg. von Elio Pecora im Dezember 2005 samt 40 Gedicht-Seiten aus unserem Gedichtband „Settanta volte“ italienisch und deutsch erschienen.

Wir stimmen Angelo Tonelli, wie er es in seiner Anthologie: Altramarea. La Poesia come cosa viva (die Poesie als lebendiges Ding) formuliert, zu, so dass ich mich sowohl seinen Argonauten, als auch dem Mitomodernismo zugehörig fühlen:
Dass diese Autoren Poesie wie ein inneres Feuer erleben, und dass sie damit, mit einer Art Passion des Kreativen und der Inspiration eine Disziplin der Grenzüberschreitung, des „oltre“ verbinden.
Besonders schön hat dies Guiseppe Conto, der eigentlich Begründer des Mitomodernismo ausgedrückt:
„Die Welt muss aus dem Feuer wieder geboren werden-
Das Feuer der Welt ist die Liebe.“

In Florenz 1999 die ironische Proklamierung einer Weltregierung der Poesie und der Weisheit gegen den universellen Markt, Conte, Kemeny, Gabriella Galzio, Massimo Maggiari, Angelo Tonelli waren damals dabei.

Es geht um die totale Metamorphose in diesem Zeitalter des „Kaliyuga,“ gegen die Massenmedien, die stupide Kulturpolitik und die Kulturindustrie.
Eine Selbstbesinnung auf die Ursprünge der Kunst im Sakralen.
Und ich kann mich all dem nur anschließen, es trifft und betrifft genau auch meine ars poetica., so wie es etwa Conti und Kemeny, aber auch Maggiari ausgedrückt haben.
Bei letzterem ist es das Zugehen auf die anima mundi, das All-Eine.

Ist es jenes Reich der Himmel, ist es das Sakrale, dem auch die Mitomodernisten nachstreben im Gedicht? Es steht im Zentrum, doch auch der Glaube oder das Wissen um das Offene, das Unverstellte, Reine, also das Unzerschnittene, Naturbelassene, übernommen von der Vaterfigur Montale und dem Meer als das Unendliche, Ligurische Orte als Topos, den Weg der Inspiration, um dorthin zu gelangen. Konjunktion des Geistes mit den Dingen, also eine Verschmelzung, die ja nur die Überwindung der Täuschung durch jenen Schleier unter den „Bedingungen der Körperlichkeit“ ist?
Es geht da um nichts weniger als um das Ganze, also ums Heilige, Whole im Englischen, das von der banalen Vielheit der Sinne dauernd krass in Frage gestellt wird, ja, den Schleier ausmacht.

Der Mensch ist nach Kant fremd, weil er eine Art Ebenbild des "höchsten Gutes", des "Einen" ist, zu dem er nur mit dem "inneren Sinn" Zugang hat; dieser "innere Sinn" aber geht über die Alltagswelt der Sinne weit hinaus, die ihn nicht zu sich kommen lassen, da schon wegen des Voranrückens von Zeit in den Außeneindrücken eine Erfahrung überhaupt nur möglich sein kann, wenn "Zusammenhang" oder "Einheit" unseres Bewusstseins als "Gewusste" und zugleich Wissende, also Verstehen da ist.

Es gibt sogar eine Belohnung dafür, das Glücksgefühl beim blitzartigen "Begreifen" und Verstehen durch einen Ein-Fall, und dieses nicht nur beim Literaturschreiben oder beim schöpferischen Denken in der Kunst und Wissenschaft!

Dieses ist deshalb so erregend, weil es wie die Simulation eines ebenbildlichen Prozesses zu sein scheint, wo Sinn sich summiert. Je mehr Einzelszenen oder Fragmente und einzelne Gedichte in einer Struktur, wie auch in diesem Band, sich gegenseitig anziehen, dichter werden, ein annäherndes Ganzes ergeben, umso größer ist die Erregung dieser intuitiven, ganz persönlichen und doch sich selbst überschreitenden "Sinnarbeit", die sich eben einem Unerreichbaren, einem verborgenen Ganzen annähert. Es ist ein erhellendes Verstehen, das immer näher und intensiver wird, je mehr "Bildpunkte" auf dem Bildschirm des Gedankens und dann des Buches zusammenkommen.

Es ist eine komplizierte, jahrelange und sehr einsame Reise in eine Zone, wo das Unerreichbare, das platonische "Eine", vielleicht "Metapher Gott" warten. Und so wäre diese Sinnarbeit via erlebter Weltfragmente im Laufe der Zeit, eine Arbeit, die diese zerfallenen Stückwerke der Momente und Lebensphasen in ihrem anscheinend sinnlosen, daher schmerzhaften "Unten" ihrer mangelnden Bindung und des fehlenden Zusammenhanges bindet. Sie sind eben das Rohmaterial eines Ganzen, einer stimmigen schwingenden "Sprachheimat". Es ist bisher die einzig mögliche "Sicherheit", einer fast numinosen Geborgenheit im Nirgendwo, die es für mich an der Grenze zwischen sinnlichem und geistigem Bereich noch gab, mit ihrer Tiefengrammatik des Sprachgedächtnisses als das einzige unzerstörbare Haus, das ich noch habe.


Es geht eigentlich nur um die erwähnte Teil-Habe des inneren Menschen am "Einen" via Lebenserfahrung und Lebensfragmente, um das Sich-Annähern an das "Gottes-Ebenbildliche" in uns, das jedoch nicht zum Zuge kommen kann, weil wir uns selbst fremd geworden sind, genau wie die Dinge uns fremd bleiben, als in den Körper Gefallene unbekannt bleiben müssen, solange wir - wie es ja heute fast zu einem verinnerlichten Diktat unserer außenweltorientierten Zivilisation geworden ist - nur getrennte (materielle) Körper sehen, eine Art Sündenfall, weil wir so im Körper und unseren Sinnen - also dem Schein und der Illusion - gefangen bleiben! Ja, einer Kultur des Scheins, nicht des Seins, zu huldigen gezwungen sind!
Aber Ausgangspunkt dieser Gedichte ist die hoffnungsvolle Einsicht, dass alles Sichtbare Geist ist, der nicht als Geist erscheint.


Was uns heute schon umgibt, ist eine immaterielle Welt an einer unvorstellbaren Grenze. Unsere Umgebung ist bestimmt von lichtschnellen Geräten und Apparaten; diese beruhen auf Formeln, die einmal "Einfälle", Intuitionen von genialen Menschen waren, es sind ähnliche "Gedankenblitze", Inspirationen und Einfälle wie in der Kunst: Das Nicht-Materielle, das "Geistige" bestimmt heute mehr denn je alles, was geschieht, mentale Prozesse machen mit einer durchschlagenden Evidenz Geschichte, Denken wird "objektiv", lernt sich als mathematische Struktur selbst denken, erfährt sich als Ort, wo Naturgesetze offenbar werden, wird praktisch, beherrscht im Gerät die Natur und die Gesellschaft. Aber die Menschen der Gegenwart bewegen sich und handeln in dieser neuen immateriellen Umgebung weiter so, als wäre es immer noch die alte Körperwelt.

Die neue, eine Art gefährliche ontologische Grenze zu einer schon längst angebrochenen Zukunft, wird noch schärfer bewacht als die frühere politische Grenze mit Fahnen, Wachtürmen und Gewehren. Rufmord und die Seelenpolizei Psychiatrie sind heute ihre Zensoren, Agenten und Bewacher, und die Angst vor Tabuverletzung, die unbewusst jeden einzelnen bestimmt, wie früher die innere politische Zensur in den Diktaturen.
Alltagswissen dagegen- dieser flache Umgang mit dem Leben, wird als wichtigste und ernsteste Sache der Welt von allen akzeptiert, das Resultat: dass jeder anstatt Sekunden der wahren Empfindung und der Dichte, des Glücks zu leben, dieses täglich bis zum Tode versäumt. So wird jeder Moment, der uns selbst und jenem Zwischenraum, der schon an jenes Tor der anderen Zone klopft, gehören müsste, versäumt. Und der uns umgebende Reichtum der Welt wird kaum wahrgenommen!
Und es stellt sich freilich die Frage nach jenem unbekannten und unbeschreiblichen Wesen, das auch jenseits der Sprache, ist das unheimlich ist, im Schrecken erscheint, nach Rudolf Otto ist das Heilige ja ein „tremendum“, uns sprachlos macht. Ist das Tabu des Bildverbotes "Gott", das hier Fehlende? Ist "Gott" der Tod? Abwesenheit der sinnlichen Welt als Anwesenheit ihrer Tiefenstruktur, Anwesenheit unseres "Angeschlossenseins" an den undenkbaren größten Zusammenhang, Er dafür eine Chiffre? Hier stoßen wir auf den schwierigen Un-Begriff des Nichts. Das Nichts ist im Hebräischen identisch mit Gott. Ayin heißt Nichts. Es ist zugleich Name eines Buchstabens, er hat die Bedeutung von (inneres) Auge. Jenes "Gott" genannte Eine, das immer und zugleich nie da ist, da es "Alles" ist - wirkt als treibende Absenz in allem, was existiert. Dieses "Nichts" ist als Entwicklungsspender in allem enthalten, im Menschen unbewusst als grenzüberschreitende Erwartung, Hohlform unverzichtbarer Hoffnung.

Gott wäre also das „Fehlende“?
Das dritte Kapitel im zweiten Buch Mose, Exodus genannt, gibt eine sehr schöne Erklärung dazu: dort fragt Moses, Verfasser und Hauptfigur in einem, Gott nach dem Namen. Die Antwort lautet: "Ich bin, der ich bin." Doch lässt sich dieses "Ehyeh Asher Ehyeh" genauer als reiner Widerspruch erkennen und in eine seltsame Möglichkeits-Form übersetzen: ICH BIN, DER ICH SEIN WERDE, oder: ICH WERDE SEIN, WO ICH SEIN WERDE. Er, der Unfassbare, Undenkbare, ist also Beherrscher der Zukunft, ein "End- und Omega-Gott", der für uns noch nicht – oder nur im Negativfilm, im Negieren - da ist, weil unser Denken uns von ihm trennt! Und wir uns gegen es wenden müssten, um dem Schmerz des Fehlenden näher zu sein!

Wir werden gezwungen täglich im Schleier des Lebensverlustes zu leben, in Downerprogrammen, wo das DA uns nicht erreicht. Doch das Bewusstsein davon wächst in jenen, die es wissen, jahrzehntelang täglich. Das angehäufte reifende Wissen durch Poesie, lässt wie der Hase mit dem Igel im Wettlauf, die Vergangenheit verändern, falls sie im Schreiben, besonders im Gedicht verdichtet, abrufbar ist. Die "Veränderung der Vergangenheit" ist eine komplexe ja, eine enorme Aufgabe nicht "für" die Zukunft, sondern eine Aufgabe "der" Zukunft - und zwar jetzt, im gegenwärtigen Augenblick - dass ein ganz anderes, höheres Bewusstsein und Können dazu nötig wäre - wir in unserer linearen Zeit daran zerbrechen müssten, leuchtet ein. Nötig wäre praktisch die Aufhebung der Zeit in parallelen Ebenen, was gegenwärtig im menschlichen Bereich hypothetisch nur die theoretische Physik – die Grenzwissenschaften, die Literatur und das Erinnerungsvermögen ermöglichen! Die Konsequenz wäre: das schuldhafte, in Schleiern vertane Leben zurückzuholen, indem eine radikale Veränderung der bisherigen Lebensweise, die auf lineare Zeit aufgebaut ist, stattfindet, die jederzeit die gleichen Gräuel auf der Körperebene möglich macht, wie sie auch gegenwärtig vor unseren Augen geschehen! Mitmachen im Alltag und Konsum etwa.
Alles, was diese Körperwelt überschreitet, wird mit einem Tabu belegt; und die Mehrheit sieht nicht nur Lyrik als unsinnig an, sondern alles, was nicht mit den Händen fassbar ist; die Mehrheit geht den Verführern begeistert auf den Leim, die erklären, dass die mentale Persona nicht existiert, und die Bewusstseinsvorgänge nichts als neuronale Stoffwechselvorgänge seien, das Ich und das Selbst aber ihr Nebenprodukt, und also mit dem Tode verschwinden müssten.


So erscheint der Einzelne als sinnloses Tier, und das Endspiel-Todesbewusstsein im Leben, Absence aus der eigenen Existenz geht um, das Downerprogramm, so wird in diesen Niederungen jeder manipulierbar…

Der Mitomodernismo, vor allem Conti, geht dagegen an, meine poetik auch, ebenso die meiner kleinen Gruppe, des Acapismo.
Der Mitomodernismo hat den Rebellen Dino Campana, der schon im ersten Weltkrieg dagegen anging, zum Wahnsinn getrieben wurde, zum Vorbild. Ich habe mich intensiv mit ihm beschäftigt.
Ich schreibe, also bin ich - so könnte man Campanas Credo bezeichnen: Das rettende Wort suchte er, mit dem er sich seiner selbst versicherte, mit dem er den unaufhaltsamen Lauf zum Wahnsinn aufzuhalten versuchte. Und er hoffte auf eine Berührung des Lebens mit der göttlichen Imagination. "Der zweite Zustand des Geistes ist der mediterrane Zustand. Er kommt unmittelbar vom Natürlichen her; das Leben aber, so wie es ist, kennen wir. Jetzt wollen wir das Leben gemeinsam träumen...' In der südlichen unverdorbenen Landschaft hoffte er; diese reine Berührung zu finden, so wie er sie in der Kindheit und in der südamerikanischen Pampa gefunden hatte. Er hoffte" es im Gedicht zu finden, dies Unbetretene:

Dieser erstrebte "zweite Zustand des Geistes', der "mediterrane Zustand', ist eine Art heilignüchterne Ekstase. Das Bild der Toskana um 1300 steigt vor uns auf, die Welt Giottos. Oder auch die Welt der Volkschöre, die Campana liebte, ihren Rhythmus: Zusammenklang von Phantasie und Idee am Weitgrund ist. Poesie - so sieht Dino Campana die toskanischen Städte und Landschaften: genau ins Unendliche gezielt, - ein Auge, das alles Äußere auflöst und sich nach innen zurückzieht, wo es einem Traum, der eignen Empfindung nahe kommt: "Toskanischer Charakter. Damit diese Wirklichkeit existiert, musst du ein gelbes Gewölbe über den schwarzen Samt spannen und die Zöpfe einer Strohflechterin, die Strohhalme aus Gold webt. Fach sie nicht an, diese Kohle der Leidenschaft: denn sie wird dir antworten mit dem elementaren Feuer von Spielkarten; du aber jene Trommeln , mit denen der arme Giotto seine Madonnengesichter begreifen kannst du sicher sein, die doppelte Ebne, zeigt dir die doppelte Figur: eine Lösung, die der Geist erwartet und unser Stolz." Aber diese Lösung, die der Geist erwartet und auch der Stolz, die gab es nur noch im Gedicht. Eine Wand schien davor zu stehen, die zähe Realität aus Menschen und Dingen. Campana konnte zur eignen Empfindung gar nicht mehr kommen. Es war Kriegszeit, der Erste Weltkrieg, die Apokalypse, der Hass, der Tod. Und diese Wand spürte Campana wieder bis hinein in den Irrsinn einzelner Momente der Wirklichkeit, die sich für ihn immer weniger binden wollten.

Doch noch etwas verbindet mich mit dem Mitomodernismos, diesmal denke ich an Kemeny: Schönhit als Widerstand, Schönheit, die das Eine widerspiegelt oder das Licht des Sakralen? Und bei Kemeny ist eine Grenzöffnung und Schock da, die das Schöne, ich verstehe es genau so, nicht papieren, existenziell, ja gefährlich macht, Rilke. Alles Schöne ist Schrecklich:

Und kämen die Besucher und käme ein Mensch gar
mit dem Lichtbart und stotterte er wie in der Poesie
unpräzise das Schöne
nur auf diesem Blatt oder Schrift an der Grenze
als bekäme sie
neue Synthesis
als Kopf- und Herzoffenbarung bekannt:

Wenn etwas stimmt, sag: DAS IST SCHÖN!
Es kommt nicht mehr nur
im Herzen/ im Kopf hier an: sondern flugbereit
die Kraft der Stimme
in uns telepathisch verbunden mit "ihnen" -

wie hier im Gedicht schon die
Zukunft: als hätten sie es mir zugeflüstert
Nicht aus Marmor oder aus Büchern, sie sind längst
befreit und warten da wirklich
schon immer im Einen.

Die Poesie hat dazu seltsame simultane Möglichkeiten zum „Einen“ zu kommen: Eine höhere Stufe, die zur Über-Sicht führt, - In-Eins-Bindung und Überschneidung von vielen Lebensperspektiven, bis ins Grenzenlose, besorgt das riesige Gedächtnis der Sprache mit ihren apperzeptiven und apriorischen Formen, um das Eine, den Einen in immer reicheren Spiralen zu umkreisen, es jedoch nie ganz zu erreichen, da „er“ (Sinn, Nichts, Tao, Gott – alles ohnmächtige Wort-Annäherungen!) unaussprechbar ist, das Namenlose, das alles erst möglich macht, auch uns und die Namen, nur dann da ist, wenn wir uns und die Namen löschen!

Es ist ein Furor der mystischen Einheit, ja, auch in Celanschem Sinn, ein Sprechen im Namen und ein Erwecken, ein Bewusstwerden lassen der Elemente, der Steine, Bäume, Tiere im dichterischen Wort. Ein sich für sie verantwortlich fühlen.

Oder Tomaso Kemeny, und seinem Pentalogo der Musen, der unsere Existenz verändern könnte, Rilkes: Du musst dein Leben ändern.

Wobei das Vertrauen in die Kraft der schöpferischen Imagination, überhaupt Vertrauen in den Kairos des Moments und der Schönheit darin, also die Nebel vor dem Bewusstsein verschwinden soll. Durch Poesie Verschwinden der Isolation, die den modernen Menschen krank macht, aufgehoben, die zerstörerischen Kräfte, wo wir mitmachen, aufgehoben, die Vergiftung.


Doch der Mitomodernismo Gottseidank ist in Italien nicht unmöglich, wie etwa auch in Rumänien nicht, wo es ebenfalls solch eine Strömung gibt.

Im rationalistischen Deutschland jedoch?

Bei den gleichaltrigen, älteren oder gar bei den jüngeren deutschen Kollegen stößt solch eine Poiesis und Poetik auf Unverständnis, ja Ratlosigkeit, obwohl diese Poetik zur großen Tradition der Poesie gehört; nicht etwa nur der deutschen Romantik, Klassik und bis 1968 (bei Paul Celan besonders ausgeprägt) – sondern es sind weltliterarische Überlebenszeichen (bis hin zu Dante und Petrarca oder Shakespare!), die sich in diesen Räumen bewegen! So kam etwa beim Gespräch zwischen Durs Grünbein, Brigitte Oleschinski und Peter Waterhouse (in „Die Schweizer Korrekur“, Hrsg. Urs Engler, 1994), zu Grünbeins schön formulierten Gedanken-Gängen dazu, dass „im Passgang von Denken und Andenken ... sich das lyrische Sprechen eine Gegenwart jenseits des Todes und diesseits der historisch verhafteten Zeit“ schaffe, dass darin die „anthropologische Dimension der Dichtung“, jetzt liege, „ die man vielleicht erst heute erkennt, im Moment der Synthese verschiedener Denkformen und nach dem Heimgang der Philosophie;“ dass sich erst in der Dichtung „die ältester Empfindung mit dem jüngsten Einfall ... in einem Akt blitzartiger Imagination“ treffe, - bei Oleschinski außer einem „mhmm...“ nur eine weiße leere Seite steht, und bei Waterhouse nichts als das Wort „ kein Meta-Ort“. Und bei Grünbeins Bemerkung, dass sich in den „verdichteten Bildern ... die Vorstellung des Einzelnen synchronisiert mit der Weltwahrnehmung aller – solange es Überlieferung gibt.“ Die es gar nicht mehr geben darf? Denn zur treffenden und tiefen, einer zum Grunde gehenden Passage Grünbeins, die das Zugrundegehen unserer Welt mit in sich enthält, ja erklärt, dass nämlich „jenseits der protokollarischen Einzelheiten eines Menschenlebens und über alle Stilepochen und Kunstidale hinweg“ „das Gedichtwort Verbindung zu den Gedächtnisgründen, den im Erdreich versunkenen Zivilisationen, den allgegenwärtigen Toten“ halte! Fällt Oleschinski nichts und Waterhouse nichts als die flache Bemerkung: es sei ja das alles „nur ein Bestandteil dieses Lebens“ ein!(?) Nämlich genau an jener Stelle, wo Grünbein die entscheidende Frage stellt: „Woher sonst rühren alle die vielen Déjà-vu-Momente, die endogenen Symbole und Leitmotive, die so etwas wie eine anthropologische Blickweise überhaupt erst ermöglichen?“

Und hör die Stimme nur im Wort/ die jetzt beginnt: du bist bei uns/ komm sei uns näher/ als dir bewusst.

... steh still und atme noch// Ein Augen Blick war ganz bei ihnen/ kehrt jetzt zurück ich staune wieder/ dass ich noch bin.


Doch zurück zum Einen und größten Zusammenhangsystems von Sinn. Und die Instrumente des Gedichts dazu:
Der Einfall, die Inspiration ein Blitz aus jenem Reich, aus dem Netzwerk kosmischen Wissens in uns? Hegel nannte Poesie „Apriorität des Individuellen“, ja apriorisch ist solch ein Einfall, außerhalb sinnlicher Erfahrung. Dabei ists egal ob es sich um ein Gedicht, um Musik oder um eine wissenschaftliche Formel handelt. Heidegger bringt dafür ein interessantes Faktum in seinem Buch über Kant „Die Frage nach dem Ding“, das etwa der Einfall einer mathematischen Formel, wie etwa Newtons Formeln, exakte Inspiration waren, wie übrigens viele andere Wissenschaftseingebungen auch. Newton ließ die Formeln zuerst liegen, erst 12 Jahre später, nachdem Fernrohre genauer wurden, Messung der Distanz zum Mond exakter, da stimmte die Formel Newtons bis ins letzte Dezimalkomma.

In Italien gibt es die Lyrik-Gruppe der Terza ondata (Dritte Welle). Allegorie gegen politische Ökonomie. Das wäre wie der Sieg Homers über Platon oder besser, ihr Zusammenschluss. Allegorie: PARDES in der Kabbala, die vier Paradiesesflüsse. Das Verborgene des Vieldeutigen Sinnes. Auch Dantes vierfacher Sinn im Toscanischen muss dazu erwähnt werden. Oder Meyers KonservationsLexikon: ALLEGORIE (griech.) Die Darstellung eines Objektes oder Geschehens (Erzählung, Bildwerk), wodurch unsere Phantasie ein anderes Objekt oder Geschehen als das unmittelbar Dargestellte vergegenwärtigt. - So kann sie den Schleier durchdringen. Nähe Parabel und Fabel. Doch die allegorische Personifikation hat im Gegensatz zu Fabel und Parabel keine Wirkung auf die Logik (Analogieschluss) - sondern auf Phantasie. Ist also Unendlichkeitsoffen Doch ihr Wert liegt im unmittelbar sinnlich Gegebenen, nicht im Gemeinten, das ist ästhetisch gleichgültig. Also wichtig ist, dass die Darstellung des ersten Sinnes stimmt. Sonst entsteht Kitsch - oder verstaubtes Zeug, wie Heldenbüsten. Eine frostige Zeile oder ein glattes Zeilengedicht. Allegorie ist wichtig in Zeiten der Leere (wie heute), wo das Spiel der Phantasie Wirkung auf Herz und Gemüt ersetzen muss. Allegorische Figuren: Gerechtigkeit: Frau mit Waage.
Nach Benjamin aber ist es wichtig: dass auch im Historischen der Hintersinn, die Hirnsyntax erkennbar wird. Wie bei Brecht. So kann sogar der Hintersinn wieder nützlich werden, politisch, und bleibt nicht postmodern:- beliebig.







STUDIEN UND REZENSIONEN

Wiederkehr des absoluten Gedichts
Dieter Schlesaks Lyrik-Band "Aufbäumen"
 
Worte, Worte -, Substantive! Sie brauchen nur die Schwingen zu öffnen und Jahrtausende entfallen ihrem Flug": Mit solchen pathetisch glühenden Sätzen formulierte einst Gottfried Benn das Evangelium seines "absoluten Gedichts". Seine monologische Dichtung der "Wallungswerte" und semantisch aufgeladenen Einzelworte ist seit den sechziger Jahren oft totgesagt worden. Man kritisierte die Geschichtsferne von Benns Konzept und seine metaphysische Überhöhung des poetischen Prozesses.
Die Texte, die nun der rumäniendeutsche Autor Dieter Schlesak in seinem Gedichtband Aufbäumen vorlegt, arbeiten unübersehbar an einer Rekonstruktion des "absoluten Gedichts". Zwar will Schlesak keineswegs die Bennsche Kunstmetaphysik revitalisieren. Im poetologischen Nachwort, das er seinem Band beigefügt hat, rekurriert Schlesak auf Paul Celans Dichtung der Sprachmagie und auf Denkfiguren der jüdischen Sprachmystik, der Kabbala. Aber in der poetischen Praxis führt dieses Konzept zu ähnlichen Ergebnissen wie bei Benn.
Denn auch Schlesak vertraut in seinen Gedichten auf die evokative Kraft des semantisch aufgeladenen Einzelwortes, auf die magische Aura bedeutungsschwerer Substantive. So flattern in seinen Gedichten die "Gleichnistauben" auf, registriert das lyrische Subjekt den "Sphärenklang" des Seins. Ziel seiner lyrischen Exkurse ist die "weiße Gegend", jene Zone des Unvordenklichen und Unsagbaren, in der sich die Geheimnisse der Welt offenbaren. Die "weiße Gegend" setzt Schlesak synonym mit einem Zentralbegriff der Kabbala: dem unaussprechbaren "Nichts", das den Urgrund des Seins bildet. Über die mannigfachen Analogien zwischen der Bilderwelt der Gedichte und den Symbolen und Motiven der Kabbala wird man im Nachwort eingehend unterrichtet. Aufbäumen, der Titel des Gedichtbands, verweist nicht nur auf den biblischen "Baum der Erkenntnis" und den "Sprachbaum" der Kabbala, sondern zitiert auch Bilder der revolutionären Auflehnung und der Katastrophe: etwa das von Celan überlieferte Bild der verbrannten Toten, der sich im Feuer aufbäumenden Leiber im Feuer. Im Nachwort signalisiert Schlesak auch den hohen Erkenntnisanspruch seiner Gedichte. Der Lyrik, heißt es da, falle die Aufgabe zu, in "Worthöfen" und "an Sinn- und Sprachrändern das Nichtsagbare anzugehen" und "sich den offenen Augenblick, dem Unvorhergesagten zu überlassen". Das sprachmystisch inspirierte Gedicht ist für den Lyriker Schlesak der letzte Ort, an dem man sich den von einer funktionalistischen Welt verursachten Trennungen und Spaltungen widersetzen und zur Erfahrung des Ursprungs und des Welt-Zusammenhangs gelangen kann.
Es geht aber in diesen Gedichten nicht nur um mystische Erfahrung, sondern auch um historische Erinnerung. Neben die des Eingedenken der jüdischen Leidensgeschichte tritt bei Schlesak die poetische Erinnerung an die verlorene Heimat. 1969 hat der Autor Siebenbürgen, das Land seiner Herkunft, verlassen, ohne seither je wieder an einem Ort heimisch werden zu können. Dieser schmerzhafte biographische Bruch hat sich in seine Gedichte eingeschrieben, erscheint dort in hermetischer Chiffrierung. Denn fast alle sinnlichen Wahrnehmungen, persönlichen Beobachtungen und Erinnerungen werden in diesen Gedichten in eine dunkle Metaphorik transformiert. Schlesaks sprachsystematische Poetik realisiert sich in Texten, die sich um große existenzielle Schlüsselwörter gruppieren: Nichts, Sein, Zeit, Ewigkeit, Gott, Tod und Grenze bilden die elementaren Vokabeln dieser Poeme. So entstehen fast durchweg hermetische Gebilde:
"Hebräischer Block / kommt näher. Fels nach dem / Ende. Kein / Fließen mehr. Nach / dem Fall / Jahrtausendespät / versteinert das Hirn // Erschüttert, / aus dem Mund, / kein Gott, Gebrochenes Hier."
Schlesak sucht das ästhetische Risiko: Das Gedicht wird von ihm zum transzendenten Schöpfungsakt erhöht, der alle profanen Erkenntnisprozesse weit über steigt. Auch hier entsteht also ein "absolutes Gedicht", das die der Sprache immanente Magie entfalten und mystische Epiphanien vermitteln will.
Diesen selbsterteilten Auftrag kann Schlesaks Gedicht nicht immer erfüllen. Auf der Suche nach kosmischen Urworten verfallen seine Gedichte zuweilen in ein sakrales Raunen, das suggestive Erlösungsformeln herbeizitiert. Die "radikale Umkehr aller Vorstellungen und Worte" bleibt hier eine poetische Utopie. Aber es finden sich in Aufbäumen auch Texte, die in ihrer Genauigkeitsemphase an die Dichtung Celans heranreichen. "Das absolute Gedicht", formulierte Celan 1959, "nein das gibt es gewiss nicht, das kann es nicht geben!" Aber, so Celan weiter, es gibt den "unerhörten Anspruch" des Lyrikers, der "mit seinem Dasein zur Sprache geht, wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend". Dieter Schlesak hält an dem "unerhörten Anspruch" des Gedichts fest.
Und das ist schon viel. MICHAEL BRAUN
 (Frankfurter Rundschau 1990) 

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